Darin: Resumé du questionnaire «Yougoslavie» (Beilage).
Darin: Fragebogen an die Fremdenpolizeichefs der Kantone vom 26.8.1992 (Beilage).
Darin: Statistiques des personnes de l'ancienne «Yougoslavie» actuellement en Suisse, 31.8.1992 (Beilage).
Darin: Notiz des BfA bezüglich Lage im Visumsbereich vom 2.9.1992 (Beilage)
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 1992, doc. 42
volume linkBern 2023
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E7175C-01#2001/54#1393* | |
Dossier title | Jugoslawien. August 1992-Juli 1993 (1992–1993) | |
File reference archive | 524.13 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E4280A#2017/359#60* | |
Dossier title | Unterbringung. Betreuung. Fürsorge. Auftreten und Verhalten. Visafragen - Band 1 (1990–1992) | |
File reference archive | 777.5/3 |
dodis.ch/62285Interdepartementale Sitzung vom 2. September 19921
[Einreise-, Aufenthalts- und Ausreisebedingungen für Staatsangehörige aus dem ehemaligen Jugoslawien]
Begrüssung durch Herrn Direktor Hunziker.
Zielsetzung der heutigen Sitzung: noch keine endgültigen Beschlüsse fassen, indessen sei die gegenwärtige Lage zu analysieren und weiteres Vorgehen festzuhalten.
2.1. Statistik im Asylbereich (Herr Fassbind)
(siehe Anhang)
2.2. Statistik im fremdenpolizeilichen Bereich (Herr Crittin)
(siehe Anhang)2
Umfrage vom 26. August 1992 (siehe Anhang)3
Es ist davon auszugehen, dass der Bürgerkrieg über weitere Monate hinweg anhalten wird. Die internationale Konferenz in London hat keine Wirkungen gezeitigt.4 Offensichtlich ist eine politische Kontrolle der kriegsführenden Parteien nicht mehr möglich. Eine Ausdehnung auf Kosovo ist nicht auszuschliessen.5
Die angrenzenden Länder (Kroatien und Slowenien) sind überfordert. Mittels Grenzkontrolle haben sie indessen die Möglichkeit, den Grenzfluss zu steuern. Kroatien und Slowenien erwarten grössere finanzielle Hilfe aus dem Westen, ansonsten die Grenzen weiter geöffnet werden.6
Zur Zeit ist indessen im Asylbereich kein erhöhter Druck festzustellen. Es ist aber zu befürchten, dass mit Ablauf der bisher erteilten Besuchervisa der Druck zunehmen wird. Es ist davon auszugehen, dass die betreffenden Personen während des Winters nicht zum Wiederaufbau in ihre Heimat zurückkehren werden.
Bezüglich Arbeitslosigkeit ist zur Zeit noch kein Silberstreifen am Horizont sichtbar. Es ist davon auszugehen, dass Ende Oktober 1992 mit 100 000 Arbeitslosen und somit mit verstärkten innenpolitischen Problemen zu rechnen ist. Angesichts dieser Zahlen wird eine Änderung des Arbeitslosenversicherungswesens notwendig sein (Verlängerung Bezugszeit bei tieferen Tagessätzen).7
Vor allem betroffen von der steigenden Arbeitslosigkeit ist das Baugewerbe und somit insbesondere die jugoslawischen Saisonniers. Dies obwohl seit 1991 deren Anzahl um rund 10 000 Arbeitnehmer zurückgegangen ist (aus welchen Gründen ist nicht klar ersichtlich).
Die Zunahme der Arbeitslosenzahlen ist daher nicht zuletzt auch als Folge der in diesem Gewerbe arbeitslos werdenden, jugoslawischen Saisonniers zu sehen.
Eine Zunahme der in diesem Bereich anfallenden Kosten ist unumgänglich.
Insgesamt können die arbeitsmarktlichen Zukunftsaussichten nicht als rosig bezeichnet werden.
Zur Zeit ist noch keine Steigerung im fürsorgerischen Bereich bezüglich Jugoslawien festzustellen. Es stellt sich indessen die Frage, wie dies weitergehen wird. Ein Anstieg wird wohl nicht zu vermeiden sein.8
Die Kantone wünschen sich daher eine klare Regelung mit entsprechenden Verteilschlüsseln (wie beispielweise bei den Gewaltflüchtlingen).9 Insbesondere ist auch eine klare Regelung im Bereich der Fürsorgekosten notwendig.
Die bisher ergangenen und zum Teil schon weit zurückliegenden Weisungen sind unklar.10 Es wäre daher dringend notwendig, einfache und klare Direktiven zu erlassen.
Insbesondere müssten die Konfliktzonen genau umschrieben (nicht überall herrscht Krieg) und ein möglichst einfaches Verfahren festgelegt werden.
Überdies stellt sich die Frage, was nach Ablauf der erteilten Besuchervisa zu geschehen hat. Ebenso zu überprüfen wäre das bisherige Verfahren bezüglich der Einladungsschreiben.11
(siehe Anhang)12
Zusätzlich: Lage in den Ausländerberatungsstellen (Herr Riedo)
Das Verhältnis zwischen den Beratungsstellen und den kantonalen Fremdenpolizeien ist zur Zeit gestört. Zudem entstehen vermehrt Reibereien innerhalb der Beratungsstellen.
Dies insbesondere auch als Folge der zur Zeit bestehenden unklaren Weisungen.
Weitere Schwierigkeiten ergeben sich im Bereich der Einschulung sowie der Privataufnahme.13
Zur Zeit ist in Kroatien von 600 000 bis 750 000 landesintern vertriebenen Personen auszugehen.
Eine Entwaffnung der illegalen Kräfte war bis anhin nicht möglich. Da die internationale Hilfe nicht durch direkte Zahlungen erfolgt, gerät die kroatische Regierung immer mehr in einen finanziellen Engpass.
Die London-Konferenz wird durch UNO und EG präsidiert.15 Es wurde ein Prinzipien-Katalog verabschiedet, der indessen kaum Wirkung zeigen wird. Überdies wurden verschiedene Arbeitsgruppen gebildet, so auch eine Gruppe für humanitäre Fragen, an der sich vermutlich auch die Schweiz beteiligen wird.16
Letzte Woche wurde durch den Bundesrat entschieden, weitere 15 000 000 Fr für humanitäre Hilfe zur Verfügung zu stellen.17
Herr Hunziker:
Vorschlag Arbeitsgruppen bilden, die innerhalb kürzester Frist entsprechende Vorschläge auszuarbeiten haben. Insbesondere seien folgende Fragen zu klären:
– Wer wird zurückgewiesen?
– Wer wird weiterhin geregelt und wie lange?
– Wer darf neu einreisen?
Überdies müssten Fragen bezüglich der betroffenen Gebiete, der persönlichen Situation der Gesuchsteller sowie die Möglichkeit der Erwerbstätigkeit klar gelöst werden.
Herr Arbenz:
Es bestehen verschiedene Gruppen von ehemaligen Jugoslawen sowie verschiedene Kategorien. Eine strenge Unterteilung ist indessen nicht mehr möglich. Die kleinste Gruppe bilden die Kroaten und Slowenen, gefolgt von einer mittleren Gruppe aus Bosnien/Herzegowina. Die grösste Gruppe bilden schliesslich die Kosovo-Albaner.
Herr Hunziker:
Wichtig ist vorallem, dass die jetzt zu erarbeitende Lösung bis 30. April 1993 gelten muss.
Klare Fälle, wie beispielsweise Slowenen und Kroaten sind zurückzuschieben.
Herr Grossen:
Welche Personen kann man zurückschieben? Diese Frage muss sowohl für Saisonniers wie auch für Asylbewerber gleich beantwortet werden.
Herr Arbenz:
Rückschiebung für Kosovo-Albaner vorläufig noch möglich.18 Ebenso für Kroatien, Slowenien und Mazedonien (Ausnahmefälle vorbehalten). Nicht möglich ist indessen eine Rückschiebung nach Bosnien/Herzegowina.19
Herr Grossen:
Saisonniers und Kurzaufenthalter aus den fraglichen Gebieten sollen bei ihrem bisherigen Arbeitgeber weiterhin tätig sein können. Gegebenenfalls wären ihnen auch Arbeitslosenbeiträge zu entrichten. Allen anderen sollte die Erwerbstätigkeit untersagt bleiben.
Herr Riedo:
Es wäre zu prüfen, ob nicht die leeren Saisonnier-Unterkünfte zur Aufnahme von Jugoslawen zur Verfügung gestellt werden könnten und ob, finanziert durch die Arbeitslosenkassen, Sprachkurse angeboten werden könnten. Dies um die betreffenden Personen von den «Strassen fernzuhalten.»
Herr Grossen:
Aus Kapazitätsgründen ist dies nicht möglich. Es ist mit ca. 100 000 Arbeitslosen (auch Schweizer) zu rechnen. Es würde auf Unverständnis stossen, wenn vor den schweizerischen Arbeitslosen jugoslawische Arbeitnehmer von solchen Programmen profitieren würden.
Herr Hunziker:
Zusammenfassend gilt festzuhalten, dass eine klare Regelung (ZAR) der betroffenen Personen unumgänglich ist.
Überdies sollte das Kreisschreiben von den drei hauptsächlich betroffenen Ämtern (BFA, BFF und BIGA) verfasst werden. Dieses Schreiben sollte bis spätestens 25. September 1992 vorliegen.20
Die Koordination liegt bei Herrn Hunziker.
Die Zuständigkeiten innerhalb der einzelnen Ämter wird wie folgt festgelegt:
BFF: Herr Baumgartner
Allenfalls sind noch anzuhören die Herren Weiersmüller, Riedo und Rossel.
Die nächste Sitzung wird festgelegt auf den 4. September 1992, 09.00 Uhr, im Büro von Herrn Hunziker.
- 1
- CH-BAR#E4280A#2017/359#60* (777.5/3). Das Protokoll dieser Lagebesprechung wurde von Rudolf Fischer vom Bundesamt für Ausländerfragen (BFA) des EJPD verfasst und vom Direktor des BFA, Alexandre Hunziker, unterzeichnet. Es ging mit Beilagen an die Sitzungsteilnehmenden: an die Chefin des Beschwerdediensts im Generalsekretariat des EJPD, Danièle Favre, den Direktor des Bundesamts für Flüchtlinge (BFF) des EJPD, Peter Arbenz, den Vizedirektor des Bundesamts für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) des EVD, Dieter Grossen, den Koordinator für internationale Flüchtlingspolitik des EDA, Botschafter Rudolf Weiersmüller, den Chef der Fremdenpolizei des Kantons Bern, Gaston Rossel, den Sekretär der Konferenz der Kantonalen Fürsorgedirektoren, Ernst Zürcher, sowie an den Chef des Sekretariats der Eidgenössischen Kommission für Ausländerprobleme (EKA), René Riedo. Im Referenzdossier des BFA CH-BAR#E4300C-01#2021/126#466* (9-119-431) sind nur die Beilagen, nicht aber das Protokoll selbst abgelegt. Die hier edierte Kopie ging am 4. September 1992 an Direktor Arbenz vom BFF.↩
- 2
- Für die vom Chef der Abteilung Ausreise und Aufenthalt des BFF, Olivier Fassbind, und dem Vizedirektor des BFA, Edouard Crittin, referierten Statistiques des personnes de l’ancienne «Yougoslavie» actuellement en Suisse (31.8.1992) vgl. das Faksimile dodis.ch/62285. ↩
- 3
- Für das Kreisschreiben Direktor Hunzikers an die Fremdenpolizeichefs der Kantone vom 26. August 1992 und das Résumé du questionnaire «Yougoslavie» des BFA vom 2. September 1992 vgl. das Faksimile dodis.ch/62285. Für die einzelnen Antworten der Kantone vgl. das Dossier CH-BAR#E4300C-01#2021/126#462* (9-119-431).↩
- 4
- Nach der Eröffnung der Londoner Konferenz über das ehemalige Jugoslawien vom 26. und 27. August 1992 wurde diese in Genf fortgesetzt, vgl. die thematische Zusammenstellung Genfer Jugoslawienkonferenz, dodis.ch/T2213.↩
- 5
- Zur Situation in Kosovo vgl. die Notizen der schweizerischen Botschaft in Belgrad vom 13. November 1992, dodis.ch/62119, sowie die Analyse des Nachrichtendiensts vom 25. November 1992, dodis.ch/62445.↩
- 6
- Vgl. dazu DDS 1992, Dok. 20, dodis.ch/60663, Punkt III.↩
- 7
- Vgl. dazu die Botschaft zu einem Bundesbeschluss über Massnahmen in der Arbeitslosenversicherung vom 27. Januar 1993, BBl, I, S. 677–693, sowie den Bundesbeschluss über Massnahmen der Arbeitslosenversicherung vom 19. März 1993, AS, 1993, S. 1066 f.↩
- 8
- Vgl. dazu das Protokoll der Aussprache zwischen dem BFF und den Kantonen über die Redimensionierung im Fürsorgebereich vom 25. August 1992, dodis.ch/63811.↩
- 9
- Im Juli entschied der Bundesrat die humanitäre Aufnahme von 1000 Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien, vgl. das BR-Prot. Nr. 1318 vom 20. Juli 1992, dodis.ch/60637, sowie den Zirkulationsbeschluss des Bundesrats, dodis.ch/60921. Für die Richtlinien für die Unterbringung und Betreuung dieser Gruppe vgl. das Kreisschreiben des BFF an die Fürsorgedirektoren sowie die Justiz- und Polizeidirektoren der Kantone vom 23. Juli 1992, dodis.ch/63358. Vgl. auch das Ergebnisprotokoll der Auswertungssitzung vom 6. Mai 1992 betreffend die Aktion vorläufige Aufnahme für Jugoslawen im Hinblick auf die Schaffung eines Modellfalls, dodis.ch/62347.↩
- 10
- Für die Weisungen vgl. die Dossiers CH-BAR#E4300C-01#2021/126#465* und CH-BAR#E4300C-01#2021/126#468* (9-119-431).↩
- 11
- Vgl. dazu die Notiz des Chefs der Sektion Rechtsdienst und Direktionssekretariat des BFA, Robert Eugster, vom 7. August 1992, dodis.ch/63813.↩
- 12
- Für die von Sektionschef Eugster referierte Notiz vom 2. September 1992 vgl. das Faksimile dodis.ch/62285.↩
- 13
- Vgl. dazu das Diskussionspapier von Sektionschef Eugster vom 27. Juli 1992, dodis.ch/63839, sowie Pressemitteilung des BFF vom 5. August 1992, dodis.ch/63812.↩
- 14
- Zur Situation im ehemaligen Jugoslawien vgl. das BR-Prot. Nr. 1362 vom 19. August 1992, dodis.ch/59659. Vgl. ferner die Analysen der Unterabteilung Nachrichtendienst und Abwehr des EMD vom 25. November 1992, dodis.ch/62445, sowie des Politischen Sekretariats des EDA vom 1. Dezember 1992, dodis.ch/62446.↩
- 15
- Zur Londoner bzw. Genfer Jugoslawienkonferenz vgl. die thematische Zusammenstellung dodis.ch/T2213.↩
- 16
- Für die Schweiz nahm Armin Ritz von der Politischen Abteilung III des EDA Einsitz in die Arbeitsgruppe «Minderheiten», vgl. die Zusammenstellung dodis.ch/C2406.↩
- 17
- BR-Prot. Nr. 1440 vom 24. August 1992, dodis.ch/60664. Vgl. dazu auch DDS 1992, Dok. 20, dodis.ch/60663.↩
- 18
- Zur Zumutbarkeit und technischen Durchführbarkeit von Wegweisungen in das ehemalige Jugoslawien vgl. die Notiz des BFF an den Vorsteher des EJPD, Bundesrat Arnold Koller, vom 30. Juni 1992, dodis.ch/62280; das Schreiben des schweizerischen Geschäftsträgers in Tirana, Christian Hauswirth, an das BFF vom 18. November 1992, dodis.ch/63499, sowie den Reisebericht einer Delegation der Caritas nach Kosovo und Mazedonien vom 9. Dezember 1992, dodis.ch/63491.↩
- 19
- Vgl. dazu das Informationsblatt Die Aufnahme von Bürgerkriegsopfern aus dem ehemaligen Jugoslawien des BFF vom 25. August 1992, dodis.ch/62286.↩
- 20
- Am 16. September 1992 nahm der Bundesrat zustimmend Kenntnis von den gleichentags erlassenen Weisungen und Empfehlungen zuhanden der Kantone bezüglich der Einreise-, Aufenthalts- und Ausreisebedingungen für Staatsangehörige aus dem ehemaligen Jugoslawien während der Wintermonate 1992/93, vgl. das BR-Prot. Nr. 1731, dodis.ch/60658. Darin wird festgehalten (S. 2), diese seien «nur auf Angehörige aus dem ehemaligen Jugoslawien anwendbar, die ihren gegenwärtigen oder letzten Wohnsitz in Bosnien-Herzegowina hatten».↩
Relations to other documents
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