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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 23, doc. 140
volume linkZürich/Locarno/Genève 2011
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1978/84#1417* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1978/84 324 | |
Dossier title | Besprechungen der neutralen EFTA-Partner (1964–1967) | |
File reference archive | C.41.775.3.1 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2807#1974/12#382* | |
Old classification | CH-BAR E 2807(-)1974/12 29 | |
Dossier title | Beziehungen / Erweiterungen EFTA - EWG (1966–1968) | |
File reference archive | 060-11 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern |
Old classification | CH-BAR E 7111(C)1976/4 155 |
File reference archive | EE 300.04.01 |
dodis.ch/31618 Der Direktor der Handelsabteilung des Volkswirtschaftsdepartements, E. Stopper, an den Rechtsberater des Politischen Departements, R. Bindschedler1
In unserer Aussprache vom 22. März3 sind wir zum Schluss gelangt, dass angesichts der seit 1961 eingetretenen Entwicklungen eine Neuüberprüfung4 der Voraussetzungen für eine Regelung des Verhältnisses der Schweiz zur Euro päischen Wirtschaftsgemeinschaft nützlich wäre. Dabei wäre zu berücksich tigen, dass gegenüber dem Zeitpunkt, in dem die Schweiz ihr Assoziationsgesuch gestellt hatte5, heute die Arbeitsmethoden der EWG besser beurteilt werden können und auf Grund der Österreich-Verhandlungen6 und der bisherigen Anwendung der Assoziationsabkommen mit Drittstaaten eine Reihe zusätzlicher Erfahrungen vorliegen. Vor allem aber hat sich die Haltung der Regierungen der EWG-Staaten mit Bezug auf die ursprüngliche politische Zielsetzung und die Ausgestaltung der Supranationalität zum Teil grundlegend geändert, obschon formell die Bestimmungen des Römer Vertrags7 aufrecht erhalten bleiben. Wenn somit einerseits gewisse Auflockerungen in der Anwendung der Integrationsmethoden unverkennbar sind, besteht anderseits eine stärkere Tendenz, auch rein wirtschaftliche Entscheidungen von politischen Erwägungen abhängig zu machen, was insbesondere bei der Aushandlung der – als Folge der letzten EWG-Krise8 wahrscheinlich zunehmenden – «package deals» der Fall sein wird. Damit könnte sich die ohnehin bestehende Gefahr einer Hegemonie der Grossmächte erhöhen.
Da noch keineswegs beurteilt werden kann, ob die politische Krise der EWG überwunden ist, und die weitere Entwicklung von ausserhalb der derzeitigen wirtschaftlichen Integration liegenden Faktoren abhängen wird, erscheint es ausgeschlossen, eine bestimmte Arbeitshypothese für das weitere Vorgehen der Schweiz aufzustellen. Aus unserem Meinungsaustausch hat sich jedoch einhellig die Schlussfolgerung ergeben, dass unsere Untersuchungen nicht mehr auf die Assoziation als einzig mögliche Form einer Teilnahme der Schweiz an der EWG beschränkt, sondern auch andere Methoden, wie z. B. ein Beitritt mit entsprechenden Vorbehalten, überdacht werden sollten9.
Ich bitte daher die von Ihnen geleitete Arbeitsgruppe «Neutralitätspolitik, neutralitätsrechtliche, staatspolitische und institutionelle Fragen», im Lichte der seit Erstattung Ihres letzten Berichtes eingetretenen Entwicklungen und gesammelten Erfahrungen folgende Studien auszuführen:
1. Welches sind die spezifischen neutralitäts- und staatspolitischen Risiken, gegen die sich die Schweiz im Falle einer institutionellen Regelung mit der EWG abschirmen müsste (z. B. Schutz gegen Einbezug in politische Hegemonialbestrebungen der Grossmächte, gegen politische Einflüsse auf die wirtschaftliche Beschlussfassung und weiterhin Distanzierung von allfälligen späteren politischen Verschmelzungsprozessen)?
2. Welches Ausmass der Bewegungsfreiheit muss sich ein Land wie die Schweiz vorbehalten, um ihre Unabhängigkeit und Eigenständigkeit, die Glaubwürdigkeit ihrer Neutralitätspolitik und die Funktionsfähigkeit ihrer besonderen staatspolitischen Institutionen zu wahren?
3. Die sich aus 1. und 2. ergebenden Vorbehalte müssen bei einer institutionellen Regelung des Verhältnisses der Schweiz zur EWG gebührend berücksichtigt werden. Diese Berücksichtigung darf jedoch nicht dazu führen, dass das schweizerische Mitspracherecht bei der wirtschaftspolitischen Beschlussfassung in einer Weise eingeschränkt wird, dass sich eine Satellisierung ergeben könnte. Welche institutionelle Methode würde die beste Gewähr für den Ausschluss solcher Gefahren bieten?
4. Der Bericht Ihrer Arbeitsgruppe vom 25. Januar 196210 hat die im Falle einer Assoziation zu wahrenden Erfordernisse im einzelnen dargelegt. Zur Vervollständigung der neuen Untersuchungen wäre es daher nützlich, wenn diese Erfordernisse im Lichte der seitherigen Erfahrungen ebenfalls neu überprüft würden11.
In der personellen Zusammensetzung Ihrer Arbeitsgruppe würden folgende Änderungen eintreten: Die Herren Dr. Walthard und Fürsprech Eckenstein scheiden aus. Anstelle des letzteren würde Herr Dr. Iselin vom Integrationsbureau das Sekretariat übernehmen. Je nach Bedarf können ferner Herr Botschaftsrat Wacker von unserer Mission in Brüssel sowie Herr Dr. Fleiner vom Rechtsdienst des EPD beigezogen werden. Ferner bitte ich Sie, den übrigen Herren, die an der Sitzung vom 22. März teilgenommen haben, d. h. Herrn Botschafter Micheli, Herrn Dr. Aebi, Herrn Minister Jolles, Herrn Languetin und Herrn Jaeger, jeweils ebenfalls Einladungen zu Ihren Sitzungen sowie das entsprechende Dokumentationsmaterial zugehen zu lassen und mich selbst über den Fortschritt Ihrer Arbeiten regelmässig, erstmals im Hinblick auf die EFTA-Ministertagung in Bergen12, orientiert zu halten.
- 1
- Schreiben: E 2001(E) 1978/84 Bd. 324 (C.41.775). Kopien an E. Stopper, P. Micheli, H. Aebi, O. Long, A. Weitnauer, P. R. Jolles, P.- H.Würth, A. Wacker, die schweizerische Mission bei den Europäischen Gemeinschaften, E. Diez, P. Languetin, J. Iselin, M. Jaeger. Handschriftliche Marginalie von P. Micheli: Monsieur le Chef du Département pour son information. Visiert von W. Spühler.↩
- 2
- Handschriftliche Marginalie: Das Exposé (Antwort) von Min. Bindschedler ist streng vertraulich & befindet sich bei ihm.↩
- 3
- Vgl dazu DDS, Bd. 23, Dok. 136, dodis.ch/31944, bes. Anm. 2.↩
- 4
- Vgl. dazu DDS, Bd. 23, Dok. 136, dodis.ch/31944, Anm. 4.↩
- 5
- Vgl. dazu DDS, Bd. 23, Dok. 136, dodis.ch/31944, Anm. 5.↩
- 6
- Zur österreichischen EWG-Assoziation vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 148, dodis.ch/31105, Anm. 13.↩
- 7
- Vgl. dazu DDS, Bd. 20, Dok. 61, dodis.ch/13224; Dok. 116, dodis.ch/13223 und Dok. 135, dodis.ch/13222↩
- 8
- Zur Krise der EWG vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 99, dodis.ch/31418, Anm. 7.↩
- 9
- Vgl. dazu DDS, Bd. 23, Dok. 136, dodis.ch/31944, Anm. 4.↩
- 10
- Bericht der Arbeitsgruppe zur Abklärung der neutralitätsrechtlichen, neutralitätspolitischen und institutionellen Fragen einer Verbindung mit der EWG von R. Bindschedler vom 25. Januar 1962, J 1.223 1000/1318 Bd. 57 (4.01.2.3).↩
- 11
- Bericht Neuüberprüfung der Voraussetzungen für eine Regelung des Verhältnisses der Schweiz zu den Europäischen Gemeinschaften von R. Bindschedler und J. Iselin vom 20 Juni 1966, dodis.ch/31949.↩
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