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Der Historiker als Experte. Die Arbeitsgruppe Historische Standortbestimmung 1961–1985, vol. 23, doc. 11
volume linkBern 2025
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| Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E9500.225#1000/1190#2* | |
| Old classification | CH-BAR E 9500.225(-)1000/1190 2 | |
| Dossier title | Protokolle der Arbeitsgruppe (1971–1985) | |
| File reference archive | 1 |
| Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E3803#1992/256#101* | |
| Old classification | CH-BAR E 3803(-)1992/256 39 | |
| Dossier title | EDA, Arbeitsgruppe "Historische Standortbestimmung" (1984–1984) | |
| File reference archive | 3-03 |
| Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E7296A#1998/421#180* | |
| Old classification | CH-BAR E 7296(A)1998/421 62 | |
| Dossier title | Arbeitsgruppe Historische Standortbestimmung (1981–1985) | |
| File reference archive | 074.75 |
| Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2010A#1996/397#1269* | |
| Old classification | CH-BAR E 2010(A)1996/397 337 | |
| Dossier title | Arbeitsgruppe "Historische Standortsbestimmung" (1984–1984) | |
| File reference archive | C.41.770.09 |
| Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2024A#1996/398#71* | |
| Old classification | CH-BAR E 2024(A)1996/398 19 | |
| Dossier title | Arbeitsgruppe "Historische Standortsbestimmungen" (1985–1987) | |
| File reference archive | a.141.32 |
| Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#J1.301#2002/197#451* | |
| Old classification | CH-BAR J 1.301(-)2002/197 147 | |
| Dossier title | Arbeitsgruppe "Historische Standortbestimmung" (1980–1986) |
dodis.ch/34227Protokoll der 45. Sitzung der Arbeitsgruppe Historische Standortbestimmung1
Neutralität und Neutralitätspolitik heute
eröffnet die Sitzung zum Thema «Neutralität und Neutralitätspolitik heute» und stellt die Referenten vor. Er dankt den Gästen und den Mitgliedern der Kommission für ihr Erscheinen.
Referat siehe Beilage I. [S. 287–291]
Referat siehe Beilage II. [S. 292–297]
dankt den Referenten und eröffnet die Diskussion.
Ich fühle mich einerseits durch die interessanten Anregungen herausgefordert, anderseits, solange ich noch Beamter bin, in meiner Aussage etwas eingeengt.
Professor Lüthy hat zu Beginn seines Referats die Militanz der Öffentlichkeit erwähnt. Die schweizerische Öffentlichkeit ist zwar wenig an der schweizerischen Aussenpolitik als solcher interessiert, nimmt dafür aber um so mehr am weltweiten aussenpolitischen Geschehen lebhaften Anteil. Es stellt sich daher die Frage, wie die Schweiz reagieren soll, wenn etwas im Ausland geschieht, ob es nun unser Land direkt berühre oder nicht. Sollen wir uns zum præceptor mundi emporschwingen? Welches sind die Leitlinien, nach denen wir uns in offiziellen Meinungsäusserungen zu Vorgängen im Ausland richten sollen? Wenn eine krasse Völkerrechtsverletzung vorliegt, sollen wir etwas dazu sagen? Wie weit erwartet die schweizerische Öffentlichkeit eine Reaktion des Bundesrates? Als Beispiele seien hier die Tschechoslowakei 19682 und Grenada3 erwähnt. Wie intensiv sollen wir auf solches reagieren? Ist unsere Reaktion z. B. nach der Schwere des Geschehnisses, nach dessen geographischer Nähe oder nach welchen anderen Kriterien zu richten?
Diese Fragen lassen sich nicht nach einem Schema beantworten. Zu berücksichtigen sind dabei primär auch schweizerische Interessen, so die Existenz einer Schweizer Kolonie oder die Belange unserer Wirtschaft, die durch unsere öffentlichen Erklärungen beeinträchtigt werden könnten. Eine zentrale Rolle spielt sicher die Frage, ob eine Völkerrechtsverletzung vorliegt. Es ist nicht immer leicht, diese verschiedenen Aspekte unter einen Hut zu bringen.
Ich möchte nochmals auf einige Fragen aus dem Referat von Professor Lüthy zurückkommen: Zwischen was oder wem sind wir neutral? Was ist überhaupt die Neutralität seit Ende des Zweiten Weltkrieges?
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges mochte es scheinen, als ob der Schauplatz der Konflikte aus Europa hinaus weit entrückt sei. Die UNO glaubte darüber hinaus in ihrer ersten Euphorie, den Weltfrieden sichern zu können. Unserer Neutralität schien damit weitgehend der Boden entzogen. Neutral zwischen wem? Im Laufe der Jahre haben sich aber die Illusionen verflüchtigt und sind die Konflikte wieder in unsere unmittelbare Nähe gerückt. Die Neutralität hat plötzlich erneut einen sehr unmittelbaren Sinn. Dennoch stellen wir immer wieder eine erhebliche Differenz zwischen dem Denken im Bundeshaus und dem Empfinden der Öffentlichkeit in aussenpolitischen Belangen fest. Für das EDA beispielsweise ist Jugoslawien ein wichtiger Faktor. Wir bemühen uns auf manchen Ebenen, mit Jugoslawien enge Beziehungen zu pflegen.4 In der KSZE waren die Haltungen der Schweiz und Jugoslawiens innerhalb der N+N oft sehr nahe beieinander.5 Gerade weil uns die Blockfreiheit Jugoslawiens wichtig ist, versuchen wir, dem Land auch bei der Lösung seiner Verschuldungsprobleme zur Seite zu stehen. So haben wir es übernommen, die Koordination der Stützungsaktion der westlichen Gläubigerländer Jugoslawiens zu besorgen.6 Solche Aktionen, die auch für unser Land bedeutsam sind, finden aber leider sehr wenig Widerhall in der Öffentlichkeit.
Auch unsere Mission der Guten Dienste führen wir – als Ausdruck unserer Neutralitätspolitik – weiter. So übernahmen wir bekanntlich den Interessenschutz der USA bei der Botschaftsbesetzung und Geiselnahme im Iran,7 was aber Teheran nicht daran hinderte, uns mit gleichartigen Mandaten in Israel, Ägypten und Südafrika zu betrauen.8 Und bei Ausbruch des Falklandkonflikts9 wurden wir von London als Schutzmacht in Argentinien berufen10. Mehr anekdotisch sei noch beigefügt, dass die kubanische Botschafterin in Bern11 während der amerikanischen Besetzung Grenadas mit Forderungen an die Adresse der USA betreffend die auf Grenada vorgefundenen Kubaner bei mir vorsprach. Auf meine Bemerkung, dass sie richtiger daran täte, mit solchen Anliegen an die Tschechoslowakei zu gelangen, die ihrerseits als Schutzmacht Kubas in Washington fungiert, antwortete sie, dass sie das wisse, dass man aber in Havanna, wenn etwas schnell und effizient geschehen solle, lieber den Schweizer Kanal benutzt.12 Auch die kürzliche Palästinakonferenz13 und sodann die libanesische Konferenz14 zur Behebung der inneren Spannungen haben beide die Rolle bestätigt, die ein neutrales Land immer noch spielen kann. Ohne die Teilnahme und Ansprache von Bundespräsident Aubert bei Eröffnung der libanesischen Zusammenkunft wäre diese möglicherweise gar nicht erst richtig in Gang gekommen.15
Noch ein Wort zur bundesrätlichen Stellungnahme zu den Ereignissen in Grenada, die nicht überall verstanden wurde und auf gewisse Kritik gestossen ist. Hier hat der Bundesrat vorerst, keine zwei Tage nach der amerikanischen Landung, noch sehr vorsichtig reagiert, da uns in Bern, wie in vielen anderen Kapitalen, die erforderlichen Informationen fehlten. Dies wurde eine Woche später, als die Lage faktisch und rechtlich überblickbar geworden war, durch eine vom Vizekanzler16 verlesene Sprachregelung des Bundesrates nachgeholt, worin erstmals expressis verbis eine «Verurteilung» ausgesprochen wurde.17 Übrigens hat auch die britische Premierministerin Margaret Thatcher unter dem Druck der öffentlichen Meinung und des Parlaments, nach anfänglicher Reserve, eine zweite, schärfer formulierte Stellungnahme bekanntgegeben.
Nun zur UNO. Zur Frage der wirtschaftlichen Sanktionen will ich mich hier nicht äussern, das würde uns zu weit führen, sondern lediglich zur – etwas vorwurfsvollen – Frage wegen der vierfachen Absicherung der Neutralität. Diese ist in der Tat stark in den Mittelpunkt der intern-schweizerischen UNO-Diskussion gerückt. Dabei ist zu unterscheiden zwischen jenen, die aus ernsthafter, ehrlicher Sorge um unsere Neutralität dem UNO-Beitritt skeptisch oder ablehnend gegenüberstehen, und jenen, die den Beitritt in Bausch und Bogen ablehnen, wobei ihnen die «Gefährdung» der Neutralität als willkommener Vorwand dient. Jedenfalls bestand aber ein Bedürfnis, die Frage weiter zu klären. Das war es auch, weshalb ich vom Bundesrat beauftragt wurde, mit dem Generalsekretär der UNO18 in New York Kontakt aufzunehmen, um dem Problem auf den Grund zu gehen.19 Es wurde mir vom Generalsekretär klar bestätigt, dass ein ausdrücklicher Vorbehalt bei unserem Eintritt in die UNO, weil in der Charta nicht vorgesehen, ausser Betracht fällt. Hingegen stehe es uns frei, unseren Beitrittsantrag, gewissermassen im Sinn einer Notifikation, namens der Schweiz als eines «dauernd neutralen» Staates einzubringen. Die zusätzlichen Sicherungen (öffentliche Erklärung des Bundesrates, orientierende Note an die UNO-Mitgliedstaaten, Hinweis auf unsere Neutralität bei der ersten bundesrätlichen Ansprache in der UNO) sind, jedenfalls die beiden letzten, eigentlich Selbstverständlichkeiten.
Je voudrais faire quelques remarques au sujet de la politique verbalement «interventionniste» de la Suisse. En fait, ce qui frappe dans ce domaine, c’est l’absence de règles, qu’elles soient politiques ou de droit international. Ce qui est déterminant, c’est l’émotion de l’opinion publique et son transfert au niveau du Conseil fédéral. Ces cinq dernières années, il y a eu trois cas de violation du droit international particulièrement clairs et il s’agissait à chaque fois d’une agression: l’intervention de l’Argentine aux Falklands,20 l’invasion du Cambodge par le Vietnam21 et les hostilités ouvertes par l’Irak contre l’Iran.22 Il n’y a eu aucune déclaration du Conseil fédéral concernant ces trois cas. En revanche, le Conseil fédéral a émis une déclaration concernant la question de Grenade.23
Je dirais qu’en cette matière le Département des affaires étrangères est, parmi tous les départements, le moins interventionniste. Les réactions sont le fait du collège gouvernemental qui décide souvent d’émettre une déclaration en dépit de l’avis émis par le DFAE.
Il faut reconnaître que la ligne est difficile à cerner: la politique l’emporte sur le droit dans ce domaine. Les réactions de tous les gouvernements, même neutres, sont de nature politique. Il est plus important de constater ce que l’Union soviétique fait en Afghanistan24 que ce que les États-Unis font à Grenade: ces cas sont peut-être semblables en droit international, mais il demeure que du point de vue de leur gravité, ils sont politiquement différents, et le gouvernement étant de nature politique, il est compréhensible qu›il prenne des positions politiques. Le Conseil fédéral n›est pas la Cour Internationale de Justice mais un organe politique.
Sans doute la Suisse adopte des positions tranchées et condamne l’Ouest plus rarement que l’Est: sa neutralité n’a pourtant pas perdu sa crédibilité au plan international. On s’en aperçoit notamment lorsque l’on examine la position à notre égard des pays que nous avons condamnés. Malgré nos différends avec l’Union soviétique (affaire Nowosti,25 retards causés au départ de musiciens russes à la suite d’une enquête de la police bernoise,26 déclaration antisoviétique du Conseil fédéral sur la destruction d’un avion civil sud-coréen par l’aviation militaire soviétique,27 positions prises par la délégation suisse à la conférence de Madrid28), ce pays continue à nous témoigner sa confiance. J’en veux pour preuves les demandes de bons offices que l’Union soviétique nous a fait parvenir récemment et qui concernaient la libération de prisonniers soviétiques aux mains des rebelles de l’Unita29 et de ceux, au nombre de dix-neuf, détenus par un mouvement de résistance au Mozambique30.
À la Conférence sur la Sécurité et la Coopération en Europe, la Suisse a eu, parmi les neutres et non-alignés, une position de flèche dans le domaine des droits de l’homme et en particulier en ce qui concerne les reproches faits à l’Union soviétique. Et pourtant, c’est vers la Suisse que l’Union soviétique est revenue dans la phase finale parce qu’elle savait que nous avions encore la confiance des pays occidentaux (ce qui était d’ailleurs également le cas de la Yougoslavie, alors que l’Autriche et la Suède, à la suite de leurs déclarations conciliantes, ne bénéficiaient plus de cette confiance).
Des prises de position plus dures et «moins neutres» n’entachent donc en rien notre crédibilité envers l’Union soviétique. Celle-ci sait que la Suisse est un pays capitaliste, et qu’elle a sur les droits de l’homme et le système social des idées complètement différentes de celles de l’Union soviétique. Il est inutile de nous cacher, et d’ailleurs l’Union soviétique n’en serait point dupe.
S’il y a des problèmes pour notre neutralité dans les mois à venir, ils ne sont pas à l’extérieur mais à l’intérieur de notre pays. On nous demande de déclarer de grands principes dans les fora internationaux, alors qu’il devient difficile de les faire respecter dans notre propre pays (asile, réfugiés, etc.). Par exemple des mouvements d’opinion nous demandent de ne pas renvoyer les prisonniers soviétiques internés dans notre pays en Union soviétique à la fin de leur internement (mars-avril 1984). Il est clair que le Conseil fédéral n’obligera pas ces internés à rentrer dans leur pays et qu’ils auront le choix de rester. Le problème n’est pas là. En fait la question est la suivante: si ces prisonniers restent en Suisse, qu’allons-nous en faire compte tenu de la conjoncture interne actuelle?31
Ich kann hier die Erfahrung eines Wahlkampfes in die Diskussion einbringen. Die Nichtwahl selbst darf möglicherweise als Folge meines UNO-Engagements verstanden werden.32
Aufgrund dieser Erfahrungen komme ich zum Schluss, dass die Neutralität für einen grossen Teil unseres Volkes ein Mythos ist. Die Neutralität ist für einen grossen Teil unseres Volkes ein Verfassungsgrundsatz geworden und nicht mehr nur ein Mittel unserer Aussenpolitik.
Ich war selbst als ausserparteilicher Gast für ein Kurzreferat über die UNO an einer Wahlveranstaltung der SVP zugegen. Von den dort anwesenden 11 Nationalratskandidaten sprachen sich sieben gegen und zwei eindeutig für einen UNO-Beitritt aus, während zwei weitere Kandidaten auf die entsprechende Frage mit einem «ja, aber» antworteten. Von den vier Befürwortern wurde nur einer der beiden «ja, aber-Kandidaten» gewählt.
Die gleichen Leute, welche Neutralität als einen Mythos betrachten, verlangen vom Bundesrat bei jeder Gelegenheit einen aussenpolitischen Protest. Für den Ausbau der internationalen Beziehungen der Schweiz ist dies ein Problem, und es ist schwierig, dies einem Volk, welches die Neutralität mehr emotional versteht, verständlich zu machen. Im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Sanktionen wurde in der UNO-Botschaft erwähnt, wir dürften nicht wieder in eine Situation hineingeraten, welche der differenzierten Neutralität des Völkerbund es entsprechen würde.33 Mir scheint wichtig, hier festzuhalten, dass die vierfache Neutralitätserklärung ein rein innenpolitischer Akt ist. Es ist absolut notwendig, den Leuten klarzumachen, dass die Neutralität der Schweiz durch einen UNO-Beitritt in keiner Art und Weise tangiert würde.
Pour le peuple suisse, la neutralité est aussi un mythe; c’est là une des données du problème qui nous occupe. Nous devrons la prendre en considération quand nous examinons sa raison d’être, son efficacité, ses avantages et le coût qu’entraînerait son démantèlement. Il ne suffit donc pas d’en définir rationnellement le contenu juridique et politique. Une anecdote vous aidera peut-être à comprendre ce que je veux dire. Cela se passait en 1948, dans un restaurant indonésien d’Amsterdam: il y avait là Karl Barth, l’évêque Niels, de Ceylan, M. Vissert’Hooft et quelques autres personnes dont moi: À un moment donné, Niels a dit à Karl Barth: «J’admire votre Dogmatique, vos rigoureuses considérations théologiques sur le pardon de Dieu; mais, à Ceylan, c’est inutilisable. Quand je veux expliquer le pardon de Dieu, je raconte simplement à mes ouailles: cinquante corbeaux sont sur un arbre, un enfant jette un caillou, tous les corbeaux s’envolent. Ainsi, quand Dieu pardonne, disparaissent les péchés. Ma dogmatique, je vous l’assure, vaut bien la vôtre.»
Il en va de même pour la neutralité. Elle se démontre, certes, mais elle s’exprime aussi spontanément, par l’image et le sentiment. Le Suisse y croit sans toujours savoir exactement ce qu’elle est. Je me souviens que lorsque j’étais à la légation de Suisse à Rome pendant la deuxième guerre mondiale, le fait d’être ressortissant d’un pays neutre me donnait bonne conscience, et m’aidait dans mon travail sur le terrain. Je pouvais dire aux Italiens: ce que je fais ici pour les prisonniers britanniques, d’autres Suisses le font en Australie pour les prisonniers italiens.
La neutralité, comme article de foi, est importante sur le terrain. Le lien est parfois ténu entre la neutralité en tant que maxime politique et instrument de droit international d’une part, et la neutralité devenue pour le Suisse article de foi. La neutralité intériorisée fait partie de son bagage intellectuel et moral. On s’en aperçoit dans le débat concernant les exportations d’armes. Je voulais attirer votre attention sur cette autre dimension de la neutralité, difficilement saisissable. «Les mythes sont des réalités».
stellt zu ihrer Information zwei Fragen:
1) Herr Professor Wildhaber hat in seinem Referat erwähnt, es müsse differenziert werden, ob die kubanischen Truppen legal oder illegal nach Grenada gekommen seien. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass auch im 2. Weltkrieg stets eine solche «Bitte» vorhanden gewesen ist. Besteht für uns ein Unterschied, ob die Kubaner auf Wunsch Bishops oder aus eigenem Antrieb dorthin gelangt sind?
2) Ich habe mit grossem Interesse Professor Lüthy’s Konstruktion eines Riegels von neutralen Staaten, gebildet durch die Schweiz, Österreich und Jugoslawien, verfolgt. Wie steht es eigentlich mit den andern Balkanstaaten? Ist das, was dort geschieht, nicht eine Art ganz, ganz langsamer «Prager Frühling»? Könnte diese Entwicklung, die sich in Ungarn vollzieht, nicht zu einer Art stillen Neutralität führen, unter Akzeptanz durch die Sowjetunion? Interessiert uns diese Entwicklung nicht in höchstem Masse?
Wir müssen unsere Prämissen in Bezug auf Grenada klarstellen. Es lässt sich immer eine rechtliche Begründung vorschieben angesichts der zunehmenden Aufweichung des Gewaltverbotes, unter anderem durch das Recht zur Selbstverteidigung. Rechtlich gesehen, kommt es darauf an, ob eine «Einladung» an eine andere Regierung erging. Es scheint, dass Sir Paul Scoon eine solche Einladung ausgesprochen hat. Bei Afghanistan war dies höchst verschieden.
Ich war vor einem Monat in Budapest. Alle meine dortigen Gesprächspartner betonten, wie sehr Ungarn bemüht sei, eine eigenstaatliche Politik zu führen.34 Das gleiche war von den Ungarn zuvor dem amerikanischen Vizepräsidenten gesagt worden, der dies dann in Wien in einer Erklärung publik gemacht hat.35
Ungarn wurde damit gegenüber Moskau in grosse Verlegenheit gebracht und hat Bush’s Mangel an Diskretion wenig geschätzt.
Sans doute pourrait-on traduire «Standortbestimmung» par «évaluation de la conjoncture». Puisque nous parlons d’évaluation, je voudrais poser la question suivante: de quels instruments dispose le Conseil fédéral pour évaluer l’opinion publique qui – nous dit-on – est si importante dans la prise des décisions? Se base-t-on sur un article du Blick ou de la Nouvelle Gazette de Zurich? Si l’on ne dispose que de moyens primitifs d’évaluation, alors il est préoccupant que les «pulsions du Conseil fédéral» reflétant les «pulsions de l’opinion publique» puissent mener à une appréciation différente de celle proposée par une analyse du Département des affaires étrangères. Je rappelle à ce sujet qu’il y a des cas où le Conseil fédéral a dû retoucher sa position après 48 heures.
Une des tâches de notre groupe de travail pourrait être de trouver des moyens d’évaluation qui soient sûrs.
Je voudrais, dans l’optique de «l’uomo qualunque», de l’homme de la rue, vous donner une sensibilité un peu différente sur ce qui a été dit. Il est exact que le peuple suisse suit avec intérêt ce qui se passe à l’étranger, mais qu’il s’intéresse peu à la politique étrangère suisse. Est-ce vraiment une dichotomie? Je ne le crois pas. En fait, le peuple suisse, à tort ou à raison, applique à la politique étrangère le vieil adage «Pour vivre heureux, vivons cachés». Or, que peut-on constater? Il y a dans notre politique étrangère des titillements répétés, des tentatives évidentes d’être plus interventionnistes. Cela vient-il du Département des affaires étrangères? De l’administration? Du Conseil fédéral? Je laisse ces questions ouvertes.
Notre peuple, tout passionné qu’il est pour ce qui se passe à l’étranger, attend de nos autorités une attitude plus réservée. C’est de la presse que le peuple suisse espère des prises de position maximalistes et la défense des droits de l’homme. De ses autorités, il attend une neutralité équitable et juridiquement mieux assise.
Je suis opposé à l’entrée de la Suisse à l’ONU et je regrette que nos autorités aient placé le peuple suisse devant un tel dilemme. Si le résultat du scrutin est négatif et que la Suisse n’entre pas à l’ONU, le monde entier en parlera. Est-ce bien intelligent?36
Depuis des lustres, le DFAE a été mené par un conseiller fédéral socialiste. Cela explique la situation présente. Du socialisme on passe à l’internationalisme, puis l’on dérape: le peuple suisse dira peut-être non à l’ONU et cela aura de graves conséquences.
Il est bon que le peuple suisse se passionne pour la politique internationale. Le peuple suisse ne serait pas mécontent que le gouvernement adopte une politique un peu plus sourcilleuse et pointilleuse dans les affaires étrangères.
Je voudrais faire quelques remarques sur la thèse de Monsieur le Professeur Wildhaber selon laquelle le principe de la neutralité ne devrait pas devenir un principe constitutionnel. À mon avis, les arguments qu’il avance ne sont pas décisifs. Il faut premièrement avoir à l’esprit que le mythe de la neutralité, comme l’a très bien dit Monsieur le Conseiller aux États Reverdin, est une réalité pour notre peuple. Dès lors, nous ne pouvons nous limiter à des arguments logiques et formels. Il a été dit que la politique de neutralité devait conserver un certain degré de souplesse et que le texte constitutionnel était en soi trop rigide pour cela. Je réponds que si le peuple suisse voulait abandonner la politique de neutralité, il lui suffirait de modifier le texte constitutionnel: où est la rigidité? On peut d’ailleurs observer que de nombreux principes constitutionnels, tels que l’égalité de traitement par exemple, conservent un certain degré de souplesse par l’application qu’en fait la jurisprudence.
Si l’on veut maintenir la neutralité, il faut insister pour que ce principe devienne constitutionnel. Quand on aura mis l’accent sur l’aspect juridique de la neutralité, le dualisme qui existe entre la neutralité et le neutralisme sera mieux compris par le peuple suisse; l’on éliminera le danger qu’une forme de neutralisme idéologique ne se substitue à notre neutralité.
La neutralité non seulement nous permet mais surtout nous oblige de respecter les droits de l’homme et donne à ceux-ci une nouvelle portée. Dans ce domaine, nous devons nous préoccuper de ce qui se passe à l’intérieur de notre pays: je pense notamment aux problèmes que nous rencontrons en matière d’asile politique et également à la collaboration sans issue qui s’est instaurée entre nos autorités nationales et les autorités étrangères sur la base de conventions qui risquent de nous faire abandonner peu à peu notre politique de neutralité (j’ai à l’esprit en particulier l’affaire Marc Rich37).
Quant à l’adhésion de la Suisse à l’ONU, je voudrais dire brièvement qu’à mon avis la différence entre la déclaration unilatérale et la réserve ne doit pas être exagérée. La réserve contient également des éléments d’unilatéralité: en pratique, «le partenaire écoute la réserve et ne se prononce pas».
Associé au destin d’une société multinationale suisse,38 je suis sensible à l’interdépendance économique et politique entre notre pays et les autres États du monde. Cette interdépendance nous a conduit à tempérer l’interprétation de certains de nos principes. «Nous n’acceptons pas de juges étrangers» certes, mais nous avons accordé l’entraide judiciaire internationale. Il en est de même dans le domaine des cartels et des transactions d’initiés. Il y a évolution dans notre manière de penser: nous nous apercevons que nous devons coopérer, nous ouvrir au monde, sans pour autant abandonner ceux de nos principes qui ont fait leurs preuves.
Dès lors, il est clair que tôt ou tard notre pays s’associera à une organisation mondiale, l’ONU ou son successeur. Mais est-ce là aujourd’hui notre vraie priorité? La Suisse a une contribution autrement plus importante que celle-là à apporter à la communauté internationale, à savoir sa stabilité et ses riches valeurs traditionnelles, notamment la neutralité. Voilà la véritable priorité. Gardons-nous, par une politique d’adhésion à l’ONU trop hâtive et brusquante, de risquer une rupture regrettable dans cet ordre de valeurs, précisément. Au lieu de mener une votation au forcing sur l’adhésion à l’ONU, combien plus important me paraît l’approfondissement de la discussion sur notre neutralité, afin d’en rendre le contenu plus cohérent et de susciter une prise de conscience. Ce serait une contribution moins spectaculaire, mais combien plus utile que le débat sur l’adhésion à l’ONU.
Ce qui a été contesté jusqu’ici dans «l’interventionnisme verbal» de notre gouvernement, ce n’est pas tellement sa motivation, mais plutôt son expression sur la place publique. Je me demande si motivation et expression peuvent être ainsi séparés, surtout si l’on est d’accord avec la motivation.
La presse interpelle le Conseil fédéral de manière parfois brutale. Le Parlement en fait de même. Pourquoi le Conseil fédéral ne pourrait-il pas s’exprimer, alors que dans certains cas cela peut être utile à la politique étrangère? Parfois, c’est le fait même que le Parlement s’exprime qui permet au Conseil fédéral de s’exprimer à son tour et de défendre, vis-à-vis de nos partenaires étrangers, une conception ferme de notre souveraineté et de notre indépendance. Exemple: les comptes bancaires de résidents français.39 Cela dit, les prises de position risquent de perdre de leur poids si le Conseil fédéral y recourt trop souvent.
Die Diskussionsteilnehmer haben darauf verwiesen, dass das Thema «Neutralität und Neutralitätspolitik» in der Öffentlichkeit diskutiert werden muss. Die Neutralität mag wohl vom Volk als ein Mythos empfunden werden, bloss: ohne Mythen würde die Schweiz nicht existieren. Der Schweizer fühlt sich durch die Neutralität behütet. Ich möchte fragen: Haben wir genügend an die Nützlichkeit einer strikteren Neutralitätspolitik gedacht? Eine striktere Handhabung als sie leider jetzt die Regel zu werden scheint, wäre dem Volk sicher verständlich zu machen. Sollte die schweizerische Aussenpolitik nicht konstant im Hinblick auf den Ernstfall, im Hinblick auf einen allfälligen 3. Weltkrieg geführt werden? Es darf in einem solchen Fall kein Zweifel darüber bestehen, dass sich die Schweiz – wie in den vorangegangenen Konflikten – neutral verhält, solange sie nicht selbst angegriffen wird.
Deshalb sollten wir uns mehr Gedanken zur Neutralitätspolitik machen. Dies wäre auch nützlich im Hinblick auf die UNO-Diskussion. Wir sollten der Öffentlichkeit erklären, dass wir uns mit aussenpolitischen Stellungnahmen zurückhalten, weil es weit Wichtigeres gibt als die Abreaktion momentaner Emotionen. Wir wollen letztlich ein freies Volk bleiben, und der beste Weg dazu ist eine strikte und konsequente Neutralitätspolitik. Unser Volk verlangt von den Behörden nicht eine Aussenpolitik des verbalen Kraftaktes; hierüber bestehen höherenorts offenbar irrige Auffassungen.
Auszugehen ist davon, dass wir nicht nur an die gewöhnliche Neutralität gebunden sind, die im Kriegsfall eintritt, sondern auch, als dauernd neutraler Staat, im Frieden eine Neutralitätspolitik befolgen, deren Ziel es ist, alles zu vermeiden, was es uns verunmöglichen würde, im Kriegsfall neutral zu bleiben. Wir brauchen uns dadurch nicht über Gebühr einengen zu lassen. Dennoch glaube ich, dass wir uns mit deklamatorischen Erklärungen gegenüber dem Ausland Zurückhaltung auferlegen sollten. Der Bundesrat hat es in gewissen Fällen seinerseits für richtig befunden, über unsere Reserve hinauszugehen. Äussern wir uns zu oft oder gar verschiedenartig, so könnten wir einer gewissen Leitlinie verlustig gehen und auch im Volk Verwirrung schaffen.
Zurückkommend auf die Absicherung der Neutralität im Falle eines UNO-Beitrittes möchte ich noch folgendes bemerken: ob wir nun eine formelle Reserve anbringen, was wir – wie schon gesagt – nicht können, oder uns auf eine blosse Feststellung beschränken, ist an sich unwichtig. Wichtig ist, dass die Interpretation unserer Neutralität Ausfluss unserer Souveränität bleibt. Die UNO-Diskussion sollte so weit wie möglich entemotionalisiert werden. Die «affreux» sind für mich in dieser Angelegenheit nicht jene, die aus innerer Überzeugung den UNO-Beitritt ablehnen, sondern jene, die die Neutralität aus demagogischen Gründen zum Hauptpunkt ihrer Ablehnung werden lassen.
Ich möchte zurückkommen auf die Grundfrage, die Professor Lüthy formuliert hat: «Was ist Neutralität?» Vereinfacht liesse sich antworten: Die Neutralität ist zwar völlig unbestritten, jedermann ist dafür. Ich bin jedoch überzeugt, dass die Meinungen darüber, was Neutralität wirklich ist, stark divergieren.
Ich bin ein Befürworter eines UNO-Beitrittes der Schweiz. Die Existenz eines Staates ist abhängig davon, wie ein Staat seine Interessen vertreten kann. Für mich ist die UNO – mangels Alternative – das einzige weltweite politische Forum, in welchem wir unsere Interessen vertreten können. Wir sollten uns daher vielmehr fragen, wo wir unsere Interessen vertreten sollten, wenn wir der UNO nicht beitreten.
Es hat sich in der UNO-Debatte eine grosse Intoleranz gezeigt. Ich persönlich bin der Meinung, dass uns auf dem weltweiten aussenpolitischen Sektor kein anderes Instrument zur Verfügung steht.
Die Leute wollen nicht wahrhaben, dass sich die Welt in den letzten 50 Jahren verändert hat. Sie gehen nach wie vor davon aus, dass uns allein die Berufung auf unsere Neutralität — wie im 2. Weltkrieg — unter allen Umständen vor dem Einbezug in einen Krieg bewahren würde. Dies ist bei der heutigen unklaren Bedrohung nicht mehr so selbstverständlich. Auch unser gut ausgebauter Zivilschutz ändert an dieser Tatsache nicht viel. Auf die UNO zurückkommend, möchte ich erwähnen, dass wir bei der Abfassung der Botschaft versucht haben, bei einem allfälligen Beitritt möglichst wenig Risiken einzugehen.40 Es lässt sich jedoch heute keine Aussenpolitik ohne Risiken führen. Die Sanktionen des Bundesrates nach dem Jumbo-Abschuss bei Sachalin41 sind für mich wesentlich problematischer als mögliche UNO-Sanktionen nach einem UNO-Beitritt der Schweiz.
Die beiden Supermächte müssen überzeugt sein, dass die Schweiz wirklich neutral ist und es auch im Konfliktfalle bleibt.
Unsere Neutralität müssen wir so bewahren, dass sie glaubwürdig bleibt.
Zu den aussenpolitischen Erklärungen des Bundesrates ist folgendes zu bemerken:
-Die erste Erklärung erfolgte im Jahre 1956 anlässlich des Ungarn-Aufstandes.42
-Eine zweite wurde 1968 anlässlich des Truppeneinmarsches in die Tschechoslowakei abgegeben43
Mittlerweile haben sich diese bundesrätlichen Erklärungen stark gehäuft.44 Dies ist meiner Ansicht nach auch neutralitätspolitisch nicht unbedenklich. Der Bundesrat handelt jedoch hier unter einem gewissen Druck der Medien und auch der Öffentlichkeit. Der Bundesrat kann sich dadurch gezwungen sehen, eine Erklärung zu einem Zeitpunkt abzugeben, da er den Sachverhalt noch gar nicht kennt; andernfalls riskiert er bei langem Zuwarten «als die alte Fasnacht» zu spät zu kommen. Wenn der Bundesrat im Parlament jeweils zu aussenpolitischen Ereignissen Stellung nahm, so tat er dies wesentlich nuancierter.
Ich bin überzeugt, dass wir an unserer bewährten Neutralitätspolitik festhalten sollten. Der UNO-Beitritt ist für mich nur ein Beispiel dafür, dass es falsch wäre, sich in die Isolation zurückzuziehen.
In unserem Hause sind wir sehr einverstanden mit der Idee, bei der Abgabe von aussenpolitischen Erklärungen zurückhaltend vorzugehen. Wenn dies nicht möglich ist, so sollten doch zumindest unsere Erklärungen eine grössere Kohärenz aufweisen. Ich würde Leitlinien in diesem Bereiche sehr begrüssen: Sie könnten dem Bundesrat bei sich dringlich stellenden Fällen behilflich sein.
Aus der Fülle der Voten kann ich nur Einzelnes kurz aufgreifen. Die UNO-Frage habe ich in meinem Referat expressis verbis ausgeklammert.
Völlig abwegig dünkt mich der Gedanke, dass die Neutralität uns verpflichtet, weltweit zur Verteidigung der Menschenrechte aufzutreten. Das können wir gar nicht, und wir sollten uns hüten, die Neutralitätsmaxime mit derartigen Zutaten zu verquicken.
Frau Dr. Spiess möchte ich nur versichern, dass formal ein grosser und real ein abgrundtiefer Unterschied zwischen Grenada und Afghanistan besteht: im ersten Fall setzte die Intervention dem Blutvergiessen ein Ende, im andern eröffnete sie ein Blutvergiessen, das nun drei Jahre dauert.
Zum Thema Balkan-Südosteuropa müssen wir immer einrechnen, dass sich die östlichen Regierungsfunktionäre selbstverständlich an die herrschende Sprachregelung halten, die sie auf den proletarischen Internationalismus verpflichtet; doch den Wunsch nach einer atomwaffenfreien Zone haben sie deutlich genug werden lassen.
Neutralität ist für die Schweizer wohl ein Mythos der Geborgenheit geworden. Mit dieser magischen Formel halten sie alle Probleme der schweizerischen Aussenpolitik für erledigt, um desto eifriger in allen internationalen Fragen Partei zu ergreifen und Parteinahme der Regierung zu fordern. Zentral scheint mir die Frage der öffentlichen Glaubwürdigkeit. Diese kann nicht aufrechterhalten werden durch die hektische Protestdiplomatie, die dann zu grotesken Symmetriezwängen führt. Auch ich halte mich an die Definition von Prof. Bindschedler: Neutralitätspolitik ist die Politik, die es uns erlaubt, in einem allfälligen zukünftigen Konflikt neutral zu bleiben.45
Wir sollten Neutralität nicht derart zu einem Mythos werden lassen, dass sie uns im entscheidenden Augenblick am Fällen der sachlich richtigen Entscheide hemmen kann.
Auch im Bereiche des Neutralitätsrechts ist nicht alles klar, sowohl was die Frage des UNO-Beitritts wie der Haager-Abkommen betrifft. Die Neutralitätspolitik fasse ich als eine restriktiv zu führende Politik auf. Sie muss sich immer an den Möglichkeiten des Ernstfalls messen. Eine Zurückhaltung bei aussenpolitischen Erklärungen drängt sich auch von daher gesehen auf.
Es ist meines Erachtens nicht wünschenswert, die Neutralität als Verfassungsgrundsatz zu statuieren.
dankt allen Teilnehmern für die interessante und schöne Abschiedssitzung.
würdigt in einem spontanen Votum die Persönlichkeit des scheidenden Präsidenten der Arbeitsgruppe während ihrer 22jährigen Geschichte.
Albert Weitnauer war als Vertreter der humanistischen Traditionen seiner Vaterstadt Basel ein überzeugender Leiter unserer Debatten.
Ich danke von Herzen für diese Laudatio. Ich möchte eine Evidenz aussprechen:
Die Kommission kann nur so gut sein wie ihre Mitglieder. Wenn ich ein Verdienst habe, so das, dass ich versucht habe, diesem Gedanken bei der steten Erneuerung unserer Kommission zu folgen. Ich bin überzeugt, dass mein Nachfolger46 das Werk aufs beste weiterführen wird.
Als ich vor geraumer Zeit beiläufig gegenüber Herrn Staatssekretär Weitnauer anregte, es könnte wieder einmal eine Sitzung unserer Arbeitsgruppe dem Thema Neutralität und Neutralitätspolitik gewidmet sein, lag mir der Gedanke völlig fern, selbst darüber zu sprechen. Vielmehr erhoffte ich mir aus autorisiertem Mund eine Belehrung über die gegenwärtige Auffassung und Handhabung dieser unserer Staatsmaxime. Ich erhoffe sie mir immer noch, und dementsprechend wird sich mein Kurzreferat auf einige Fragen beschränken; weiter reicht meine Kompetenz nicht.
Erst recht ahnte ich natürlich nicht, dass diese Sitzung die letzte unserer Gruppe unter ihrer altgewohnten staatsmännischen Leitung sein wird und dass sie dadurch die etwas schwermütige Feierlichkeit eines Abschieds erhalten würde; der Steuermann verlässt das Boot… Doch Bedauern und Dank mögen besser am Ende dieser Sitzung Platz finden. Wohl aber gehört zu meinem Thema durchaus die Erinnerung an eine Episode aus den Anfängen dieser Arbeitsgruppe, in der damals oft und präzis von Neutralität und Neutralitätspflichten die Rede war, meist in Bezug auf damalige spezifische Integrationsprobleme, aber auf einem Höhepunkt des Kalten Krieges auch in Bezug auf schweizerische Verhaltensweisen geistiger Landesverteidiger, die mit grossem Widerhall zur totalen Ächtung jeder Art persönlicher, intellektueller oder kultureller Kontakte mit Ländern oder Staatsangehörigen des kommunistischen Machtbereichs aufriefen. Damals warf unser Präsident den unpopulären Begriff der Staatsräson in die Debatte, und Professor Freymond liess sein Genfer Institut als Eisbrecher im helvetischen Packeis wirken. Gestellt war nicht nur die Frage der Aufrechterhaltung allseitiger normaler internationaler Beziehungen, sondern die Frage der Vereinbarkeit neutraler Politik mit einer zum Siedepunkt gebrachten ethisch-weltpolitischen Militanz der Öffentlichkeit. Die Erinnerung an diese Episode der frühen 60er Jahre war auch ein Grund meiner Anregung, das Thema wieder aufzunehmen. Zur Strafe muss ich nun selbst zuerst ins Wasser springen.
Beim Versuch, meine Gretchenfrage zu formulieren — wie halten wir es eigentlich mit unserer Neutralität — ist mir freilich bald bestürzend klar geworden, wie heikel, ja wie inopportun jedes Befragen und Erörtern dieser Neutralität ist. Jeder Versuch, sie in der Öffentlichkeit zu konkretisieren (ich vertraue darauf, dass wir hier nicht in der Öffentlichkeit diskutieren), führt lebens- und staatsgefährlich aufs Glatteis. Beschränken wir uns aber auf die theoretisch-legalistische Abstraktion, wird die Maxime zur leeren Invokation wie in Max Frischs sarkastischer Beschwörung des Horts und des Inbegriffs, oder in der Rede des Ulysses bei Shakespeare: «S’ist ein Geheimnis – kein Bericht wagt sich darein zu mischen – (s’ist ein Geheimnis) in des Staates Seele von einer göttlicheren Wirksamkeit, als Wort und Feder es ausdrücken können…» Doch insgeheim neutral sein können wir nicht. Nach gültiger Lesart soll die permanente bewaffnete Neutralität der Schweiz in den politisch-strategischen Kalkulationen der Umweltmächte jene unschätzbaren Qualitäten der Berechenbarkeit, der Vorhersehbarkeit und der unbedingten Verlässlichkeit verleihen, welche ihnen die Achtung dieser Neutralität erlaubt: eine solche Neutralität muss explizit und demonstrierbar sein. Es fällt mir auf, dass in den letzten Jahren von Neutralität eigentlich nur noch im Zusammenhang mit einem UNO-Beitritt die Rede ist, als technisch-legalistisches Argument eines Nichtbeitritts, doch sonst beziehungs-, inhalts- und vorstellungslos als handle es sich um eine nicht weiter definierbare Idiosynkrasie der Schweiz, die sie vom Janhagel der übrigen Staatenwelt und ihren hundert Neutralen und Neutralisten absondert. Die Diplomaten erwidern vehement, dass ein UNO-Beitritt die Neutralität überhaupt nicht tangiert. Nicht diese Beitrittsdebatte interessiert mich hier, sondern die nichtssagende Formelhaftigkeit dieser Neutralitätsbeschwörungen. Was meinen wir, wenn wir Neutralität sagen? Brutal gefragt: sind wir neutral und neutral zwischen wem?
Das ist die Gretchenfrage. Ich weiss, wie untunlich, aber auch, wie dringend es ist, sie aufzuwerfen. Einsame Neutralität als solche, ohne Bezugssystem, ist ein sinnloser Begriff. Neutralität und Neutralitätspolitik – ich werde die beiden Begriffe nicht immer unterscheiden und meine meist das zweite – setzen immer eine Konstellation antagonistischer Drittstaaten voraus, auf die sich die neutrale Verhaltensweise bezieht und durch die sie konkret definiert wird. Im Idealfall ist diese Konstellation ein annäherndes Gleichgewicht von Mächten. Dauernde Neutralität setzt eine solche Konstellation voraus, aber sie resultiert nicht einfach aus ihr, und sie ist auch nicht Schaukelpolitik; sie kann nur dem eigenen positiven Willen entspringen, dauernd neutral zu sein, d. h. im Konfliktsfall unparteiisch, defensiv, aber verlässlich zur Verteidigung des eigenen Landes und der eigenen Unabhängigkeit gerüstet, und damit selbst ein Stabilitätsfaktor.
In der Zeit der antagonistischen Nationalstaaten, in deren Schnittpunkt die Schweiz lag, und eigentlich schon in der Zeit der Glaubensspaltung wussten die Schweizer sehr konkret und meist unfroh, zwischen wem sie neutral waren, denn diese Neutralität war fest in der inneren Gegensätzlichkeit des Landes verankert: jede Parteinahme hätte die Eidgenossenschaft der Zerreissprobe ausgesetzt. Wir wissen alle, dass diese Vergangenheit radikal vergangen ist, aber ein neues Denkmodell der Neutralität ist mindestens in unser öffentliches Bewusstsein nicht eingegangen. Europa ist tiefer und brutaler gespalten, als es dies je in der Zeit nationaler Erbfeindschaften war. Aber der Gedanke, unsere Neutralitätspolitik nun gerade in diesem Zustand der Spaltung zwischen West und Ost neu anzusiedeln, stösst auf Abscheu. Die innere Verankerung neutraler Politik droht zu entfallen. Wo aber anders als in diesem gespaltenen Europa Neutralität und Neutralitätspolitik relevant stattfinden sollten, ist mir unerfindlich.
Die Gründe der Abneigung gegen eine solche Aktualisierung der Neutralität sind klar und moralisch ehrbar. Jene annähernde Symmetrie der Antagonisten, zwischen denen unsere klassische Neutralität ihren Ort hatte, war schon vor einem halben Jahrhundert nicht mehr vorhanden und ist seitdem radikal verschwunden. Die Sowjetunion hat sich und ihren Machtbereich rücksichtslos aus dem Lebenszusammenhang der Welt herausgerissen, die unsere Welt ist, zu der wir gehören, in der wir leben und, mit einem altväterischen Ausdruck, handeln und wandeln. Wir sind in einem Ausmass, das uns vielleicht vor zwanzig Jahren noch erschreckt hätte, nicht nur wirtschaftlich, finanziell und im ganzen Netz unserer persönlichen Beziehungen, sondern auf leisen Sohlen auch institutionell in diesen Westen integriert, in seinen Wohlstand, seine Krisen und bis in die exklusiven Klubs des grossen Finanzierungs-, Verschuldungs- und Amortisationskonsortiums der Gläubigerländer. Entsprechend ungleichgewichtig sind auch unsere Sympathien, wenn auch vielleicht nicht so sehr unsere Antipathien, mit denen wir ja weniger sparsam sind.
Dazu kommt erschwerend, dass auch unser politisch-strategisches Weltbild im finstersten Sinn manichäisch zu werden droht. In dieser vor-1984-Atmosphäre von Nachrüstungspanik, Jahrtausendende, Science fiction, Götterdämmerung und Angst verfällt unser Denken und sogar unsere Wahrnehmung der Aktualität unwillkürlich immer in die Kategorien des äussersten Grenzfalls, des totalen Endkriegs, Harmageddons und der Apokalypse. Dass ausserhalb Europas Dutzende von begrenzbaren und lokalisierbaren Kriegen stattfinden, betrifft unser Vorstellungsvermögen nicht; denn nicht dort, sondern in den Arsenalen der beiden Weltmächte, zwischen denen der Todesstreifen durch Europa verläuft, und nun auch in Europa selbst sind die Massenvernichtungsmittel gelagert.
Dass gerade diese plethorische Anhäufung von Arsenalen die europäischen Staats- und Machtgrenzen unantastbar gemacht und Europa seit 1945 zur fast einzigen Friedenszone der Welt hat werden lassen, ist eine zwar logisch, aber nicht gefühlsmässig nachvollziehbare Überlegung. Ich lasse sie dahingestellt; zur Hypothese eines totalen Kriegs der Weltmächte um Europa habe ich nichts Nützliches vorzubringen. Meine Überlegungen bewegen sich diesseits dieser Schwelle, und ich will sie in einigen Hinweisen auf allbekannte Sachverhalte zusammenfassen. Nur pro memoria erwähne ich das eigenartig gestaffelte Puffersystem Skandinaviens und darin den erstaunlichen Einzelfall der seit 1947 von Russland geachteten Nicht-Gleichschaltung Finnlands. Andeutungsweise zeichnen sich Ansätze eines etwas anders strukturierten Puffersystems zwischen Donau und Ägäis ab; tendenziell bilden sich Pufferzonen überall, wo ein Minimum an Freiraum zwischen den Blöcken entsteht. Fugenlos hart auf hart stossen Warschau-Pakt und NATO einzig an der deutsch-deutschen und bayrisch-böhmischen Grenze aufeinander: hier liegt das Minenfeld Europas, dessen Durchbrechung die atlantische Allianz und das amerikanische Protektorat über die Bundesrepublik der Probe auf Biegen oder Brechen unterwerfen würde. Es ist kurzfristig nicht abzusehen, wie sich diese Verkrampfung lösen könnte; die Erosionsprozesse der Zeit arbeiten unmenschlich langsam. Doch ausserhalb dieser versteinerten Demarkationslinie des Jahres Null ist die Zweiteilung Europas keineswegs lückenlos. Ich betrachte die beiden geographisch getrennten Gruppen der NATO-Staaten nicht oder nicht mehr als zwei Greifer einer Zange; die Vorstellung ihres operativen Zusammenwirkens ist weder logisch zwingend noch leicht zu konstruieren, sie sind zum Greifen zu kurz oder zu brüchig. Sie bilden vielmehr je ein um die Nordsee zentriertes und ein mediterranes Sicherheitssystem, denen die amerikanische Garantie und – im Prinzip – Kommandogewalt gemeinsam sind. Das Scharnier zwischen beiden, Frankreich, steht willentlich halbwegs zwischen strategischem Neutralismus und politischer Bündnistreue, und das erste Prinzip seiner Strategie ist, nicht erraten zu lassen, was es im Schilde führt. Von Frankreich nach Osten erstreckt sich bis zur griechischen und bulgarischen Grenze ein kompakter Gürtel neutraler Staaten: die Schweiz, Österreich, Jugoslawien, zusammen fast 400‘000 km2 Riegelstellung in zur Verteidigung vorzüglich geeignetem Terrain. Dieser neutrale Keil versperrt den direkten Kontakt zwischen nördlicher und mediterraner NATO, aber auf breiter Front auch zwischen letzterer und dem Warschaupaktsystem. Nichts verurteilt diese Riegelfunktion a priori zur Erfolglosigkeit. Sie kann entscheidend dazu beitragen, die Ausbreitung von Konflikten und militärischen Operationen aus dem konfliktgeladenen Mittelmeerraum auf den nordeuropäischen Bereich zu verhindern, vielleicht auch das Übergreifen nordeuropäischer Spannungen auf das mediterrane Europa. Und nichts verbietet sogar die Hypothese, dass eine solche Konfliktseindämmung durch das Dazwischentreten verlässlicher Neutraler den Konfliktsparteien selbst willkommen sein könnte.
Ich widerstehe der Versuchung, Szenarien solch begrenzter oder begrenzbarer Konflikte vorzulegen; sie wären uns vielleicht nützlicher als Szenarien des Weltuntergangs. Was mir am Herzen liegt, ist einfach, zu sagen, dass es durchaus noch intakte Möglichkeiten und Spielräume schweizerischer Neutralitätspolitik gibt, wenn wir aufhören, nur in Totalkategorien «Block gegen Block» zu denken. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass z. B. die Existenz und die geopolitische Dimension dieses potentiell anziehungsfähigen neutralen Gürtels in Mitteleuropa von unserer Öffentlichkeit oder auch von den Medien je ernsthaft zur Kenntnis genommen wird; östlich von Vaduz hören für viele Schweizer Europa und die zivilisierte Welt auf. Ich weiss, dass unsere Behörden und unsere Armee sorgfältige Kontakte mit Wien und Belgrad pflegen; ihre Diskretion ist augenfälliger als ihre Herzlichkeit. Ich muss sogleich beifügen, dass ich keineswegs von Koordination oder gar Bündnisfähigkeit dieser mitteleuropäischen Neutralen träume; Neutralität ist nicht allianzfähig, Voraussetzungen und Mentalitäten sind zu verschieden, und in der Stunde des Grenzfalls, wenn es gälte, das richtige Rettungsseil zu ergreifen, könnten sich die Wege trennen. Doch allein aus der gemeinsamen Situation ergeben sich genügend Affinitäten und Komplementaritäten, um zu wünschen, dass sie sich gegenseitig näher kennen und in gegenseitiger Kenntnis handeln. Neutralität ist ihrem Wesen nach Begrenzung von Konflikten. Dass Konflikte auch in Nervenzentren der Welt und trotz direkter und indirekter Verwicklung der Weltmächte begrenzbar sind, demonstrieren uns bis zur Unglaubhaftigkeit und letzten Grauenhaftigkeit seit 35 Jahren die Kettenkriege im Nahen Osten, die trotz aller Weltfeind-Rhetorik aus Washington (und heute leiser aus Moskau) eben keine Konflikte zwischen freier Welt und Weltkommunismus sind – auch wenn die Gefahr besteht, dass sie von aussen dazu gemacht werden.
Wie also halten wir es mit der Neutralität? Ich will mich in Komplimenten an unsere Diplomatie kurz halten, umso mehr, als ich als Laie unter Fachleuten sitze. Ich glaube tatsächlich, dass die Stimme der Schweiz, vermittelnd oder zur Sache mahnend, in den internationalen Gremien stärker zur Geltung kommt, als ihrem physischen Gewicht entspricht; dass in den letzten zehn Jahren nützliche Tuchfühlung zu den einst fast als Gesindel angesehenen Blockfreien zustande gekommen ist und auch, dass die mühselige Rettung des KSZE-Prozesses sich gelohnt haben wird, auch wenn die Papiere einen schalen Geschmack hinterlassen. Die Schweiz nimmt ihre Vermittler- und Drehscheibenfunktion wahr, und während der New Yorker Sitz der UNO sich immer mehr fehl am Ort vorkommt, ist Genf in altem Glanz der sicherste, begehrteste und bestbeleumdete Tagungsort der internationalen Organisationen und Konferenzen. – So weit, so gut. Unterhalb dieser Höhenlage der Diplomatie schlägt unvermeidlich immer wieder das aufgereizte Volksempfinden auch auf aussenpolitische Belange durch. Zwei Stichworte zum Thema. Mir scheint die Novosti-Affäre mindestens publizistisch unglücklich abgewickelt worden zu sein. Rund um die Welt werden täglich Dutzenden von Sowjetfunktionären mit mehr oder weniger diplomatischem Status die Pässe zugestellt, ohne dass lange Begründungen veröffentlicht werden; und die veröffentlichte Begründung war innenpolitischer Art und hätte eher die Inhaftierung von Schweizern gerechtfertigt. – Ob der leider allseits anrüchige und undurchsichtige Abschuss eines südkoreanischen Passagierflugzeugs über der militärischen Sperrzone Sachalin ein zwingender Anlass für die Schweiz war, Repressalien gegen die Sowjetunion zu ergreifen, wie sie weder Österreich noch Frankreich ergriffen, bleibt mir fragwürdig; wir sollten nicht das Ritual der Entrüstungskundgebungen in unsere Aussenpolitik einführen. Direkt eine Sache der ganz am Anfang erwähnten Mentalität oder des Volksempfindens scheint mir die Berner Schildbürgerei mit Leningrader Musikanten von Anfang Oktober zu sein: wenn eine wackere Stadtpolizei schon auf eine putative Anschuldigung hin sowjetrussische Kulturaustausch-Funktionäre einer peinlichen Untersuchung nach Diebesgut unterwirft und dabei nichts findet, wäre ja eigentlich das Naheliegendste (und eine blosse Frage des Takts), sich zu entschuldigen. Auch Umgangsformen gegenüber Gästen gehören zum internationalen Verkehr, der durch eine allzu verbreitete Stammtischmentalität der pauschalen Verteufelung Schaden nehmen kann. Aufrechte Gesinnung hat nichts mit Rüpelhaftigkeit zu tun.
Noch eine Kurzformel:
Sogar wenn unsere immerwährende Neutralität eine normative Fiktion wäre – so wie ja auch Souveränität, Nation und das Recht selbst normative Fiktionen sind –, bliebe es für die Schweiz lebenswichtig, sie mit äusserster Sorgfalt aufrecht zu erhalten und sie nach aussen wie für die eigene Öffentlichkeit glaubhaft, und das heisst auch sichtbar und vorstellbar, zu machen. Denn, wie Herr Staatssekretär Weitnauer einst sagte, es ist uns noch nichts Besseres eingefallen.
von Luzius Wildhaber
Herr Kollege Lüthy hat mit gewohnter Brillanz eine Gesamtschau gegeben. Ich möchte eher einzelne Punkte antupfen, die mir besonders diskussionswürdig erscheinen.
Wenn man sich im Laufe der Jahre mit Neutralität und Neutralitätspolitik befasst, so gibt es Phasen, in denen man eher den grundsätzlichen Wandel und das πάντα ῥεῖ der Neutralität betonen möchte, währenddem es umgekehrt Phasen gibt, in denen man versucht wäre, zu unserem Thema zu bemerken: «Nichts Neues unter der Sonne». Dabei wird es wohl darauf ankommen, wie weit zurück die historische Standortbestimmung denken soll. Funktion und Bedeutung der Neutralität haben sich in den letzten hundert und zweihundert Jahren gewiss tiefgreifend gewandelt. Zahlreiche Voraussetzungen des klassischen Neutralitätsrechts des 19. Jahrhunderts sind dahingefallen. Noch die Neutralitätsregeln der Haager Konventionen von 1907 atmen einen Geist des abendländisch-christlichen Völkerrechts, des europäischen Mächtegleichgewichts, der relativen Wichtigkeit der neutralen Mächte, der beschränkten Natur von Kriegen, aber auch der strikten Trennung zwischen Krieg und Frieden, zwischen Staat und Gesellschaft, sowie zwischen Staatshandel und Privatwirtschaft. Dieser Neutralitätskonzeption und diesem Denken sind weite Kreise der Schweizer Öffentlichkeit nach wie vor verhaftet. Für sie soll die schweizerische Aussenpolitik allgemein ausgerichtet sein auf die möglichst unwandelbare Vorstellung einer absoluten staatlichen Souveränität, auf die Notwendigkeit unbedingter Autarkie, Autonomie und Unabhängigkeit. Die auf ein solches Denken gestützte Politik wird man freilich eher eine Souveränitäts- als eine Neutralitätspolitik nennen müssen. So oder so bleibt festzuhalten, dass sich über weite Strecken das Klima und der gesamte politisch-wirtschaftlich-soziale Kontext der Neutralität wesentlich geändert haben.
Blickt man allerdings weniger weit zurück und schaut man sich vor allem die letzten 20 Jahre an, so wird man eher versucht sein, festzustellen, dass sich wenig Grundlegendes geändert hat. Für mich jedenfalls steht eher die Bemerkung «nichts Neues unter der Sonne» im Vordergrund. Deswegen lasse ich mehrere Aspekte unerörtert, etwa die Regeln der gewöhnlichen und dauernden Neutralität oder auch das Verhältnis der Neutralität zur Supranationalität und damit der Schweiz zu den Europäischen Gemeinschaften. Einige Aspekte der UNO-Diskussion werde ich zwar aufgreifen, aber nur wegen des neuentdeckten Interesses der Schweizer Öffentlichkeit an diesem Thema, und nicht weil sich an der Fragestellung etwas Fundamentales geändert hätte.
Ein erster Punkt, den ich herausgreifen möchte, gilt der Frage, ob die Neutralität ein Verfassungsgrundsatz und Staatsziel ist oder sein solle. Damit ist zugleich die Frage aufgeworfen, ob von der Neutralität als einer rein völkerrechtlichen Institution gesprochen werden soll oder auch von einem staatsrechtlichen, selbstherrlich geprägten Begriff. Bei den Verhandlungen über die Bundesverfassung von 1848 hatte man in der Neutralität ein «Mittel zum Zwecke» erblickt, eine zur Zeit «angemessen erscheinende politische Massregel, um die Unabhängigkeit der Schweiz zu sichern». Die Neutralität sei «kein konstitutioneller und politischer Grundsatz», der in die Verfassung gehöre, weil man nicht wissen könne, ob sie «nicht einmal im Interesse der eigenen Selbständigkeit verlassen werden müsse». Diese Ansicht wird in der Literatur und in bundesrätlichen Botschaften nach wie vor vertreten, bedarf jedoch der Vertiefung.
Es gibt einleuchtende Gründe, die Neutralität nicht von Verfassungs wegen als Staatsziel aufzufassen. Der geschichtlichen Erfahrung entspricht es, dass die Schweiz alles Interesse hat, sich auf ein völkerrechtlich abgeschirmtes Statut von unzweifelhafter Konstanz und Sicherheit abzustützen, die Modalitäten dieses Instituts jedoch möglichst autonom umschreiben und weiterführen zu können. Eine Aufnahme der Neutralität als Staatsziel in die Bundesverfassung könnte zum Missverständnis führen, dass jede, noch so geringfügige Setzung neuer Akzente in der Neutralitätspolitik bereits eine Verfassungsritzung bedeute. Man könnte sich dann etwa beim Beitritt zum Internationalen Energieprogramm, bei der Beteiligung an den KSZE-Gesprächen und schweizerischen Vorstössen dabei, bei der Teilnahme am Nord-Süd-Dialog oder bei Rechtshilfe- und Auslieferungsproblemen jedes Mal fragen, ob schweizerisches aussenpolitisches Handeln neutralitätsrelevant sei und daher eine Verfassungsrevision voraussetze. Indessen bedarf jeder Staat eines Mindestmasses an Ellbogenraum, um sich auf die stets wandelnden Gegebenheiten und Konstellationen auf internationaler Ebene einstellen zu können. Wenn über allfällige Modifikationen der Neutralitätspolitik jedes Mal abzustimmen wäre, so könnte im Ausland der unerwünschte Eindruck entstehen, dass die dauernde Neutralität der Schweiz dauernden Eingriffen und Änderungen unterliege. Ein Auseinanderklaffen zwischen dem staats- und dem völkerrechtlichen Neutralitätsbegriff könnte die Geradlinigkeit und Konsequenz unserer Neutralitätspolitik gefährden, könnte zu schädlichen Rückwirkungen auf internationaler Ebene führen und die Schweiz der Möglichkeit berauben, ohne grosses Aufsehen geringere Kurskorrekturen vorzunehmen. Wenn ein Rechtsinstrument so politiknah ist wie die Neutralität, bedarf es subtiler Dosierung, diplomatischen Geschickes und ausgeprägter Flexibilität, um nach aussen und nach innen glaubwürdig und wirklichkeitsgetreu bleiben zu können.
Der völkerrechtliche Status der dauernden Neutralität erscheint als weitgehend ungefährdet. Aus der wissenschaftlichen Diskussion kann man vor allem eine Begriffsbildung des österreichischen Rechtskonsulenten des Aussenministeriums, Karl Zemanek, erwähnen, wonach anstatt zwischen Neutralitätsrecht und Neutralitätspolitik zwischen Status und Funktion der Neutralität unterschieden werden könnte. Status der Neutralität bedeutet für Zemanek den völkerrechtlichen Rechtszustand, der einer konkreten Neutralität vorgegeben ist, und der für Österreich mit dem aus der Schweizer Praxis entwickelten Neutralitätsrecht identisch ist. Die Funktion der Neutralität bezweckt die Erhaltung und Stabilisierung jenes Gleichgewichtszustandes, welcher der jeweiligen Neutralität vorgegeben und zur Erhaltung der Unabhängigkeit des betroffenen Staates notwendig ist. Dies scheint auf eine Gleichsetzung der allgemeinen Unabhängigkeits- und Sicherheitspolitik mit der Neutralitätspolitik hinauszulaufen. Man wird sich fragen, ob hierin eine gewisse dynamisierte österreichische Neutralitätskonzeption liegt. Für Schweizer Begriffe würde einem eher scheinen, dass es sich um eine grundsätzliche Überdehnung des Neutralitätsbegriffes handelt, namentlich dort, wo die Funktion der Neutralität auch ein bestimmtes Verhalten im Nord-Süd-Konflikt vorzuschreiben scheint. Aus Schweizer Sicht müsste man eher unterstreichen, dass Neutralitätspolitik nur eine Teilmenge in der gesamten Aussenpolitik darstellt. Aussenpolitik und Neutralitätspolitik sind nicht dasselbe. In Kriegszeiten und im Zweiten Weltkrieg mag die Neutralität die Staatsraison des Kleinstaates gewesen sein. In Friedenszeiten jedoch wird man die Neutralitätspolitik als einen Bestandteil im Gesamtspektrum der Schweizer Aussenpolitik bezeichnen müssen. Gerade wenn man die Neutralität auch als Ausdruck einer Friedenspolitik und als Solidarität und Disponibilität deuten will, wird man betonen müssen, dass es unmöglich ist, dass die abstrakten völkerrechtlichen Neutralitätsregeln jede konkrete Entscheidung der Schweizer Aussenpolitik bestimmen könnten.
Unter neutralitätspolitischen Gesichtspunkten möchte ich kurz die beiden bundesrätlichen Stellungnahmen zu Grenada47 und zum südkoreanischen Jumbo-Abschuss48 kommentieren. Zu Grenada hat der Bundesrat die Gewaltakte verurteilt, die zum Umsturz und zur Ermordung des Premierministers Bishop geführt hätten, ebenso wie jede ausländische Intervention. Gleichzeitig betonte der Bundesrat das Recht des Inselstaates auf Selbstbestimmung ohne fremde direkte oder indirekte Einmischung (NZZ Nr. 257 vom 3.11.1983). Ich werte dies als eine eher vorsichtige Formulierung. Die ursprüngliche Ankündigung von Präsident Reagan, man müsse das Chaos in Grenada aufräumen, ist völkerrechtlich kaum begründbar. Soweit sich die USA darauf beriefen, das Leben ihrer Staatsangehörigen schützen zu müssen, würde man dies völkerrechtlich als humanitäre Intervention bezeichnen. Eine solche humanitäre Intervention ist nur in Ausnahmefällen zulässig. Die Abstützung auf den Pakt der ostkaribischen Staaten scheitert wahrscheinlich daran, dass ein Verteidigungsfall nur bei einem ausländischen Angriff von aussen vorliegen würde, währenddem die Anwesenheit kubanischer Truppen (die sich Entwicklungshelfer nannten) vermutlich auf eine Einladung der Regierung Bishop zurückging und deshalb begründbar wäre. Wenn jedoch der Generalgouverneur Sir Paul Scoon die USA und die ostkaribischen Staaten tatsächlich um Intervention ersucht hat, so würde man deren Intervention ebenfalls als begründbar bezeichnen müssen.
Bei der Stellungnahme zum Jumbo-Abschuss durch ein sowjetisches Jagdflugzeug bemerkte der Bundesrat, er wolle gegen die Verletzung elementarer Grundsätze des Völkerrechts protestieren. Die Flüge der Aeroflot nach der Schweiz und das Überfliegen der Schweiz durch sowjetische Flugzeuge wurden für zwei Wochen verboten, und für dieselbe Zeit wurden die Swissair-Flüge nach derSowjetunion suspendiert (NZZ Nr. 215 vom 15.9.83). Ich würde meinen, dass man die beiden Dinge nicht auf dieselbe Ebene stellen kann. Die Unterlassung der Swissair-Flüge in die Sowjetunion bedingte einfach eine bundesrätliche Ausnahme von der konzessionsmässig festgelegten Fahrplanpflicht. Die Einstellung der Aeroflot-Flüge in die Schweiz hingegen bedeutete eine Suspension dessowjetisch-schweizerischen Luftverkehrsabkommens. Eine derartige Repressalie erscheint als nicht unbedenklich, wenn der Sowjetunion eine allgemeine Völkerrechtsverletzung in anderem Kontext vorgehalten wird und nicht eine spezifische Verletzung des bilateralen Luftverkehrsabkommens.
Solche neutralitätspolitischen Probleme stellen sich immer wieder, wenn der Bundesrat glaubt, zu aktuellen Problemen Stellung nehmen zu sollen. Ob er das tun soll, ist eher eine Stil- als eine Grundsatzfrage.
Im Nord-Süd-Verhältnis hat die dauernde Neutralität immer wieder Mühe, Aktualität und Geltung zu erlangen. Sie findet sich auf Seiten der Drittwelt-Länder mit der Behauptung des Neutralismus und der Blockfreiheit konfrontiert. Soeben hat Costa Rica seine «aktive, autonome, unbewaffnete und immerwährende» Neutralität proklamiert.49 Costa Rica werde in ideologischen oder politischen Konflikten nicht unparteiisch sein. Es werde sich ferner nicht auf seine Neutralität berufen gegenüber Staaten, die der Aggression für schuldig befunden würden und gegen die der UNO-Sicherheitsrat Zwangsmassnahmen ergreife (NZZ Nr. 270 vom 18.11.1983).
In dieser Proklamation liegt ein interessanter Versuch vor, die neutralistischen Vorstellungen eines Drittwelt-Landes anzuknüpfen am klassischen völkerrechtlichen Institut der Neutralität.
Dass die Neutralität Costa Ricas aktiv, autonom und immerwährend sein soll, würde der Schweiz wenig Mühe bereiten. Offensichtlich problematisch wäre die Vorstellung, dass eine dauernde Neutralität unbewaffnet sei. Die Schweiz leitet ihre Vorstellung, dass ein dauernd neutraler Staat sich selbst verteidigen müsse, aus der Formulierung der Haager Abkommen und dem Völkergewohnheitsrecht her. Diese rechtliche Betrachtungsweise ist zusätzlich gestützt durch die geschichtlichen Erfahrungen.
In der jugoslawischen Literatur findet man die gründlichsten Analysen des Begriffes des Neutralismus. Die jugoslawische Autorin Bojana Tadic führt beispielsweise vier Zielgruppen der Blockfreiheit und des Neutralismus auf:
1) Aufrechterhaltung des Friedens und der Sicherheit,
2) Festigung der nationalen Unabhängigkeit und Sicherheit, vor allem Kampf gegen koloniale und neokoloniale Unterordnung,
3) Sicherung einer adäquateren und beschleunigten wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung,
4) und schliesslich Kampf für die Demokratisierung der internationalen Beziehungen.
Obwohl man aus der Optik der Schweiz beispielsweise der Zielsetzung eines Kampfes gegen koloniale und neokoloniale Unterordnung nicht zustimmen würde, sind doch die Zielgruppen der Blockfreiheit erstaunlich akzeptabel und nahe an den Regeln dauernder Neutralität. Dass sie danach militanter und parteilicher gehandhabt werden, als sie zunächst präsentiert werden, wirft selbstverständlich zusätzliche Probleme auf.
Bei der Beurteilung der Vereinbarkeit von Neutralität und Neutralitätspolitik mit UNO-Charta und kollektiver Sicherheit geht es in erster Linie darum, ob man die UNO als Utopie oder Illusion deuten will oder als gegenwärtige Realität. Das oberste Verfassungsprinzip der UNO ist nicht die kollektive Sicherheit, sondern die souveräne und weitgehend nur faktisch gebundene Politik jedes Mitgliedes nach dem Satz «tue was gefällt».
Anstelle der kollektiven Sicherheit sind bis zu einem gewissen Grade präventive oder nachträgliche Vermittlungsaktionen, Versuche zur Mobilisierung der öffentlichen Meinung und Blauhelmaktionen getreten. Demgemäss dient die UNO heute als universales Präventions-, Vermittlungs-, Schlichtungs- und Diskussionsforum der Konsensfindung und insofern oft mehr einer kollektiven Neutralität oder Pluralismus als einer kollektiven Sicherheit. Gemäss UNO-Charta wären einzig Sanktions- und Selbstverteidigungskriege zulässig und gerecht. Zu Sanktionskriegen ist es (abgesehen vielleicht vom Korea und dem Kongo) nicht gekommen. Der Vorbehalt des Selbstverteidigungsrechts hingegen, ursprünglich gedacht als provisorisches und beschränktes Nothilferecht vor dem Eingreifen des Sicherheitsrates, ist zur grossen rechtlichen Ausweichklausel und zur Begründung für die faktische Unterwanderung des Gewaltverbotes geworden. In jüngster Zeit ist zudem die Doktrin des bellum iustum in zwei Situationen neu belebt worden: Für den antikolonialistischen Selbstverteidigungskrieg von Drittwelt-Kolonien gegen das Mutterland und für die Unterdrückung sogenannter antisozialistischer Bewegungen innerhalb der Einflusszone der Sowjetunion mittels der Breschnew-Doktrin.
Der Bundesrat hat in seiner Botschaft von 1981 zu Recht ausgeführt, dass bei den weitaus meisten internationalen Konflikten mit dem Veto einer Grossmacht zu rechnen sei.50 Schon allein deshalb ist es zutreffend, dass das Problem der militärischen Sanktionen für die dauernde Neutralität keine grosse Gefährdung darstellt. Problematischer ist hingegen die Frage der Teilnahme an wirtschaftlichen Sanktionen. Hier scheint mir die bundesrätliche Stellungnahme doch etwas optimistisch zu sein. Es ist völlig richtig, dass diejenigen wirtschaftlichen Sanktionen, die umfassend angelegt und auch gehandhabt werden, von dauernd neutralen Staaten beachtet werden müssen, ob diese UNO-Mitglieder oder Nichtmitglieder sind. Die Handhabung derjenigen wirtschaftlichen Sanktionen, die nicht umfassend oder nur durchlöchert durchgeführt werden, dürfte hingegen neutralitätspolitische Probleme stellen. Gerade die Tatsache, dass sie nicht umfassend durchführbar sind, dürfte oft darauf hindeuten, dass sie mit dem Risiko eines bewaffneten Konflikts belastet sind. Gerade in solchen Situationen aber gebietet die schweizerische Neutralitätspolitik eine eigentliche Kriegserwartungspolitik und damit eine Haltung äusserster Vorsicht. Diese Vorsicht wird nicht immer von jedermann verstanden werden. Indessen gilt auch hier der Satz, dass das Problem für das UNO-Mitglied Schweiz genau gleich real ist wie für das UNO-Nichtmitglied. Auch in unserer heutigen Lage können wir uns nicht immer leicht allen Sachzwängen entziehen.
Noch ein Wort zur schweizerischen Neutralitätserklärung beim UNO-Beitritt. Bundesrat und Nationalratskommission haben sich ja jetzt auf eine vierfache statt auf eine einfache Form der Neutralitätserklärung geeinigt. Ob indessen die Neutralitätserklärung einfach, vierfach oder zehnfach gefasst sein wird, der Grund für die Form dieser Absicherung ist ein rein innenpolitischer. Das völkerrechtliche Problem bleibt immer dasselbe: Vorbehalte zur UNO-Charta sind unzulässig, und wenn die Schweiz versuchen sollte, einen Vorbehalt anzubringen, so wird sie mit grosser Wahrscheinlichkeit mit derjenigen Debatte in Generalversammlung und Sicherheitsrat über die Schweizer Neutralität rechnen müssen, die sie bisher immer vermeiden wollte. Sind aber formelle Vorbehalte unzulässig, so stellt sich offensichtlich die Frage, ob de facto-Vorbehalte mit der Charta eher vereinbar seien, und ob demgemäss die dauernde Neutralität mit militärischen oder wirtschaftlichen Sanktionen vereinbart werden kann. Das ist das bekannte völkerrechtliche Problem, von dem ich vorhin schon gesprochen habe, und auf das ich jetzt nicht nochmals zurückkommen will.
- 1
- Protokoll: CH-BAR#E9500.225#1000/1190#2* (1). Anwesende Mitglieder: A. Weitnauer (Vorsitz), H. Lüthy, L. Wildhaber (Referenten), B. Béguin, G. Broggini, C. Grosjean, W. Hofer, A. Jetzer, R. Meylan, O. Reverdin, R. Ruffieux, G. Spiess und Ch. Tavel. Eingeladen: P. R. Jolles, R. Probst, F. Landgraf, F. Blankart, E. Brunner, E. Diez, K. Jacobi, F. Muheim, C. Sommaruga, F. Staehelin, B. von Tscharner, H. von Arx, P.-L. Girard, M. Leippert und O. Uhl. Entschuldigte Mitglieder: Ph. Bois, H. Bütler, J. S. Eggly, J.-C. Favez, D. Frei, J. Freymond, C. Gasteyger, W. Jucker, A. Koller, G. Lattion, F. Luterbacher und V. Umbricht. Eingeladene entschuldigt: P. Aubert, K. Furgler, P. Graber, H. Schaffner, A. Glesti, A. Hugentobler, Ph. Lévy, F. Pictet, J.-P. Ritter, E. Röthlisberger, J. Faillettaz und M. Krafft. Sekretariat und Protokoll: P. Friederich, M. Darier und G. Spicher. Vertraulichkeitsvermerk: «Als vertrauliches Dokument zu behandeln, das an einem sicheren Ort aufzubewahren oder nach Einsichtnahme dem Sekretariat der Arbeitsgruppe ‹Historische Standortbestimmung› zurückzusenden ist.» Exemplar Nr. 62 für das Bundesarchiv. Für die Liste der verteilten 134 Exemplare vgl. das Faksimile, dodis.ch/34227.↩
- 2
- Vgl. dazu die Erklärung des Bundesrats vom 21. August 1968, dodis.ch/49267.↩
- 3
- Zur Frage der Haltung des Bundesrats zur US-Invasion in Grenada vom 25. bis 29. Oktober 1983 vgl. die Zusammenstellung dodis.ch/C2618.↩
- 4
- Vgl. dazu Thomas Bürgisser: Wahlverwandtschaft zweier Sonderfälle im Kalten Krieg. Schweizerische Perspektiven auf das sozialistische Jugoslawien 1943–1991, (Quaderni di Dodis – studi, Bd. 8), dodis.ch/q8.↩
- 5
- Ebd. bes. S. 436–456.↩
- 6
- Vgl. dazu die Zusammenstellung dodis.ch/C1822.↩
- 7
- Vgl. dazu die thematische Zusammenstellung Geiselkrise im Iran (1979–1981), dodis.ch/T1724.↩
- 8
- Vgl. dazu die Notiz von H. Ghisler vom 15. Februar 1984, dodis.ch/69700.↩
- 9
- Vgl. dazu die thematische Zusammenstellung Falklandkrieg/Malwinen (1982), dodis.ch/T1664.↩
- 10
- Vgl. dazu die Notiz von H. Ghisler an P. Aubert vom 19. August 1982, dodis.ch/50646 sowie das BR-Prot. Nr. 616 vom 7. April 1982, dodis.ch/69687.↩
- 12
- Vgl. dazu den Telex Nr. 5411 von R. Probst an die schweizerische Botschaft in Havanna vom 26. Oktober 1983, dodis.ch/69691.↩
- 13
- Zur Palästinakonferenz vom 29. August bis zum 7. September 1983 in Genf vgl. die Zusammenstellung dodis.ch/C2649.↩
- 14
- Vgl. dazu die thematische Zusammenstellung Libanonkonferenzen (1983–1984), dodis.ch/T1847.↩
- 15
- Vgl. die Ansprache von P. Aubert vom 31. Oktober 1983 an der Libanonkonferenz in Genf, dodis.ch/69695.↩
- 16
- F. Couchepin.↩
- 17
- Vgl. dazu die Notiz von M. Pache vom 2. November 1983, dodis.ch/50721.↩
- 18
- J. Pérez de Cuéllar.↩
- 19
- Vgl. dazu das Telegramm Nr. 206 von R. Probst an P. Aubert vom 17. Juni 1983, dodis.ch/50643.↩
- 20
- Vgl. dazu die thematische Zusammenstellung Falklandkrieg/Malwinen (1982), dodis.ch/T1664.↩
- 21
- Vgl. dazu die Zusammenstellung dodis.ch/C2650.↩
- 22
- Vgl. dazu die thematische Zusammenstellung Iran–Irak-Krieg (1980–1988), dodis.ch/T2053.↩
- 23
- An seiner Sitzung vom 2. November 1983 beschloss der Bundesrat, nur auf Anfrage von Journalisten eine Erklärung abzugeben, vgl. dodis.ch/69683. Vgl. zudem die Notiz von M. Pache vom 2. November 1983, dodis.ch/50721.↩
- 24
- Vgl. dazu die thematische Zusammenstellung Sowjetische Intervention in Afghanistan (1979–1989), dodis.ch/T1834.↩
- 25
- Der Bundesrat beschloss im April 1983 die Ausweisung des Redaktionsleiters und die Schliessung der Dependance der sowjetischen Presseagentur Nowosti in Bern mit der Begründung, sie sei massgeblich an der Organisation der Friedensdemonstration vom 5. Dezember 1981 in Bern beteiligt gewesen. Vgl. dazu die thematische Zusammenstellung Nowosti-Affäre (1983), dodis.ch/T2619.↩
- 26
- Die Stadtpolizei Bern hielt am 6. Oktober 1983 zwei Mitglieder des Leningrader Kirow-Orchesters aufgrund eines Diebstahlverdachts fest, ohne dass dieser sich erhärten sollte. In der Sowjetunion folgte darauf eine harsche Pressekampagne gegen die Schweiz. Vgl. dazu das Telex Nr. 241 von K. Fritschi an die Politische Abteilung I sowie an den Dienst Information und Presse des EDA vom 27. Oktober 1983, dodis.ch/69258.↩
- 27
- Vgl. die Erklärung des Bundesrats in der Beilage des BR-Prot. Nr. 1489 vom 7. September 1983, dodis.ch/67388.↩
- 28
- Vgl. dazu die thematische Zusammenstellung KSZE-Folgetreffen von Madrid (1980–1983), dodis.ch/T1412.↩
- 29
- In Angola handelte sich tatsächlich um tschechoslowakische Geiseln. Vgl. dazu die Notiz von E. Brunner vom 24. März 1983, dodis.ch/50683.↩
- 30
- Vgl. dazu das Telegramm Nr. 5451 von E. Brunner an die schweizerische Botschaft in Pretoria vom 16. November 1983, dodis.ch/50684 sowie das Telegramm Nr. 5330 von F. Muheim an die schweizerischen Botschaften in Lissabon und Pretoria vom 10. Juni 1985, dodis.ch/50691.↩
- 31
- Vgl. dazu die thematische Zusammenstellung Internierung sowjetischer Kriegsgefangener aus Afghanistan (1982–1986), dodis.ch/T2438.↩
- 33
- Vgl. die Botschaft über den Beitritt der Schweiz zur Organisation der Vereinten Nationen (UNO) vom 21. Dezember 1981, dodis.ch/53990.↩
- 34
- Vgl. dazu das Rundschreiben von R. Probst vom 17. Oktober 1983, dodis.ch/50642, bes. die beiliegenden Gesprächsprotokolle.↩
- 35
- Vgl. dazu den Politischen Bericht Nr. 6 von R. Beaujon vom 30. September 1983, CH-BAR#E2010-02A#1994/374#19* (A.21.31).↩
- 36
- Vgl. dazu die thematische Zusammenstellung Abstimmung über den UNO-Beitritt (1986), dodis.ch/T1772.↩
- 37
- Vgl. dazu die thematische Zusammenstellung Marc Rich-Affäre (1983–2001), dodis.ch/T2044.↩
- 38
- Sandoz.↩
- 39
- Gemeint ist die schriftliche Stellungnahme des Bundesrats auf die Interpellation 83. 909 Illegale Informationsbeschaffung durch ausländische Behörden von P. Couchepin vom 7. Oktober 1983, dodis.ch/69707. Zum Stand der Problematik der französischen Bankkonten in der Schweiz Ende 1983 vgl. das Protokoll von W. Fetscherin vom 28. Oktober 1983, dodis.ch/69708 sowie die Notiz von R. Probst vom 28. November 1983, dodis.ch/69710.↩
- 40
- Vgl. die Botschaft über den Beitritt der Schweiz zur Organisation der Vereinten Nationen (UNO) vom 21. Dezember 1981, dodis.ch/53990.↩
- 41
- Vgl. dazu das BR-Prot. Nr. 1590 vom 14. September 1983, dodis.ch/50653 sowie die Notiz von W. Fetscherin vom 15. September 1983, dodis.ch/50654.↩
- 42
- Vgl. die Erklärung des Bundesrats vom 4. November 1956, dodis.ch/50731.↩
- 43
- Vgl. die mündliche Erklärung von Bundeskanzler K. Huber vom 21. August 1968, dodis.ch/49267.↩
- 44
- Vgl. dazu dodis.ch/50774 und dodis.ch/50775.↩
- 45
- Vgl. dazu die «Bindschedler-Doktrin» vom 26. November 1954, dodis.ch/9564.↩
- 47
- Vgl. dazu die Notiz von M. Pache vom 2. November 1983, dodis.ch/50721.↩
- 48
- Vgl. die Erklärung des Bundesrats in der Beilage des BR-Prot. Nr. 1489 vom 7. September 1983, dodis.ch/67388.↩
- 49
- Für eine Einschätzung der Neutralitätserklärung Costa Ricas durch die Völkerrechtsdirektion des EDA vgl. die Notiz von J. Monnier vom 8. Dezember 1983, dodis.ch/69696.↩
- 50
- Vgl. die Botschaft über den Beitritt der Schweiz zur Organisation der Vereinten Nationen (UNO) vom 21. Dezember 1981, dodis.ch/53990.↩
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Working group Historische Standortbestimmung
Questions of international law Neutrality policy


