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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 24, doc. 160
volume linkZürich/Locarno/Genève 2012
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E2005A#1980/82#156* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 2005(A)1980/82 88 | |
Titre du dossier | Projekte und Aktionen (1967–1969) | |
Référence archives | t.311 • Composant complémentaire: Argentinien |
Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E2001E#1980/83#1337* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 2001(E)1980/83 354 | |
Titre du dossier | Wirtschaftsbeziehungen mit der Schweiz (1968–1970) | |
Référence archives | C.41.111.0 • Composant complémentaire: Argentinien |
dodis.ch/33267 Der Delegierte des Bundesrats für Handelsverträge, R. Probst, an diverse schweizerische diplomatische Vertretungen1 Argentinienreise von Bundesrat Schaffner
[...] 2
Die wichtigsten Gespräche
Es würde zu weit führen, alle Gespräche und Eindrücke dieser reich befrachteten Woche auch nur annähernd wiedergeben zu wollen. Nachstehend das Wesentliche. Besonders gehalt- und aufschlussreich erwies sich der wiederholte Gedankenaustausch mit dem ehemaligen argentinischen Wirtschaftsminister und Botschafter in den USA, Dr. Roberto Alemann 3 . Als Argentinier der vierten Generation ist er, gleich den andern Gliedern seiner Familie, mit der alten schweizerischen Heimat eng verbunden geblieben. Wir haben in ihm einen verlässlichen Freund. Obwohl kein öffentliches Amt mehr bekleidend – er wirkt heute u. a. als Vertreter und Vertrauensmann der Schweizerischen Bankgesellschaft in Buenos Aires –, hat er doch einen massgeblichen Einfluss bewahrt und unterstützt die liberale Wirtschaftstendenz. Vom amtierenden Zentralbankpräsidenten4 am Lunch des ersten Besuchtages um seine Meinungsäusserung gebeten, entwickelte er eine an Prägnanz und Konzision meisterhafte Analyse der argentinischen Wirtschaftspolitik. Von den positiven Seiten war schon die Rede. Ebenso deutlich nannte er aber auch die noch bestehenden Mängel: eine überalterte, trotz beträchtlicher Fortschritte noch allzu protektionistische Zollstruktur; überhöhte Zinsen; Schwäche des Kapitalmarkts; immer noch übersetzte Staatsausgaben für Bürokratie und Soziallasten. Hier ist seines Erachtens mit weiteren Reformen anzusetzen5.
Die Audienz bei General Ongania wurde schon erwähnt. Der Staatspräsident beeindruckt durch sein klares, nüchternes, sogar strenges Wesen und den offenbaren Ernst, mit dem er seiner keineswegs einfachen Aufgabe unerschütterlich gegenübertritt. Persönliche Ambitionen scheinen ihm eher fern zu liegen, und seine Integrität wird von niemandem angezweifelt. Dagegen erfüllt ihn offenbar echte Sorge um die Zukunft des Staates. An die Spitze seiner Erklärungen stellt er die Befriedigung über den Besuch aus der Schweiz, wobei er nicht unterlässt, daran zu erinnern, dass unser Land als erstes nach dem Umsturz gegenüber der neuen Regierung eine Geste des guten Willens tat (Anspielung auf Besuch Stopper6). Das argentinische Regime sehe sich in der verworrenen Lage, die es bei Übernahme der Regierungsverantwortung angetroffen hat, genötigt, vom Volk viele Opfer zu verlangen. Ökonomisch sei eine Sanierung erreicht, an der festgehalten werden muss, damit die allmähliche Strukturwandlung in einen modernen Industriestaat, die gleichzeitig einen Mentalitätswandel bedeute, durchgeführt werden kann. Regierung und Volk müssten noch aktiver als bisher dazu beitragen. Darüber hinaus gelte es nun aber, nach den ersten dringendsten Erfolgen im Wirtschaftssektor auch sozial und politisch einen gangbaren Weg in die Zukunft zu finden. Hier liege zurzeit das Hauptproblem. Als diese Worte gesprochen wurden, machten sich in der Provinz erste Anzeichen der Unrast geltend, die sich inzwischen zu einer ernsthaften Krise auswuchs. Die unverkennbare politische Besorgnis des Präsidenten wirkt aus der Rückschau symptomatisch.
Für uns am gewichtigsten waren die wiederholten Gespräche Bundesrats Schaffners mit Wirtschaftsminister Krieger Vasena. Sie beschlugen sowohl internationale Probleme wie auch bilaterale Fragen. Hinsichtlich der Agrarpolitik wurde weitgehende Übereinstimmung der Ansichten festgestellt. Argentinien wisse es zu würdigen, dass die Schweiz trotz eigener Probleme ihren Markt für landwirtschaftliche Produkte möglichst offen hält. Man sei auch für die freundschaftliche Erklärung Bundesrat Schaffners an der Tagung der OECD-Landwirtschaftsminister vom vergangenen November in Paris7 sehr dankbar, wo er sich für die traditionellen Agrarlieferanten aus der Dritten Welt, wie namentlich Argentinien, die gleichzeitig unsere guten Kunden sind, eingesetzt hatte. Indessen möchte Argentinien den Kreis seiner bisherigen agrarischen Exportprodukte beispielsweise auch auf den argentinischen Wein ausdehnen8. (Näheres zur Weinfrage vgl. folgende Ziffer9.) Besonders geschätzt werde das Wirken schweizerischer Firmen in Argentinien. Die bisherigen Erfahrungen seien ausgezeichnet, und man möchte schweizerische Unternehmen zu neuen Investitionen ermuntern. Dabei mache es keinen Unterschied, ob die Methode der «joint venture» oder die Errichtung von Niederlassungen gewählt werde; das eine wie das andere sei willkommen. Der Entscheid würde allein dem privaten Sektor überlassen. Man hoffe, dass von den so geschaffenen Produktionsstätten aus nicht nur der argentinische Bedarf gedeckt, sondern sukzessive auch der Markt anderer lateinamerikanischer Staaten erfasst würde. Für das Gedeihen einer international konkurrenzfähigen Industrie seien freilich – schon Roberto Alemann hatte es erwähnt – die argentinischen Zölle noch immer zu hoch. Man habe sie zwar schon halbiert, werde sie indessen noch weiter beschneiden müssen, um die argentinische Produktion stärkerem Wettbewerb auszusetzen und sie dadurch zu kräftigen. Schliesslich hege Argentinien den Wunsch, wieder auf den schweizerischen Kapitalmarkt zurückzukehren.
Bundesrat Schaffner versicherte seinen Kollegen unseres Verständnisses für seine Anliegen. Im Sinne einer vermehrten Berücksichtigung Argentiniens sei man u. a. auch bestrebt, grössere Mengen Weizens, welchen die Schweiz im Rahmen der internationalen Weizenübereinkunft als Nahrungsmittelhilfe an Indien10 (10’000 t) und Paraguay (zunächst 5’000 t) zu liefern beabsichtigt, aus Argentinien zu beziehen. Erfreulich sei die argentinische Auf nahmebereitschaft für Auslandkapital. Mit wiedergekehrtem Vertrauen sei die schweizerische Investitionstätigkeit in Argentinien, wo unser Land 1968 mit neuen Anlagen hinter den USA, aber noch vor der BRD im zweiten Rang figurierte, bereits wieder im Wachsen begriffen. Neue Projekte11 (Uhren industrie, Elektromechanik, Bauwesen, Lizenzverträge) seien übrigens in Vorbereitung. Auch für das Bestreben, in den traditionellen Kapitalmärkten wieder Anschluss zu finden, hätten wir alle Sympathie. Doch sei in dieser Hinsicht ein wohlüberlegtes «timing» psychologisch besonders wichtig.
- 1
- Bericht: E2005A#1980/82#156* (t.311). Gerichtet an die schweizerischen Botschaften in La Paz, Buenos Aires, Rio de Janeiro, Santiago de Chile, San José, Quito, Guatemala, Bogotá, Havanna, Mexiko, Lima, Asunción, Montevideo, Caracas, Washington und Madrid. Kopie u. a. an P. Micheli, E. Thalmann, F. Bieri, S. Marcuard, M. Gelzer, J. Ruedi, H. Letsch, F. Walthard, P. R. Jolles, A. Weitnauer, P. Languetin, H. Bühler, E. Moser, H. Hofer, E. Léchot, H.- U. Greiner, H. Aebli, K. Jacobi, M. Lusser, A. Dunkel, F. R. Staehelin, L. Roches, J.- E.Töndury und M. Jost.↩
- 2
- Für das vollständige Dokument vgl. dodis.ch/33267.↩
- 3
- Zu R. Alemann vgl. auch das Schreiben von O. Seifert an P. R. Jolles vom 10. November 1967, dodis.ch/33585 sowie die Notiz von R. Beaujon an P. A. Nussbaumer vom 27. Februar 1968, dodis.ch/33586.↩
- 4
- E. Iannella.↩
- 5
- Zur Einsetzung von J. C. Onganía vgl. den Politischen Bericht Nr. 14 von A. Janner an P. Micheli vom 7. November 1969, dodis.ch/33567.↩
- 6
- Vgl. dazu DDS, Bd. 24, Dok. 49, dodis.ch/33263.↩
- 7
- Zur OECD-Tagung vom 28.–29. November 1968 vgl. das BR- Prot. Nr. 1877 vom 25. November 1968, E1004.1#1000/9#740*.↩
- 8
- Vgl. dazu das Schreiben von H.- U. Greiner an A. Janner vom 17. April 1968, dodis.ch/33587 sowie das Schreiben von A. Janner an P. R. Jolles vom 5. November 1969, dodis.ch/33591.↩
- 9
- Für die nachfolgenden Punkte des Berichtes vgl. dodis.ch/33267.↩
- 10
- Vgl. dazu das BR- Prot. Nr. 503 vom 26. März 1969, E1004.1#1000/9#744*.↩
- 11
- Zur Tätigkeit des Schweizer Uhrenverbands in Argentinien vgl. das Schreiben von A. Janner an P. R. Jolles vom 12. Dezember 1968, dodis.ch/33576 sowie die Notiz von H.- U. Greiner vom 29. August 1969, dodis.ch/33589. Zu weiteren Projekten schweizerischer Firmen vgl. das Schreiben von H. Hofer an O. Seifert vom 10. November 1967, dodis.ch/33584 sowie die Notiz von R. Probst an H. Schaffner vom 17. Oktober 1969, dodis.ch/33590.↩