wertiges Mitglied der Staatengemeinschaft engagieren.
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Die Schweiz und die Konstruktion des Multilateralismus, Bd. 3. Diplomatische Dokumente der Schweiz zur Geschichte der UNO 1942–2002, vol. 15, doc. 49
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Dossier title | Erläuterungen des Bundesrates (16.03.1986).pdf |
dodis.ch/60379
Abstimmungserläuterungen des Bundesrats1
Volksabstimmung vom 3. März 2002 über den Beitritt der Schweiz zur UNO
[...] 2
Schweiz und UNO: gleiche Ziele
Die Schweiz und die UNO verfolgen dieselben Ziele: Frieden, Sicherheit, Menschenrechte, Beseitigung von Not und Armut, Umweltschutz sowie wirtschaftliche Stabilität. Mit 189 Mitgliedstaaten ist die UNO die wichtigste weltumspannende Organisation. Die Schweiz hat neben dem Vatikan als einziger Staat nur Beobachterstatus. Dabei engagiert sich unser Land in vielen Bereichen der UNO schon heute stark.3 Dennoch hat es in den Entscheidungsgremien der UNO keinen Sitz und keine vollen Rechte.
Was will die Initiative?
Im März 2000 reichte ein überparteiliches Komitee mit 124 772 gültigen Unterschriften die Volksinitiative «für den Beitritt der Schweiz zur Organisation der Vereinten Nationen (UNO)» ein.4 Die Initiative verlangt, dass die Schweiz der UNO beitritt. Sie ermächtigt den Bundesrat, an den UNO-Generalsekretär5 ein Gesuch um Aufnahme zu stellen und eine Erklärung abzugeben, wonach unser Land die in der UNO-Charta enthaltenen Verpflichtungen erfüllen wird.6
Die Folgen der Initiative
Die Initiative bewirkt, dass die Schweiz ein vollwertiges Mitglied der UNO werden kann. Die Schweiz könnte so ihre Politik in der UNO-Generalversammlung vertreten. Sie könnte dort abstimmen, wählen und gewählt werden. Sie könnte Politik, Ziele und Prioritäten der UNO und ihrer zahlreichen Institutionen, in denen sie bereits heute mitwirkt, besser mitbestimmen. Keine Folgen hat ein UNO-Beitritt für die schweizerische Neutralität. Im Text des geplanten Beitrittsgesuchs wird ausdrücklich bekräftigt, dass die Schweiz auch als UNO-Mitglied neutral bleibt.7 Sie wäre nicht gezwungen, an militärischen Operationen der UNO teilzunehmen. Es entsteht keinerlei Verpflichtung, Truppen zu stellen. Unser Land bewahrt seine volle Entscheidungsfreiheit. Die zusätzlichen Kosten der Mitgliedschaft betragen rund 60–70 Millionen Franken pro Jahr.8
Standpunkt von Bundesrat und Parlament
Bundesrat und Parlament empfehlen die Volksinitiative zur Annahme.9 Der UNO-Beitritt der Schweiz ist überfällig. Es gibt keinen Grund, weiterhin abseits zu stehen. Es entspricht der Würde eines souveränen Staates, seine Interessen in der wichtigsten Organisation der Weltgemeinschaft selbst vertreten zu können. Die globale Vernetzung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft verlangt von unserem Land, mitgestaltend dabei zu sein. Die UNO spielt bei der Suche nach Lösungen für die Probleme unserer Welt eine wichtige Rolle.
Was die UNO tut, geht auch uns an
Die UNO umfasst eine ganze Gruppe von Organisationen, etwa aus dem Gesundheits-, Wirtschafts-, Wissenschafts-, Entwicklungs-, Telekommunikations- und Postbereich. Die Arbeit dieser Institutionen betrifft uns sehr direkt. Deshalb wirkt die Schweiz bereits seit Jahren aktiv mit.10 Sie unterstützt somit die UNO bei der Lösung konkreter Aufgaben. Viele der Organisationen haben zudem ihren Sitz in der Schweiz. Da die Schweiz aber gerade den zentralen Entscheidungsgremien der UNO nicht angehört, kann sie übergeordnete Entscheide nur ungenügend beeinflussen.
Das Herz der UNO: die Generalversammlung
Die UNO-Generalversammlung ist ein zentrales Organ im UNO-System. Alle Mitgliedstaaten sind in ihr mit gleichen Rechten vertreten. Sie fasst die richtungsweisenden Beschlüsse für das ganze System, formuliert Empfehlungen an die Staaten, bewilligt das UNO-Budget, besetzt Führungspositionen und wägt Interessen ab. Die Schweiz hat hier bisher nur Beobachterstatus.11 Das heisst, dass sie die Verhandlungen zwar am Rande verfolgen, aber bei Beschlüssen nicht mitentscheiden kann.
Beitritt bringt Mitsprache
Mit ihrem Beitritt erhält auch die Schweiz in der UNO-Generalversammlung die gleichen Rechte wie alle anderen Staaten. Sie könnte alle Beschlüsse mitgestalten. Sie hätte volle Mitsprache beim UNO-Budget und bei der Verwendung der Beiträge. Sie könnte sich in zahlreiche, von der Generalversammlung abhängige Institutionen wählen lassen.
[...] 12
Die UNO schafft Sicherheit
Der UNO-Sicherheitsrat wurde geschaffen, um rasch auf Konflikte reagieren zu können. Er hat 15 Mitglieder: fünf Grossmächte als ständige Mitglieder mit Vetorecht und zehn für je zwei Jahre gewählte Mitglieder, darunter gegenwärtig acht kleinere und mittlere Staaten. Für Beschlüsse sind neun Stimmen nötig. Das Vetorecht – das geschaffen wurde, um Konflikte unter den Grossmächten zu verhindern – wird gegenwärtig überdacht. Der Sicherheitsrat kann wirtschaftliche und militärische Massnahmen ergreifen, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren oder wieder herzustellen:
– Wirtschaftssanktionen: Dies sind Waffenembargos, Visum- und Geldkontensperren oder auch Handelsblockaden. Es gibt beziehungsweise gab UNO-Sanktionen gegen Irak,13 gegen Jugoslawien unter dem Milosevic-Regime14 oder gegen das Apartheidregime in Südafrika.15 Seit 196516 vollzieht die Schweiz Wirtschaftsmassnahmen der UNO freiwillig weitgehend nach, seit 199017 tut sie dies ausnahmslos. Da alle Staaten der Welt solche Massnahmen als rechtmässig anerkennen, sind diese mit unserer Neutralität vereinbar.
– Friedenserhaltende UNO-Operationen: Diese finden im Einverständnis mit den Konfliktparteien statt. Die eingesetzten UNO-Soldaten (Blauhelme) schützen Waffenstillstandslinien, entwaffnen Truppen oder räumen Minen. Alle gegenwärtig laufenden UNO-Operationen gehören zu dieser Kategorie. Die Schweiz wäre als Mitglied nicht verpflichtet, sich mit Truppen an solchen Operationen zu beteiligen. Sie könnte wie heute von Fall zu Fall frei über ihre Teilnahme entscheiden.18 Über 60 UNO-Mitglieder haben noch nie an einem militärischen UNO-Einsatz teilgenommen.
– Friedenserzwingende UNO-Operationen: In Situationen wie 1990 nach dem Angriff Iraks auf Kuwait kann die UNO auch ohne Zustimmung der Konfliktparteien militärische Einsätze beschliessen.19 An solchen Operationen nähme die Schweiz auch als Mitglied nicht teil. Dies ist mit der UNO-Mitgliedschaft durchaus vereinbar, denn niemand ist gezwungen, sich an militärischen Operationen zu beteiligen.
[...] 20
Schreiben im Falle einer Zustimmung von Volk und Ständen bei der Abstimmung vom 3. März 2002 über die UNO-Beitrittsinitiative (Übersetzung der französischen Originalfassung)21
DER SCHWEIZERISCHE BUNDESRAT
an
Seine Exzellenz
Herrn Kofi Annan
Generalsekretär der Vereinten Nationen
Sehr geehrter Herr Generalsekretär
Wir haben die Ehre, um die Aufnahme der Schweizerischen Eidgenossenschaft in die Organisation der Vereinten Nationen (UNO) zu ersuchen. Volk und Stände haben den Bundesrat mit Entscheid vom 3. März 2002 zu diesem Schritt ermächtigt. Wir bitten Sie, das Gesuch dem UNO-Sicherheitsrat und der UNO-Generalversammlung zu unterbreiten.
Gemäss der Bundesverfassung hat die Schweizerische Eidgenossenschaft zum Ziel, die Freiheit und die Rechte des Volkes zu schützen, die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes zu wahren und sich für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung einzusetzen.22 Die Bundesversammlung und der Bundesrat haben die zur Wahrung der Neutralität des Landes erforderlichen Massnahmen zu treffen. Die Schweiz ist ein neutraler Staat, dessen Status im Völkerrecht verankert ist. Für die UNO ist die Neutralität eines Mitgliedstaates mit den in der UNO-Charta enthaltenen Verpflichtungen vereinbar und trägt zur Verwirklichung der Ziele der UNO bei.
Die Schweiz bleibt auch als Mitglied der Organisation der Vereinten Nationen neutral.
Gestützt auf diese Ausführungen haben wir die Ehre, im Namen der Schweizerischen Eidgenossenschaft zu erklären, dass die Schweizerische Eidgenossenschaft die in der Charta der Vereinten Nationen enthaltenen Verpflichtungen anerkennt und willens ist, diese Verpflichtungen zu erfüllen.
Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Generalsekretär, des Ausdrucks unserer vorzüglichen Hochachtung.
[...] 23
- 1
- Erläuterungen des Bundesrats zur Volksabstimmung vom 3.3.2002, hrsg. von der Bundeskanzlei, Bern 2002. Die Abstimmungserläuterungen des Bundesrats wurden von der Bundeskanzlei redigiert. Der Text des Beitrittsgesuches wurde vom Bundesrat am 5. Oktober 2001 auf Antrag des EDA vom 2. Oktober 2001 gutgeheissen und am 24. Oktober 2001 in einer Pressemitteilung veröffentlicht. Am 24. Oktober 2001 entschied der Bundesrat zudem, das Datum der Abstimmung zum UNO-Beitritt auf den 3. März 2002 zu legen.↩
- 2
- Für das vollständige Dokument vgl. das Faksimilie dodis.ch/60379.↩
- 3
- Vgl. dazu die Notiz der Direktion für Völkerrecht vom 6. September 1988, dodis.ch/54897.↩
- 4
- Die Volksinitiative war am 8. September 1998 durch ein überparteiliches Komitee, präsidiert von Nationalrat Remo Gysin, lanciert worden. Vgl. dazu die thematische Zusammenstellung Abstimmung über den UNO-Beitritt (2002), dodis.ch/T1773, insbesondere die Botschaft über die Volksinitiative «Für den Beitritt der Schweiz zur Organisation der Vereinten Nationen (UNO)» vom 4. Dezember 2000, QdD 15, Dok. 48, dodis.ch/53989.↩
- 5
- Kofi Annan.↩
- 6
- Für das Beitrittsgesuch vgl. die Zusammenstellung dodis.ch/C2250.↩
- 7
- Zur Frage der Form einer Neutralitätserklärung vgl. das BR-Prot. Nr. 96 vom 27. Januar 1999, QdD 15, Dok. 47, dodis.ch/62546.↩
- 8
- Für den Fall eines UNO-Beitritts wurden Pflichtbeiträge in der Höhe von insgesamt 39 Mio. USD angenommen, was einer Erhöhung der Kosten um 35 Mio. USD entsprach, vgl. dodis.ch/53989, S. 1218–1220.↩
- 9
- Vgl. den Bundesbeschluss über die Volksinitiative «für den Beitritt der Schweiz zur Organisation der Vereinten Nationen (UNO)» vom 5. Oktober 2001, BBl, 2001, I, S. 5731–5732.↩
- 10
- Vgl. dazu die Notiz der Direktion für Völkerrecht vom 6. September 1988, dodis.ch/54897.↩
- 11
- Zum Beobachterstatus der Schweiz bei der UNO in New York seit 1946 vgl. die Zusammenstellung dodis.ch/C2268.↩
- 12
- Für das vollständige Dokument vgl. das Faksimile dodis.ch/60379.↩
- 13
- Zur Übernahme der umfassenden Wirtschaftssanktionen der UNO gegen den Irak und Kuwait im Zuge der Golfkrise vgl. die Zusammenstellung dodis.ch/C1674 sowie QdD 15, Dok. 40, dodis.ch/54497 und QdD 15, Dok. 41, dodis.ch/56503.↩
- 14
- Zur Übernahme der UNO-Sanktionen gegen Jugoslawien vgl. die Zusammenstellung dodis.ch/C1681.↩
- 15
- Zur Haltung der Schweiz gegenüber der Südafrika-Sanktionen vgl. die Zusammenstellung dodis.ch/C1768.↩
- 16
- 1965 übernahm die Schweiz das Wirtschaftsembargo der UNO gegen Rhodesien, vgl. dazu die thematische Zusammenstellung Rhodesien-Sanktionen, dodis.ch/T1571. ↩
- 17
- Vgl. dazu die Zusammenstellung dodis.ch/C1674 ↩
- 18
- Vgl. dazu die thematische Zusammenstellung Beteiligung an den Friedenstruppen der Vereinten Nationen (Blauhelme), dodis.ch/T2038, insbesondere die Botschaft des Bundesrates betreffend das Bundesgesetz über schweizerische Truppen für friedenserhaltende Operationen vom 24. August 1992, QdD 15, Dok. 43, dodis.ch/54910.↩
- 19
- Resolution Nr. 678 des Sicherheitsrats der UNO vom 29. November 1990, UN doc. S/RES/678: «The Security Council [...] [a]uthorizes Member States co-operating with the Government of Kuwait [...] to use all necessary means to uphold and implement resolution 660 (1990) and all subsequent relevant resolutions and to restore international peace and security in the area». Vgl. dazu auch die thematische Zusammenstellung Golfkrise (1990–1991), dodis.ch/T1673.↩
- 20
- Für das vollständige Dokument vgl. das Faksimile dodis.ch/60379.↩
- 21
- Mit Schreiben der Politischen Abteilung III vom 20. Juni 2002 wurde das Beitrittsgesuch an den schweizerischen Beobachter bei der UNO in New York, Botschafter Jenö Staehelin, übermittelt, vgl. dodis.ch/62675. Botschafter Staehelin übergab das Beitrittsgesuch am 17. Juli 2002 in New York dem UNO-Generalsekretär Kofi Annan, vgl. dodis.ch/62680. Zum Beitrittsgesuch vgl. auch die Zusammenstellung dodis.ch/C2250.↩
- 22
- Vgl. Art. 2 Abs. 1 und 4 der Bundesverfassung vom 18. April 1999, AS, 1999, S. 2557.↩
- 23
- Für das vollständige Dokument vgl. das Faksimile dodis.ch/60379.↩
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Questions concerning the Accession to International Organizations