Darin: Volkswirtschaftsdepartement. Antrag vom 4.2.1971 (Beilage).
Darin: Politisches Departement. Mitbericht vom 9.2.1971 (Einverstanden).
Darin: Finanz- und Zolldepartement. Mitbericht vom 5.2.1971 (Einverstanden).
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 25, doc. 58
volume linkZürich/Locarno/Genève 2014
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#767* | |
Old classification | CH-BAR E 1004.1(-)1000/9 766.2 | |
Dossier title | Beschlussprotokolle des Bundesrates Februar 1971 (2 Bände) (1971–1971) | |
File reference archive | 4.11 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E7110#1982/108#922* | |
Old classification | CH-BAR E 7110(-)1982/108 87 | |
Dossier title | Verhandlungen (1971–1971) | |
File reference archive | 821 • Additional component: Rumänien |
dodis.ch/35754
OSTHANDELSPOLITIK. AUFHEBUNG DES CLEARING MIT RUMÄNIEN
[...]2
Der schweizerische Handel mit den Ländern Osteuropas ist anteilmässig relativ gering. Vor dem Zweiten Weltkrieg lag er zwar noch in der Grössenordnung von 9 bis 10 Prozent unseres gesamten Aussenhandels. In den ersten Nachkriegsjahren, als die osteuropäischen Länder nach dem Muster der Sowjetunion zum Staatshandel übergingen, sowie in der Periode des «Kalten Krieges» sank er jedoch auf etwa ein Fünftel dieses Anteils. Seither ist der Austausch langsam wieder auf etwa ein Drittel der Vorkriegsproportion angestiegen. In absoluten Zahlen beliefen sich unsere Importe aus den kommunistischen Staats handelsländern Osteuropas (ohne den Sonderfall Jugoslawien) vergangenes Jahr auf rund 580 Millionen Franken und unsere Exporte auf über 900 Mio. Hinzu kommen die entsprechenden Zahlen von 115 Millionen Ein fuhren bzw. 275 Mio. Ausfuhren im Handelsverkehr mit Jugoslawien. Diese generellen Werte für 1970 liegen etwa um ein Viertel über jenen von 1969 (wobei die Zunahme der Osthandelsexporte das durchschnittliche Wachstum unserer Gesamt ausfuhren um mehr als das Doppelte überstieg). Das gesamte Handelsvolumen mit Osteuropa, Importe und Exporte zusammengenommen, beträgt damit, inklusive Jugoslawien, rund 1,9 Milliarden Franken.
Unsere östlichen Märkte finden also offenbar wieder zunehmendes Interesse3. Auch wenn keine spektakulären Erfolge zu erwarten sind und dem Osthandel aus verschiedenen Gründen sowohl der ökonomischen Struktur und des wenig diversifizierten Angebots der östlichen Wirtschaften als namentlich auch der tiefergreifenden Systemunterschiede weiterhin Grenzen gesetzt sein dürften, ist ihm doch vermehrte Aufmerksamkeit zu widmen. Schon der Umstand, dass sich unsere westlichen Konkurrenten – kaum mehr durch politische Erwägungen gehemmt – intensiv um ihn bemühen, gibt Anlass, uns daraus nicht verdrängen zu lassen, uns zumindest den bisherigen Anteil zu sichern und an der sich offenbar beschleunigenden Expansion dieses ausbaufähigen Marktes angemessen teilzunehmen.
Verschiedene Initiativen und Intentionen aus jüngerer Vergangenheit weisen in diese Richtung, so die von der schweizerischen Uhrenindustrie und einigen Grossfirmen namentlich der chemischen Branche mit dem sowjetischen Staatskomitee für Wissenschaft und Technik unterzeichneten Zusammenarbeitsprotokolle4, der Besuch einer Delegation dieses selben Komitees vom letzten Herbst beim Vorort5, die Verstärkung unserer diplomatischen Handelsdienste in gewissen Ostkapitalen, aber auch die zunehmende Mitarbeit mehrerer Oststaaten im GATT, etc. Die Reise einer schweizerischen Wirtschaftsdelegation, der neben Behördevertretern vor allem auch Exponenten aus Industrie und Handel angehörten, vom letzten Herbst nach Jugoslawien6, die anschliessenden Kontakte des zuständigen Delegierten7 für Handelsverträge in Sofia und Prag8, ebenso die Vorsprachen der stellvertretenden Aussenhandelsminister Ungarns9 und Rumäniens10 in Bern gehören in den selben Zusammenhang.
Schliesslich sprechen auch Überlegungen der Universalität unserer Handelsbeziehungen dafür, dass die neutrale Schweiz ihren Austausch mit dem Osten durch geeignete Methoden in hinreichendem Masse weiterpflegt. Bei unseren gegenwärtigen Bemühungen um eine Annäherung an die Europäischen Gemeinschaften11 haben wir stets unsern Willen bekundet, Lösungen zu finden, die unsere weltweiten Handelsbeziehungen nicht beeinträchtigen sollen. Es dürfte angezeigt erscheinen, eine entsprechende Bereitschaft auch gegenüber dem Osten erkennen zu lassen. Neben der – relativ bescheidenen – ökonomischen Tragweite des Osthandels spielen hier auch gewisse allgemeine Erwägungen mit hinein, wobei allerdings vermieden werden müsste, allfälligen Vereinbarungen wirtschaftlicher Natur einen unerwünschten politischen Unterton zu verleihen.
II. Das schweizerische Osthandelsregime; Frage des gebundenen Zahlungsverkehrs
Das Handelsregime der Schweiz ist auch im Verhältnis zum Osten traditionell liberal12. Während die Staaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gegenüber den osteuropäischen Ländern noch verschiedentlich mengen mässige Einfuhrbeschränkungen im Industriesektor aufrecht erhalten und die USA durch Kongressbeschluss ausserstande gesetzt sind, diesen Ländern die Meistbegünstigung einzuräumen, kennt die Schweiz keine solchen Einfuhrkontingente und hat sie den Oststaaten seit jeher faktisch die Meistbegünstigung in Zollsachen gewährt. Diese Einstellung vermochte allerdings nicht zu verhindern, dass unsere Wirtschaft in den letzten Jahren im Osthandel verglichen mit ihren aggressiveren westlichen Konkurrenten in Rückstand geriet. Mindestens teilweise mag dies damit zusammenhängen, dass unserem freiheitlichen Regime auf dem Handelsgebiet die Clearingpflicht im Zahlungssektor gegenübersteht. Während die wichtigsten Industriestaaten den gebundenen Zahlungsverkehr Ende der Fünfzigerjahre beim Übergang zur allgemeinen Konvertibilität auch im Verhältnis zum Osten fallen liessen, gehören wir, mit einigen westlichen Ländern von wirtschaftlich sekundärer Bedeutung (wie Spanien, Portugal, Griechenland, der Türkei sowie teils noch Österreich und Finnland), zu den wenigen, die ihn gegenüber mehreren osteuropäischen Staaten weiterführen.
Im Verhältnis zur Sowjetunion bestand zwar seit jeher kein Clearing, mit Albanien13 war es mangels an konkretem Interesse nicht eingeführt worden, und mit Jugoslawien, welches von allen Oststaaten auf dem Wege der Liberalisierung am weitesten fortgeschritten ist, konnte es am 1. Dezember 1969 aufgehoben werden14. Gestützt auf bilaterale Zahlungsabkommen ist aber der gebundene Zahlungsverkehr immer noch mit Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien in Kraft. Mit der Deutschen Demokra tischen Republik wird zudem schweizerischerseits ein Clearing auf autonomer Basis aufrecht erhalten.
Das Clearing mit den genannten Ländern (ohne DDR) verfolgte, als es um 1950 herum in seiner gegenwärtigen Form neu festgelegt wurde, einen doppelten Zweck: – einerseits sollten die nötigen Mittel zur Bezahlung der schweizerischen
Exporte sichergestellt werden; – anderseits ging es darum, durch Abspaltung von Clearingmitteln die
Abgeltung der uns seitens der osteuropäischen Staaten geschuldeten Nationalisierungsentschädigungen zu gewährleisten.
Diese beiden Zwecke sind heute stark in den Hintergrund gerückt wenn nicht teils sogar gänzlich dahingefallen: – Unser Wirtschaftsverkehr mit den Ostländern hat sich in den letzten Jahren nicht ungünstig entwickelt. Da die Handelsbilanz mit ihnen (ausgenommen
Ungarn15) ohnehin zumeist stark aktiv ist, schiessen sie schon heute zur
Überbrückung der Differenz regelmässig freie Devisen ein und sind damit für die Bezahlung ihrer Warenbezüge aus der Schweiz keineswegs mehr ausschliesslich auf das Clearing angewiesen. – Was die Abtrennung der Nationalisierungsentschädigungen anbelangt,
so ist sie nunmehr, mit der einzigen Ausnahme Polens16, wo eine geringe
Restschuld noch während des laufenden Semesters liquidiert werden dürfte,
beendet. Das Clearing mit den osteuropäischen Staatshandelsländern hat damit stark an effektiver Bedeutung verloren und einen wesentlichen Teil seiner wirtschaftlichen Funktion eingebüsst.
Damit stellt sich die Frage, ob es nicht besser abgebaut würde. Die guten Erfahrungen mit Jugoslawien, wo die Aufhebung des gebundenen Zahlungsverkehrs von einem sehr starken Aufschwung des gegenseitigen Warenaustausches gefolgt war17 (wobei freilich auch andere Elemente mit hineingespielt haben dürften), weisen in diese Richtung. Hinzu kommt, dass nun auch seitens der Oststaaten selbst in letzter Zeit immer dringender der Ruf nach einer Revision und Modernisierung unserer diversen Handelsund Zahlungsvereinbarungen ertönt, deren Abschluss im allgemeinen rund zwei Jahrzehnte zurückliegt. Dabei steht das Postulat, es sei der gebundene Zahlungsverkehr abzuschaffen, durchwegs im Vordergrund. Die von uns konsultierte Wirtschaft würde eine solche Entwicklung, die sie von den Formalitäten und Spesen des zusehends als überflüssig empfundenen Clearing entlasten würde, ihrerseits begrüssen.
Wir sind unter diesen Umständen zur Auffassung gelangt, dass nun in der Tat grundsätzlich mit den interessierten Staaten auf entsprechende Verhandlungen eingetreten werden kann18. Dabei sollte freilich das Clearing unserseits nicht generell aufgehoben, sondern es sollte die Lage mit jedem einzelnen Staat je nach den vorliegenden Voraussetzungen gesondert geprüft und geregelt werden.
III. Schweizerische Postulate
Zu einer sorgfältigen Prüfung besteht umso mehr Anlass, als der Abbau des Clearing im gegenseitigen Verkehr keineswegs bedeutet, es würde auch seitens unserer Ostpartner die Devisenkontrolle eingestellt. Im Rahmen ihrer Wirtschaftsverfassung, die auf staatlicher Lenkung beruht, wird die Devisenbewirtschaftung dieser Länder vielmehr weiterhin auch gegenüber der Schweiz bestehen bleiben. Nur die gegenseitige Verrechnung über das Clearing würde dahinfallen.
Wir sollten deshalb möglichst vorsorgen, dass dieser Wegfall unsere Chancen nicht beeinträchtigt. Es muss also, wie schon mit Jugoslawien, festgelegt werden, dass für die Zulassung von Zahlungen, gleichgültig welcher Art, nach Aufhebung des Clearing keine ungünstigeren Voraussetzungen massgebend sein dürfen als zuvor.
Ein weiteres Bemühen wird dahin gehen müssen, wo immer möglich die nötigen Vorkehren zu treffen, damit die Oststaaten der schweizerischen Exportstruktur Rechnung tragen und neben unseren Investititionsgütern, für die sie sich primär interessieren, auch die besonders exportempfindlichen traditionellen schweizerischen Konsumgüter bei ihren Käufen berücksichtigen. Wir werden also, wie dies teils schon bisher der Fall war, danach trachten, auf speziellen Gebieten eine gegenseitige Relation zwischen Käufen und Verkäufen (Textiljunktim, Agrarjunktim) zu vereinbaren. Ein Problem für sich, das ebenfalls Beachtung verdient, bilden im Konsumgütersektor, angesichts bestehender Abnahmeverpflichtungen und überschüssiger Rubelguthaben der meisten Oststaaten gegenüber der Sowjetunion, die Liefermöglichkeiten für Schweizeruhren.
Daneben besteht natürlich der Wunsch, dass seitens der Oststaaten, wo sich die Exportpreise der eigenen Güter oft nach ausserwirtschaftlichen Kriterien bestimmen, vermehrte Preisdisziplin geübt wird, um Störungen des schweizerischen Marktes durch eigentliche Dumpingpreise, namentlich im Konsumgütersektor, zu vermeiden. Auch hier werden wir Sicherungen (Einhaltung der Welthandelspreise) einzubauen versuchen.
Im übrigen beabsichtigen wir, die allenfalls abzuschliessenden Handelsabkommen möglichst nach den klassischen Regeln auszurichten. Wir kommen hinsichtlich Rumäniens noch näher darauf zurück.
IV. Wirtschaftliche Kooperation
Neben dem traditionellen Warenverkehr haben sich in den letzten Jahren mit einigen industriell weiter fortgeschrittenen Oststaaten neuzeitlichere Formen der wirtschaftlichen Beziehungen durch industrielle Kooperation auf dem Wege von Lizenz-, Lohnarbeits-, Umarbeitungsabmachungen, des vermehrten Bezugs von Halbfabrikaten, sektorieller Produktionsverlagerungen etc. entwickelt. Besonders mit Jugoslawien sind hier namhafte Resultate erzielt worden19. Die Oststaaten scheinen lebhaft daran interessiert, diese Kooperation zwischen schweizerischen Unternehmungen und eigenen Betrieben weiter auszudehnen, um die Industrialisierung zu fördern und gleichzeitig ihre teils noch unaus geschöpfte Arbeitskraftreserve und Produktionskapazität intensiver zu nutzen. Indessen besteht auch seitens der schweizerischen Wirtschaft eine zunehmende Neigung zu solcher Kooperation, um unseren überbeanspruchten Arbeitsmarkt, der von aussen nicht mehr weiter ergänzt werden kann, etwas zu entlasten.
Ob es allerdings nötig ist, zu diesem Zweck, zusätzlich zu den neuen Handelsabkommen, eigentliche Kooperationsverträge abzuschliessen, wie es uns die östlichen Regierungen im Geiste des staatlichen Plandenkens vorschlagen, ist eine andere Frage. Nach unserer Konzeption ist die Kooperation eine Sache der privaten Wirtschaft, in die sich der Staat mit seinen Weisungen nicht einschalten kann. Auch der uns entgegengehaltene Umstand, dass sich schon mehrere westeuropäische Länder (BRD, Italien, Frankreich, Benelux, Österreich, Schweden, Dänemark, Finnland) zum Abschluss solcher Verträge mit Oststaaten bereit gefunden haben, vermag uns von unserer Auffassung nicht abzubringen. Wir werden also Kooperationsverträge zu vermeiden trachten. Sollte es sich als unumgänglich erweisen, so werden wir uns lediglich auf eine Einfügung einer summarischen Kooperationsklausel, d. h. einer blossen Bezeugung des guten Willens ohne irgendwelche materielle Tragweite, in die neuen Handelsverträge einlassen. Anderseits könnte uns eine solche Klausel als Ansatzpunkt dienen, gewisse für uns nützliche Sicherungen hinsichtlich des geistigen Eigentums (Urheberrecht, Markenschutz) einzubauen, das im Osten erst rudimentär respektiert wird.
V. Verhandlungen mit Rumänien
1. Ausgangslage
In konkreter Hinsicht am weitesten fortgeschritten sind die Dinge zurzeit mit Rumänien. Im Verlaufe der beiden letzten Jahre hatten die rumänischen Behörden, teils im Zusammenhang mit dem noch pendenten Beitrittsgesuch Rumäniens zum GATT, mehrmals den Wunsch geäussert, es seien die heute noch geltenden Wirtschaftsvereinbarungen, namentlich das Abkommen über den Warenaustausch und den Zahlungsverkehr vom 3. August 195120, zu «modernisieren». Dieses, ebenso das gleichzeitige Abkommen über die Entschädigung schweizerischer Interessen in Rumänien21, war das Ergebnis langwieriger und komplexer Verhandlungen gewesen, wodurch einerseits die Grundlagen für die Wiederherstellung der gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen gelegt und anderseits die Bereinigung der schweizerischen Ansprüche aus den Verstaatlichungs- und Konfiskationsmassnahmen der unmittelbaren Nachkriegsperiode eingeleitet worden waren. Rumänien hatte sich damals verpflichtet, zur Abgeltung der schweizerischen Forderungen aller Art eine Globalsumme von rund 49 Mio. Fr. zu leisten. Diese ist vereinbarungsgemäss bis Ende der Fünfzigerjahre vollumfänglich bezahlt worden.
Was die «Modernisierung» des Abkommens über den Waren- und Zahlungsverkehr anbelangt, schienen die rumänischen Intentionen anfänglich noch wenig eindeutig. Zur Klarstellung der beidseitigen Standpunkte fanden deshalb anfangs Juni 1970 in Bern mit einer rumänischen Expertendelegation exploratorische Gespräche statt22. Dabei unternahmen die rumänischen Vertreter zunächst den Versuch, die vertraglich festgelegten Clearing-Bedingungen durch Erwirkung eines Clearing-Kredits zu ihren Gunsten zu verbessern. Als wir dieses Begehren und andere Revisionswünsche als nicht mehr zeitgemäss ablehnten, entschlossen sich die rumänischen Behörden nach erneuter Prüfung, uns die Abschaffung des Clearing und den Abschluss eines den heutigen Umständen angepassten neuen Handelsabkommens, zu dem sie uns im vergangenen Dezember einen Entwurf überreichten, vorzuschlagen. Es wurde hierauf vereinbart, in der letzten Februarwoche 1971 darüber in Bern zwischen Regierungsdelegationen Verhandlungen23 zu führen.
2. Bisherige Entwicklung des Warenaustausches und des Zahlungsverkehrs
Bevor wir auf die kommenden Verhandlungen näher eintreten, erscheint es angezeigt, einen Blick auf die bisherige Entwicklung zu werfen.
Der Warenaustausch zwischen der Schweiz und Rumänien war, soweit er durch die schweizerische Handelsstatistik erfasst wird, d. h. unter Ausschluss der recht umfangreichen Transitgeschäfte, seit den ersten Nachkriegsjahren vor allem durch steigende Ausfuhrüberschüsse zugunsten der Schweiz gekennzeichnet. Im Jahrzehnt von 1950 bis 1959 betrugen die Einfuhren rumänischer Waren durchschnittlich 8 Mio. Fr. und die Ausfuhren schweizerischer Güter nach Rumänien 18 Mio. Fr., was für diese Periode einen schweizerischen Gesamtexportüberschuss von 100 Mio. ergab. Im anschliessenden Jahrzehnt von 1960 bis 1969 beliefen sich die entsprechenden Durchschnittszahlen für unsere Importe auf rund 28 Mio. und die Exporte auf 62 Mio., woraus ein jährlicher schweizerischer Ausfuhrüberschuss von annähernd 34 Mio. resultierte. Im Jahre 1970 schliesslich importierte die Schweiz für rund 38 Mio. aus Rumänien, während die Exporte dorthin 113 Mio. erreichten.
Da Rumänien besonders in den letzten Jahren grosses Gewicht darauf legte, für seine stark expandierende Industrie in westlichen Staaten modernste Ausrüstungen zu kaufen, war auch die Struktur der schweizerischen Lieferungen sehr einseitig. Rund 70 Prozent der Exporte entfallen auf Maschinen, Apparate und Metallwaren, während die Erzeugnisse der chemischen Industrie weitere 25 Prozent ausmachen; die übrigen Sparten der schweizerischen Exportwirtschaft (Textil-, Uhren- und Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft), also der Konsumgütersektor, müssen sich in die verbleibenden 5 Prozent teilen. Umgekehrt ist auch die Zusammensetzung der rumänischen Lieferungen nach der Schweiz sehr einseitig, entfallen doch immer noch rund zwei Drittel auf Agrarpositionen, was der heutigen rumänischen Produktionsstruktur nicht mehr entspricht. Es wird rumänischerseits ganz besonderer Anstrengungen bedürfen, um den Erzeugnissen der jungen rumänischen Industrie einen angemessenen Zugang zum schweizerischen Markt zu verschaffen.
Aus dem Ungleichgewicht im Warenverkehr ergab sich für die rumänischen Devisenbehörden im Zahlungsverkehr die Notwendigkeit, durch den Einschuss von freien Mitteln in das Clearing die Finanzierung der rumänischen Importe aus der Schweiz sicherzustellen. Die rumänischen Behörden sind dieser Verpflichtung regelmässig nachgekommen oder haben durch entsprechende Vereinbarungen mit schweizerischen Grossexporteuren dafür gesorgt, dass diese – z. B. durch die Lieferung rumänischer Waren nach Drittstaaten – für die Bereitstellung der Zahlungsmittel aufkamen, so dass in der Abwicklung der Zahlungen keine Verzögerungen oder Wartefristen entstanden sind. Im Jahrzehnt von 1960 bis 1969 haben die Einschüsse an freien Mitteln in das Clearing über 177 Mio. Fr. ausgemacht. Im Jahre 1970 allein wurden 65 Mio. Fr. zugeschossen.
[…]24
- 1
- Antrag: CH-BAR#E1001#1977/178#27*. Unterzeichnet von E. Brugger.↩
- 2
- Für die Tabelle vgl. dodis.ch/35754. Pour le tableau, cf. dodis.ch/35754. For the table, cf. dodis.ch/35754. Per la tabella, cf. dodis.ch/35754.↩
- 3
- Vgl. dazu DDS, Bd. 24, Dok. 135, dodis.ch/33630. Zur Vergabe von Bankkrediten an kommunistische Länder vgl. DDS, Bd. 25, Dok. 26, dodis.ch/32773.↩
- 4
- Zur Zusammenarbeit schweizerischer Industriekreise mit dem sowjetischen Staatskomitee für Wissenschaft und Technik vgl. DDS, Bd. 25, Dok. 104, dodis.ch/35620, Punkte 3 und 4. Zu den Wirtschaftsbeziehungen mit der Sowjetunion vgl. auch DDS, Bd. 25, Dok. 82, dodis.ch/35535.↩
- 5
- Vgl. dazu das Schreiben von H. Rossi an P. R. Jolles vom 28. August 1970, dodis.ch/35625.↩
- 6
- Vgl. dazu den Bericht von R. Probst vom 30. September 1970, dodis.ch/35173.↩
- 8
- Zu den Besprechungen in Sofia, vgl. Anm. 5, zu denjenigen in Prag vgl. den Bericht von R. Probst vom 10. Januar 1971, CH-BAR#E7110#1982/108#1042* (821).↩
- 9
- Zum Besuch von J. Baczoni vgl. die Aufzeichnung von L. Roches vom 21. Oktober 1970, dodis.ch/36414.↩
- 10
- Es handelt sich um den Besuch des rumänischen Aussenhandelsministers, C. Burtică. Vgl. dazu Doss. CH-BAR#E7001C#1982/118#1* (004.01).↩
- 11
- Zum Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und den der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vgl. DDS, Bd. 25, Dok. 182, dodis.ch/35776, bes. Anm. 3. Zu den Verhandlungen vgl. DDS, Bd. 24, Dok. 180, dodis.ch/33243; DDS, Bd. 25, Dok. 25, dodis.ch/35772; Dok. 44, dodis.ch/35774 und Dok. 108, dodis.ch/35775.↩
- 12
- Vgl. dazu DDS, Bd. 25, Dok. 36, dodis.ch/35399.↩
- 13
- Zu den Beziehungen mit Albanien vgl. DDS, Bd. 25, Dok. 21, dodis.ch/34480.↩
- 14
- Vgl. dazu DDS, Bd. 24, Dok. 20, dodis.ch/32396, bes. Anm. 6.↩
- 15
- Zum Handelsaustausch mit Ungarn vgl. DDS, Bd. 25, Dok. 14, dodis.ch/35746.↩
- 16
- Zu den Verhandlungen über die Abtragung der polnischen Nationalisierungs-Restschuld vgl. DDS, Bd. 22, Dok. 92, dodis.ch/30510; DDS, Bd. 23, Dok. 32, dodis.ch/31318, und DDS, Bd. 24, Dok. 139, dodis.ch/32142.↩
- 17
- Zu den Wirtschaftsbeziehungen mit Jugoslawien vgl. DDS, Bd. 25, Dok. 122, dodis.ch/35169.↩
- 18
- Zum Stand der Verhandlungen mit der Tschechoslowakei, Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Polen Ende 1972 vgl. DDS, Bd. 25, Dok. 176, dodis.ch/35755. Vgl. auch DDS, Bd. 25, Dok. 157, dodis.ch/34496.↩
- 19
- Vgl. DDS, Bd. 24, Dok. 170, dodis.ch/32381.↩
- 20
- Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Rumänischen Volks republik betreffend den Warenaustausch und den Zahlungsverkehr vom 3. August 1951, AS, 1951, S. 825–840. Zu den rumänischen Vorstössen betreffend Neuverhandlung des Abkommens vgl. die Notiz von L. Roches vom März 1969, dodis.ch/32538 sowie das Protokoll von F. Blankart vom 30. Mai 1969 der Sitzung vom 19. April 1969, dodis.ch/32537.↩
- 21
- Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Rumänischen Volksrepublik betreffend die Entschädigung der schweizerischen Interessen in der Rumänischen Volksrepublik vom 3. August 1951, AS, 1951, S. 829–838. Zu den Verhandlungen vgl. DDS, Bd. 18, Dok. 66, dodis.ch/7238.↩
- 22
- Vgl. dazu die Notiz von R. Probst an P. R. Jolles vom 25. Juni 1970, dodis.ch/36044.↩
- 23
- Zum Verlauf der Wirtschaftsverhandlungen mit Rumänien vgl. DDS, Bd. 25, Dok. 167, dodis.ch/35687, bes. Anm. 2.↩
- 24
- Der Antrag, die Handelsabteilung zu bemächtigen, mit Rumänien Wirtschaftsverhandlungen zu führen und, unter Abschaffung des gebundenen Zahlungsverkehrs, ein neues Handelsabkommen abzuschliessen, wurde vom Bundesrat ohne Änderungen angenommen. Für das vollständige Dokument vgl. dodis.ch/35754.↩
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