Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 23, doc. 52
volume linkZürich/Locarno/Genève 2011
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2804#1971/2#153* | |
Old classification | CH-BAR E 2804(-)1971/2 9 | |
Dossier title | Eidgenössisches Militärdepartement EMD (1961–1964) | |
File reference archive | 023.32 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2804#1971/2#313* | |
Old classification | CH-BAR E 2804(-)1971/2 78 | |
Dossier title | Neutralität: Verschiedenes (1961–1964) | |
File reference archive | 170.112 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1978/84#2442* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1978/84 376 | |
Dossier title | Abkommandierung und Einladung von Schweizeroffizieren (1964–1967) | |
File reference archive | A.14.41.4 • Additional component: Deutschland |
dodis.ch/31863
Notiz des Vorstehers des Politischen Departements, F. T. Wahlen1
Besuch von Herrn Oberstkorpskommandant Ernst Uhlmann in der Bundesrepublik Deutschland
Gestern Nachmittag orientierte mich Herr Dr. Janner über den vereinbarten Besuch von Herrn Oberstkorpskommandant Uhlmann in der Bundesrepublik. Ich nahm mir vor, die Angelegenheit im Bundesrat vorzubringen, weil mir ein solcher Besuch im heutigen Zeitpunkt fragwürdig erschien.
Im Laufe des Nachmittags sprach Herr alt Bundesrat2Petitpierre in anderer Angelegenheit vor. Er sagte mir aber, er komme eben von einem Déjeuner auf der russischen Botschaft. Zu seiner Überraschung seien er und seine Frau3 die einzigen schweizerischen Gäste gewesen. Im übrigen nahmen nur der Botschafter4 und sein erster Mitarbeiter5 mit ihren Damen6 teil. Im Laufe des Déjeuners wurde Herr Petitpierre einer regelrechten Fragestunde bezüglich der schweizerischen Neutralität unterworfen. Der Botschafter sagte, dass eine Anzahl von Erscheinungen die Sowjetregierung dazu führe, sich zu fragen, ob ein Wechsel in der schweizerischen Neutralitätspolitik eingetreten sei. Unter den Anzeichen, die dafür sprechen sollten, nannte er unsere Beziehungen zum Gemeinsamen Markt7, zum Europarat8 sowie eine Reihe von Äusserungen von Parlamentariern während der Mirage-Debatte9 und besonders die zahlreichen Besuche schweizerischer Militärpersonen in der Bundesrepublik.
Diese Besuche waren mir zum grössten Teil unbekannt geblieben. Ich liess mir dann das Dossier mit den Meldungen «Abkommandierung und Einladung von Schweizeroffizieren nach Deutschland»10 geben und war ausserordentlich überrascht über die grosse Zahl dieser Reisen. So hatte es, wie ich nach einer raschen Durchsicht konstatierte, allein im laufenden Jahr 28 Abkommandie rungen mit ungefähr 60 Personen gegeben. Nach flüchtiger Prüfung schien mir, dass in vielen Fällen der Reisezweck und der Anlass zu geringfügig waren, um den Zeit- und Geldaufwand zu rechtfertigen. Ich wünsche, dass wir inskünftig nicht einfach diese Meldungen entgegennehmen, sondern in Fällen, in denen sich Zweifel ergeben, Stellung beziehen.
Es darf nicht übersehen werden, dass die Sowjetregierung in bezug auf die Bundesrepublik ganz besonders empfindlich reagiert. Ob und auf welchem Weg der russische Botschafter zu mehr oder weniger kompletten Informationen gekommen ist, lässt sich natürlich schwer abschätzen. Sollte er über viele dieser Reisen informiert sein, so könnte ich mir seine Reaktion erklären.
Ich habe deshalb die Frage dem Bundesrat zum Entscheid11 vorgelegt. Es wurde beschlossen, dass die Reise von Herrn Oberstkorpskommandant Uhlmann mit einer dienstlichen Begründung abzusagen sei. Ferner wurde das Militärdepartement eingeladen, künftige Reisen gründlicher zu prüfen. Vor allem soll der Chef des Militärdepartements12 rechtzeitig über die Reisen höherer Offiziere, namentlich solcher, die im Ausland als Generäle13 gelten, informiert werden, damit er mit dem Politischen Departement und eventuell im Bundesrat die Opportunität derartiger Reisen14 abklären kann.
Im übrigen ist die Frage grundsätzlich zu prüfen, ob nicht auch gelegentlich der Sowjetunion15 oder einem der Oststaaten16 ein militärischer Besuch abzustatten sei. Die heutige Einseitigkeit lässt sich jedenfalls schwer mit unserer Neutralitätspolitik vereinbaren.
- 1
- Notiz: E 2804(-) 1971/2 Bd. 9 (023.32). Kopien an P. Micheli, R. Bindschedler, R. Probst, A. Janner und B. Dumont.↩
- 2
- Zum Einsatz von alt Bundesräten für aussenpolitische Missionen vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 167, dodis.ch/30917, Anm. 4.↩
- 5
- Es handelt sich mit grosser Wahrscheinlichkeit um M. F. Kutschmin.↩
- 6
- Je. W. Loschtschakowa und S. S. Kutschmina.↩
- 7
- Vgl. dazu DDS, Bd. 23, Dok. 136, dodis.ch/31944; Dok. 140, dodis.ch/31618 und Dok. 167, dodis.ch/31640.↩
- 8
- Vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 141, dodis.ch/31820.↩
- 9
- Zur Mirage-Debatte im Nationalrat vgl. Sten. Bull. NR, 1964, S. 256–330 und S. 409–492, zu den Verhandlungen im Ständerat Sten. Bull. SR, 1964, S. 141–148 und S. 201–246.↩
- 10
- E 2001(E) 1978/84 Bd. 376 (A.14.41). Zu den Besuchen fremder Offiziere in der Schweiz und der Abkommandierung von schweizerischen Offizieren ins Ausland vgl. DDS, Bd. 18, Dok. 85, dodis.ch/7281.↩
- 11
- Vgl. das BR-Verhandlungsprot. der 80. Sitzung vom 17. November 1964, dodis.ch/31978, S. 4–5: Der Rat ist übereinstimmend der Auffassung, dass der Besuch von Oberst korpsk [ommandant]Uhlmann nicht stattfinden dürfe. Der Besuch von E. Uhlmann wurde im folgenden Jahr nachgeholt, vgl. das BR-Verhandlungsprot. der 12. Sitzung vom 16. Februar 1965, dodis.ch/32012, S. 9.↩
- 12
- P. Chaudet.↩
- 13
- Es sind dies die Ränge der höheren Stabsoffiziere (Brigadiers, Divisionäre und Korpskommandanten).↩
- 14
- Zu Besuchsreisen schweizerischer Persönlichkeiten und bes. schweizerischer Offiziere in die Bundesrepublik vgl. auch das Schreiben von M. Troendle an F. T. Wahlen vom 25. Februar 1965, dodis.ch/32016 und das Schreiben von F. T. Wahlen an P. Chaudet vom 1. Juni 1965, dodis.ch/32017.↩
- 15
- Für die Abkommandierung und Einladung von Schweizeroffizieren in die Sowjetunion vgl. Doss. E 2001(E)-01 1988/16 Bd. 991 (A.14.41.4).↩
- 16
- Für die Abkommandierung und Einladung von Schweizeroffizieren nach Bulgarien vgl. Doss. E 2001(E) 1978/84 Bd. 554 (A.14.41); nach Jugoslawien Doss. E 2001(E) 1978/84 Bd. 1041 (A.14.41); nach Polen Doss. E 2001(E)-01 1988/16 Bd. 940 (A.14.41.4); in die Tschechoslowakei Doss. E 2001(E) 1978/84 Bd. 993 (A.14.41) und nach Ungarn Doss. E 2001(E)-01 1988/16 Bd. 795 (A.14.41.4).↩
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