Darin: Erklärung der Schweizer Delegation vom 3.6.1991 (Beilage).
Darin: IEA Pressemitteilung vom 3.6.1991 (Beilage).
Darin: Schweizer Pressemitteilung vom 3.6.1991 (Beilage).
Darin: Liste der Delegationschefs (Beilage).
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 1991, doc. 24
volume linkBern 2022
more… |▼▶4 repositories
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E1010C#1996/219#470* | |
Dossier title | Auslandreisen des Bundespräsidenten, des Bundesrates und von Chefbeamten (1991–1991) | |
File reference archive | 354 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E7113A#1999/51#157* | |
Dossier title | Agence internationale de l'énergie (1991–1991) | |
File reference archive | 757.3.00 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E8001D#1997/5#2588* | |
Dossier title | Informationsnotizen (1991–1991) | |
File reference archive | 303.6 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E7113A#2001/192#2726* | |
Dossier title | Agence internationale de l'énergie (1991–1991) | |
File reference archive | 757.3.0 |
dodis.ch/54480
Internationale Energie-Agenturen (IEA) in Paris; Ergebnisse der Ministerkonferenz vom 2./3. Juni 1991
Zum ersten Mal seit der Gründung der IEA vor 15 Jahren hat ein schweizerischer Energieminister – Herr Bundesrat Adolf Ogi, Chef des EVED – diese Ministerkonferenz präsidiert. Die schweizerische Delegation wurde von Herrn Staatssekretär Franz A. Blankart angeführt.2 Zum ersten Mal nahmen an dieser Konferenz auch Finnland und Frankreich teil. Mit letzterem sind nun alle EG-Länder in der IEA vertreten.
Vor dem Minister-Nachtessen vom 2. Juni traf sich Bundesrat Ogi mit Herrn Eiichi Nakao, dem japanischen Minister für internationalen Handel und Industrie (MITI), und anschliessend mit Herrn Antonio Cardoso e Cunha, dem EG-Kommissar für Energie.
Herr Nakao hatte um das Treffen ersucht, um die (bekannten) Positionen Japans zu einigen umstrittenen Fragen im Pressemitteilungsentwurf darzulegen: Grosse Bedeutung der Kernenergie, nicht-diskriminatorische Ausgestaltung der Europäischen Energie-Charta3 und Notwendigkeit eines effizienten Technologie-Transfers in die Entwicklungsländer. Auf Anfrage von Bundesrat Ogi gaben er und einer seiner sieben anwesenden Mitarbeiter Auskunft über die Entsorgung radioaktiver Abfälle in Japan (im Grundsatz ähnlich wie CH) und über die Akzeptanz der Kernenergie in der Bevölkerung (Einsicht in die Notwendigkeit, v. a. nach dem Golfkrieg und wegen des CO₂-Problems, trotz der sehr starken Sensibilisierung der Bevölkerung wegen der Atombombeneinsätze während des Zweiten Weltkriegs).4
Herr Cardoso e Cunha nahm Kenntnis von den grossen schweizerischen Anstrengungen für Europa im Verkehrsbereich5 und würdigte die Rolle der Schweiz im Herzen Europas für den internationalen Stromaustausch. Er erläuterte die positive Haltung der Kommission bezüglich einer für alle OECD-Länder offene Europäische Energie-Charta. Allerdings hätten zwei Mitgliedländer Reserven (F: nur auf Europa beschränkt; E: auch Algerien und Marokko), weshalb die EG einer Pressemitteilung nicht zustimmen könnte, in welcher der Spielraum der EG eingeschränkt würde, bevor der Rat darüber entscheidet. Im übrigen erachtete Herr Cardoso e Cunha die IEA-Tagung als «grande messe bien préparée».
Nach Beendigung des Golf-Krieges und den Umwälzungen in Mittel- und Osteuropa sowie in der UdSSR ging es den Ministern um die Sicherung der Energieversorgung in den Neunziger Jahren durch eine weitere Diversifizierung der Angebots- und Verbrauchsstrukturen, eine rationelle Energieverwendung und durch den Einsatz von Energietechnologie, Forschung und Entwicklung.
Im Vordergrund der Diskussion standen allerdings die vier verbliebenen kontroversen Themen:
– Zukünftige Rolle der Kernenergie und ihr Beitrag zu einer diversifizierten Energieversorgung sowie zu einer Entlastung der CO₂-Emissionen;
– Beitrag der Energiepolitik zum Schutz der Umwelt
– Europäische Energie-Charta
– Zusammenarbeit zwischen Ölproduzenten- und Konsumentenländern
Bereits am Nachtessen der Minister vom 2.6.91 gelang es, einen Kompromiss zu finden bezüglich der zukünftigen Rolle der Kernenergie, und die seit Tschernobyl wieder eingetretene Verhärtung der Fronten etwas aufzulockern. Es bestehen jedoch weiterhin erhebliche Meinungsunterschiede bezüglich der Kernenergie zwischen Ländern, die Kernenergieanlagen betreiben, resp. die Kernenergie weiter ausbauen werden, und denjenigen, die entweder keine Kernkraftwerke betreiben oder diese langfristig aufgeben wollen. Auch in Zukunft wird deshalb jedes IEA-Land selber entscheiden müssen, wie sein Elektrizitätsbedarf zu decken sein wird.6
Dass die Energiepolitik einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Umwelt leisten kann, ist unbestritten. Die Schweiz hat diesbezüglich das Aktionsprogramm Energie 2000 und seine Zielsetzungen vorgestellt, und eine englische Fassung des Programmes an alle Mitgliedländer verteilt.7 Insbesondere hat unsere Delegation auf die Notwendigkeit einer Harmonisierung von Massnahmen bezüglich der anstehenden Umweltprobleme hingewiesen; dabei sollten marktwirtschaftliche Instrumente im Vordergrund stehen. Nur durch entsprechende Anstrengungen können Wettbewerbsverzerrungen und Handelshemmnisse abgebaut oder vermieden werden. Gleichzeitig hat die Schweiz einmal mehr auf den engen Zusammenhang zwischen Energie-, Umwelt- und Verkehrspolitik aufmerksam gemacht und auf die Bedeutung der Förderung des öffentlichen Verkehrs und auf ihre eigenen Anstrengungen auf diesem Gebiet hingewiesen. Die Schweiz hat die IEA aufgefordert, eine wesentlich aktivere Rolle in diesem Bereich zu spielen.8
Die Europäische Energie-Charta, resp. die daran zu beteiligenden Länder, beschäftigte die Delegationschefs bereits beim Nachtessen. Es gelang jedoch erst am zweiten Tag, einen akzeptablen Communiqué-Text fertigzustellen, ohne dass jedoch die Frage der Teilnahme gelöst werden konnte.9 Dies hängt damit zusammen, dass die EG-Länder und die EGK diesen Entscheid erst in der zweiten Hälfte dieses Monats in Brüssel endgültig fällen. Immerhin darf nun mit grosser Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass neben den west-, mittel- und osteuropäischen Staaten inkl. UdSSR auch die aussereuropäischen OECD-Länder zur Teilnahme an der Ausarbeitung einer Energie-Charta eingeladen werden.10
Eine Ausweitung der Kontakte mit ölproduzierenden Ländern zur Verbesserung der Transparenz und zur Förderung der Kommunikation und des gegenseitigen Verständnisses blieb unbestritten. Anderseits wurde klar festgestellt, dass Ölfördervolumen und Ölpreise kein Gesprächsthema sein können und den Marktkräften überlassen bleiben müssen. Allfällige Kontakte zwischen Ölmarktteilnehmern sollten nach Auffassung der Minister möglichst informell und breit abgestützt sein.
Viel mehr zu reden gab in diesem Zusammenhang die von Frankreich beim Mittagessen der Minister erneut vorgetragene «franco-venezuelanische Initiative», die allerdings in der IEA-Pressemitteilung keine namentliche Erwähnung fand. Frankreich und Venezuela wollen am 12. Juli 1991 in Paris ein «Regierungsseminar» durchführen; es handelt sich also weder um eine internationale Konferenz, noch um ein Expertentreffen. Die Namenwahl dieser Veranstaltung soll offenbar bestehende Bedenken seitens gewisser Länder überwinden helfen. Eingeladen sind u. W. seitens der Ölproduzenten neben Venezuela: Algerien, Ägypten, Indonesien, Iran, Mexiko, Nigeria, Norwegen, Oman, Saudiarabien, die VAE und die UdSSR; von den Verbraucherländern neben Frankreich: Brasilien, BRD, CFSR, Grossbritannien, Indien, Italien, Japan, Kanada, Korea, Niederlande und die USA. Gleichzeitig sollen auch internationale Organisationen wie die IEA, OPEC, GCC, EGK, BERD, W[B], IMF und die grossen integrierten Ölgesellschaften eine Einladung erhalten. Die Tagesordnung liegt noch nicht vor, aber nach inoffiziellen Angaben sollen an diesem Seminar Themen erörtert werden wie die Funktionsweise des Ölmarktes, Energiepolitik, Austausch von Marktinformationen und Daten, inkl. Prognosen über zukünftige Ölmarktentwicklungen, industrielle Zusammenarbeit, «upstream und downstream» Investitionen und Bedingungen.
Nach Ansicht der Franzosen besteht der Zweck dieses Seminars darin, von der Konfrontation zur Kooperation zu gelangen, dies im Rahmen der Marktwirtschaft. Die Festlegung von Preisen und Mengen ist nicht geplant. Falls nützlich, soll das Seminar wiederholt, hingegen nicht strukturiert werden. (Allerdings gibt es Hinweise, wonach Frankreich im Rahmen der G-7 versucht, diese «Kontakte» zu institutionalisieren.)
Die Stellungnahmen (BRD, Japan, USA, Kanada, EG-Kommission) waren zurückhaltend bis kritisch. Die Hauptbefürchtung war, dass man diese «Kontakte» nicht zu kontrollieren vermöge, weshalb man am Schluss dann doch in einen gewissen Interventionismus gelange (BRD, Japan, Kanada). Die Initiative sei unnötig (USA) oder eine Illusion, da der Markt Kooperation und Konfrontation beinhalte (EG-Kommission). Letztere sieht höchstens im Thema «Cross-investments, up- and downstream» ein Interesse. Staatssekretär Blankart gab eine gemässigte Stellungnahme ab: Die Initiative sei von Interesse und entspreche einem Bedürfnis, dürfe aber weder die Marktmechanismen (Preise, Menge) beeinträchtigen, noch zu neuen internationalen Strukturen vom Typus KIWZ führen. Wichtige Länder seien nicht eingeladen, weshalb die IEA als «clearing house» funktionieren müsse.11 Frau Steeg teilte diese Ansicht. In einem bilateralen Kontakt mit dem neuen französischen Handelsminister Dominique Strauss-Kahn hat dieser Herrn Blankart mündlich zugesagt, die Schweiz zu diesem Seminar einzuladen.12 Die Erfahrung zeigt, dass man gut daran tut, bei internationalen Aktivitäten von Anfang an dabei zu sein.
Den Wortlaut der IEA Pressemitteilung vom 03.06.91 finden Sie in der Beilage.13
Wir bitten Sie, von den Ergebnissen der IEA-Ministertagung vom 2./3. Juni 1991 Kenntnis zu nehmen.
- 1
- CH-BAR#E1010C#1996/219#470* (354). Diese Informationsnotiz an den Bundesrat wurde gemeinsam vom Chef des Diensts für internationale Energiefragen des Bundesamts für Aussenwirtschaft des EVD, Klaus Eichenberger, und vom Vizedirektor des Bundesamts für Energiewirtschaft des EVED, Hans-Luzius Schmid, verfasst und von den Bundesräten Jean-Pascal Delamuraz und Adolf Ogi unterzeichnet. Gemäss Visum von Vizekanzler François Couchepin hat der Rat in seiner Sitzung vom 17. Juni 1991 davon Kenntnis genommen, vgl. das Faksimile dodis.ch/54480. Die Informationsnotiz wurde an dieser Sitzung nicht weiter diskutiert, vgl. das BR-Beschlussprot. II der 22. Sitzung vom 17. Juni 1991, dodis.ch/57751. Der Text wurde auszugsweise auch im Wochentelex 24/91 vom 10. Juni 1991, dodis.ch/60258, versendet.↩
- 2
- Für die Zusammensetzung und die Richtlinien der schweizerischen Delegation vgl. das BR-Prot. Nr. 1068 vom 29. Mai 1991, dodis.ch/57718.↩
- 3
- Abschlussdokument der Haager Konferenz über die Europäische Energiecharta vom 16. und 17. Dezember 1991, CH-BAR#K1#1000/1480#1074* (K1.5004).↩
- 4
- Zur japanischen Position zu den Themen der IEA-Tagung vgl. ferner dodis.ch/60243.↩
- 5
- Zu den Verhandlungen mit der EG über den Abschluss eines Transitabkommens vgl. DDS 1991, Dok. 8, dodis.ch/57670 und Dok. 51, dodis.ch/58168 sowie die thematische Zusammenstellung Transitverhandlungen mit der EG (1987–1992), dodis.ch/T1913.↩
- 6
- Vgl. dazu Punkt 13 der Pressemitteilung der IEA vom 3. Juni 1991, Faksimile dodis.ch/54480. Zur Frage der Verwendung der Kernenergie vgl. zudem den Bericht der schweizerischen Delegation an der XXXV. Generalkonferenz der Internationalen Atom-Energie-Agentur (IAEA) in Wien vom 16.–20.9.1991, dodis.ch/59128.↩
- 7
- Vgl. dazu die von Staatssekretär Blankart vorgetragene Erklärung der schweizerischen Delegation, Faksimile dodis.ch/54480 sowie weiterführend zum Aktionsprogramm «Energie 2000» das BR-Prot. Nr. 400 vom 27. Februar 1991, dodis.ch/57732.↩
- 8
- Vgl. dazu das Schreiben von Bundesrat Ogi an die Direktorin der IEA, Helga Steeg, vom 15. Oktober 1991, dodis.ch/59588.↩
- 9
- Vgl. dazu Punkt 31 der Pressemitteilung der IEA vom 3. Juni 1991, Faksimile dodis.ch/54480.↩
- 10
- Vgl. dazu das BR-Prot. Nr. 2407 vom 9. Dezember 1991, dodis.ch/57747 sowie die thematische Zusammenstellung Europäische Energiecharta, dodis.ch/T1980.↩
- 11
- Für eine undatierte Version der speaking note von Staatssekretär Blankart sowie weitere Informationen zur franco-venezuelanischen Initiative vgl. das Dossier CH-BAR#E8190C#2005/161#47* (890).↩
- 12
- Bundesrat Ogi bekundete in einem Schreiben an Minister Strauss-Kahn am 20. Juni 1991 nochmals das Interesse der Schweiz, an einem solchen Seminar teilzunehmen, vgl. dodis.ch/60412. Das Seminar fand am 1. und 2. Juli 1991 in Paris statt, vgl. das Fernschreiben der Schweizer Delegation bei der OECD in Paris vom 5. Juli 1991, dodis.ch/60424.↩
- 13
- Für die Beilage vgl. das Faksimile dodis.ch/54480.↩
Relations to other documents
http://dodis.ch/60243 | see also | http://dodis.ch/54480 |
http://dodis.ch/60412 | refers to | http://dodis.ch/54480 |
Tags
Renewable energy Environmental issues Organisation for Economic Co-operation and Development (OEEC–OECD) Gulf Crisis (1990–1991) European Energy Charter