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Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 26, Dok. 34
volume linkZürich/Locarno/Genève 2018
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E7001C#1984/201#604* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 7001(C)1984/201 45 | |
Dossiertitel | Dokumentation Moskau-Reise (1973–1973) | |
Aktenzeichen Archiv | 2310.1 |
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E7110#1984/70#1033* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 7110(-)1984/70 98 | |
Dossiertitel | Verhandlungen (1973–1973) | |
Aktenzeichen Archiv | 821 • Zusatzkomponente: Sowjetunion |
dodis.ch/38769
WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN SCHWEIZ/SOWJETUNION BESUCH VON BOTSCHAFTER GUERASSIMOV
In bezug auf die Entwicklung der schweizerisch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen im Jahre 1973 stechen folgende Ereignisse hervor:
1. Ihre Reise in die Sowjetunion im März dieses Jahres, wobei es sich bekanntlich um den ersten offiziellen Besuch eines Mitgliedes der schweizerischen Regierung in diesem Staat3 handelte. (Anlass: Gegenbesuch zu demjenigen des sowjetischen Aussenhandelsministers Patolitschew im Sommer 1971 in der Schweiz4, verbunden mit der Einweihung der ersten schweizerischen Werkzeugmaschinenausstellung in der Sowjetunion5).
Zu erwähnen sind insbesondere Ihre Unterredungen mit Aussenhandelsminister Patolitschew6 und Herrn Gwischiani7, Vizepräsident des Staatskomitees für Wissenschaft und Technik.
Pro memoria (behandelte Themen)8: Bezug von sowjetischem Naturgas9 Anreicherung von Uranium Projekte CIBA/Geigy, Sulzer, Alusuisse, Georg Fischer, Nestlé
Entwicklung der Beziehungen der schweizerischen Uhrenindustrie zur Sowjetunion.
Verhandlungen über den gewerblichen Rechtsschutz und über den Schutz von Herkunftsangaben10.
Meinungsaustausch über das Freihandelsabkommen der Schweiz mit der EWG11.
2. Anlässlich Ihres Besuches ist am 27. März 1973 durch einen Notenwechsel12 zwischen unserer Botschaft und dem sowjetischen Aussenministerium eine Gemischte schweizerisch-sowjetische Kommission für wissenschaftlichtechnische, industrielle und wirtschaftliche Zusammenarbeit errichtet worden. Diese Vereinbarung wurde ergänzt durch einen erläuternden Briefwechsel zwischen Botschafter Probst und D. Gwischiani.
3. Vom 18.–22. Juni dieses Jahres trat die Gemischte Kommission Schweiz-Sowjetunion in Moskau zu ihrer ersten Tagung zusammen13. Bei dieser ersten Sitzung handelte es sich vor allem, und zwar für beide Seiten, um ein Experiment. Die aus je einem Mitglied14 der Geschäftsleitungen unserer grössten Exportfirmen zusammengesetzte schweizerische Delegation erklärte sich indessen vom Ergebnis der vielfältigen Besprechungen und Kontakte als befriedigt. Es ist vorgesehen, die zweite Sitzung der Gemischten Kommission nächstes Jahr in Zürich abzuhalten15, wobei die Leitung des sowjetischen Teils der Kommission schon im Herbst dieses Jahres unseren Industriekreisen einen Zwischenbesuch abstatten soll16.
Von sowjetischer Seite war am Schluss der Verhandlungen zu vernehmen, dass die Zusammensetzung der schweizerischen Delegation weit konkretere Gespräche und unmittelbare Fortschritte in der Kooperation erlaubt hätte, als dies bei anderen Kommissionen mit westlichen Staaten, die sich aus Staatsbeamten zusammensetzen, der Fall gewesen sei.
4. Uhrenindustrie
Die schweizerische Uhrenindustrie beabsichtigt, das 1970 mit dem Staatskomitee für Wissenschaft und Technik abgeschlossene und Ende dieses Jahres ablaufende Uhrenabkommen17zu verlängern. Entsprechende Ver handlungen sind schon aufgenommen worden und sind zurzeit noch im Gange.
Das Abkommen soll u. a. durch eine Sonderabmachung mit dem für die Elektronik zuständigen sowjetischen Fachministerium ergänzt werden.
Auf Grund des geltenden Uhrenabkommens sind bisher schon drei Seminarien abgehalten worden. Anlässlich einer Veranstaltung der Société suisse de chronométrie im November dieses Jahres sollen die Russen Gelegenheit haben, ein Exposé vorzutragen. Die im Rahmen dieser Seminarien ausgetauschten Informationen und Erfahrungen sind nach Auffassung unserer Uhrenindustrie insoweit wertvoll gewesen, als sich unsere Industrievertreter vom Entwicklungsstand der sowjetischen Uhrenindustrie und der sie beschäftigenden wichtigsten Probleme (u. a. Verbesserung der Produktivität) ein ziemlich genaues Bild machen konnten. Schweizerischerseits soll keine Technologie oder know how abgetreten worden sein, die nicht schon Gegenstand von Veröffentlichungen gebildet hätten.
Auf dem kommerziellen Gebiet sind die Bemühungen der schweizerischen Uhrenindustrie am wenigsten weit vorangekommen. Es besteht indessen die Möglichkeit, dass, falls die olympischen Spiele 1980 in der Sowjetunion zur Durchführung gelangen, die schweizerische Uhrenindustrie sich bei der Zeitmessung beteiligen könnte.
5. Urananreicherung18
Anlässlich der im Juli dieses Jahres von der NOK in Moskau geführten Gespräche hat sich die Haltung der Russen in bezug auf die Formulierung vor allem der kommerziellen Vertragsbedingungen etwas verhärtet. Die NOK-Delegation führt dies auf den Umstand zurück, dass sowjetischerseits analoge Verhandlungen mit einer Reihe anderer Staaten geführt werden. Es ist vorgesehen, eine nächste Besprechungsrunde in Baden, wahrscheinlich Anfang Oktober 1973, durchzuführen19.
6. Aussenhandel
Der sowjetische Gesamtaussenhandel schloss 1972 zum ersten Mal seit der unmittelbaren Nachkriegszeit mit einem Defizit in Höhe von 2071 Mio. Rb ab. Einer gegenüber 1971 unwesentlichen Zunahme der Ausfuhren um ca. 2,5% steht ein starkes Wachstum der Einfuhren um über 18% gegenüber. Das Gesamtvolumen des sowjetischen Aussenhandels erhöhte sich im Jahre 1972 um 9,1% und betrug 26’027,4 Mio. Rb. Rund 65% des sowjetischen Aussenhandels wickelt sich mit den Staatshandelsländern ab (hievon COMECON rund 60%), während die Industrieländer mit rund 23% (hievon EWG 8,7%) am sowjetischen Aussenhandel partizipieren.
Schweizerisch-sowjetischer Handelsverkehr
Wie aus nachstehend aufgeführten Zahlen hervorgeht, ist unser Warenaustausch mit der Sowjetunion nach wie vor durch ein starkes Überwiegen der schweizerischen Exporte gekennzeichnet:
[...]20
Gegenüber dem ersten Semester 1972 nahmen die schweizerischen Einfuhren an sowjetischen Waren im ersten Halbjahr 1973 um rund 30 Mio. Franken zu, während die Exporte schweizerischer Waren um ca. 42 Mio. anstiegen. In diesen Zahlen nicht eingeschlossen ist der Transitverkehr, von dem man annimmt, dessen Volumen sei ungefähr gleich bedeutend wie der bilaterale Austausch.
Die Zusammensetzung der gegenseitigen Lieferungen weist gegenüber den Vorjahren nur geringe Veränderungen auf:
Überwiegen des Sektors Maschinen, Apparate und Chemie bei der schweizerischen Ausfuhr und der landwirtschaftlichen Erzeugnisse, Rohstoffe und Energieträger bei den Bezügen aus der Sowjetunion. Einen wenn auch bescheidenen Anfangserfolg erzielten die Russen beim Verkauf des in der Sowjetunion hergestellten Fiat-Modells «Lada» in der Schweiz.
Im Verlaufe der Gespräche der Commission Mixte ist sowjetischerseits verschiedentlich die Notwendigkeit unterstrichen worden, auch im schweizerisch-sowjetischen Handelsverkehr einen besseren Ausgleich zu erzielen. Schweizerischerseits wurde diesem Argument mit dem Hinweis auf den sehr liberalen Zugang zum schweizerischen Markt, der uneingeschränkt auch für sowjetische Waren gilt, begegnet. Wir unterstrichen die Notwendigkeit vermehrter Prospektionsanstrengungen und vor allem die Erarbeitung eines Warensortiments, das in preislicher und vor allem in qualitativer Beziehung den Ansprüchen der schweizerischen Käufer entspricht. Zweifellos sind sich auch die zuständigen sowjetischen Instanzen mehr und mehr bewusst, wo der Hebel anzusetzen ist (daher auch das grosse sowjetische Interesse an einer Industriekooperation mit westlichen Industriestaaten); der Verwirklichung der Absichten und Pläne stehen indessen, wie man weiss, grosse Schwierigkeiten im Wege.
- 1
- Notiz (Kopie): CH-BAR#E7110#1984/70#1033* (821). Kopie an A. Hasler, R. Probst, L. Roches, A. Bürki und R. Kummer.↩
- 2
- ;Im Originaltext fälschlicherweise als 27. August 1983. ↩
- 3
- Zum Besuch von R. Gnägi in Moskau im August 1967 vgl. DDS, Bd. 24, Dok. 44, dodis.ch/32783. Zur Reise von E. Brugger nach Russland vgl. die Aufzeichnung von J. Zwahlen vom 1. März 1973 der Sitzung der Ständigen Wirtschaftsdelegation vom 28. Februar 1973, dodis.ch/39504, Punkt 4 sowie das Schreiben von C. J. Keller an R. Probst vom 7. März 1973, dodis.ch/38781.↩
- 4
- Vgl. dazu DDS, Bd. 25, Dok. 82, dodis.ch/35535. Zur Einladung an E. Brugger vgl. die Notiz von R. Probst an E. Brugger vom 30. August 1972, dodis.ch/35576.↩
- 5
- Zur ersten allgemeinen Schweizerischen Industrieausstellung in Moskau im Mai und Juni 1966 vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 151, dodis.ch/31032.↩
- 6
- Vgl. dazu das Protokoll von J. Mermod der Sitzung vom 27. März 1973, dodis.ch/38784.↩
- 7
- Vgl. dazu das Protokoll von J. Mermod der Sitzung vom 28. März 1973, dodis.ch/38783.↩
- 8
- Vgl. dazu die Notiz von R. Probst an E. Brugger vom März 1973, dodis.ch/38782. Vgl. ferner das Schreiben von C. J. Keller an R. Probst vom 7. März 1973, dodis.ch/38781.↩
- 9
- Vgl. dazu das Protokoll von S. Meili vom 22. Dezember 1972, dodis.ch/36980, Punkt II. Vgl. ferner DDS, Bd. 26, Dok. 143, dodis.ch/38768.↩
- 10
- Vgl. dazu Doss. CH-BAR E 2001(E)-01 1991/17 Bd. 1080 (B.34.810.R.).↩
- 11
- Vgl. dazu DDS, Bd. 25, Dok. 182, dodis.ch/35776, bes. Anm. 3 sowie DDS, Bd. 26, Dok. 145, dodis.ch/39510. Vgl. ferner DDS, Bd. 26, Dok. 173, dodis.ch/39512.↩
- 12
- Für den Noten- und Briefwechsel über die Errichtung einer Gemischten schweizerischsowjetischen Kommission für wissenschaftlich-technische, industrielle und wirtschaftliche Zusammenarbeit vgl. das BR- Prot. Nr. 775 vom 9. Mai 1973, dodis.ch/38785.↩
- 13
- Vgl. dazu den Bericht von R. Bosshard vom 26. Juni 1973, dodis.ch/38786.↩
- 14
- D. Altenpohl (Aluminium-IndustrieAG), C. L. Angst (Nestlé Alimentana SA), R. Béglé (Interfood SA), E. Brem (WerkzeugmaschinenfabrikOerlikon- Bührle AG), R. Bühler (Gebrüder Bühler AG), A. Kellersberger (AG Brown, Boveri & Cie.), F. Kern (GeorgFischer AG), E. Matthey (André SA), G. Mégel (TornosSA), F. Du Pasquier (Ébauches SA), K. Rohner (Ciba-GeigyAG) und M. Züblin (GebrüderSulzer AG).↩
- 15
- Zur zweiten Session der Gemischten Kommission Schweiz- UdSSR vom 13.–17. Mai 1974 in Zürich vgl. die Notiz von R. Probst an P. R. Jolles vom 22. Mai 1974, CH-BAR#E7110#1985/97#749* (821.AVA).↩
- 16
- Zum Besuch einer Delegation des Staatskomitees vom 21. November bis 2. Dezember 1973 vgl. Doss. wie Annm. 1.↩
- 17
- Protocole de collaboration scientifico-technique et économique entre le Comité d’État du Conseil des ministres de l’URSS pour la science et la technique et la Chambre suisse de l’horlogerie vom 19. Juni 1970, CH-BAR#E2200.157#1988/213#187* (541.1(4)). Vgl. dazu DDS, Bd. 25, Dok. 104, dodis.ch/35620, Punkt 3.↩
- 18
- Vgl. dazu DDS, Bd. 25, Dok. 172, dodis.ch/35655, bes. Anm. 9.↩
- 19
- Vgl. dazu DDS, Bd. 26, Dok. 143, dodis.ch/38768.↩
- 20
- Für die Tabelle vgl. dodis.ch/38769. Pour le tableau, cf. dodis.ch/38769. For the table, cf. dodis.ch/38769. Per la tabella, cf. dodis.ch/38769.↩
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