00.093. Message relatif à l'initiative populaire «pour l'adhésion de la Suisse à l'Organisation des Nations Unies (ONU)»
00.093. Messaggio sull'iniziativa popolare «per l'adesione della Svizzera all'Organizzazione delle Nazioni Unite (ONU)»
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Die Schweiz und die Konstruktion des Multilateralismus, Bd. 3. Diplomatische Dokumente der Schweiz zur Geschichte der UNO 1942–2002, vol. 15, doc. 48
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern |
Old classification | CH-BAR BBl, 2001 I, S. 1183-1274 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern |
Old classification | CH-BAR FF, 2001 I, p. 1117-1209 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern |
Old classification | CH-BAR FF, 2001 I, pp. 1035-1126 |
dodis.ch/53989Botschaft des Bundesrats an die Bundesversammlung1
Volksinitiative «Für den Beitritt der Schweiz zur Organisation der Vereinten Nationen (UNO)»
Die Volksinitiative «Für den Beitritt der Schweiz zur Organisation der Vereinten Nationen (UNO)» wurde am 6. März 2000 in Form eines ausgearbeiteten Vorschlages mit 124 772 Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht.2 Die Initianten wollen erreichen, dass die Schweiz der UNO beitritt. Die Schweiz engagiert sich in der Organisation bereits heute weitgehend. Die Mitwirkung als Beobachter erscheint den Initiantinnen und Initianten als nicht ausreichend und erlaube keine optimale Interessenvertretung. Der Beitritt zur UNO bringt der Schweiz eine klare Situation: Alle für den Beobachter geltenden Einschränkungen fallen weg.3 Die Mitwirkungsmöglichkeiten werden optimiert. Die Schweiz würde dabei
– die sich aus der UNO-Charta ergebenden Verpflichtungen übernehmen
– die für sie berechneten Pflichtbeiträge ans reguläre Budget der UNO und an das Budget für die friedenserhaltenden Operationen bezahlen.4
Die Zielsetzung der Volksinitiative entspricht dem am 1. März 2000 formell beschlossenen Legislaturziel des Bundesrates, den UNO-Beitritt in der Legislatur 1999–2003 herbeizuführen.5 Der Bundesrat empfiehlt deshalb die Initiative zur Annahme. Aus dem nachfolgenden Botschaftstext gehen folgende Gründe für den Beitritt der Schweiz zur UNO hervor:
I. Die Schweiz soll in der Weltorganisation präsent sein: Der UNO-Beitritt unterstreicht den Willen der Schweiz, an der internationalen Politik solidarisch mitzuwirken und auf weltweite, sie direkt berührende Entwicklungen Einfluss zu nehmen. Die UNO ist heute die einzige wirklich universelle Organisation. Fast 100 Prozent der Weltbevölkerung sind in ihr vertreten. Zwei Beobachterstaaten6 stehen 189 Mitgliedern gegenüber. Die Schweiz mit ihrem einzigartigen Staatsmodell, ihrer reichen Kultur und Geschichte und ihrer humanitären Tradition hat deshalb zahlreiche Gründe, um diesem wichtigsten globalen Forum beizutreten.
II. Die Ziele der UNO-Charta entsprechen den Zielen der schweizerischen Aussenpolitik:7 Die Schweiz kann sich uneingeschränkt hinter die Ziele der UNO-Charta stellen und sie gemeinsam mit der UNO verfolgen. Sie kann den Bestimmungen der Charta Folge leisten, ohne die Neutralität aufzugeben.
III. Die Beziehungen der Schweiz zur UNO sind bereits intensiv, die Zeit für den Beitritt ist reif: Als Mitglied kann die Schweiz ihre Interessen auch in den Hauptorganen der UNO vertreten und ihren aussenpolitischen Anliegen besser Nachdruck verschaffen. Es ist eine schlechte Politik, überall mitzumachen, nicht aber in den Hauptorganen einer Organisation.
IV. Die Schweiz kann in der UNO ihre Interessen bei der Regelung globaler Fragen wahren: Als Mitglied kann die Schweiz beim Erarbeiten internationaler Lösungen in der UNO mit vollen Rechten mitwirken und ihre aussenpolitischen Ziele besser verfolgen. Ihre Fähigkeit, die eigenen Interessen global wahrzunehmen und durchzusetzen, wird somit durch den UNO-Beitritt verstärkt.
V. Der UNO-Beitritt verleiht der neutralen Schweiz einen grösseren internationalen Handlungsspielraum: Friedenspolitik findet zunehmend im multilateralen Umfeld statt. Wer einen Beitrag leisten will, muss präsent sein und bedarf optimaler Instrumente. Der UNO-Beitritt versetzt die Schweiz in die Lage, ihre Aussenpolitik schlechthin mit verbesserten Mitteln zu betreiben.
VI. Der UNO-Beitritt ist ein Beitrag zur Verbesserung der Rahmenbedingungen der global tätigen schweizerischen Wirtschaft: Er bildet eine Investition in die Stabilität der politischen internationalen Rahmenbedingungen sowie in die Entwicklungschancen von Staaten, die wichtige Handelspartner der Schweiz sind. Es gibt keinen anderen Ort, wo die Schweiz sich für ein stabiles internationales Umfeld besser einsetzen kann und so das Wohlergehen von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft fördern kann.
VII. Die Schweiz gewinnt bei der zukünftigen Ausgestaltung des Völkerrechts an Einfluss: Sie kann durch den UNO-Beitritt die Entwicklung des Völkerrechts verstärkt mitprägen und auf dessen grössere Durchsetzbarkeit hinarbeiten. Sie kann an allen Verhandlungen teilnehmen, sich von Beginn weg aktiv einschalten und an massgebenden Abstimmungen teilnehmen.
VIII. Die Möglichkeiten zur Vertretung der Interessen des internationalen Genf werden erweitert: Genf ist zweitwichtigster Sitz der UNO. Das internationale Genf bildet eine kulturelle, gesellschaftliche und politische Bereicherung für die Schweiz, ist wichtige Plattform für unsere Aussenpolitik und bedeutender Wirtschaftsfaktor für die Genferseeregion.8 Es drängt sich auf, dass die Schweiz ihre Rolle als Sitzstaat mit der UNO-Mitgliedschaft verbindet, um so ihre Interessen besser zu wahren.
IX. Die UNO bereitet sich durch Reformen auf neue Aufgaben vor: Die UNO hat ihre Wirkungskraft in den vergangenen Jahren gesteigert. Sie wird in Zukunft durch die Vernetzung der internationalen Politik mit der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft eine noch wichtigere Rolle spielen. Dank eines kontinuierlichen Reformprozesses ist sie bestrebt, nach wie vor bestehende Schwächen abzubauen.
Der Botschaftstext bildet eine Einheit mit dem «Bericht des Bundesrates über das Verhältnis zwischen der Schweiz und der Organisation der Vereinten Nationen (UNO)» vom 1. Juli 1998 (im Folgenden «UNO-Bericht» genannt).9 Dieser beleuchtet in umfassender Weise das Verhältnis der Schweiz zur UNO, während diese Botschaft vor allem auf die für den Beitritt relevanten Aspekte eingeht.
[...]10
5.1 Die schweizerische Neutralität
Die schweizerische Neutralität wird durch die UNO-Mitgliedschaft nicht beeinträchtigt. Eine Verpflichtung zur Entsendung von Truppen für militärische Missionen entsteht aus dem Beitritt nicht. Die UNO respektiert die Neutralität von Mitgliedstaaten.
Die Schweiz bleibt auch als UNO-Mitglied ein neutraler Staat. Der Bundesrat hat in seinem Bericht zur Neutralität von 199311 ausführlich dargelegt, dass die Schweiz mit einem Beitritt zur UNO nicht gegen ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen als neutraler Staat verstossen würde. Im Rahmen einer Aussprache über aktuelle Aspekte der Neutralitätspraxis der Schweiz hat er am 22. November 2000 diese Haltung bestätigt.12
Schon seit Beginn der Neunzigerjahre setzt die Schweiz Zwangsmassnahmen der UNO um, ohne dass ihr dadurch eine Verletzung ihrer Neutralitätspflichten vorgeworfen oder ihre Neutralität gar in Frage gestellt worden wäre.13 Die UNO-Mitgliedschaft ist mit der Neutralität vereinbar. Der Bundesrat beabsichtigt, im Beitrittsgesuch an den UNO-Generalsekretär14 auf die Beibehaltung der Neutralität ausdrücklich hinzuweisen.15 Dieser Hinweis wird anlässlich der ersten Teilnahme der Schweiz an der UNO-Generalversammlung wiederholt.16
Das bedeutet, dass es die Schweiz in strikter Anwendung des Neutralitätsrechts weiterhin vermeidet, in kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Staaten oder Staatengruppen hineingezogen zu werden. Sie befolgt streng die Regeln der Nichtbeteiligung an bewaffneten Konflikten.
Die allgemeine Verpflichtung der Staaten, auf Gewalt als Mittel zur Durchsetzung ihrer (aussen-)politischen Interessen zu verzichten (Ausnahme ist das in Art. 51 der UNO-Charta ausdrücklich bekräftigte Recht auf Selbstverteidigung), entspricht den Grundsätzen der lange praktizierten Neutralitätspolitik der Schweiz. In diesem Prinzip liegt auch die Motivation der Schweiz, sich international friedenspolitisch einzusetzen. Die Schweiz verfolgt eine Neutralität, welche die Maximen der Nichteinmischung mit jenen der aktiven Friedenspolitik verbindet.17 Da viele Interessenkonflikte zwischen Staaten innerhalb der UNO behandelt werden, könnte die Schweiz als Mitglied ihre Stellung als Mittlerin stärken.
Umsetzung von Massnahmen mit militärischer Komponente
Für die Umsetzung vom Sicherheitsrat beschlossener Massnahmen mit militärischen Komponenten sieht die UNO eine differenzierte Abstufung der Beteiligung der Mitgliedstaaten vor. Um militärische Mittel zur Verfügung zu stellen, müssen die interessierten Staaten separat ein Abkommen mit dem Sicherheitsrat vereinbaren.18 Bisher wurden keine solchen Verträge abgeschlossen. Es hat sich folgende Praxis entwickelt: Ein Staat kann freiwillig ein Angebot machen, gemäss seinen Möglichkeiten in gewissen Fristen und unter gewissen Bedingungen Personal zur Verfügung zu stellen. Diese Angebote sind entweder einseitig oder in informellen Vereinbarungen («Memorandum of Understanding») festgehalten.19 Für die Schweiz ergibt sich daraus folgende Lage:
– Friedenserhaltende Operationen der UNO (meist so genannte «Blauhelm-Operationen») werden aus dem entsprechenden speziellen Budget finanziert. Das notwendige Personal wird in der Praxis von den Staaten freiwillig gestellt. Solche Operationen müssten also von der Schweiz zwar finanziell mitgetragen, aber weder personell noch mit Material unterstützt werden.20
– Von der UNO ermächtigte Zwangsmassnahmen (gestützt auf Kapitel VII der Charta) werden von einer «Koalition der Willigen» finanziert und durchgeführt (beispielsweise die Operation «Desert Storm» zur Befreiung von Kuwait).21 Die Schweiz kann über ihre direkte Beteiligung, sei es durch Zurverfügungstellung von Personal oder Material, selbst entscheiden.
— Bezüglich der Durchmarsch- und Überflugsrechte sieht die UNO-Charta vor, dass diese durch die Mitglieder nach Massgabe von Sonderabkommen erteilt werden (wiederum Artikel 43 Ziffer 1). Solche Abkommen wurden bisher jedoch nicht erarbeitet. Die Gewährung dieser Rechte durch die Mitgliedstaaten erfolgte in der Praxis bisher vielmehr ohne besondere rechtliche Verpflichtung. Selbst wenn diese Praxis geändert würde, behalten die Staaten die Kompetenz, ob sie ein Abkommen abschliessen wollen. Der Bundesrat hat verschiedentlich Transitrechte für UNO-Operationen, die auch die Befugnis zur militärischen Gewaltanwendung gemäss Kapitel VII der Charta beinhalten, erteilt (z. B. Überflugsrechte für SFOR für Bosnien22 und KFOR für Kosovo23). Als UNO-Mitglied wäre die Schweiz gehalten, gemäss Artikel 25 Beschlüsse des Sicherheitsrats im Einklang mit der Charta umzusetzen. Auch nach dem UNO-Beitritt würde die Schweiz folglich solche Operationen weiterhin zumindest nicht behindern.
Sowohl die Unterstützung von UNO-Operationen als auch die aktive Teilnahme daran ist mit unserer Neutralität vereinbar.24 Das Neutralitätsrecht findet nur auf militärische Auseinandersetzungen zwischen Staaten Anwendung. Schreitet hingegen die UNO in einem Konflikt ein, entsteht eine grundsätzlich andere Situation: Die UNO handelt nicht als Kriegspartei, sondern als durch das Völkerrecht legitimierte Ordnungsmacht. Sie agiert ausschliesslich auf Grund von Beschlüssen des Sicherheitsrates und ausnahmsweise der UNO-Generalversammlung.25 Diese sind von den UNO-Mitgliedern in der Charta zu diesen Entscheiden ermächtigt worden. Die UNO geht im Auftrag der Völkergemeinschaft gegen jene vor, die den Weltfrieden gebrochen haben oder ihn gefährden. Zwischen der UNO und diesen Parteien kann gar keine Situation entstehen, die mit dem Neutralitätsstatut der Schweiz nicht zu vereinbaren ist. Wer sich in solchen Fällen nicht hinter die Ordnungsmacht stellt, stellt sich auf die Seite des Aggressors. Aus neutralitätspolitischer Sicht rechtfertigt sich für die Schweiz die Unterstützung dieser Massnahmen der UNO unabhängig davon, ob sie der Organisation formell angehört. Diesen kommt eine dem Frieden dienende Ordnungsfunktion zu, die dem Sinn und Geist der Neutralität entspricht.
Selbst eine bewaffnete Teilnahme der Schweiz an einer UNO-Friedensmission steht mit der Neutralität der Schweiz im Einklang. Eine solche Teilnahme wurde vom Parlament mit der Revision des Militärgesetzes26 grundsätzlich möglich gemacht.
Diese sieht vor, dass schweizerische Truppen im Ausland, die im Rahmen einer von der UNO oder OSZE mandatierten friedensunterstützenden Operation tätig sind, zum Selbstschutz und zur Erfüllung des Auftrages bewaffnet werden können. Es ist aber weiterhin so, dass schweizerische Armeeangehörige sich in keiner Weise an Kampfhandlungen zur Friedenserzwingung beteiligen würden.27 Der Entscheid darüber ist unabhängig vom UNO-Beitritt und wird durch diesen nicht präjudiziert. Die Aufstellung eines Schweizer Blauhelmbataillons als Folge des UNO-Beitritts ist nicht vorgesehen. Auch verändert der UNO-Beitritt in keiner Weise das Verhältnis der Schweiz zur NATO, die von der UNO gänzlich unabhängig ist.28
Bereits heute werden Angehörige der Armee (für Unterstützungsaufgaben oder als Militärbeobachter) oder Zivilpersonen (als Zivilpolizisten, Administratoren oder für die humanitäre Hilfe) in UNO-Friedensmissionen oder in von der UNO mandatierten Operationen eingesetzt.29 Solche Einsätze bilden seit Jahrzehnten einen bewährten Teil unseres aussen- und sicherheitspolitischen Instrumentariums.30
Umsetzung nichtmilitärischer Massnahmen
Die Schweiz wendet faktisch seit 1965 (Massnahmen des Sicherheitsrates gegen Rhodesien) UNO-Wirtschaftssanktionen autonom an.31 Seit 1990 hat sich eine Praxis der vollständigen Umsetzung der UNO-Wirtschaftssanktionen etabliert.32 Mit dem neuen Embargogesetz, das vom Parlament im Jahr 2001 behandelt wird,33 schafft der Bundesrat zudem eine formelle gesetzliche Grundlage für die Umsetzung, die bisher durch direkt auf die Verfassung abgestützte Verordnungen erfolgte. Die Schweiz verletzt durch den Nachvollzug von Sanktionen ihre Neutralität nicht, weil die UNO nicht Kriegspartei ist, sondern wie oben beschrieben im Namen der gesamten Staatengemeinschaft für Recht, Frieden und Ordnung sorgt. Aus diesem Grund bejaht der Bundesrat bereits heute die Vereinbarkeit der Teilnahme an UNO-Wirtschaftssanktionen mit der Neutralität, dies im Einklang mit der herrschenden Völkerrechtslehre und der Staatenpraxis. Als UNO-Mitglied wäre die Schweiz in jedem Fall verpflichtet, die von der UNO beschlossenen verbindlichen nichtmilitärischen Massnahmen mitzutragen.
Die Haltung der UNO zur Neutralität
Die UNO hat die Neutralität ihrer Mitgliedstaaten seit langem akzeptiert: Keiner der europäischen Neutralen (Österreich, Schweden, Finnland, Irland) sah seine Neutralität durch den UNO-Beitritt in Frage gestellt. Die UNO-Generalversammlung hat die Neutralität als sicherheitspolitisches Konzept 1995 sogar ausdrücklich anerkannt und ihren Wert bekräftigt (UNO-Resolution A/Res/50/80A zur Neutralität Turkmenistans).34 Neutrale Staaten können auch im Sicherheitsrat Einsitz nehmen und damit Mitverantwortung für Frieden und Sicherheit in der Welt übernehmen, wie etwa die Beispiele Österreichs (während des Golfkriegs) sowie Schwedens, Finnlands und Irlands zeigen.
Obwohl Sitzstaat, gehört die Schweiz der UNO nicht als Mitglied an. Diese Situation ist unbefriedigend. Als Mitglied könnte sich die Schweiz besser für die Interessen des internationalen Genf einsetzen.
Die UNO hat 1945 ihren europäischen Sitz aus praktischen und politischen Gründen in Genf angesiedelt:36
– Das für den Völkerbund errichtete Gebäude stand zur Verfügung
– Die neutrale, stabile und vom Krieg unversehrte Schweiz bot ein attraktives Umfeld.
Da die Schweiz nur eines von vielen Ländern war, die nicht der UNO angehörten, spielte die Nichtmitgliedschaft damals keine weitere Rolle.
In der Folge ist in Genf eine beachtliche internationale Gemeinschaft entstanden, zu der heute 19 internationale Organisationen gehören, davon acht aus dem UNO-System. Mehr als 140 Staaten haben zudem Vertretungen in Genf. Rund 32 300 Personen gehören der internationalen Gemeinschaft an.37 Sie ist von lokaler, regionaler und nationaler wirtschaftlicher Bedeutung.38 Jeder zehnte Genfer Arbeitsplatz hängt von der Präsenz der internationalen Organisationen ab. Diese sind eine politische, kulturelle und wissenschaftliche Bereicherung für unser Land und ein Trumpf in unseren internationalen Beziehungen. Genf hat sich mit New York weltweit zum wichtigsten Ort multilateraler Politik entwickelt.
Die Situation der Schweiz als Gaststaat ohne Mitgliedschaft bei der UNO befriedigt nicht. Die Konkurrenz der Städte um die Beherbergung internationaler Organisationen ist sehr hart geworden.39 Es erscheint als offensichtlich, dass die Nichtmitgliedschaft der Schweiz die Attraktivität der UNO-Stadt Genf unnötig belastet. Es entsteht die eigenartige Situation, dass die Schweiz als Gaststaat nicht im UNO-Gastlandkomitee, in dem für sie relevante Fragen besprochen werden, vertreten sein darf.
Die 5. Kommission der Generalversammlung, der alle Mitgliedstaaten angehören, entscheidet über die finanziellen und administrativen Fragen im UNO-Bereich. Dazu gehören die Budgets der Genfer UNO-Organe oder die Anstellungsbedingungen, Saläre, Versicherungen oder Pensionskassenleistungen der UNO-Beamten in Genf. Beschlüsse zu solchen für Genf und die Westschweiz wichtigen Fragen werden ohne die Schweiz gefällt.
Die Schweiz kann sich auch nur beschränkt in Standortentscheide etwa im humanitären oder Umweltbereich einschalten, da diese von den Kommissionen der Generalversammlung und vom ECOSOC präjudiziert werden.
Die Mitgliedschaft würde dies ändern. Der Einsitz in die 5. Kommission erfolgte automatisch. Die Wahl in das Gastlandkomitee und den Beratenden Ausschuss für Verwaltungs- und Haushaltsfragen käme für die Schweiz neu in Frage und würde zu einer realistischen Zielsetzung.
[...]40
- 1
- BBl, 2001, I, S. 1183–1274. Der definitiven Textfassung dieser Botschaft über die Volksinitiative «Für den Beitritt der Schweiz zur Organisation der Vereinten Nationen (UNO)» gingen mehrere Entwürfe zwischen Mai 1999 und November 2000 voraus, an denen diverse Amtsstellen unter Koordination der Sektion UNO, IO der Politischen Abteilung III des EDA beteiligt waren, vgl. das Dossier CH-BAR#E2006A#2009/188#5055* (818.11-3). Die Entwürfe enthielten bis zum 6. März 2000, als die Volksinitiative zustande kam, noch zwei mögliche Einstiegsvarianten mit und ohne Bezugnahme auf die Initiative. Die Vernehmlassungsfrist lief vom 28. Juni bis zum 5. Oktober 2000, die Ämterkonsultation vom 24. Oktober bis zum 6. November 2000. Auf Antrag des EDA vom 21. November 2000 und nach Abschluss des Mitberichtsverfahrens wurden die Botschaft und der Entwurf zum Bundesbeschluss über die Volksinitiative am 4. Dezember 2000 vom Bundesrat gutgeheissen und am 11. Dezember 2000 an das Parlament überwiesen. Mit dem Bundesbeschluss über die Volksinitiative «Für den Beitritt der Schweiz zur Organisation der Vereinten Nationen (UNO)» vom 5. Oktober 2001 empfahl die Bundesversammlung der Stimmbevölkerung die Initiative zur Annahme, vgl. BBl, 2001, I, S. 5731–5732.↩
- 2
- Die Volksinitiative war am 8. September 1998 durch ein überparteiliches Komitee, präsidiert von Nationalrat Remo Gysin, lanciert worden. Vgl. dazu die thematische Zusammenstellung Abstimmung über den UNO-Beitritt (2002), dodis.ch/T1773, insbesondere QdD 15, Dok. 49, dodis.ch/60379.↩
- 3
- Zum Beobachterstatus der Schweiz bei der UNO in New York seit 1946 vgl. die Zusammenstellung dodis.ch/C2268.↩
- 4
- Für den Fall eines UNO-Beitritts wurden Pflichtbeiträge in der Höhe von insgesamt 39 Mio. USD angenommen, was einer Erhöhung der Kosten um 35 Mio. USD entsprach, vgl. das Faksimile dodis.ch/53989, S. 1218–1220.↩
- 5
- «Der Bundesrat will die Schweiz in dieser Legislaturperiode in die UNO führen. Mit diesem Ziel wird er die Botschaft zum UNO-Beitritt überweisen und einen kontinuierlichen Dialog mit der Öffentlichkeit sicherstellen. Damit sollen dem Parlament und der Bevölkerung fundierte Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung gestellt werden», vgl. den Bericht über die Legislaturplanung 1999–2003 vom 1. März 2000, BBl, 2000, I, S. 2276–2356, hier S. 2282.↩
- 6
- Der Vatikanstaat und die Schweiz.↩
- 7
- Für die Ziele der schweizerischen Aussenpolitik vgl. Aussenpolitischer Bericht 2000 des Bundesrats vom 15. November 2000, BBl, 2001, I, S. 261–358.↩
- 8
- Vgl. dazu das Schlagwort Die internationale Rolle Genfs, dodis.ch/D982.↩
- 9
- Anmerkung im Original: «Bericht über das Verhältnis zwischen der Schweiz und der Organisation der Vereinten Nationen (UNO)» vom 1. Juli 1998; BBl 1998 V 5242 ff. Für den Bericht vgl. QdD 15, Dok. 46, dodis.ch/60381.↩
- 10
- Für das vollständige Dokument vgl. das Faksimile dodis.ch/53989.↩
- 11
- Anmerkung im Original: Anhang zum «Bericht des Bundesrates über die Aussenpolitik der Schweiz in den 90er Jahren», a. a. O. Für den Bericht vom 29. November 1993 vgl. QdD 15, Dok. 44, dodis.ch/54677.↩
- 12
- Anmerkung im Original: Grundlage der Aussprache bildete der Bericht der interdepartementalen Arbeitsgruppe vom 30. August 2000: «Neutralitätspraxis der Schweiz – aktuelle Aspekte». Für den Bericht vgl. dodis.ch/62702. In seiner Sitzung vom 22. November 2000 nahm der Bundesrat aufgrund des Aussprachepapiers des EDA vom 21. November 2000 zustimmend vom Bericht Kenntnis, vgl. das BR-Prot. Nr. 1930 vom 22. November 2000 im Dossier CH-BAR#E1004-03#2002/51#81* (1-04).↩
- 13
- Zur Übernahme der UNO-Sanktionen gegen den Irak und Kuwait 1990 vgl. die Zusammenstellung dodis.ch/C1674, insbesondere das BR-Prot. Nr. 1467 vom 7. August 1990, dodis.ch/55525. Vgl. dazu auch QdD 15, Dok. 40, dodis.ch/54497 und Dok. 41, dodis.ch/56503.↩
- 14
- Kofi Annan.↩
- 15
- Für den Wortlaut des Beitrittsgesuchs vgl. das Schreiben der Politischen Abteilung III an den schweizerischen Beobachter bei der UNO in New York, Botschafter Jenö Staehelin, vom 20. Juni 2002, dodis.ch/62675. Vgl. dazu auch die Zusammenstellung dodis.ch/C2250.↩
- 16
- Vgl. die Rede des Vorstehers des EFD, Bundespräsident Kaspar Villiger, vor der UNO-Generalversammlung vom 10. September 2002, QdD 15, Dok. 50, dodis.ch/55178.↩
- 17
- Vgl. dazu den Bericht über die Aussenpolitik der Schweiz in den 1990er Jahren vom 29. November 1993, QdD 15, Dok. 44, dodis.ch/54677, S. 172–179.↩
- 18
- Anmerkung im Original: Charta, Kapitel VII, Artikel 43. Zur Diskussion um die Auslegung von Artikel 43 der UNO-Charta vgl. die Aktennotiz der Direktion für Völkerrecht vom 21. Februar 2000, dodis.ch/62704.↩
- 19
- Anmerkung im Original: Anfang 2000 hatten 87 Staaten solche Angebote gemacht. 31 davon haben sie in informellen Vereinbarungen festgehalten. Auf Grund dieser Angebote standen rund 147 000 Personen für Einsätze verschiedenster Art (z. B. Truppen, Logistiker, Experten, Zivilpolizisten) zur Verfügung.↩
- 20
- Vgl. dazu die thematische Zusammenstellung Beteiligung an den Friedenstruppen der Vereinten Nationen (Blauhelme), dodis.ch/T2038, insbesondere die Botschaft des Bundesrates betreffend das Bundesgesetz über schweizerische Truppen für friedenserhaltende Operationen vom 24. August 1992, QdD 15, Dok. 43, dodis.ch/54910.↩
- 21
- Vgl. dazu die thematische Zusammenstellung Golfkrise (1990–1991), dodis.ch/T1673, sowie die Resolution Nr. 678 des Sicherheitsrats der UNO vom 29. November 1990, UN doc. S/RES/678: «The Security Council [...] [a]uthorizes Member States co-operating with the Government of Kuwait [...] to use all necessary means to uphold and implement resolution 660 (1990) and all subsequent relevant resolutions and to restore international peace and security in the area».↩
- 22
- Zur Erteilung von Transitrechten für Truppen und Material der Implementation Force (IFOR) unter NATO-Kommando in Bosnien-Herzegowina vgl. das BR-Prot. Nr. 1944 vom 4. Dezember 1995, QdD 15, Dok. 45, dodis.ch/62191. Die IFOR wurde mit Resolution Nr. 1088 des Sicherheitsrats der UNO vom 12. Dezember 1996 mit der Stabilisation Force (SFOR) ersetzt, vgl. UN doc. S/RES/1088.↩
- 23
- Erst mit der Gründung der Kosovo-Force (KFOR) durch die Resolution des Sicherheitsrats der UNO vom 10. Juni 1999, UN doc. S/RES/1244, gewährte der Bundesrat Transitrechte für die NATO-Intervention im Kosovo, vgl. das entsprechende BR-Prot. vom 14. Juni 1999 im Dossier CH-BAR#E1004-03#2002/157#21* (1-031).↩
- 24
- Vgl. dazu eine Analyse der Direktion für Völkerrecht des EDA vom 18. März 1992, dodis.ch/62239.↩
- 25
- Anmerkung im Original: Grundsätzlich hat die Generalversammlung auf Grund der «Uniting for Peace»-Resolution (A/ Res. 377(V) vom 13.11.1950) das Recht, in Fragen des Friedens und der Sicherheit aktiv zu werden, wenn die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats durch Uneinigkeit das Handeln verhindern. Für die Resolution Nr. 377 (V) der Generalversammlung der UNO vom 13. November 1950 vgl. UN doc. A/RES/377(V). ↩
- 26
- Anmerkung im Original: Vorlage zur Teilrevision des Bundesgesetzes über die Armee und die Militärverwaltung (Militärgesetz/Bewaffnung); BBl 2000 5144.↩
- 27
- Anmerkung im Original: Zum Zeitpunkt der Überweisung dieser Botschaft untersteht der vom Parlament am 6. Oktober 2000 verabschiedete diesbezügliche Bundesbeschluss dem fakultativen Referendum. Vgl. den Bundesbeschluss über das Bundesgesetz über die Armee und die Militärverwaltung (Militärgesetz, MG) (Bewaffnung) vom 6. Oktober 2000, BBl, 2000, I, S. 5144–5145. Gegen die Gesetzesänderung wurde das Referendum ergriffen. Die Gesetzesänderung wurde jedoch am 10. Juni 2001 in der Volksabstimmung mit 51% Ja-Stimmen angenommen und trat am 1. September 2001 in Kraft.↩
- 28
- Vgl. dazu das Schreiben des schweizerischen Beobachters bei der UNO in New York, Botschafter Staehelin, an den Vorsteher des EDA, Bundesrat Joseph Deiss, vom 26. Mai 1999, dodis.ch/62696.↩
- 29
- Für eine ausführliche Übersicht über die personelle und finanzielle Beteiligung an den Friedensmissionen der UNO bis 1998, vgl. QdD 15, Dok. 46, dodis.ch/60381, Kapitel 31 Sicherheit und Frieden.↩
- 30
- Vgl. die thematische Zusammenstellung Militärische Beobachtungsmissionen, dodis.ch/T2280.↩
- 31
- Vgl. dazu QdD 15, Dok. 22, dodis.ch/31085, sowie die thematische Zusammenstellung Rhodesien-Sanktionen, dodis.ch/T1571. ↩
- 32
- Vgl. dazu die Zusammenstellung dodis.ch/C1674.↩
- 33
- Vgl. die Botschaft zum Bundesgesetz über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen vom 20. Dezember 2000, BBl, 2001, I, S. 1433–1465.↩
- 34
- Vgl. die Resolution Nr. 50/80A der Generalversammlung der UNO vom 13. November 1995, UN doc. A/RES/50/80A.↩
- 35
- Vgl. dazu das Schlagwort Die internationale Rolle Genfs, dodis.ch/D982.↩
- 36
- Tatsächlich hat das Büro der Vereinten Nationen (UNOG) seinen Sitz erst seit 1946 in Genf, vgl. QdD 15, Dok. 6, dodis.ch/45 sowie Dok. 8, dodis.ch/119.↩
- 37
- Anmerkung im Original: Office cantonal de la statistique, Genf 1999.↩
- 38
- Anmerkung im Original: Siehe Ziffer 4.5.↩
- 39
- Vgl. dazu u. a. DDS 1992, Dok. 56, dodis.ch/62551 sowie dodis.ch/60767.↩
- 40
- Für das vollständige Dokument vgl. das Faksimile dodis.ch/53989.↩
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Neutrality policy UN (Specialized Agencies) Questions concerning the Accession to International Organizations Geneva's international role Vote on UN Accession (2002)