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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 1992, doc. 32
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
Cote d'archives | CH-BAR#E7001C#2000/124#823* | |
Titre du dossier | Iran (1992–1992) | |
Référence archives | 2310-1 |
Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
Cote d'archives | CH-BAR#E2010A#2001/161#1662* | |
Titre du dossier | Allgemeines, Band 4 (1992–1993) | |
Référence archives | B.15.21 • Composant complémentaire: Iran |
dodis.ch/61399Der Chef der Politischen Abteilung II des EDA, Botschafter Simonin, an Bundespräsident Felber sowie an die Bundesräte Koller, Villiger und Delamuraz1
Aktueller Stand der bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und der Islamischen Republik Iran (IRI)
Mit Beschluss vom 8. April 1992 hat der Bundesrat der Bildung eines interdepartementalen Ausschusses (IGI) mit je einem Vertreter des EJPD, des EMD, des EVD und des EDA zugestimmt.2 Seine Aufgabe besteht darin, die Vorsteher der 4 hauptbetroffenen Departemente über die Entwicklung der Lage zu orientieren und gegebenenfalls Massnahmen vorzuschlagen.
Bisher trat die IGI zu zwei Sitzungen zusammen; das letzte Mal am 15. Mai 1992.3 Die vorliegende Notiz befasst sich mit der seitherigen Entwicklung der bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und der Islamischen Republik Iran.
Der Druck durch Iran auf die Schweiz hat seit der Auslieferung nach Frankreich des in Bern verhafteten Iraners Z. Sarhadi am 26. Mai 1992 nachgelassen.4 Die bilateralen Beziehungen haben sich entspannt; allerdings steht einer Normalisierung nach wie vor die Festhaltung des schweizerischen Geschäftsmannes H. Bühler (HB) entgegen. Es muss davon ausgegangen werden, dass er aus politischen Gründen verhaftet worden ist.5
Am 19.6.1992 kam es zu einem Treffen zwischen Staatssekretär Kellenberger und AM Velayati in Crans, welches in einer den Umständen entsprechend guten Atmosphäre stattfand. Von beiden Seiten wurde unterstrichen, dass der feste Wille bestehe, die Beziehungen zu verbessern respektive zu normalisieren. Bei diesem Gespräch wurde unter anderem die Auslieferung von Z. Sarhadi, die Festhaltung von H[ans] B[ühler] sowie das Rechtshilfegesuch im Falle K. Radjavi erwähnt.6
Obschon das Treffen von iranischer Seite als «positiver Neuanfang» präsentiert wurde, führte es im Fall H. Bühler (siehe unten 5) nicht zu einem Durchbruch.
Beim Treffen in Crans war von AM Velayati zugesichert worden, dass Vertreter der schweizerischen Botschaft in Teheran H[ans] B[ühler] zweimal pro Monat besuchen könnten. Trotz dieser klaren Zusicherung wurde der für den 24.6.1992 vorgesehene Besuch erst am 29.7.1992 bewilligt. Als Begründung für diese Verzögerung mussten einige schweizerdeutsch gesprochene Sätze während des früheren Besuches herhalten, welche den Grundsatz der englischen Besuchssprache nicht respektierten.7
Dieser 4. Besuch vom 29.7.1992 konnte unter regulären Bedingungen stattfinden; H[ans] B[ühler] machte einen den Umständen entsprechend gesunden Eindruck und konnte sich während mehr als 20 Minuten mit dem schweizerischen Botschafter in Teheran unterhalten. Er ist korrekt untergebracht und verfügt über die Unterstützung eines iranischen und eines schweizerischen Rechtsanwaltes.8 Es ist noch nicht offiziell Anklage gegen ihn erhoben worden.9 Die schweizerische Botschaft in Teheran hat ein Gesuch um weitere Besuche bei H[ans] B[ühler] eingereicht. Am 5.8.1992 traf unser Botschafter in Teheran mit zuständigem militärischen Staatsanwalt zusammen. Dieser schloss eine spätere Freilassung von H[ans] B[ühler] gegen Kaution nicht aus.10
Am 27.7.1992 sprach der Unterzeichnende bei Gian-Domenico Picco in Mailand vor und präsentierte ihm den Fall H[ans] B[ühler]. Picco, der seinerzeit für die UNO die Befreiung der westlichen Geiseln im Libanon erfolgreich verhandelt hatte,11 sicherte zu, dass er bei seinen nächsten Kontakten mit Vertretern Irans (Anfang August 1992) das Schicksal H[ans] B[ühler]’s zur Sprache bringen werde.12
Der Bundesrat hat am 24.6.1992 einen Beschluss betreffend die Entschädigung der IRI für die am 5. April 1992 verursachten Schäden am Kanzleigebäude getroffen.14 Demnach wird das EDA ermächtigt, mit der IRI Gespräche betreffend die Bezahlung der durch Versicherungen nicht gedeckten Schäden aufzunehmen. Im weiteren wird das EDA dem Bundesrat nach Vorlage der konkreten Forderung durch den Iran das Kreditbegehren vorlegen.15
Die wirtschaftlichen Beziehungen sind von den Spannungen nicht mehr betroffen. Heute liegen keine Meldungen über erschwerte Visaerteilung an schweizerische Geschäftsleute vor. Die Verhandlungen für das Staudammprojekt Karun III (ABB, 480 Mio SFR, ERG-Deckung)16 konnten (bis auf noch offene Fragen im Zusammenhang mit der Finanzierung) erfolgreich abgeschlossen werden; Verhandlungen für die Aluminiumschmelzanlage in Al-Mahdi sind auf gutem Wege.
Die Beschränkung der Bewegungsfreiheit schweizerischer Diplomaten in Teheran und iranischer Diplomaten in Bern ist seit 13.6.1992 für beide Seiten wieder aufgehoben.17
Wiederholt wurden Vertreter der IRI auf höchstem Niveau um Beantwortung dieses Rechtshilfegesuches vom Oktober 1990 gebeten; die letzten Demarchen erfolgten durch BR Koller im Februar 1992 gegenüber dem iranischen Botschafter in Bern19 und durch SS Kellenberger am 19.6.1992 gegenüber AM Velayati in Crans.20
Im Juni 1992 erkundigte sich der zuständige waadtländische Untersuchungsrichter Châtelain bei den Bundesbehörden, ob noch eine Antwort durch die iranischen Behörden zu erwarten sei. Mit Telex vom 29.7.199221 leitete das EDA diese Frage an unsere Vertretung in Teheran weiter, deren Antwort ist heute ausstehend.
Im März 1992 wurde dem IKRK die Tätigkeit im Iran mit der Begründung, dass es die Genfer Konventionen nicht einhalte, untersagt.22 Seither gab es Kontakte auf verschiedenem Niveau mit dem Ziel, dass das IKRK gemäss seinen Prinzipien im Iran wieder tätig werden kann. Auf Anfang Oktober wurde der IKRK-Direktor für operationelle Angelegenheiten, Jean de Courten, nach Teheran eingeladen, um bestehende Differenzen der Arbeitsbedingungen für das IKRK im Iran zu diskutieren.
11.1. Im Moment besteht kein Handlungsbedarf für den Bundesrat.
11.2. Der Bundesrat wird durch diese Notiz vom aktuellen Stand der bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und der Islamischen Republik Iran informiert.
11.3. Die nächste Sitzung des IGI wird je nach Entwicklung dieser bilateralen Beziehungen einberufen werden.23
- 1
- CH-BAR#E2010A#2001/161#1662* (B.15.21). Diese Notiz wurde von Christian Fotsch von der Politischen Abteilung II des EDA verfasst und vom Abteilungschef, Botschafter Pierre-Yves Simonin, unterzeichnet. Kopien gingen an diverse Personen des EDA, des EJPD, des EMD und des EVD. Für die Verteilerliste vgl. das Faksimile dodis.ch/61399.↩
- 2
- Vgl. das BR-Prot. Nr. 632 vom 8. April 1992, dodis.ch/60440, und das Fernschreiben Nr. 5310 von Botschafter Simonin an die schweizerischen Botschaften in Teheran und Paris vom 10. April 1992, dodis.ch/62513.↩
- 3
- Die erste Sitzung des Interdepartementalen Ausschusses im Fall Sarhadi/Iran/Bühler fand am 13. April 1992 statt, vgl. dazu die Informationsnotiz von Botschafter Simonin vom 14. April 1992, CH-BAR#E2200.141-03#2005/296#53* (331.0). Zur zweiten Sitzung vom 15. Mai 1992 vgl. die Informationsnotiz des stv. Chefs der Politischen Abteilung II, Denis Feldmeyer, vom 19. Mai 1992, dodis.ch/61395.↩
- 4
- Am 23. Dezember 1991 wurde der iranische Staatsbürger Zeynal Abedin Sarhadi, ein Neffe des Staatspräsidenten Haschemi Rafsandschani, in Bern verhaftet und in Auslieferungshaft genommen. Er wurde verdächtigt, an der Ermordung des letzten Premierministers des Schah-Regimes, Schapur Bachtiar, am 6. August 1991 in Paris beteiligt gewesen zu sein, weshalb Frankreich einen internationalen Haftbefehl gegen ihn ausgestellt hatte. Sarhadi war lediglich mit einem Touristenvisum in die Schweiz eingereist. Die iranische Botschaft in Bern machte indessen umgehend geltend, dass er als Botschaftsangestellter diplomatischen Schutz geniesse. In Teheran begannen sodann die iranischen Behörden, das schweizerische diplomatische Personal in seiner Bewegungsfreiheit stark einzuschränken. Sie übten zudem in den folgenden Monaten Druck auf die Schweiz aus, um die Auslieferung Sarhadis an Frankreich zu verhindern. Vgl. dazu DDS 1991, Dok. 62, dodis.ch/59676, die chronologische Übersicht dodis.ch/60113, sowie die thematische Zusammenstellung Sarhadi-Affäre (1991–1992), dodis.ch/T2013.↩
- 5
- Der schweizerische Geschäftsmann Hans Bühler (1941–2018) von der Crypto AG wurde am 18. März 1992 in Teheran verhaftet. Bühler wurden u. a. illegale Kontakte mit militärischem Personal und Bestechung vorgeworfen. Das EDA und die schweizerische Botschaft in Teheran bemühten sich in der Folge intensiv um eine Verbesserung der Haftbedingungen, was sich angesichts der unkooperativen Haltung der iranischen Behörden ausserordentlich schwierig gestaltete. Nach mehreren Monaten wurde ein juristisches Verfahren eingeleitet, im Falle einer Verurteilung wurde Bühler eine mehrjährige Haftstrafe angedroht. In der zweiten Jahreshälfte 1992 zeichnete sich ab, dass eine Freilassung gegen eine Kaution möglich werden könnte. Hans Bühler wurde schliesslich am 4. Januar 1993 gegen eine Kaution von 1 Mio. USD, welche von der Crypto AG aufgebracht wurde, freigelassen und kehrte am folgenden Tag in die Schweiz zurück. Im Mai 1993 wurde Bühler im Iran in Abwesenheit zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt. Vgl. dazu die chronologischen Übersichten dodis.ch/61400 und dodis.ch/62517 sowie die thematische Zusammenstellung Verhaftung Hans Bühler (1992–1993), dodis.ch/T2201. Für ausführliche Schilderungen der Ereignisse aus autobiographischer Perspektive vgl. Andreas Strehle, Verschlüsselt – Der Fall Hans Bühler, Zürich 1994.↩
- 6
- Vgl. dazu das Fernschreiben Nr. 5531 von Botschafter Simonin an die schweizerischen Botschaften in Teheran und Paris vom 22. Juni 1992, dodis.ch/61396.↩
- 7
- Vgl. dazu das Fernschreiben Nr. 246 des schweizerischen Botschafters in Teheran, Anton Greber, vom 7. Juli 1992, dodis.ch/62515.↩
- 8
- Ali Akbar Salehi und Hans Werner Meier.↩
- 9
- Vgl. dazu das Fernschreiben Nr. 268 von Botschafter Greber vom 30. Juli 1992, CH-BAR#E2010A#2001/161#3873* (B.31.41).↩
- 10
- Vgl. dazu das Fernschreiben Nr. 274 von Botschafter Greber, vom 5. August 1992, dodis.ch/63101.↩
- 11
- Vgl. dazu DDS 1991, Dok. 33, dodis.ch/58395; die Notiz von Peter Maurer, diplomatischer Sekretär des Staatssekretärs des EDA, vom 19. Dezember 1991, dodis.ch/58409, sowie die thematische Zusammenstellung Operation «Grand Nettoyage» (1990–1991), dodis.ch/T1956.↩
- 12
- Vgl. dazu die Notiz von Christian Fotsch vom 6. August 1992, dodis.ch/61398.↩
- 13
- Als Reaktion auf die Bombardierung von Basen der iranischen Volksmudschahedin im Irak durch iranische Kampfflugzeuge stürmten am 5. April 1992 einige Mitglieder dieser Oppositionsgruppe die iranische Botschaft in Bern und beschädigten diese stark. Gleichentags wurden auch die diplomatischen Vertretungen des Irans in Bonn, Canberra, Den Haag, London, New York, Paris, Oslo, Ottawa und Stockholm angegriffen. Vgl. dazu dodis.ch/59661 und dodis.ch/62512.↩
- 14
- BR-Prot. Nr. 1180 vom 24. Juni 1992, dodis.ch/60761.↩
- 15
- Vgl. das BR-Prot. Nr. 2494 vom 23. Dezember 1992, dodis.ch/60760.↩
- 16
- Vgl. dazu das BR-Prot. Nr. 2350 vom 2. Dezember 1991, dodis.ch/57753.↩
- 17
- Vgl. dazu die Zusammenstellung dodis.ch/C2313.↩
- 18
- Der Jurist Kazem Rajavi befand sich bereits zu Zeiten des Pahlevi-Regimes als politischer Flüchtling und Student in der Schweiz, vgl. dazu dodis.ch/36624. Nach der iranischen Revolution war er für kurze Zeit als Vertreter des Irans bei der UNO in Genf tätig, demissionierte allerdings bald aus Protest gegen die Ausrichtung des neuen Regimes. Ab 1982 weilte er wiederum als politischer Flüchtling in der Schweiz und betätigte sich als Menschenrechtsaktivist. Am 24. April 1990 wurde er auf der Rückfahrt von Genf in seinem Wohnort Coppet erschossen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Waadt nahm ein Verfahren auf, wobei rasch viele Indizien dafür vorlagen, dass die Täterschaft mit offiziellen iranischen Diplomatenpässen operiert hatte und die Schweiz umgehend verlassen konnte. Das Verfahren zog sich über mehrere Jahre hin, ohne dass schliesslich ein Urteil gefällt wurde, vgl. dazu DDS 1990, Dok. 62, dodis.ch/56245, sowie die Zusammenstellung dodis.ch/C1814.↩
- 20
- Vgl. dodis.ch/61396.↩
- 21
- Nicht ermittelt.↩
- 22
- Vgl. dazu das Fernschreiben Nr. 89 von Botschafter Greber vom 19. März 1992, dodis.ch/63202, und das Pressekommuniquée Nr. 1703 des IKRK vom 27. März 1992, dodis.ch/63329.↩
- 23
- Die nächste Sitzung fand am 17. Dezember 1992 statt, vgl. dodis.ch/62085.↩
Tags
Assassinat de Kazem Radjavi (1990) Arrestation Hans Bühler (1992–1993) Affaire Sarhadi (1991–1992)