Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 24, Dok. 134
volume linkZürich/Locarno/Genève 2012
Mehr… |▼▶6 Aufbewahrungsorte
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2807#1974/12#568* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2807(-)1974/12 93 | |
Dossiertitel | Konjunkturfragen (1964–1969) | |
Aktenzeichen Archiv | 17-07 |
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E7001C#1982/116#252* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 7001(C)1982/116 9 | |
Dossiertitel | Aussprache im Bundesrat: Atomsperrvertrag (1969–1969) | |
Aktenzeichen Archiv | 11.08 |
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001E#1980/83#718* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(E)1980/83 193 | |
Dossiertitel | Allgemeines (1968–1970) | |
Aktenzeichen Archiv | C.41.731.0 |
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E7001C#1982/116#263* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 7001(C)1982/116 9 | |
Dossiertitel | Bundesrätliche Delegation für Finanz und Wirtschaft (1969–1969) | |
Aktenzeichen Archiv | 110.1 |
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001E#1980/83#669* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(E)1980/83 182 | |
Dossiertitel | Währungsfragen (1968–1970) | |
Aktenzeichen Archiv | C.41.121.0 |
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001E#1980/83#608* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(E)1980/83 155 | |
Dossiertitel | Schweiz. Nationalbank. Organisation (1968–1970) | |
Aktenzeichen Archiv | C.40.11 |
dodis.ch/33023
I. Zinsentwicklung
Herr Stopperschildert die Entwicklung auf dem Euromarkt, der einen wertmässigen Umfang von 30 Milliarden Dollar erreicht haben dürfte. Dieser Markt bedeutet eine potentielle Gefahr für das internationale Währungssystem, da im Krisenfall ein grosser Teil dieser Mittel den europäischen Notenbanken zum Umtausch in Dollars zufliessen könnte. Eine solche Befürchtung ist nicht rein hypothetisch, wenn man bedenkt, dass in den USA die Inflationsneigung weiter anhält und die grundlegenden Fakten der amerikanischen Zahlungsbilanz, insbesondere die Handelsbilanz, unbefriedigend sind. Die amerikanischen Behörden betreiben aus diesen Gründen eine restriktive Zinspolitik. Diese hat sich auf dem Euromarkt ausgewirkt, der von den amerikanischen Interessenten als Ausweich-Geldquelle benutzt wird. Die Tatsache, dass somit Dollars zu gewinnbringenden Sätzen angelegt werden können (7½ bis 8½%), hat das Ansehen dieser Währung, trotz nicht besonders guter Fundierung, gestärkt. Die Schweizerische Nationalbank hat gegen diese Entwicklung solange nichts einzuwenden, als in den USA die Inflationsneigung anhält. Es ist nur zu hoffen, dass die Bemühungen der Administration Nixon, der Inflation die Spitze zu brechen, von Erfolg begleitet sein werden. Indessen hat die Zinshausse auch auf den schweizerischen Geldmarkt übergegriffen und ist im Begriff, sich auf dem Kapitalmarkt geltend zu machen. Gemäss Herrn Stopper sollten wir vorderhand nicht dagegen ankämpfen. Eine Verflüssigung des Geldmarktes durch die Schweizerische Nationalbank würde übrigens den sofortigen Abfluss schweizerischer Mittel in den Euromarkt zur Folge haben und damit zinspolitisch wirkungslos bleiben. Auch konjunkturpolitisch dürfte sich ein Eingriff z. Z. nicht empfehlen, da in unserem Land alle Anzeichen auf eine bevorstehende Überhitzung der Wirtschaft hindeuten. Somit möchte Herr Stopper zurzeit von einer Diskontsatzerhöhung (der bei unseren Verhältnissen vorwiegend die Bedeutung eines «Signals» zukäme) absehen.
BundesratSchaffnerist damit einverstanden.
Der Kapitalexport ist trotz Zinshausse weiter notwendig. Die zugeflossenen, sehr umfangreichen Kapitalien müssten, falls sie in der Schweiz blieben, die Konjunktur nur noch zusätzlich anheizen. Die unter Art. 8 des Bankgesetztes bewilligten Exporte stellen bloss einen kleinen Teil der ausgeführten Kapitalien dar, sodass der damit gebotenen Steuerungsmöglichkeit beschränkte Wirksamkeit zukommt. Ein besonderes Problem stellt die Wohnbauförderung dar. Offenbar sind die wenigsten Gemeinden bereit, eine aktive Erschliessungspolitik zu treiben, da auf diese Weise die Landpreise relativ hoch gehalten werden können. Ein Fonds, der zum Ziele hätte, durch Bereitstellung zinsverbilligter Gelder die Landerschliessung zu erleichtern, könnte geeignet sein, den Vorwand der Gemeinden unglaubhaft erschienen zu lassen, sie verfügten zu Landerschliessung über zu wenig Kapital.
Die Diskussion ergibt, dass diese Frage z. Z. wohl schwer zu lösen ist. Im Moment, da eine Überhitzung unserer Wirtschaft vor der Tür steht, wäre es ferner widersprüchlich, eine Förderung der Landerschliessung in dieser Weise vor zusehen. Im übrigen sei unser Bankensystem durchaus in der Lage, die erfor derlichen Kapitalien zu relativ günstigen Bedingungen zur Verfügung zu stellen.
II. BIZ-Tagung vom 8./9. März
Herr Stopperskizziert kurz den Gang der Verhandlungen. Die sozialen Unruhen in Frankreich2 haben dem Problem einer allfälligen Franc-Abwertung3 wieder Aktualität verschafft. Offenbar ist die französische Wirtschaft auf Abwertung eingestellt; sie versucht, die Regierung in diesem Sinne zu beeinflussen. Wie die Ereignisse vom vergangenen November gezeigt haben, sind die politischen Behörden geneigt, aus dieser Frage eine Prestige-Angelegenheit zu machen. Falls Frankreich zu einer Paritätsänderung gezwungen würde, bestünde somit die Gefahr einer Überabwertung, um damit u. a. das Pfund zum Nachziehen zu zwingen. Die neuesten Rückschläge der englischen Zahlungs bilanz4 und die damit verbundene neuerliche Vertrauenseinbusse der englischen Währung sind in diesem Zusammenhang als schlechtes Zeichen zu werten. Rein technisch ist die französische Währung durch relativ hohe Reserven und die Möglichkeit, Kredite und IMF-Ziehungsrechte in Anspruch zu nehmen, gut gesichert. Auf dem Währungssektor spielen indessen psychologische Momente eine grosse Rolle; es steht fest, dass weite Kreise mit einer Abwertung rechnen und durch ihr Verhalten den Eintritt dieses Ereignisses begünstigen können. Für die Schweiz besteht keine unmittelbare Gefahr, sofern der Dollar weiterhin stark bleibt und keine neue Aufwertungsspekulation einsetzt. In Deutschland5 ist diese Diskussion noch nicht ganz verstummt.
III. Instrumentarium der Nationalbank6
BundesratCelioberichtet, dass ihm Herr Ötterli den Entwurf zweier Konventionen vorgelegt hat, welche zwischen der Nationalbank und den bedeutendsten schweizerischen Banken abzuschliessen wären. Die eine Konvention befasst sich mit der «zulässigen Kreditausweitung» der Banken, die andere mit der Einführung von Mindestguthaben7. Die Konventionen übernehmen fast wörtlich die im bundesrätlichen Gesetzesentwurf enthaltenen Vorschriften. Nach den vorgeschlagenen Kriterien wären ungefähr 3–400 Banken zur Unterschrift verpflichtet. Es fehlen Vorschriften über eine Entscheidungsinstanz. Die Konventionsentwürfe bedürfen der Genehmigung durch den Verwaltungsrat der Bankiervereinigung.
Die Diskussion ergibt, dass die neueste Entwicklung nur begrüsst werden kann. Falls eine befriedigende Kreditbeschränkungs- und Mindestguthabenregelung auf dem Konventionsweg zu erreichen ist, sollte diese Art des Vorgehens nicht von vorneherein ausgeschlossen werden. Während sich Herr BundesratSchaffner mit einer Kündigungsmöglichkeit nach 2–3 Jahren zufrieden geben könnte, möchte sie Herr Stopper erst nach mindestens 5 Jahren in Aussicht nehmen. Die Frage der Entscheidungsinstanz müsste ebenfalls befriedigend gelöst werden. Als Positivum zu werten wäre die Tatsache, dass der Abstimmungskampf mit all seinen Nebenerscheinungen wegfallen würde. Auch die Verfassungsfrage würde sich nicht mehr stellen.
BundesratCelio wird die Verhandlungen mit der Bankiervereinigung weiterführen.
IV. Internationale Stützungsoperationen
Die Besprechung über den Carli-Plan (automatische Rückführung von spekulativ abgeflossenen Mitteln in ihre Herkunftsländer) und über den Schiller-Carli-Plan8 (Zurückholen der abgeflossenen Mittel durch das eigene Bankensystem) haben gezeigt, dass dem Spekulationsproblem auf diese Weise kaum beizukommen ist. Den Krisen wird somit nach wie vor durch Kredite an währungsschwache Länder begegnet werden müssen. Für solche Transaktionen ist die Schweiz schlecht gerüstet. Die durch den Bundesbeschluss vom 4. Oktober 19639 festgesetzte Limite von 200 Millionen Dollar ist fast erreicht. Zudem werden die Währungskredite in letzter Zeit nicht mehr auf die Allgemeinen Kreditvereinbarungen des IMF gestützt (dabei darf strikte genommen nach dem Bundesbeschluss ein schweizerischer Währungskredit nur bei Aktionen im Rahmen der erwähnten Vereinbarungen gewährt werden). Die Nationalbank ist daneben in der Lage, kurzfristige Hilfen anzubieten, wie z. B. im Falle Frankreichs. Befriedigend ist diese Lösung indessen nicht.
Der Generaldirektor10 des IMF kennt die schweizerische Situation und ist bereit, auf unsere Schwierigkeiten Rücksicht zu nehmen.
Nach Herrn Stopperstellt sich somit die Frage, ob der Bundesbeschluss vom 4. Oktober 1963 nicht in nächster Zeit erweitert oder zum mindesten den neuen Umständen angepasst werden sollte. Die Schweizerische Nationalbank wird dem Bundesrat in diese Richtung gehende Vorschläge unterbreiten.
BundesratSchaffnernimmt von diesen Ausführungen Kenntnis, bemerkt indessen, dass in der Schweiz die Gefühle Grossbritannien gegenüber nicht besonders freundschaftlich sind. England ist praktisch zahlungsunfähig und behandelt uns auf dem Integrationssektor äusserst schlecht. Daher würden Massnahmen, die als Unterstützung Grossbritanniens erscheinen, in der Schweiz kaum auf Gegenliebe stossen11.
V. Währungsfonds12
Herr Stopperbemerkt, ein Beitritt zum Währungsfonds würde sich nur rechtfertigen, wenn wir damit die Möglichkeit erhalten, in dieser Organisation durch einen Exekutivdirektor vertreten zu sein. Für diesen Fall müsste die schweizerische Beteilungsquote 4–500 Millionen Dollar betragen. Davon wären ein Viertel in Gold und der Rest in Schweizerfranken zu entrichten. Nicht sicher zu beantworten ist die Frage nach der weiteren Ausgestaltung und den finanziellen Auswirkungen der Sonderziehungsrechte. Unter Zugrundelegung einer Beteilungsquote von 2–2½% könnte die Schweiz, falls Sonderziehungsrechte im Betrag von 4 Milliarden Dollar aktiviert werden, zu Zahlungen von bis zu 200 Millionen Dollar im Jahr (zweimal 100 Millionen, wobei 100 Millionen 2½% von 4 Milliarden entsprechen) verpflichtet werden. Dies sind nicht unbedeutende Beträge, wenn man die schweizerischen Stützungskredite hinzuzählt.
Auch die Frage der Bandbreiten bedarf noch der näheren Abklärung. Schweizerischerseits besteht bekanntlich die Möglichkeit einer Abweichung nach oben und unten von 1,7%, wogegen die Statuten des IMF nur 1% zulassen. Was den Dollar betrifft, so liegt unser Interventionspunkt z. Z. bei 1,7% unter der Parität. Der Beitritt zum IMF würde uns also zwingen, den Dollar um 0,7% aufzuwerten. Dies wäre sicher ein Schritt in der falschen Richtung. In diesem Punkt werden indessen im Rahmen des IMF Besprechungen geführt, deren Resultat abzuwarten bleibt.
Die Diskussion ergibt, dass wir im Prinzip der Frage eines Beitritts zum Währungsfonds weiterhin positiv gegenüberstehen sollten. Immerhin sind nicht unbedeutende Schwierigkeiten vorhanden. Wenn das Parlament einen Beitritt akzeptieren soll, werden dessen Mitglieder auf die hohen «Kosten» vorbereitet werden müssen. Zudem sehen wir noch nicht genau, wie stark uns die Aktivierung von Sonderziehungsrechten in Zukunft belasten wird. Falls wir zur Finanzierung solcher Ziehungsrechte in wesentlichen Umfang Währungsreserven zur Verfügung stellen müssten, wäre eine parlamentarische Zustimmung zum Beitritt mehr als fraglich. BundesratSpühlerunterstreicht, dass wir weniger die Schwierigkeiten eines Beitritts als die Notwendigkeit in Auge fassen sollten, bei einem Unternehmen ganz mitzumachen, für das wir uns schon stark engagiert haben. Seines Erachtens sollte die Möglichkeit einer Überwindung der technischen Schwierigkeiten durchaus gegeben sein.
- 1
- Protokoll: E2807#1974/12#568* (17-07). Verfasst und unterzeichnet von P. A. Nussbaumer. Visiert von W. Spühler. Kopien an W. Spühler, P. Micheli, E. Thalmann, S. Marcuard, E. Diez, M. Gelzer, H. Miesch, R. Pestalozzi, H. Langenbacher, A. Natural. Anwesend waren die Bundesräte H. Schaffner (Vorsitz), W. Spühler und N. Celio, eine Delegation der Schweizerischen Nationalbank bestehend aus E. Stopper, A. Hay und F. Leutwiler sowie die Vertreter der Bundesverwaltung H. Letsch, B. Müller, A. Peter und P. A. Nussbaumer.↩
- 2
- Vgl. dazu das Telegramm Nr. 254 von P. Dupont an das Politische Departement vom 21. Mai 1968, dodis.ch/32368.↩
- 3
- Zur Abwertung des französischen Francs am 8. August 1969 vgl. DDS, Bd. 24, Dok. 142, dodis.ch/33246, Anm. 7.↩
- 4
- Vgl. dazu den Bericht Die Abwertung des Pfund Sterlings vom Dezember 1967, dodis.ch/33277.↩
- 5
- Zur Aufwertung der D-Mark vgl. DDS, Bd. 24, Dok. 179, dodis.ch/33041.↩
- 6
- Zur Überprüfung der Grundsätze zum Ausbau des notenbankpolitischen Instrumentariums vgl. das BR-Verhandlungsprot. der 55. Sitzung vom 8. September 1967, E1003#1994/26#8*, S. 3: Herr Bundespräsident[R. Bonvin]führt aus, dass unser Land mit seiner bescheidenen Wirtschaft dank seines Sparkapitals den Banken eine finanzielle Kraft gegeben habe, die unsere volkswirtschaftlichen Grundlagen weit übersteigt. Die Banken seien stärker als der Bundesrat, dessen Politik sie bekämpfen können, wenn sie ihnen nicht passt. Vgl. auch das BR-Beschlussprot. der 18. Sitzung vom 7. Mai 1969, E1003#1994/26#12*.↩
- 7
- Die Schweizerische Nationalbank und die Schweizer Banken schlossen am 1. September 1969 eine «Rahmenvereinbarung» über die Mindestguthaben und die zulässige Kreditausweitung ab. Vgl. die Bankpolitische Korrespondenz der Schweizerischen Bankiervereinigung, Basel Nr. 69/33 vom 4. September 1969, E2001E#1980/83#608* (C.40.11).↩
- 8
- Vgl. das Telegramm Nr. 88 der schweizerischen Botschaft in Rom an das Politische Departement vom 13. März 1969, E2001E#1980/83#669* (C.41.121.0) sowie den Bericht von G. CarliSur les Problèmes de l’adhesion de la Grande-Bretagne au Marché Commun en ce qui concerne les questions monétaires vom Juli 1969, ibid.↩
- 9
- Bundesbeschluss über die Mitwirkung der Schweiz an internationalen Währungsmassnahmen, BBl, 1963, II, S. 809–810.↩
- 10
- P.- P. Schweitzer.↩
- 11
- Zum britischen EWG-Beitrittsgesuch vgl. DDS, Bd. 24, Dok. 33, dodis.ch/33238 und zur schweizerischen Währungshilfe an Grossbritannien seit 1964 vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 128, dodis.ch/31415, und DDS, Bd. 24, Dok. 116, dodis.ch/33022. Vgl. ferner DDS, Bd. 24, Dok. 181, dodis.ch/32446.↩
- 12
- Vgl. dazu DDS, Bd. 24, Dok. 72, dodis.ch/32796.↩
Tags
Finanzplatz Schweiz Multilaterale wirtschaftliche Organisationen