Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 24, doc. 20
volume linkZürich/Locarno/Genève 2012
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1978/84#4163* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1978/84 1048 | |
Dossier title | Wirtschaftsbeziehungen mit der Schweiz (1964–1967) | |
File reference archive | C.41.111.0 • Additional component: Jugoslawien |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1978/84#1162* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1978/84 183 | |
Dossier title | Schweiz. Verrechnungsstelle. Geschäftsführung (1964–1967) | |
File reference archive | C.40.22 |
dodis.ch/32396 Der Chef der Abteilung für Politische Angelegenheiten des Politischen Departements, P. Micheli, an den Delegierten des Bundesrats für Handelsverträge, A. Grübel1 Aufhebung des Clearings mit Jugoslawien
Wir haben das Problem der Aufhebung des Clearings mit Jugoslawien untersucht und sind zum Schluss gekommen, dass, politisch gesehen, ein solcher Schritt wünschbar ist.
Unter den kommunistischen Oststaaten hat sich Jugoslawien den grössten Bewegungsspielraum zu sichern gewusst. Das Land verdankt diese Entwicklung günstigen Umständen, u. a. der Tatsache, dass es keine gemeinsame Grenze mit der UdSSR besitzt. Die Jugoslawen haben diese Ellenbogenfreiheit zu nutzen verstanden. Politisch haben sie, allerdings ohne viel Erfolg, eine Politik der Blockfreiheit propagiert und versucht, sich an die Spitze der sog. Neutralisten2 zu stellen. Die in Gang gesetzten Wirtschaftsreformen3 fussen auf Grundlagen, die sich stark von der ursprünglichen marxistischen Theorie unterscheiden. Diese Reformen haben sich bisher positiv ausgewirkt, die erzielten Resultate müssen aber konsolidiert werden. Ferner ist Jugoslawien Mitglied der GATT geworden und die Regierung bemüht sich, eine Annäherung an die EFTA4 zu erreichen. In der OECD hat Jugoslawien die Stellung eines Beobachters, beteiligt sich aber darüber hinaus aktiv an gewissen Arbeiten der Organisation.
Sicher ist Jugoslawien noch immer ein kommunistisches Land, das sich dem «Ostblock» zugehörig fühlt. Von allen Ostblockländern dürfte es aber, wie dargelegt, dasjenige sein, das sich am weitesten von Moskau entfernt hat. So sind z. B. die Jugoslawen die einzigen Fremdarbeiter aus dem Osten, die in der Schweiz tätig sein dürfen5.
Abgesehen von allen wirtschaftlich-technischen Überlegungen betrachtet Jugoslawien den Clearing mit der Schweiz als ein Relikt aus der Zeit des Kalten Krieges. Es wird diese leicht emotional gefärbte Haltung auch nicht aufgeben, wenn wir dartun, dass die Schweiz den Clearing nicht aus politischen Gründen eingeführt hat, sondern um ihre bedrohte Ausfuhr nach Jugoslawien zu sichern. Die jugoslawische Betrachtungsweise ist übrigens aus «optischen» Gründen nicht ganz unverständlich, ist es doch so, dass der gebundene Zahlungsverkehr zur Zeit, abgesehen von der VAR und der Türkei, nur noch mit Oststaaten aufrechterhalten wird und somit das Argument auf der Hand liegt, wir hätten bei der Aufhebung dieses Instrumentes dem Westen gegenüber mehr guten Willen gezeigt.
Da die Clearingfrage in jugoslawischen Augen ein «Politikum» darstellt, sollten auch wir das Problem u. a. unter diesem Gesichtspunkt betrachten. Die Aufhebung des Clearings würde, nachdem sie verschiedentlich und nachdrücklich verlangt wurde, jugoslawischerseits als eine Geste anerkannt und könnte sich, wie auch die schon erfolgte Lockerung des Visumzwanges, nur günstig auf unsere bilateralen Beziehungen auswirken. Die Aufhebung des Clearings, ein veraltetes Instrument, ist offenbar nur noch eine Frage der Zeit. Warum sollen wir zuwarten und diese Aufhebung statt als eine Geste, als unter dem Druck der Verhältnisse zustande gekommen erscheinen lassen? Wir haben in einer Zeit, da die Weichen auf Entspannung gestellt sind, kein Interesse daran, ohne Not als «Nachzügler» zu erscheinen.
Die Aufhebung des Clearings mit Jugoslawien würde bei den Besonderheiten, die den jugoslawischen Fall kennzeichnen, kein Präjudiz für andere Oststaaten bedeuten6.
- 1
- Notiz (Kopie): E2001E#1978/84#4163* (C.41.111). Verfasst von P. A. Nussbaumer.↩
- 2
- Vgl. dazu DDS, Bd. 24, Dok. 153, dodis.ch/32372.↩
- 3
- Vgl. dazu z. B. die Notiz von G. Lepori vom 26. Juni 1965, dodis.ch/31159.↩
- 4
- Zu den Beziehungen zwischen der EFTA und Jugoslawien vgl. DDS, Bd. 21, Dok. 74, dodis.ch/14740, und Dok. 77, dodis.ch/14681 sowie DDS, Bd. 23, Dok. 182, dodis.ch/31149.↩
- 5
- Zu den jugoslawischen Arbeitskräften in der Schweiz vgl. DDS, Bd. 24, Dok. 170, dodis.ch/32381.↩
- 6
- Zur Aufhebung des Clearings vgl. ferner Doss. E7110#1978/50#973* (890.1). Der Beschluss zur Aufhebung des gebundenen Zahlungsverkehrs wurde im BR-Prot. Nr. 1621 vom 16. Oktober 1968, E1004.1#1000/9#739* festgehalten und trat mit dem Notenaustausch zwischen der Schweiz und Jugoslawien betreffend die Aufhebung des gebundenen Zahlungsverkehrs zwischen den beiden Ländern vom 16. Dezember 1968, AS, 1969, S. 175 f. in Kraft.↩
Tags
Yugoslavia (Politics) East-West-Trade (1945–1990)