Mit Besorgnis nimmt das EPD die jüngste Entwicklung der Verhältnisse innerhalb der Neutralen Überwachungskommission in Korea zur Kenntnis. Das Verhalten der Kommissionsmitglieder wird momentan mit den Verhandlungen in Genf in Zusammenhang gebracht. Dem Schweizer Mitglied werden Verhaltensrichtlinien übermittelt.
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 19, doc. 107
volume linkZürich/Locarno/Genève 2003
more… |▼▶3 repositories
Archive | Swiss Federal Archives, Bern |
Old classification | CH-BAR E 2200.148-02(-)1971/93 3 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)-01/1988/16 662/5 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern |
Old classification | CH-BAR E 2210.5-02(-)1970/17 17 |
dodis.ch/9675 Der Vorsteher des Politischen Departements, M. Petitpierre, an den Chef der schweizerischen Delegation bei der Neutral Nations Supervisory Commission, E. Gross1
Wir haben am 26. d. M. auf telegraphischem Wege eine Mitteilung an Sie gerichtet3, womit wir unserer Besorgnis über die jüngste Entwicklung der Verhältnisse im Schosse der Neutralen Überwachungskommission ausgesprochen und Ihnen einige Aufschlüsse über die Haltung gegeben haben, welche Sie als schweizerisches Mitglied dieser Kommission unseres Erachtens einnehmen sollten4. Diese Hinweise waren naturgemäss summarisch gehalten, und wir möchten unsere Auffassung deshalb brieflich noch etwas näher erläutern.
1. Die Neutrale Überwachungskommission wird jetzt, während der Dauer der Genfer Konferenz5, die sich u. a. mit dem Korea-Problem zu befassen hat, von der Weltöffentlichkeit mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet. Das, was im Rahmen der Tätigkeit dieser Kommission momentan geschieht, wird zwangsläufig mit den Verhandlungen in Genf in Zusammenhang gebracht und kann sich auch auf diese Verhandlungen auswirken. Das Verhalten der Kommissionsmitglieder erhält damit eine über ihren praktischen Aufgabenbereich hinausgehende aktuelle politische Tragweite.
Das ist eine Tatsache, an der wir nichts ändern können und die selbstverständlich auch das schweizerische Mitglied der Kommission nicht hindern darf, uneingeschränkt seine Pflicht zu erfüllen. Im übrigen ist aber eine gewisse Vorsicht und Zurückhaltung doch am Platz. Auf jeden Fall sollten Sie möglichst vermeiden, durch Ihre Haltung den Problemen und Schwierigkeiten, mit welchen die Kommission von allem Anfang an zu rechnen hatte, gerade jetzt einen andern Charakter zu geben. In diesem Sinne haben wir Ihrem Vorgänger schon mit einem Telegramm vom 24. v. M. mitgeteilt,6 dass er sich während der Dauer der Genfer Konferenz darum bemühen sollte, seiner Tätigkeit den Charakter einer unveränderten Routine zu geben.
2. Wir waren uns selbstverständlich der Tatsache bewusst, dass ein Befolgen dieser Richtlinie nicht immer leicht sein und nicht nur von Ihrem Willen abhängen würde.
Aus ihren Berichten vom 8. und 15. d. M.7 zu schliessen und aus den Schreiben, die Sie am 4. (?)8 und 7. d. M.9 zusammen mit dem schwedischen Kommissionsmitglied10 an die Waffenstillstandskommission gerichtet haben, scheint uns aber, dass Sie diese Richtlinie doch etwas aus den Augen verloren haben. Wir haben jedenfalls den Eindruck, dass die Schreiben an die Waffenstillstandskommission, namentlich dasjenige vom 7. d. M., unnötig scharf und generell gehalten waren und fast den Sinn einer Abrechnung mit den Kommunisten – dem sino-koreanischen Kommando und dem polnischen und dem tschechoslowakischen Kommissionsmitglied – gehabt haben. War eine solche Haltung gerade jetzt wirklich geboten und wird aus der Tatsache, dass sie in diesem Zeitpunkte zum Ausdruck kam, nicht auf ein Zusammenspiel mit den Amerikanern und auf Absichten geschlossen, die Ihnen selbstverständlich fernlagen?
3. Wie Sie wissen, ist das erwähnte Schreiben vom 7. d. M. von der amerikanischen Delegation an der Genfer Konferenz dort am 16. d. M. veröffentlicht worden11. Das hat der nordkoreanischen und der chinesischen Delegation in Genf Anlass gegeben, mit Verlautbarungen an die Presse Stellung zu nehmen, die Richtigkeit der im Schreiben vom 7. d. M. gemachten Angaben zu bestreiten und gleichzeitig das UN-Kommando seinerseits der wiederholten Verletzung der Bestimmungen des Waffenstillstandsabkommens zu bezichtigen.
Auf die Zwischenfrage, die ein Korrespondent an einer Pressekonferenz der nordkoreanischen Delegation am 18. d. M. in Genf stellte, ob mit dieser Stellungnahme das schweizerische und das schwedische Mitglied der NNSC der Unwahrheit bezichtigt werden sollen, wurde geantwortet, dass der Brief vom 7. d. M. unter amerikanischem Druck geschrieben worden sei.
Eine weitere Presseverlautbarung der nordkoreanischen Delegation vom 25. d. M. bringt auch die Schritte, die die schweizerische Regierung – gleichzeitig mit der schwedischen Regierung – Mitte April in Washington und Peking unternommen hat12, mit der Politik der Gegenseite in Verbindung und behauptet, diese Schritte seien unter dem Druck der Vereinigten Staaten erfolgt.
Diese Diskussion ist deshalb im Moment von besonderer Bedeutung, weil an der Genfer Konferenz über die Frage verhandelt wird, ob und in welcher Weise ein Waffenstillstand in Indochina zustande gebracht und mittels einer neutralen Kommission gesichert werden könnte. Die Erfahrungen, welche mit der Tätigkeit der NNSC in Korea gemacht worden sind, spielen dabei eine wesentliche Rolle.
4. Wir können die politischen Kombinationen und Auseinandersetzungen, in welchen auch die Äusserungen der schweizerischen Regierung und des schweizerischen Mitglieds der NNSC zur Sprache gebracht werden, selbstverständlich nicht verhindern. Wir haben aber ein Interesse daran, alles zu vermeiden, was der kommunistischen Tendenz Vorschub leisten könnte, solche Äusserungen als Unterstützung des politischen Spiels der Gegenseite zu bezeichnen.
Der Bundesrat hielt es zwar für unbedingt notwendig, die interessierten Mächte vor Beginn der Genfer Konferenz über sein Anliegen, die schweizerische Mitwirkung in Korea in absehbarer Zeit beendigt zu wissen, zu unterrichten. Er musste das tun, um gegebenenfalls nach der Konferenz von sich aus die nötigen Entschlüsse fassen zu können. Bei der Begründung seines Anliegens wurde aber zur Beleuchtung der Schwierigkeiten, denen die NNSC bei ihrer Tätigkeit begegnet ist, nur auf die Mängel und Lücken im Waffenstillstandsabkommen hingewiesen und auf jede Kritik des mangelnden guten Willens der Kommunisten verzichtet.
5. Wir nehmen an, dass der Brief, den das amerikanische Mitglied der Waffenstillstandskommission, General Lacey, am 15. v. M. an die Überwachungskommission gerichtet hat, diese Kommission zwangsläufig dazu geführt hat, die Frage der Wirksamkeit ihrer Tätigkeit einlässlich zu erörtern und dazu Stellung zu nehmen, und es ist selbstverständlich, dass Sie zusammen mit Ihrem schwedischen Kollegen mit aller Festigkeit der einseitigen Betrachtungsweise des polnischen und des tschechoslowakischen Kommissionsmitglieds entgegengetreten sind.
Das heisst aber nicht, dass Sie sich durch die einseitige Polemik der kommunistischen Mitglieder der Kommission dazu bewegen lassen müssen, in gleicher Weise zu antworten. Wir glauben vielmehr, dass Sie immer versuchen sollten, der Polemik der kommunistischen Mitglieder der Kommission nur einfache Tatsachen entgegenzuhalten und auf jede unnötige Verallgemeinerung oder Schlussfolgerung zu verzichten.
Eine Frage, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Kommission zum Beispiel eine wesentliche Rolle spielt, ist offenbar die Wirksamkeit der «spot check»-Kontrollen durch die im Norden stationierten Kontroll-Equipen. Anstatt zu erklären, dass diese Überraschungskontrollen im Norden nur eine illusorische Fassade seien, hätten vielleicht ein paar konkrete Beispiele zitiert werden können, Fälle in welchen die schweizerischen und schwedischen Mitglieder der Equipen solche Kontrollen beantragt, aber wegen der ablehnenden Haltung der kommunistischen Mitglieder nicht durchsetzen konnten.
Es würde uns auch durchaus nicht abwegig erscheinen, wenn Sie gelegentlich auf eine tatsächliche schriftliche Äusserung des sino-koreanischen Mitglieds der Waffenstillstandkommission vom 12. Februar hinweisen würden, womit erklärt wurde, dass das sino-koreanische Kommando in seinem territorialen Bereich keine Untersuchungen auf Grund verleumderischer Anklagen des UN-Kommandos zulasse. Dabei ist es doch offensichtlich, dass es zu einer wirksamen Gestaltung der Kontrolltätigkeit der NNSC ihre Sache sein muss, die behaupteten Verletzungen des Waffenstillstandsabkommens zu prüfen und festzustellen, ob die betreffenden Anschuldigungen zutreffend sind oder nicht.
Auch die Tatsache, dass an drei Kontrollpunkten in Nordkorea, wo ständige Equipen der NNSC eingesetzt sind, überhaupt keine Kontrollen stattfinden, ist allein durchaus eindrücklich genug und es ist zur Beleuchtung der Verhältnisse und zur Begründung des Antrags, den Sie zusammen mit Ihrem schwedischen Kollegen gemacht haben, des Antrags nämlich, diese Kontrollpunkte durch andere Posten zu ersetzen, durchaus nicht nötig, die ganze Problematik der Kommissionstätigkeit zu schildern.
Wir sind vielmehr überzeugt, dass, je mehr Sie sich an die nackten konkreten Tatsachen halten, um so mehr Gewicht Sie Ihren Äusserungen geben werden und gleichzeitig jedem Anschein einer Parteilichkeit ausweichen können.
Da alles, was sich im Moment im Rahmen der NNSC ereignet, starke politische Nebenwirkungen haben könnte, bitten wir Sie, uns laufend – nötigenfalls auf telegraphische Wege – einlässlich unterrichtet zu halten und uns vor allem Entscheidungen, welche ausserhalb der normalen Routine-Arbeit der Kommission liegen sollten, zu konsultieren, damit wir Sie nötigenfalls über die Gesichtspunkte, die sich aus der Perspektive von Bern ergeben, informieren können.
- 1
- Schreiben: E 2001(E)1988/16/662/5. Paraphe: GA.↩
- 2
- Das Schreiben wurde orientierungshalber an die schweizerischen Gesandten in Washington, London, Peking, New Delhi, Stockholm, Moskau und an den schweizerischen Beobachter bei der UNO gesandt.↩
- 3
- Vgl. das Telegramm Nr. 84 vom 26. Mai 1954, nicht abgedruckt.↩
- 4
- Zum Bericht von Oberstbrigadier E.Gross über seine Tätigkeit als Chef der Schweizerischen Delegation der Neutralen Überwachungskommission für den Waffenstillstand in Korea. Mai bis Oktober 1954 vom 16. Dezember 1954 und den Schlussberichten seiner Vorgänger F. Rihner und P. Wacker vgl. E 2001(E)1988/16/662/11.↩
- 5
- Die Konferenz dauerte vom 26. April bis zum 21. Juli 1954.↩
- 6
- Vgl. das Telegramm Nr. 80 des Politischen Departements an P. Wacker vom 24. April 1954, E 2800(-)1967/59/74.↩
- 7
- Vgl. die Berichte von E. Gross an M. Petitpierre Nr. 46 vom 8. und Nr. 47 vom 15. Mai 1954, E 2001(E)1988/16/662/11.↩
- 8
- Es handelt sich um ein gemeinsames Schreiben der schweizerischen und schwedischen Delegation bei der neutralen Überwachungskommission des Waffenstillstandes in Korea an den ersten Delegierten der Streitkräfte der UNO bei der Military Armistice Commission vom 4. Mai 1954 vgl. E 2001(E)1988/16/662/11.Für eine französische Übersetzung, nicht abgedruckt.↩
- 9
- Vgl. das Telegramm Nr. 128 der schweizerischen Delegation in Korea an das Politische Departement vom 22. Mai 1954. Nicht abgedruckt. Für eine französische Übersetzung vgl. ibid.↩
- 11
- Vgl. das Presse-Communiqué der amerikanischen Delegation. Nicht abgedruckt.↩
- 12
- Vgl. die diplomatische Note vom 12. April, die am 14. April dem amerikanischen und am 15. April dem chinesischen Aussenministerium übergeben wurde, nicht abgedruckt (dodis.ch/10673).↩
Tags
Neutral Nations Supervisory Commission (NNSC)
Good offices United States of America (USA) (Politics) UNO – General Indochina (Politics) Geneva's international role