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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 22, doc. 136
volume linkZürich/Locarno/Genève 2009
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2804#1971/2#175* | |
Old classification | CH-BAR E 2804(-)1971/2 29 | |
Dossier title | Nationalrätliche Kommission für auswärtige Angelegenheiten: Sitzungsprotokolle (1961–1965) | |
File reference archive | 041.2 |
dodis.ch/30328 Procès verbal de la séance de la commission des Affaires étrangères du Conseil national1 […]2
1. Orientierendes Referat von Herrn Bundesrat Wahlen über die internationale Lage
Herr Wahlen schildert die Wandlungen, welche in den letzten Monaten in den internationalen Beziehungen eingetreten sind. Insbesondere kommt er auf die Lage zu sprechen, die durch den Abbruch der britischen Verhandlungen über den Beitritt in die EWG entstanden ist, und schildert die Ergebnisse der Ministerkonferenz der EFTA-Staaten in Genf3.
Herr Bretscher fragt, wie es mit dem schweizerischen Assoziationsgesuch stehe und was wir in dem allerdings unwahrscheinlichen Falle tun würden, dass die EWG uns zur Aufnahme von Assoziationsverhandlungen auffordert. Er möchte ferner gerne wissen, ob eine Erklärung des Bundesrates in der Märzsession veranlasst werden soll.
Herr Furrer weist auf die Bedeutung des Verhältnisses China-Russland hin. Wenn es so weiter geht, wird eine Spaltung der beiden eintreten. China ist die viel grössere Gefahr für uns als Russland. Herr Furrer verweist auf das Buch von Lucien Bodard «Alpdruck China», das einen niederschmetternden Eindruck hinterlässt. Wir werden in China nicht als neutral betrachtet, sondern als Angehöriger des kapitalistischen Lagers. Es scheint, dass sich die fremden Botschaften in Peking grosse Demütigungen gefallen lassen müssen.
Herr Wick: Unsere Lage ist nicht schlechter nach dem 14. Januar4 als vorher. In gewissen Kreisen hat man sogar aufgeatmet. Die europäische Integration hatte eine Richtung genommen, in der die Grossmächte eine zu grosse Rolle spielten. Der Rückschlag hat sein Gutes. Das Bewusstsein, dass man die Entwicklung nicht forcieren kann, ist gestärkt worden. Wir sollten in unsern Integrationsbemühungen nicht nachlassen. Wir können sie heute mit weniger Gefahr betreiben.
Monsieur G. Borel: Les événements de Bruxelles ont soulevé de vives discussions à Genève même en dehors des milieux économiques. Une prise de position par le Conseil fédéral serait fort désirable. M. Borel préconise la promotion d’organisations telles que GATT et OECD qui ont une vocation étendue et qui ne limitent pas l’indépendance de leurs membres. Elles devraient également ouvrir leurs portes aux pays de l’Est si ceux-ci désirent sincèrement la coexistence. La CEE vise trop la création d’un nouvel Etat. Une intégration plus lente, mais fondée sur une plus large base est préférable. A l’instar de Trotsky, les Chinois essaient de sortir de leurs difficultés en forçant l’expansion du système. Les Russes tendent à se limiter à ce qui est réalisable (à l’instar de Staline). La paix est le mieux servie par une politique de coordination économique libérale et générale. Il faut y collaborer activement et ne pas assumer une position d’attente.
Monsieur Monfrini: L’attitude de l’actuel Gouvernement français n’a pas fondamentalement modifié le problème de notre association à la CEE. Nous pouvons considérer notre demande d’association5 comme suspendue du fait de l’échec des pourparlers britanniques, car nous ne voulions jamais aller plus loin que la Grande-Bretagne. L’intégration européenne a subi un ralentissement, un arrêt temporaire. Il n’est pas nécessaire de retirer la demande d’association. L’AELE gagne en importance comme instrument d’un développement parallèle à celui de la CEE destiné à faciliter la synthèse qui doit se faire un jour. Monsieur Monfrini désire obtenir la confirmation que c’est bien ce but que vise l’AELE.
Herr Schuler: Wir können leider nicht sicher sein, dass es sich nur um einen vorübergehenden Rückschlag handelt. Wir haben in der Integrationsfrage eine doppelte Seele. Wir wünschen einerseits der Integrationsidee Erfolg, andrerseits wollen wir unsere Selbständigkeit möglichst wenig beeinträchtigen lassen. Ein Rückzug des Assoziationsgesuchs ist nicht nötig. Werden wir zur Aufnahme der Verhandlungen aufgefordert, so können wir annehmen, sollten aber die Verhandlungen mit Zurückhaltung führen. Eine Erklärung im Parlament im jetzigen Zeitpunkt hält Herr Schuler nicht für opportun. Man kann nichts Neues sagen, ohne sich vorzeitig festzulegen. Die Frage einer parlamentarischen Intervention könnte vor der Junisession wieder geprüft werden. Trifft es zu, dass die Schweiz in Genf auf ein verschärftes Tempo in der Entwicklung der EFTA gedrängt hat?
Herr von Greyerz: Das Nein de Gaulle’s hat einen beträchtlichen Einfluss auf die Integrationsfreudigkeit der Schweizer gehabt. Freilich wuchs schon vorher die kritische Stimmung gegen die Assoziation. Heute ist die Ansicht weit verbreitet, die Assoziation sei gegenstandslos geworden. Bei dieser Lage wäre es unmöglich, sich in Assoziationsverhandlungen einzulassen. Während der britischen Verhandlungen wurde ein Absprung Grossbritanniens von der EFTA befürchtet. Es wäre merkwürdig, wenn wir nun unsererseits einen solchen Absprung versuchen sollten. Im Moment können wir nicht viel mehr tun, als unser Gesuch anhängig zu lassen und keinerlei auffällige Schritte zu unternehmen.
Herr Conzett: Die Londoner Solidaritätserklärung von 19616 besteht noch zu Recht. Man müsste deshalb bei Verhandlungen die Berücksichtigung der Interessen der andern EFTA-Partner vorbehalten.
Monsieur G. Borel: Notre demande d’association est sans actualité. Il ne faudrait pas se borner à activer l’AELE, mais revenir à des notions plus universelles, favoriser des organisations qui ne sont pas exclusives. Une déclaration du Conseil fédéral devant le parlement serait utile en vue des élections, car la question ne devrait pas nous diviser à ce moment là. Il faudrait tâcher de maintenir l’unité de nos vues telle qu’elle existait lors de la déclaration du 24 septembre 19627.
Herr Bretscher würde nicht sagen, dass die Situation für uns heute besser ist als vor der Pressekonferenz de Gaulle’s, sie ist aber klarer. Man sieht heute die harten Realitäten besser. Die Situation, vor der wir stehen, ist nicht mehr dieselbe wie im Augenblick der Einreichung unseres Gesuches um Aufnahme von Assoziationsverhandlungen. In der öffentlichen Meinung ist eine gewisse Unsicherheit festzustellen, gehen doch die Ansichten vom Rückzug des Assoziationsgesuchs bis zu dessen aktiver Weiterbetreibung. Herr Bretscher ist auch der Auffassung, dass uns die EFTA-Solidaritätserklärung noch immer bindet. Die Aufforderung zur Aufnahme von Verhandlungen würde uns vor einen heiklen Entscheid stellen.
Herr Wahlen: Die Auffassung, dass das Assoziationsgesuch hinfällig ge worden sei, ist nicht richtig. Die Engländer haben nicht einen Abbruch der Verhandlungen hingenommen, sondern nur einen Unterbruch. Es wäre ein Fehler, das Gesuch zurückzuziehen, Wir müssen für unser Verhältnis zur EWG eine Lösung finden und das Gesuch ist ein Anknüpfungspunkt, auch wenn es nicht in der Form behandelt werden sollte, die wir uns vorstellten. Das Integrationsklima hat sich in der Tat in der Schweiz verschlechtert. Die Gegner der Integration denken indessen die Probleme nicht zu Ende. Mit bilateralen Handelsverträgen kommen wir nicht weit, denn wir haben als Niedertarifland ohne Kontingente wenig Konzessionsmöglichkeiten, es sei denn auf dem Gebiete des Gewerbes, der Inlandindustrie und der Landwirtschaft. Wenn wir zur Aufnahme von Verhandlungen aufgefordert würden, wäre das nicht so schlimm. Wir müssten die Begründung unseres Gesuchs auf gewisse Arbeitshypothesen aufbauen, da die Grundlage des Gesuchs, Art. 238 des Römer Vertrags, von der EWG noch nicht ausgelegt wurde. Wir könnten entgegnen, dass wir zuerst wissen möchten, welches der Standpunkt der EWG zu unsern Arbeitshypothesen ist. Wir könnten auch nach den Absichten der EWG hinsichtlich der Regelung des Verhältnisses zu den andern EFTA-Staaten fragen und auf diese Weise den Ball zurückspielen.
Es ist für den Bundesrat schwierig, heute seinen Standpunkt in der Öffentlichkeit darzulegen. Wir müssen vermeiden, moralische Urteile abzugeben. Als Kleinstaat und neutraler Staat ist uns Zurückhaltung geboten. Wenn ein Gefühl der Erleichterung beim Abbruch der britischen Verhandlungen ge rechtfertigt war, so deshalb, weil Grossbritannien bei Fortgang der Verhandlungen weitere grosse Konzessionen hätte machen müssen, die indirekt unsere eigenen Verhandlungen erschwert hatten, namentlich auf dem Landwirtschaftssektor. Der Abbruch der Verhandlungen hat eine klare Lage gebracht. Wir sind aber unserem Ziel, einer Integration nach unserem Muster, nicht näher gekommen. Ein föderatives, freiheitliches Europa ist ein hohes Ideal. Trotzdem dürfen wir ihm, angesichts der Unsicherheit seiner Verwirklichung auf absehbare Zeit hinaus, keine Opfer an wesentlichen Staatsgrundsätzen oder gar in der Einschränkung der Unabhängigkeit unseres Landes bringen. Es ist nicht leicht, über diese Dinge im Parlament zu sprechen, ohne einem Misstrauen Ausdruck zu geben, dass als an eine bestimmte Adresse gerichtet empfunden würde. Gewiss haben die Räte ein Recht auf Aufklärung über die Haltung des Bundesrates. Es gibt aber kaum Neues zu sagen. Die Stellungnahme vor dem Parlament müsste vorsichtig sein und könnte von manchen als übervorsichtig taxiert werden. Wollte man aber freimütiger sprechen, so würde man Anstoss erregen. Die EFTA ist heute so wenig wie je Selbstzweck. Ihre Tätigkeit ist auf Verständigung mit der EWG, aber auch mit den ausserhalb Europas stehenden Ländern gerichtet. Wir werden uns weiterhin um eine möglich breite Basis unserer aussenwirtschaftlichen Beziehungen bemühen. Auch die OECD hat in diesen Bemühungen ihren Platz, obwohl sie als atlantische Organisation uns als Neutralem gewisse Sorgen bereiten mag. Zum Verhältnis Russland-China: In Russland kommt eine neue Generation zum Zuge, für die die Revolution vorbei ist. Die Kritik an der Ära Stalin zeigt den Sowjetbürgern, dass die Partei nicht unfehlbar ist. Die gegenwärtige Entwicklung ist wohl nicht rückgängig zu machen, es sei denn durch ein neues Terrorregime. Herr Wahlen verweist auf das Buch von Klaus Mehnert «Peking und Moskau», das die Verhältnisse sehr objektiv schildert. Die gegenwärtige Spannung zwischen Russland und China kann zu einer endgültigen Spaltung führen, womit sich für Europa neue Perspektiven auftäten. Unsere Beziehungen zu China sind normal. Unsere Botschaft wird nicht diskriminiert. Sowohl in Russland wie in China ist der Nationalismus ein starker Faktor.
Herr Bretscher begreift die Hemmungen gegen eine Erklärung im Parlament. Da wir im Mai im Europarat anlässlich der ersten Sitzung, in welcher die Schweiz als Vollmitglied auftritt8, etwas sagen müssen über unsere integrationspolitische Haltung, könnte es indessen Kollegen geben, die sich daran stossen, dass man über diese Dinge nicht zuerst im eigenen Parlament spricht.
Herr Wahlen möchte sich nicht gegen eine Erklärung in der Märzsession aussprechen, bevor der Bundesrat die Frage erörtert hat und genau überlegt worden ist, was eventuell gesagt werden könnte.
Herr Bretscher zur Behandlung der Vorlage über den Europarat: Der Ständerat wird die Priorität haben. Herr Bretscher gedenkt deshalb die Kommission (die vielleicht wieder durch weitere Mitglieder des Rats ergänzt werden wird) erst nach Beschlussfassung durch den Ständerat einzuberufen.
[…] 9
- 1
- Procès-verbal: E 2804(-)1971/2/29.↩
- 2
- Cette séance est présidée par le Conseiller national W. Bretscher Sont présents les conseillers nationaux suivants: G. Borel, E. Bösch, H. Conzett, A. Furrer, W. von Greyerz, H. Monfrini, H. Schuler, K. Wick. Excusés: A. Borel, E, Franzoni, A. Schaller. F. T. Wahlen est également présent. Le Procès-verbal de la séance est élaboré par R. Pestalozzi. La séance débute à 15 h 15.↩
- 3
- A ce sujet, cf. DDS, vol. 22, doc. 130 et doc. 131.↩
- 4
- A cette date, le Président Ch. de Gaulle déclare son opposition à l’entrée de la Grande-Bretagne dans le Marché commun. Cf. DDS, vol. 22, doc. 123 et doc. 125.↩
- 5
- Cf. DDS, vol. 22, doc. 32 et doc. 34.↩
- 6
- Vgl. Nr. 4, Anm. 5, in diesem Band.↩
- 7
- Vgl. DDS, Bd. 22, Dok. 102, dodis.ch/30292.↩
- 8
- Vgl. DDS, Bd. 22, Dok. 120, dodis.ch/30487.↩
- 9
- La suite de la séance porte principalement sur la nomination de l’Ambassadeur de Suisse à Washington, A. R. Lindt, comme délégué du Conseil fédéral à l’aide technique et sur la nomination de l’ancien délégué du Conseil fédéral à l’aide technique, H. Keller, comme ambassadeur de Suisse à Pékin. Cf. le procès-verbal du 21 février 1963 (dodis.ch/30328).↩
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