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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 24, doc. 25
volume linkZürich/Locarno/Genève 2012
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E7001C#1978/59#470* | |
Old classification | CH-BAR E 7001(C)1978/59 12 | |
Dossier title | Messe in Tokio vom 18.4. - 7.5.67 (1967–1967) | |
File reference archive | 120.02 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2807#1974/12#461* | |
Old classification | CH-BAR E 2807(-)1974/12 48 | |
Dossier title | Japan (1967–1967) | |
File reference archive | 09 |
dodis.ch/32485
Reise nach Japan und Hong Kong. April 1967
I. Einleitende Bemerkungen
1. Am 6. Februar 1964 hatte sich der Abschluss des ersten Handels- und Freundschaftsvertrags zwischen der Schweiz und Japan zum hundertsten Male gejährt2. Nach den fünf führenden Seemächten der damaligen Zeit – England, den Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreich, Holland und Preussen – war die Schweiz als kleines Binnenland der sechste Staat, der mit seinen Kaufleuten in Japan Fuss fasste, seitdem sich das Land der aufgehenden Sonne nach langer Isolierung Mitte des vorigen Jahrhunderts endlich der modernen Umwelt geöffnet hatte.
Schon vor drei Jahren war erwogen worden, der Feier dieses Ereignisses, das den Ausgangspunkt einer langen, gedeihlichen wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern gebildet hat, durch die Entsendung einer offiziellen schweizerischen Persönlichkeit nach Tokio ein besonderes Gepräge zu geben3.
Verschiedener Umstände wegen hatte sich der Plan in jenem Zeitpunkt leider nicht verwirklichen lassen. Die damalige Absenz ist nunmehr durch den Beschluss des Bundesrates4, Herrn Bundesrat Schaffner nach Japan zu delegieren, ausgeglichen worden. Den äussern Anlass dazu bot die aktive Teilnahme der Schweiz an der diesjährigen Tokioter internationalen Handelsmesse. Der eigentliche Grund lag aber im Bestreben, dem befreundeten Japan, das zu einer führenden Industriemacht geworden ist und mit dem uns nicht nur intensive Handelsbeziehungen, sondern – in OECD, GATT und anderen internationalen Gremien – auch eine echte Partnerschaft verbindet5, unsere Wertschätzung zu bekunden. Der Besuch wurde denn auch, dank den grossen Bemühungen der schweizerischen Botschaft in Tokio sowie dem Entgegenkommen des japanischen Aussenministeriums, von Anfang an in einen Rahmen gestellt, der den nötigen Widerhall und ein Maximum an ebenso freundschaftlichen wie nützlichen Kontakten verbürgte; wir werden auf Näheres zurückkommen.
2. Japan ist heute in Asien unser wichtigster Handelspartner. Während sich unsere Exporte 1966 auf über 290 Millionen Franken beliefen, erreichten unsere Importe aus Japan 241 Millionen. Bereits an dritter Stelle unserer Kunden im asiatischen Raum figuriert indessen, nach Japan und Indien, überraschend die britische Kronkolonie Hong Kong, der wir 1966 schweizerische Waren im Wert von fast 204 Millionen Franken geliefert haben; im gleichen Zeitraum beliefen sich unsere Bezüge aus Hong Kong auf rund 48 Millionen. Zusammen nehmen uns also Japan und Hong Kong für fast eine halbe Milliarde Franken schweizerische Exportprodukte ab, während unsere Bezüge weniger als 300 Millionen ausmachen. Diese beiden Wirtschaftsgebiete sind also mit einem Überschuss zu unsern Gunsten von total 205 Millionen Franken an der Korrektur unserer in ihrer Gesamtheit chronisch passiven Handelsbilanz beteiligt; Hong Kong allein trägt zu diesem Ergebnis rund drei Viertel bei. Es erschien deshalb naheliegend, auf dem Rückweg auch dieser Hafenstadt einen kurzen Besuch abzustatten.
3. Herr Bundesrat Schaffner war auf seiner Reise, die in die Zeit vom 14. bis zum 26. April fiel, von seiner Gemahlin6 sowie vom Unterzeichneten in seiner Eigenschaft als Delegierter für Handelsverträge begleitet. Das schwer befrachtete offizielle Programm in Tokio (vgl. Beilage 17) konzentrierte sich auf die vier Tage vom Montag 17. April bis und mit Donnerstag 20. April. Die beiden folgenden Tage waren einem Besuch der alten japanischen Kaiserstadt Kyoto gewidmet. Durch Überspringen eines Swissair-Kurses wurde vom Sonntag 23. April bis Dienstag 25. April die nötige Zeit für den Aufenthalt in Hong Kong gewonnen. In den frühen Morgenstunden des Mittwoch 26. April landete die Reisegesellschaft in Cointrin wieder auf Schweizerboden.
II. Japan
1. Es scheint angezeigt, dem Bericht über den Besuch in Japan einige Streiflichter auf das Land und seine Rolle als Wirtschaftsfaktor vorauszuschicken.
[...] 8
2. Die Bedeutung Japans als Handelspartner der Schweiz wurde schon einleitend umrissen. Von unseren Exporten in der Höhe von 290 Mio. Franken (1966) entfielen 131 Millionen auf chemische und pharmazeutische Produkte, 78 Millionen auf Maschinen, Apparate und Instrumente, 40 Mio. auf Uhren, 17 Mio. auf Textilien, gegen 6 Mio. auf Nahrungsmittel, die restlichen 18 Millionen auf diverse Waren. Die schweizerischen Importe aus Japan im Werte von 241 Mio. verteilten sich demgegenüber zur Hauptsache auf 100 Mio. Maschinen, Instrumente und Apparate, 32 Mio. Textilien, 31 Mio. chemische Produkte sowie 15 Mio. Nahrungsmittel und landwirtschaftliche Erzeugnisse.
Kaum weniger beachtlich ist für uns aber die Rolle Japans im Sektor der Invisibles. Das Talent der Japaner auf dem Gebiete des Kopierens ist bekannt. Es hat ihnen erlaubt, ihren anfänglichen technischen Rückstand aufzuholen. Sofern das Kopieren in unzulässiger Weise erfolgt, haben wir dagegen angekämpft und tun es wenn nötig weiterhin9, wobei anerkannt sei, dass uns die japanischen Behörden hierin seit einiger Zeit, auch im Interesse ihres eigenen Rufes im Ausland, unterstützen. Legitim wird das Kopieren, wenn es sich auf Lizenzverträge stützt. Allerdings geht Japan auch zunehmend dazu über, blosses Imitieren durch eigene Forschungs- und Erfindungsleistungen, besonders sichtbar auf dem Gebiete der Elektronik und der Miniaturisierung, zu ersetzen; bereits werden gewisse japanische Lizenzen nach dem Ausland vergeben. Über weite Strecken ist Japan aber immer noch von fremden know how abhängig. Zum überwiegenden Teil stammt dieses aus den USA; im dritten Rang der ausländischen Lizenzgeber, nach der BRD, aber weit vor Grossbritannien und Frankreich, taucht indessen schon die Schweiz auf. Da zudem Lizenzverträge oft zur Beteiligung an japanischen Gesellschaften Anlass geben und da schweizerische Unternehmungen (namentlich die traditionellen Ostasienfirmen und solche der chemischen, pharmazeutischen, Lebensmittel- und Maschinenbranche) auch sonst in Japan aktiv sind, kann die Schweiz, obschon genaue Unterlagen fehlen, hinter den USA wohl weiterhin als zweitgrösster ausländischer Investor gelten.
3. Anlass zum bundesrätlichen Besuch in Tokio bildete, wie schon erwähnt, die Eröffnung des ersten offiziellen Schweizerpavillons an der «TokyoInternational Trade Fair». Die Beschickung dieser Messe hat sich als ausgezeichnete Idee erwiesen. Zwar begegnet unsere Exportindustrie, namentlich in Asien, aber auch anderswo, seitens der japanischen Produktion in mancher Hinsicht einer immer fühlbarer werdenden Konkurrenz. Durch seine fortschreitende wirtschaftliche und industrielle Entwicklung wird aber Japan, wie die Erfahrung zeigt, gleichzeitig ein besserer Markt für unsere auf anspruchsvolle Abnehmer zugeschnittene Qualitätsproduktion; ein sprechendes Beispiel sind unsere Uhren, deren Ausfuhr nach Japan trotz der Existenz einer leistungsfähigen japanischen Uhrenindustrie immer noch den Wert von 40 Mio. Fr. erreicht, wobei sich aber der Absatz auf die höhere Preiskategorie verlagert.
Es ist die Politik der Zentrale für Handelsförderung, hinsichtlich der Beschickung von Messen zwar eine Selektion zu treffen, aber dort, wo die Schweiz mittut, eine Schwerpunktbildung anzustreben. Unsere Beteiligung an der Tokio ter Messe, die von annähernd drei Millionen Besuchern besichtigt wurde (fast das Dreifache der Eintritte zur Basler Mustermesse), konnte auf diese Weise zu einem vollen Erfolg gestaltet werden. Während sich der Grossteil der 35 an der Messe vertretenen ausländischen Staaten mit der Belegung einer gewissen Bodenfläche in der internationalen Messehalle begnügte, waren die Schweiz, die BRD und der amerikanischen Bundesstaat Washington an der Pazifikküste die einzigen Aussteller, die eigene Pavillons errichteten. Aus diesen stach der Schweizer Pavillon, in zentraler Lage, sowohl durch Grösse (1’800 m10 Grund fläche) als auch durch architektonische Gestaltung und gediegende Präsentation des qualitativ hochstehenden Ausstellungsgutes entschieden hervor. Er wurde allgemein, so auch seitens des japanischen Wirtschaftsministers11 gegenüber der Presse, die darüber einlässlich berichtete, als die beste ausländische Beteiligung bezeichnet. In Verbindung mit der Zentrale für Handelsförderung haben die Stiftung Pro Helvetia, der Schweizerische Buchhändler- und Verleger-Verein (u. a. Schweizer Kinderbücher auf japanisch), Verkehrszentrale, Swissair, Fédération Horlogère, zudem 130 Firmen der verschiednen Exportbranchen, die auch für die Kosten im Betrage von 800’000 Fr. aufkommen am guten Gelingen mitgewirkt.
Auf Initiative unserer Botschaft in Tokio und der führenden Schweizerhäuser in Japan wurde diese Beteiligung, gewissermassen im Anschluss an das Centenarium der schweizerisch-japanischen Beziehungen von 1964, zu einer eigentlichen Manifestation ausgeweitet. Schon an der Eröffnung der Gesamtausstellung durch die japanischen Behörden trat unser Land in der Person von Botschafter de Rham, der als Doyen des diplomatischen Corps eine Ansprache hielt, sichtbar in Erscheinung. Am 20. April folgte im Rahmen einer besonderen Feier die Einweihung des Schweizerpavillons durch Herrn Bundesrat Schaffner. Ein glanzvoller Empfang am Abend des gleichen Tages durch Botschafter de Rham und OSEC-Präsident Edgar Primault zu Ehren des bundesrätlichen Besuchers mit zahlreichen prominenten japanischen und schweizerischen Gästen im grossen Ballsaal des Hilton-Hotel rundete das Ereignis ab.
4. Schon zuvor, am 17. April, erhielt Bundesrat Schaffner Gelegenheit, durch Fabrikbesichtigungen in zwei grundverschiedene Zweige der weitgespannten japanischen Industrie Einblick zu nehmen. Der erste Besuch galt der bekannten Sony-Corporation (Tonbandgeräte, Transistoren, Fernseh- und andere elektronische Apparate), die unlängst in Zürich ihre Niederlassung für Europa eröffnet hat. Der zweite war den bedeutenden Nippon-Kokan-Schiffswerften gewidmet, wo u. a. in Japan in Lizenz hergestellte Sulzer-Dieselmotoren Verwendung finden. In beiden Betrieben bemühten sich die leitenden Herren zuvorkommend um die Führung und Betreuung der Schweizer Gäste. Beachtenswert die Andeutungen des Gründers und Präsidenten der Sony-Corporation, Masaru Ibuka, über eine mögliche Zusammenarbeit der japanischen elektronischen Industrie mit der grössten einheimischen Uhrenproduzentin Seiko (Hattori) zwecks Entwicklung einer eigenen elektronischen Uhr; es bahnen sich hier Entwicklungen an, die von unserer Uhrenindustrie sorgfältig verfolgt werden sollten.
5. Je eine Dinner-Party und ein Herren-Luncheon, am 17. und am 19. April von Herrn und Frau12 Botschafter de Rham auf ihrer Residenz offeriert, zu denen neben einigen führenden Mitgliedern der Schweizerkolonie und Vertretern des diplomatischen Corps vor allem ausgewählte japanische Gäste aus Regierung, Verwaltung, Industrie, Finanz, Wirtschaft und Diplomatie geladen waren, boten Herrn Bundesrat Schaffner und dem Unterzeichneten willkommene Gelegenheit zu zahlreichen interessanten Kontakten sowie zur Erörterung gewisser Sachfragen. Unter den Gästen vom 17. April ist namentlich Wirtschaftsminister Kanno, unter jenen vom 19. April der parlamentarische Vizeminister der japanischen Agentur für Wissenschaft und Technik13 zu nennen. Hinsichtlich der weiteren Geladenen vgl. die angehefteten Listen (Beilagen 2 und 314).
6. Besonders wertvoll und aufschlussreich erwies sich eine Aussprache mit den Schweizer Geschäftsleuten in Tokio, die für Herrn Bundesrat Schaffner, assistiert von Botschafter de Rham, Botschaftsrat Miesch und dem Unterzeichneten, am 18. April in den modernen Bureauräumlichkeiten der Firma Siber Hegner organisiert worden war. Der Chef des EVD eröffnete den Gedankenaustausch, der von den Teilnehmern sichtlich geschätzt und lebhaft benützt wurde, mit einem Exposé über die heutige Wirtschaftslage der Schweiz, ihre konjunkturellen Probleme und die Stellung unseres Landes in der Weltwirtschaft; auf besondern Wunsch liess er einen Überblick über den Stand der Kennedy-Runde nachfolgen. Die anschliessenden Fragen der Teilnehmer betrafen u. a. den erhofften Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens und das akute Problem der Liberalisierung von Kapitalinvestitionen in Japan; wir kommen darauf weiter unten noch zu sprechen. Besondere Aufmerksamkeit galt gewissen Schwierigkeiten infolge einer neuen Berechnungsart des Zollwerts seitens der japanischen Fiskalbehörden (Einschluss von Publizitätskosten sowie von immateriellen Werten wie Patent- und Markenrechten etc. in den Zollwert). Diese Neuerung, die unter Umständen eine fühlbare Verteuerung mit sich bringen kann, bereitet den schweizerischen Vertretern erhebliche Sorge. Das Problem wird von der Handelsabteilung zurzeit geprüft; sie wird gegenüber der Botschaft auf die Sache zurückkommen15.
Ein Buffet-Dinner am Abend des folgenden Tages im Imperial Hotel mit der Schweizer Kolonie und den Mitgliedern der schweizerisch-japanischen Gesellschaft, an dem auch einige Schweizer Urlauber der neutralen Überwachungskommission in Korea teilnahmen, bot Gelegenheit, den Kontakt mit den Landsleuten (samt Damen) und den japanischen Freunden unseres Landes gesellig auszuweiten. Eine Begrüssungsansprache durch NZZ-Korrespondent Fritz Steck und ein Dankeswort16 durch Bundesrat Schaffner auf «bärndütsch» und englisch gaben dem Anlass die festlich Note.
7. Am 20. April hielt Herr Bundesrat Schaffner wie vorgesehen an einem zu seinen Ehren veranstalteten Lunch des «Foreign Correspondents’ Club» eine Ansprache über das Thema «Some Topics of Swiss Trade Policy» (Text Beilage 417). Die von liberalem Geist und realistischer Beurteilung getragenen Ausführungen des Vorstehers des eidg. Volkswirtschaftsdepartements galten vor allem der Kennedy-Runde sowie der europäischen Integration. Sie wurden von den zahlreich erschienen Zuhörern, darunter mehreren Mitgliedern des diplomatischen Corps, mit lebhaftem Interesse aufgenommen. Einige Fragen und Antworten schlossen die Veranstaltung ab.
8. Zeremonieller Höhepunkt des Tokioter Aufenthalts war zweifellos die Herrn und Frau Bundesrat Schaffner, in Begleitung Botschafter de Rhams, von Kaiser Hirohito und der Kaiserin18 am 20. April gewährte Audienz. Materielle Fragen konnte dieses Gespräch, das angenehm und ungezwungen verlief, wobei sich der Kaiser als interessante Persönlichkeit erwies, erwartungsgemäss nicht beschlagen. Doch legte der Kaiser Wert darauf, unserem Land, das er offenbar schätzt, seine Sympathie zu bekunden.
9. Konkreter gestalteten sich die Unterredungen mit japanischen Regierungsmitgliedern: am 17. April sprach Bundesrat Schaffner, begleitet von Botschafter de Rham und dem Unterzeichneten, bei Wirtschaftsminister Wataro Kanno vor; am 18. April gab Aussenminister Takeo Miki den schweizerischen Gästen ein Nachtessen in traditionellem japanischem Stil; am 19. April folgte ein Besuch bei Premierminister Eisaku Satu in seiner offiziellen Residenz. Jedes der drei Gespräche gab einleitend Gelegenheit, das freundschaftliche Verhältnis zwischen den beiden Nationen hervorzuheben, auf den fruchtbaren Handelsaustausch hinzuweisen und die gegenseitige Wertschätzung zu betonen. Darüber hinaus konnten auch einige konkrete Sachfragen angeschnitten werden:
– Eine davon war das Problem der Liberalisierung ausländischer Kapitalinvestitionen. Eine solche Massnahme, die teils auch von japanischen Wirtschaftskreisen postuliert wird, wäre geeignet, Schweizerfirmen in Japan eine angemessene Expansion zu erleichtern. Namentlich der Premierminister erklärte sich aus liberalem Geist, zu dem er sich ausdrücklich bekannte, mit dieser Zielsetzung einig, auch wenn, wie er beifügte, noch erhebliche Hindernisse zu überwinden seien.
– Die zweite Frage betraf die schon seit langem angestrebte Zulassung eines vierten Swissair-Fluges nach Tokio. Bundesrat Schaffner trug sie namentlich dem Aussenminister, der sie zu prüfen versprach, als persönliches Anliegen vor. Als der Premierminister für unsere Beteiligung an der Tokioter Messe dankte und der Hoffnung Ausdruck gab, dass sich die Schweiz auch an der Weltausstellung 1970 in Osaka19 beteiligen werde, nahm sein Schweizer Gast dies zum Anlass eines neuen Vorstosses: die Gewährung des vierten Fluges könnte den Entscheid hinsichtlich der Weltausstellung positiv beeinflussen; denn wir müssten, wenn die Schweiz in Osaka vertreten wäre, verständlicherweise auch über die nötige Transportkapazität zur Beförderung schweizerischer Interessenten nach Japan verfügen.
– Drittens sprach Herr Bundesrat Schaffner die Erwartung aus, dass es gelingen möge, die nun schon seit Jahren hängigen Doppelbesteuerungsverhandlungen zwischen den beiden Ländern zu einem erfolgreichen Ende zu führen. Er stiess damit auf volle Zustimmung.
Zum Abschluss richtete Herr Bundesrat Schaffner, der während seines offiziellen Aufenthalts in Tokio zusammen mit seiner Gemahlin Ehrengast der japanischen Regierung gewesen war, an Premierminister Sato die Einladung, dem Bundesrat in Bern zu einem geeigneten Zeitpunkt einen Gegenbesuch abzustatten. Die beiden anderen Minister wurden aufgefordert, falls sie nach Europa kämen, ihrerseits bei uns vorzusprechen. Bundesrat Schaffner hat diese Einladung inzwischen von Bern aus schriftlich bestätigt20.
10. Es erschien angezeigt, die oben erwähnten Sachfragen, in Ergänzung zum ministeriellen Gedankenaustausch, auf dem Niveau der Chefbeamten weiter zu verfolgen. Die Schweizerische Botschaft hatte dem Unterzeichneten, der von Botschaftsrat Dr. Miesch begleitet wurde, zu diesem Zweck ein Sonderprogramm für Besuche beim Wirtschafts-, beim Transport- und beim Finanzministerium vorbereitet (Beilage 521). Diese Vorsprachen erwiesen sich als recht ergiebig. Insbesondere konnte eine Wiederaufnahme der Doppelbesteuerungsverhandlungen für den kommenden Herbst prinzipiell erwogen werden. Nähere Einzelheiten über unsere Bemühungen sind den Beilagen 622 (Kapitalliberalisierung), 723 (vierter Swissair-Flug) und 824 (Doppelbesteuerung) zu entnehmen.
11. Nach Beendigung des offiziellen Programms erlaubte es uns ein zweitägiger Ausflug in die alte Kaiserstadt Kyoto, den Eindruck des rasch voranschreitenden modernen Landes, wie es uns in der Kapitale entgegengetreten war, durch das Bild des traditionellen und kulturellen Japan zu ergänzen. In Herrn Heinz Brasch, Leiter der Schweizerischen Übersee-Handel A. G. in Tokio, einem der besten Kenner japanischer Geschichte und Kunst, stand uns ein feinsinniger Führer zur Verfügung. Die Reise ermöglichte es ausserdem, mit dem schweizerischen Honorarkonsul in Kobe25, Herrn Rudolf Eduard Stutz (Geigy-Vertreter), Fühlung zu nehmen.
12. Rückblickend lässt sich sagen, dass unsere Mission nach Japan die Mühe gelohnt hat. Ihr Zweck, für «rayonnement» zu sorgen und «good-will» zu schaffen, dürfte erreicht sein. Die zahlreichen Kontakte waren fruchtbar, und es ist zu hoffen, dass sie nachwirken werden. Die japanische Presse hat dem ersten Besuch eines schweizerischen Regierungsmitglieds ihrerseits beträchtlich Aufmerksamkeit gewidmet26.
Indessen war die Reise gewiss auch für die Beteiligten selbst ein Gewinn. Sie konnten von der überbordenden Aktivität und der intensiven Ausstrahlung Japans, aber auch von der nüchternen Sachlichkeit und zielbewussten Tüchtigkeit des Japaners, der in vielen entscheidenden Zügen unasiatisch und ausgesprochen eigenständig wirkt, eine unmittelbare Vorstellung gewinnen, die weit über die blosse Kenntnis zugrunde liegender Fakten hinausgeht.
Gleichzeitig sind hinter der imponierenden Leistung gewisse Beschränkungen erkennbar geworden, die wohl teils im japanischen Wesen selbst begründet liegen, teils aus der unvollständig bewältigten Synthese zwischen überkommener Lebensform und moderner Dynamik fliessen dürften. Auch wirtschaftlich beginnen retardierende Faktoren fühlbarer zu werden. Der Vorsprung, den Japan im internationalen Wettbewerb durch tiefere Lebenskosten und billige Arbeitskraft vom Start weg aufwies, ist zwar immer noch beträchtlich, aber nicht mehr unangefochten. Die mit einer raschen Wirtschaftsexpansion einhergehende Inflation fängt an, selbst in Japan in Erscheinung zu treten. Schon in den letzten Jahren wurde die durchschnittliche Produktivitätssteigerung von 8,7% durch eine mittlere Lohnerhöhung von 8,1% fast absorbiert. Im Jahr 1966 haben sich die Löhne gegenüber dem Vorjahr um 11,5% erhöht, womit die Produktivitätssteigerung überholt worden ist. Zunehmende Konsumentenpreise, Mangel an Arbeitskräften, vermehrte Sozialforderungen, knapper werdendes Kapital sind weitere Anzeichen des durch rapides Wachstum beeinträchtigten Gleichgewichts.
Ungeachtet dieser Symptome, die einen gewissen Wandel erwarten lassen, bleibt Japan indessen ein Land, das seitens der Schweiz als Handelspartner weiterhin grösste Aufmerksamkeit und intensive Pflege verdient.
III. Hong Kong
[...] 27
- 1
- Bericht: E7001C#1978/59#470* (120.02). Kopien an H. Schaffner, P. R. Jolles, A. Weitnauer, P. Languetin, A. Grübel, H. Marti, H. Bühler, E. Moser, J. Iselin, J. de Rham, F. Châtelain, P. Micheli, E. Thalmann, S. Marcuard, E. Diez, A. Janner, M. Gelzer, P. H. Wurth, die schweizerische Delegation bei der OECD in Paris, P. Aebi, J.- E.Töndury, A. Schnebli, L. Roches, E. Léchot, H. Hofer, U. Andina, M. Lusser, M. Jost, A. Dunkel, J.- D. Vermeil, H.- U. Greiner, H. Sieber und die Bibliothek der Handelsabteilung des Volkswirtschaftsdepartements.↩
- 2
- Freundschafts- und Handelsvertrag zwischen dem schweizerischen Bundesrathe und Seiner Majestät dem Taïkun von Japan vom 6. Februar 1864, AS, 1863–1866, S. 683–709. Vgl. dazu DDS, Bd. 1, Dok. 494, Dok. 507, dodis.ch/41506 und Dok. 509. Zu den Jubiläumsfeierlichkeiten vgl. das Schreiben von J. de Rham an P. Micheli vom 27. Februar 1964, dodis.ch/32024 und Doss. E2003A#1978/29#594* (o.301.1). Vgl. ferner den Bericht von M. Grossenbacher vom 14. August 1963, dodis.ch/18950.↩
- 3
- Vgl. dazu Doss. E2001E#1978/84#4004* (B.14.21.1).↩
- 4
- Vgl. das BR-Verhandlungsprot. der 13. Sitzung vom 21. Februar 1967, E1003#1994/26#8*, S. 3: M. Spühler communique que M. Schaffner est disposé à se rendre à Tokio pour visiter l’exposition internationale mais désire, dans ce cas, être remplacé par M. Spühler pour l’exposition de Montréal. Il considère que la présence du vice-président du Conseil fédéral serait plus indiquée que la sienne. Le Conseil se déclare d’accord.↩
- 5
- Zur Zusammenarbeit mit Japan im GATT und der OECD vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 127, dodis.ch/31332.↩
- 6
- R. Schaffner- Rudolf.↩
- 7
- Vgl. das Programm für den Besuch von Herrn und Frau Bundesrat Schaffner sowie Herrn Minister Probst vom 15.–23. April 1967 in Tokio, Doss. wie Anm. 1.↩
- 8
- Für das vollständige Dokument vgl. dodis.ch/32485.↩
- 9
- Zur Imitationen von schweizerischen Produkten und der missbräuchlichen Verwendung von geschützten Markenbegriffen sowie des Schweizerwappens durch japanische Firmen vgl. die Schreiben von J.-L. Marro an P. Micheli vom 17. Mai 1967, dodis.ch/32496 und vom 5. September 1969, dodis.ch/32495 sowie das Schreiben von R. Probst an P. Micheli vom 29. Oktober 1969, dodis.ch/32497.↩
- 10
- Der Bericht ist undatiert. R. Probst übermittelte ein definitives Exemplar samt Beilagen des Japan/ HongKong-Berichtes am 31. Mai 1967 an H. Schaffner. Dieser versandte den Bericht am 8. Juni 1967 an die Mitglieder des Bundesrats, vgl. Doss. wie Anm. 1.↩
- 12
- I. de Rham- Campanari.↩
- 13
- Y. Shiseki. Zur Entsendung eines Wissenschaftsattachés nach Tokio vgl. DDS, Bd. 24, Dok. 22, dodis.ch/32486.↩
- 14
- Vgl. die Note concernant les quelques personnalités qui prendront part au Dîner à la résidence, le 17 avril 1967, à 19.30 h und Note concernant les quelques personnalités qui prendront part au Déjeuner à la résidence, le 19 avril 1967, à 12.45 h, Doss. wie Anm. 1. Y. Shiseki figuriert jedoch auf keiner der beiden Teilnehmerlisten.↩
- 15
- Zu den Problemen mit der Zollwertberechnung für die Importeure von Schweizer Waren vgl. das Schreiben von R. Probst an E. Stadelhofer vom 19. Februar 1968, dodis.ch/32492.↩
- 16
- Vgl. die Skizze einer kurzen Ansprache am Dîner der Schweizerkolonie und der Gesellschaft Schweiz-Japan, Tokio, 19. April 1967, Doss. wie Anm. 1.↩
- 17
- Vgl. Some Topics of Swiss Policy, by Dr h. c. Hans Schaffner, Federal Councillor, Head of the Swiss Federal Department of Public Economy, Address delivered at the Foreign Correspondents’ Club in Tokyo, April 20, 1967, Doss. wie Anm. 1.↩
- 18
- Kōjun.↩
- 19
- Zur Weltausstellung in Osaka vgl. DDS, Bd. 24, Dok. 22, dodis.ch/32486; den Bundesbeschluss über die Beteiligung der Schweiz an der Internationalen Weltausstellung in Osaka 1970 vom 14. März 1968, BBl, 1968, I, S. 531–532; die Notiz von H. Müller an E. Thalmann, R. Hartmann, M. Jaccard, W. Jäggi und H. Miesch vom 17. Mai 1968, dodis.ch/32493 und das Protokoll vom 10. Oktober 1969 der Botschaftertagung vom 3.–5. September 1969, dodis.ch/30859, S. 41–42.↩
- 20
- Vgl. das Schreiben von H. Schaffner an E. Sato vom 9. Mai 1967, E2001E#1978/84#4006* (B.15.51).↩
- 21
- Vgl. Tokio, Separates Arbeitsprogramm für Herrn Minister Raymond Probst, Doss. wie Anm. 1.↩
- 22
- Aktennotiz von R. Probst vom 22. Mai 1967, dodis.ch/32491.↩
- 23
- Schreiben von R. Probst an H. Haas vom 10. Mai 1967, Doss. wie Anm. 1. Zu den Verhandlungen über den vierten Swissair-Flug vgl. auch das Schreiben von R. Probst an E. Stadelhofer vom 29. Januar 1968, dodis.ch/32488; den Bericht über die Verhandlungen mit den japanischen Luftfahrtsbehörden in Tokio, 17. bis 23. April 1968 von W. H. Frei vom 30. April 1968, dodis.ch/32489 und das Schreiben von H. Haas an H. Schaffner vom 1. Mai 1968, dodis.ch/32490.↩
- 24
- Schreiben von R. Probst an K. Locher vom 10. Mai 1967, Doss. wie Anm. 1. Zum geplanten Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens mit Japan vgl. auch die Notiz von R. Probst vom 15. November 1967, dodis.ch/32487; das Schreiben von R. Probst an E. Stadelhofer vom 29. Januar 1968, dodis.ch/32488 und den Bericht der Steuerverwaltung vom 10. April 1969, dodis.ch/32335.↩
- 25
- Zur Tätigkeit des Konsulats in Kobe vgl. auch DDS, Bd. 24, Dok. 22, dodis.ch/32486.↩
- 26
- Vgl. dazu Doss. E2001E#1978/84#3994* (A.15.41.10).↩
- 27
- Für das vollständige Dokument vgl. dodis.ch/32485. Zu den schweizerischen Beziehungen zu Hong Kong vgl. DDS, Bd. 24, Dok. 77, dodis.ch/32552.↩
Relations to other documents
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