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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 23, doc. 68
volume linkZürich/Locarno/Genève 2011
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1978/84#7271* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1978/84 507 | |
Dossier title | Überwachung amerikanischer Banken im Ausland (1964–1967) | |
File reference archive | C.41.731.0.(1) • Additional component: Vereinigte Staaten von Amerika |
dodis.ch/30944 Protokoll der konferenziellen Besprechung betreffend Überwachung amerikanischer Banken in der Schweiz1
Der Vorsitzende heisst die Anwesenden willkommen und schlägt folgende Agenda als Diskussionsbasis vor:
1) Bedeutung der neuen amerikanischen Vorschriften
a) die physische Kontrolle durch Inspektionen;
b) die Kontrolle durch Einholung von Auskünften und Unterlagen.
2) Rechtsfragen
a) zu Artikel 271 StGB: Extraterritoriale Auswirkung der amerikanischen Gesetzgebung in Form von Inspektionen;
b) zu Art. 273 StGB: Inwieweit sind amerikanische Auskunftsbegehren legitim, inwieweit sind sie als wirtschaftlicher Nachrichtendienst zu betrachten?
c) zu Art. 47 BG: In welcher Form wird das Bankengeheimnis durch die neuen Vorschriften berührt?
3) Praktische Fragen
a) Tätigkeit amerikanischer Banken in der Schweiz;
b) mögliche Rückwirkungen unserer ablehnenden Haltung bezüglich der neuen Vorschriften auf die Tätigkeit schweizerischer Banken in den USA;
c) Verhalten der schweizerischen Behörden dem amerikanischen Begehren gegenüber:
i) im Falle von Inspektionen und von Auskunftsbegehren;
ii) Form unserer Demarchen bei den amerikanischen Behörden.
Als Ergebnis der eingehenden und auf die Stellungnahme der interessierten Stellen gestützten Diskussion ist folgendes festzuhalten:
1. Bedeutung der neuen amerikanischen Vorschriften
Wir sind dem Begehren um Inspektionen auf unserem Territorium schon mehrmals begegnet (Interhandel3, Exportkontrolle strategischer Güter4, Heilmittelkontrolle5 etc.) und kennen die amerikanische Tendenz, der einheimischen Gesetzgebung extraterritoriale Wirkung zu verleihen.
Dass die USA ein legitimes Interesse haben, die Bonität der Zweigniederlassung einer amerikanischen Bank im Ausland zu prüfen, ist unbestritten, liegt doch dies letzten Endes auch im Interesse geordneter Währungsverhältnisse schlechthin. Auch das schweizerische Bankengesetz nimmt das Recht in Anspruch, bei einer Kontrolle einer fremden Zweigniederlassung in der Schweiz gewisse Angaben über die Finanzlage des Gesamtunternehmens zu erhalten. Dagegen entsenden wir keine Inspektoren ins Ausland, noch versuchen wir je, Detailangaben über die fremde Geschäftsführung zu erhalten.
2. Rechtsfragen
Eindeutig ist, dass die Niederlassung einer ausländischen Bank in der Schweiz in vollem Umfange der schweizerischen Gesetzgebung untersteht.
a) Art. 271 StGB schliesst nicht bewilligte fremde Inspektionen vom schweizerischen Territorium aus. Eine Bewilligung käme in dem uns interessierenden Fall aus Präjudizgründen nicht in Frage. Amerikanische Begehren dieser Art müssen daher im Interesse der Wahrung unserer Souveränität eindeutig zurückgewiesen werden.
b) Die Übermittlung von Auskünften über Einzeltransaktionen oder in Form von Detailangaben und Kundenverzeichnissen würde einen Verstoss gegen Art. 47 BG, eventuell gegen Art. 273 StGB, bedeuten. Artikel 273 StGB kennt keine Einschränkungen in der Form von Bewilligungen.
Durch Artikel 47 BG sind die Interessen der Bankkunden geschützt. Eine Weitergabe könnte nur mit Zustimmung des Geheimnisherrn (Kunde) erfolgen. Ein Kunde einer amerikanischen Bankniederlassung in der Schweiz darf von der Annahme ausgehen, dass die fremde Bank der schweizerischen Gesetzgebung untersteht und dass die Geheimhaltepflicht beobachtet wird. Sollten aber die Buchhaltungen der Niederlassungen zentral beim Mutterhaus geführt werden, würde die Wahrung des Bankgeheimnisses in diesen Fällen problematisch.
Anderseits kann gegen die Bekanntgabe von Positionsmeldungen an das Mutterhaus, sofern sich diese auf Globalangaben beschränken und wie sie auch in den Bilanzen publiziert werden, nichts eingewendet werden. Eine weitere Möglichkeit, der amerikanischen Kontrolle zu genügen, wäre die Revision durch eine dem amerikanischen Mutterhaus genehme in der Schweiz zugelassene Revisionsgesellschaft. Handelt aber die Revisionsgesellschaft im Auftrage des fremden Staates, sei es direkt oder indirekt, so ist anzunehmen, dass der Mandatar als verlängerter Arm der amerikanischen Behörden zu betrachten ist; ein solches Vorgehen verstiesse gegen Art. 271 StGB.
Der Kern des Problems liegt nicht in den Inspektionen, deren Ablehnung ausser Zweifel steht, sondern im amerikanischen Anspruch auf umfassende Auskünfte über alle Aspekte der Zweigniederlassung.
3. Praktische Fragen
a) Die Teilnehmer kommen überein, dass die neuen amerikanischen Vorschriften Anlass bieten, um die in der Schweiz tätigen Niederlassungen ausländischer Banken und die fremdbeherrschten Banken erneut auf die schweizerische Bankengesetzgebung aufmerksam zu machen. Die Finanzverwaltung und die Bankenkommission nehmen diese Anregung zur Prüfung entgegen.
b) Auf eventuelle Rückwirkungen auf die Tätigkeit schweizerischer Banken in den USA, die sich aus unserer ablehnenden Haltung ergeben könnten, braucht keine Rücksicht genommen zu werden. Es steht hier ein übergeordnetes gesamtschweizerisches Interesse im Vordergrund, das nicht durch amerikanische Übergriffe auf unsere Souveränität in Frage gestellt werden darf. Die Bankiervereinigung und die beiden schweizerischen Banken6, die in den USA Agenturen unterhalten, sind mit dieser Auffassung ausdrücklich einverstanden.
c) Schritte der schweizerischen Behörden
i) Den amerikanischen Behörden ist durch das EPD via unsere Botschaft in Washington bekanntzugeben7, dass – die Vornahme von Inspektionen als Verstoss gegen Art. 271 StGB betrachtet und nicht geduldet wird; – die Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften amerikanischer
Banken dem schweizerischen Recht unterstehen, und dass diese sich bei
Verstössen in Form von unerlaubter Weitergabe von Detailauskünften den
Strafbestimmungen der Artikel 273 StGB und Art. 47 BG aussetzen; – vor einer Demarche bei den amerikanischen Behörden unsere Botschaft in
Washington zu beauftragen ist, Erkundigungen über die Haltung anderer
Staaten einzuziehen;
ii) das EPD der Finanzverwaltung und der Bankenkommission die Anregung der Teilnehmer, die fremden Niederlassungen und fremdbeherrschten Banken seien erneut ausdrücklich auf die schweizerische Gesetzgebung hinzuweisen, schriftlich darlegen wird;
iii) das EPD die interessierten Stellen über die weitere Entwicklung seiner Bemühungen orientieren wird.
- 1
- Protokoll: E 2001(E) 1978/84 Bd. 507 (C.41.731.0.1). Verfasst und unterzeichnet von R. Beaujon.↩
- 2
- Die Besprechung fand am 4. Februar 1965, 10.15–12.15 Uhr statt. Teilnehmer: E. Diez (Vorsitz), E. Brunner, R. Bär, R. Beaujon, C. A. Markees, U. Vogel, B. Müller, M. B. Ludwig, R. Bosshard, M. Krell, H. Huber, H. Manz, M. Oetterli und M. Lusser.↩
- 3
- Zu dieser Affäre vgl. DDS, Bd. 16, Dok. 65, dodis.ch/66; Dok. 67, dodis.ch/68; DDS, Bd. 17, Dok. 76, dodis.ch/5640; DDS, Bd. 18, Dok. 2, dodis.ch/4680; Dok. 6, dodis.ch/4722; DDS, Bd. 19, Dok. 82, dodis.ch/9209; Dok. 149, dodis.ch/9200, Anm. 5; DDS, Bd. 20, Dok. 65, dodis.ch/11115; Dok. 102, dodis.ch/12080; Dok. 112, dodis.ch/11334; Dok. 140, dodis.ch/12178; DDS, Bd. 21, Dok. 33, dodis.ch/14964; Dok. 120, dodis.ch/14969; Dok. 155, dodis.ch/14936; DDS, Bd. 22, Dok. 16, dodis.ch/18887; Dok. 121, dodis.ch/30391; Dok. 126, dodis.ch/18942 und Dok. 138, dodis.ch/18891.↩
- 4
- Vgl. DDS, Bd. 21, Dok. 147, dodis.ch/15506; DDS, Bd. 22, Dok. 19, dodis.ch/30680.↩
- 5
- Vgl. DDS, Bd. 22, Dok. 172, dodis.ch/18878. Vgl. dazu ferner DDS, Bd. 23, Dok. 87, dodis.ch/31434 und Dok. 113, dodis.ch/31433.↩
- 6
- Die Schweizerische Kreditanstalt und der Schweizerische Bankverein unterhielten beide eine Agentur in New York.↩
- 7
- Vgl. das Schreiben vom A. Zehnder an P. Micheli vom 31. März 1965, dodis.ch/31932.↩
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