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Die Schweiz und die NNSC. Diplomatische Dokumente der Schweiz zur Geschichte der Neutral Nations Supervisory Commission in Korea 1951–1995, Bd. 21, Dok. 55
volume linkBern 2023
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
Signatur | CH-BAR#E2010A#1995/313#5449* | |
Dossiertitel | Administrative Fragen (1982–1984) | |
Aktenzeichen Archiv | B.73.0.3 • Zusatzkomponente: Corée |
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
Signatur | CH-BAR#E5001G#1996/368#106* | |
Dossiertitel | BR Delamuraz; Besuch in Südkorea. (1986–1986) | |
Aktenzeichen Archiv | 03.13 |
dodis.ch/65659Inspektion des Bundesamts für Adjutantur des EMD1
Bericht über die Abkommandierung nach Südkorea/Panmunjom vom 8.–22.5.1982
[...]2
7.1. Die Tätigkeit der Schweizer Delegation NNSC
Die Tätigkeit der Schweizer Delegation NNSC ist in den vergangenen nahezu 29 Jahren, dies vielleicht bis auf einige, wenige Gelegenheiten, so u. a. in der Pueblo Affäre 1968,3 nie spektakulär gewesen und sie ist es auch heute nicht. Was die Zukunft in dieser Richtung bringen wird, ist ungewiss. Es geht aber gerade in dieser sehr subtilen politischen Mission nicht um Effekthascherei. Die Tätigkeit beschränkt sich auf das permanente Anbieten guter Dienste im Sinne unserer Staatsmaxime der aktiven Neutralität, dies, sofern diese guten Dienste von den ehemaligen Kampfparteien gewünscht werden.
Dabei muss aber in erster Linie berücksichtigt werden, dass es trotz der Forderungen z. B. einer der beiden Parteien – und dies war nach einigen schweren Zwischenfällen mit Toten der letzten Zeit und z. T. auch während meiner Besuchszeit seitens der Südseite (also UN Command) der Fall – nur um ein Handeln der NNSC im Rahmen der recht engen Vorgegebenheiten des Waffenstillstandsvertrages gehen kann. Die NNSC musste daher z. B. die vom UN Command verlangte erweiterte Mithilfe bei der Abklärung von Zwischenfällen in der gesamten demilitarisierten Zone – Zwischenfälle, die natürlich eine gewisse Eskalation bedeuten – leider ablehnen, denn gerade diese Tätigkeit wird im Waffenstillstandsvertrag (Art. 24, Buchst. d, sowie Art. 25 und 27)4 der Waffenstillstandskommission und eben nicht der NNSC zugewiesen. Eine solche Tätigkeit könnte die NNSC erst nach einer entsprechenden Änderung des Waffenstillstandsvertrages übernehmen und hierzu müssten beide Parteien zustimmen. So wünschbar m. E. eine solche Änderung wäre, ist eine solche gerade von der Nordseite (Nordkoreaner und Chinesen) gegenüber dem Schweizer Delegationschef5 strikte abgelehnt worden. Absicht ist dabei sicherlich, am gegenwärtig bestehenden Gleichgewicht nichts zu ändern, was vielleicht kaum überblickbare Folgen haben könnte. Diese Situation verlangt daher vom Schweizerischen Delegationschef und sogar von seinen Mitarbeitern eine grosse Portion Fingerspitzengefühl. Für weitere Einzelheiten hierzu verweise ich übrigens auf die entsprechenden politischen Berichte des Schweizerischen Delegationschefs vom 5.5.6 und 1.6.19827 an das EDA und das EMD/UNA sowie eine Antwort des EDA vom 25.5.1982.8
Während meines Besuches konnte ich feststellen, dass der Schweizerische Delegationschef in diesen heiklen politischen Fragen sehr geschickt agiert hat, dabei vielleicht oft von seinen eigenen jungen, aktiven und mit grossem Tatendrang versehenen Mitarbeitern nicht ganz verstanden. Ohne selbst leugnen zu wollen, dass ich den Eindruck gewonnen habe, dass das gesamte Waffenstillstandsgefüge in den nunmehr 29 Jahren seines Daseins einen festen – vielleicht darf man sogar sagen: festgefahrenen – Weg gefunden und sich darin etabliert hat, so muss ich doch auch meinerseits deutlich festhalten, dass sich dieses Gefüge in gar keiner Art zu irgendwelchen, wenn auch durchaus gut gemeinten, Experimenten eignet. Es geht also alles seinen genau vorbestimmten Weg und das – ich verstehe das vollkommen – mag besonders für junge und ideenreiche, ein Ziel erreichen wollende, Offiziere recht ernüchternd und frustrierend sein. Ich bin aber überzeugt, dass die nötige Erfahrung vor Ort auch diesen Mitarbeitern des Schweizerischen Delegationschefs die Augen für die Realität öffnen wird. Ich möchte hierzu betonen, dass ich schon immer in meinen bisherigen Ausbildungsstunden von neuen Korea-Delegierten deutlich auf diese unumstössliche Tatsache verwiesen habe und ich werde dies inskünftig noch vermehrt tun.
Der Schweizerische Delegationschef – über dessen integre Persönlichkeit und über dessen politisches Wirken ich mir keine Beurteilung anmassen darf –, der auch in der gegenwärtigen Equipe der vier NNSC Members die Rolle des primus inter pares ausübt, erhält aber sehr oft die Gelegenheit, mit diplomatischem Geschick Fragen zwischen den beiden ehemaligen Kampfparteien einer Lösung zuzuführen, Mitteilungen von einer Seite zur anderen weiterzuleiten, durch persönliche Vorsprachen mässigend zu wirken und den gegenseitigen goodwill zu stärken. Daher wird die Tätigkeit der Gesamt-NNSC und darin speziell die Vermittlerrolle der Schweizer Delegation resp. ihres Chefs von beiden Seiten sehr geschätzt und man ist daran interessiert, dass unser Land dieses seinerzeit eingegangene Mandat weiterhin versieht, auch wenn es unter Umständen noch lange dauern und einige Kosten verursachen wird. Jedenfalls konnte ich in meinen persönlichen Gesprächen mit Admiral Storms und Oberst Brady, beide US Army, sowie Oberst Lee, ROK Army, vom UN Command feststellen, dass die Südseite die schweiz. Präsenz und Tätigkeit sehr hoch schätzt und der bestimmten Erwartung ist, dass die Schweiz weiterhin ihre wichtige Rolle im Schosse der NNSC erfüllt. Da ich keine Kontakte zur Nordseite pflegen konnte – ich habe nur ein chinesisches Delegationsmitglied anlässlich meines Besuches in der Konferenzzone kurz begrüsst –, weiss ich nur aus den Berichten der Delegationschefs, dass man dort einhellig gleicher Meinung ist; wenigstens ein Punkt, aber m. E. ein sehr wichtiger, in dem sich beide Seiten für einmal einig sind.
Die Tätigkeit des Schweizerischen Delegationschefs ist somit auch heute noch eindeutig und ausschliesslich diplomatisch/politischer Natur und in keiner Weise militärisch. Es gibt keine – im eigentlichen Sinne des Wortes zu verstehende – militärische (strategisch oder taktisch) Lagebeurteilung vorzunehmen, nachher die sich aufdrängenden Entschlüsse zu fassen und die sich daraus wiederum ergebenden Befehle zu erteilen. Der Entschluss des Schweizerischen Bundesrates im Sommer 1954, an die Spitze der Schweizer Delegation NNSC einen bestausgewiesenen Diplomaten zu stellen – und diesen aufgrund der Erfordernisse des Waffenstillstandsvertrages in Uniform und mit dem Grade eines Generalmajors versehen nach Panmunjom zu entsenden – hat noch heute, 28 Jahre später seine volle Gültigkeit und Berechtigung und muss m. E. auch für die Zukunft unbedingt beibehalten werden.9
Letztlich kann ich feststellen, dass die bisherige Tätigkeit der Schweizer Delegation NNSC ein überzeugender Beweis aktiver, schweizerischer Neutralität ist und mitgeholfen hat, einem 50 Mio Volk über mehr als ¼ Jahrhundert die Leiden und Entbehrungen eines Krieges zu ersparen. Diese Erkenntnis muss allen Verantwortlichen in Bern wie in Panmunjom Genugtuung und Ansporn zugleich sein. Die kleine Schweiz und ihre Armee hat hier eine grosse Aufgabe zu erfüllen und ich habe die unbedingte Überzeugung gewonnen, dass sie sie gut erfüllt. Nach einer Rendite zu fragen oder eine Kosten/Nutzenrechnung aufzustellen, was man zwar ausgerechnet in unserem Lande sehr leicht und sehr rasch zu tun geneigt ist – denn der Einsatz sollte doch irgendwie rentieren! –, das kann man m. E. in politischen Dingen sowieso nicht oder nur in geringem Masse und wäre bei unserem Korea-Mandat völlig verfehlt:
7.2. Der Schweizerische Delegationschef und sein Verhältnis zu den drei anderen Delegationschefs
Ich hatte schon unter Punkt 7.1. Gelegenheit, die Stellung des Schweizerischen Delegationschefs sowie seinen Einsatz zu schildern.
Anlässlich meines etwa einstündigen Zusammenseins mit allen vier Delegationschefs in der Konferenzzone am Dienstag, 11.5.1982, konnte ich jedoch unschwer feststellen, dass das Verhältnis zu den schwedischen, tschechischen und polnischen Kollegen ein gutes, wenn nicht gar herzliches ist. Man ist allseits vom guten Willen beseelt, miteinander trotz ideologischer Grenzen zu reden und auftauchende Probleme zum Wohle des Ganzen im Geiste guter Zusammenarbeit zu lösen. Dieser kurze Eindruck darf selbstverständlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch zu recht heftigen Diskussionen und Beharrungen auf gegenseitigen Standpunkten kommen kann. Wenn einer der 4 Delegationschefs jedoch unabhängig und frei von Rückfragen bei seiner Landesregierung verhandeln kann, dann ist es m. E. ganz sicher der schweizerische.
Gegenwärtig ist übrigens der polnische Delegationschef – Major General Jurewicz war vorher stellvertretender Leiter der Militärakademie in Warschau – kein Diplomat.
Der tschechische Delegationschef, Major General Gazik, hat mir einen sehr konzilianten Eindruck hinterlassen.
Ich bedaure, dass der derzeitige schwedische Delegationschef, Major General Rathsman, wegen seines Alters und der Tatsache, dass er im letzten Jahre seiner Diplomatenkarriere, also unmittelbar vor der Pensionierung steht, für seinen schweizerischen Kollegen vermutlich keine grosse Unterstützung mehr sein wird. Major General Rathsman ist aber ein sehr kultivierter, sprachgewandter und liebenswürdiger Mann, und wir haben zu ihm und zu seiner charmanten Gattin von allem während der viertägigen Südreise einen herzlichen Kontakt knüpfen können.
7.3. Die Mitglieder der Schweizer Delegation NNSC
Anlässlich meiner drei Besuchstage in Panmunjom (10./11.5. und 19.5.1982) konnte ich mit allen übrigen sechs Delegationsmitgliedern10 frei und in deren Zimmer persönliche Gespräche führen und mir ihre Sorgen und Nöte – sofern vorhanden – aber auch erfreuliche Dinge anhören.
Ich habe jedoch bei allen Herren den Eindruck gewonnen, dass es ihnen sowohl gesundheitlich gut geht, wie sie sich auch in ihrem Einsatz im allgemeinen und in ihrer Funktion im speziellen wohl fühlen. Es ist dabei aber nicht auszuschliessen, dass jeder von ihnen so seine persönlichen Probleme und Problemlein haben wird, mit denen er selber fertig werden muss; es sind mir aber keine schwerwiegenden zu Ohren gekommen.
Man muss sich dennoch vergegenwärtigen, dass das Schweizer Lager trotz unmittelbarer Nachbarschaft des schwedischen, was übrigens einen engen und guten Kontakt zu den nordischen Kollegen erlaubt, doch in einer sehr einsamen Gegend liegt. Die Delegation lebt daher ständig auf relativ engem Raume beieinander und auch der Abend findet wieder gemeinsam im Swiss Club statt. Es muss also unweigerlich jedes Delegationsmitglied einen Teil seines «Ich» zugunsten eines ungestörten Zusammenlebens mit seinen Kameraden aufgeben. Das dürfte vielleicht nicht immer leicht sein, denn niemand ist schliesslich jeden Tag gleich gelaunt.
Wenn ferner nicht Einladungen nach Seoul erfolgen oder dienstliche Bedürfnisse eine Fahrt in die 1½ Autofahrstunden südlichen gelegene Hauptstadt erfordern, sind die Delegationsmitglieder die ganze Woche ans Lager in Panmunjom gebunden. Da hierbei auch die anfallende Arbeit oft nicht einen ganzen Arbeitstag zu füllen vermag, stellt sich natürlich sofort das Problem einer sinnvollen Freizeitgestaltung. Es ist daher durchaus verständlich, dass etwa Delegationsmitglieder, deren Funktion eher voll auf Panmunjom ausgerichtet ist, ganz einfach die nötigen Gelegenheiten suchen und schaffen, um mal während der Woche das Lager in Richtung Seoul verlassen zu können. Hier ist es dann am Delegationschef oder dessen Stellvertreter, die Frage nach der Notwendigkeit der vorgesehenen Fahrt zu stellen und zu ergründen und diese gegebenenfalls zu unterbinden.
Tatsache ist jedenfalls, dass die Delegationsmitglieder jeweils vom Freitagabend bis Montagmorgen das Lager verlassen können, das während dieser Zeit nur noch durch den sogen. «Duty Officer» gehütet wird. Es gibt also an den Wochenenden genügend Gelegenheiten, um der eventuellen Monotonie des Lagers zu entfliehen. Letztlich sind jedem Delegationsmitglied gemäss Arbeitsvertrag auch pro Jahr 4 Wochen Ferien zugestanden, was selbstverständlich eine willkommene Abwechslung bietet und zumeist zu Reisen im südostasiatischen Raume benützt wird.
Für sportliche Betätigung ist übrigens ein Tennisplatz vorhanden, der rege benützt wird. Auch sonst lässt sich in unmittelbarer Nähe des Lagers ein entsprechendes Fitnesstraining betreiben.
Es ist ferner zu erwähnen, dass viele unserer jungen Delegierten während ihres Einsatzes in Korea/Panmunjom erstmals überhaupt weiter von der Heimat entfernt sind und den Hauch der grossen Welt zu spüren bekommen. Sie erhalten Gelegenheit, mit allen Dienstgraden – ja bis zum Viersterne-General hinauf – von vielen fremden Armeen zusammenzutreffen, zu gesellschaftlichen Anlässen eingeladen zu werden, zu Vorteilen zu kommen, von denen sie zuhause in der Heimat höchstens träumen können und dürfen. Sie werden dabei in ihrem Verhalten natürlich von ihrer Umwelt genauestens unter die Lupe genommen und hinterlassen dabei sowohl gute wie auch weniger gute Eindrücke. Jedenfalls bin ich auf der Südreise von Brigadier Underhill, UK, mehrmals auf einen jungen Sekretär, der die Delegation erst im Verlaufe dieses Frühlings verlassen hat,11 in äusserst positiver Weise angesprochen worden. Also der eindeutige Beweis, diese jungen Leute der Swiss Army werden sehr genau beachtet. Diese Tatsachen sind für das eine oder andere Delegationsmitglied oft nicht leicht ertrag- und verdaubar. In solchen Momenten bedarf es der Hilfe seiner Kameraden oder gar des Delegationschefs. Ich bin daher auch recht glücklich, dass es sich seit 1969 eingebürgert hat, dass die Delegationschefs, sofern sie verheiratet sind, auch ihre Gattin mit ins Lager nach Panmunjom nehmen. Dass dies für die einzige Frau im Lager oft nicht sehr leicht ist, dürfte auf der Hand liegen. Ich werde auf diesen Punkt in anderem Zusammenhang später noch zurückkommen.12
Ein m. E. ungelöstes und auch unlösbares Problem sind die immer etwa wieder aus der Schweiz den Delegationsmitgliedern nachreisenden und sich in Südkorea, zumeist Seoul, etablierenden Freundinnen. Ohne die Sache überbewerten zu wollen, stellen sie unweigerlich ein gewisses Problem dar. Das betroffene Delegationsmitglied hat dann plötzlich und ganz automatisch – oft wird es gar nicht selbst erkannt – seine Interessen mehr in Seoul bei der Freundin, denn im Lager bei seiner Arbeit. Wir werden dieser Tatsache soweit überhaupt möglich unsere Beachtung schenken müssen.
Ferner ist es immer wieder üblich, dass man – wie es bei allen stehenden Heeren irgendwo auf unserer Welt der Fall ist – sich seine Freundin für die Freizeit, hier wäre es nun ein Koreaner Mädchen, hält. Oftmals wird sie bei Rückkehr in die Schweiz gerade dem Nachfolger «vererbt» oder man bringt sie sogar verlobt oder schon geehelicht nach Hause in die Schweiz. Ohne viel dagegen unternehmen zu wollen resp. zu können, wollte ich doch nicht verfehlen, auch auf diesen Punkt zu verweisen.
Auch der psychische Einfluss eines Lagers zwischen zwei schwerbewaffneten Fronten lässt sich, vielleicht zumindest im Anfang eines Dortseins, nicht verleugnen. Auch ich habe es in meiner ersten Nacht so empfunden. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass sich die beiden ehemaligen Kampfparteien wie schon angetönt des nachts u. a. auch über unser Lager hinweg mit Lautsprechern, aus denen sowohl Kampfparolen wie patriotische Lieder in grosser, weitreichender Lautstärke ertönen, «bekämpfen».
Ich habe in meinen Bemerkungen das Alter unserer Delegierten angesprochen. Bewusst habe ich seit Übernahme meiner Funktion eher auf die jüngere Garde gesetzt. Trotz den etwa wegen dieses jugendlichen Alters und der damit verbundenen grösseren Unerfahrenheit auftretenden Schwierigkeiten, bin ich gerade nach meinem Besuch noch mehr davon überzeugt, dass die bisherige Auswahl richtig war. Unerfahrenheit und Hemmungen werden durch einen grossen Einsatzwillen m. E. mehr als wettgemacht. Lieber die Leute zurückbinden, als immer anstossen und antreiben müssen. Der Delegationschef wird hier halt jeweils die Zügel straffen oder lockern müssen. Ich möchte in meinen Überlegungen zu diesem Punkt keineswegs etwa die schweizerische gegen die schwedische Delegation ausspielen, möchte aber eben so deutlich feststellen – und dies ohne selbst etwa überheblich sein zu wollen –, dass mir der manchmal etwas zurückzubindende Elan der jungen Schweizer besser gefallen hat, als die Zurückhaltung – oder ist es manchmal gar Lethargie? – ihrer schwedischen Kollegen. Man ist ja schliesslich in Panmunjom nicht nur um «stattzufinden», sondern um etwas, wenn’s auch oft nur wenig ist, zu tun!
Wenn ich so nun den Fingern auf einige Punkte im täglichen Leben eines Truppenlagers, das nicht nur während den drei Wochen der Verlegung einer Schule oder eines WK’s in der Heimat, sondern während Monaten und z. T. Jahren bewohnt wird, gelegt habe, so möchte ich doch deutlich in der Richtung verstanden sein, dass mir die Delegation und ihr Lebensstil in Panmunjom einen sehr guten Eindruck hinterlassen hat. Es ging mir mehr darum, ganz offen neben den schönen eben auch die Schattenseiten eines solchen Daseins zu beleuchten.
Abschliessend zu diesem Punkt möchte ich betonen, dass mir die hier aufgezeigten Tatsachen und Probleme durchaus bewusst waren und ich sie gegenüber allen neuen Koreadelegierten während der bisherigen Ausbildungsjahre auch nie verschwiegen habe. Durch meine jetzigen Beobachtungen an Ort und Stelle sind sie vielmehr vollauf bestätigt worden und ich werde sie inskünftig den neuen Delegierten noch deutlicher und mit gewissen Akzenten darlegen.
[...]13
8.1. Eindrücke über die Vertreter fremder Armeen
Ich hatte Gelegenheit mit Vertretern vieler fremder Armeen in Korea Kontakt zu pflegen, dies vor allem anlässlich der viertägigen Südreise. Meine Eindrücke sind durchwegs sehr gut bis ausgezeichnet. Hervorheben möchte ich die Disziplin der US- wie ROK-Truppen entlang der Route von Seoul nach Panmunjom. Der Grusspflicht wird überall sehr gut nachgekommen. In dieser Beziehung könnten unsere Soldaten in der Schweiz einiges lernen und der weitverbreitete Spruch von der Largeheit fremder Armeen wird hier Lügen gestraft. Auch die Organisation in allen ihren Varianten – diese konnte ich vor allem während der Südreise von Seiten der ROK Truppen beobachten – ist vorbildlich.
Selbstverständlich handelt es sich um kurzfristige Eindrücke, was vielleicht darüber hinwegtäuscht, dass es hinter den Kulissen auch nicht immer restlos zum Besten bestellt ist. Gerade aber bei den Truppenteilen nördlich Seouls gewinnt man den eindeutigen Eindruck, dass diese Leute genau wissen, für was resp. weswegen sie eingesetzt sind. Für eine entsprechende Motivation wird ja an der Demarkationslinie fast tagtäglich gesorgt.
Auch der persönliche Fahrer unseres Delegationschefs, Driver Kennedy, der mir oftmals ebenfalls zur Verfügung stand, hat mir bezüglich Einsatzwille und Zuvorkommenheit einen vorzüglichen Eindruck hinterlassen. Dass es im Strassenverkehrsgewimmel einer fernöstlichen Mehrmillionenstadt besonderer Fahrkünste bedarf, brauche ich wohl nicht speziell zu erwähnen.
8.2. Das koreanische Volk
Mit den Koreanern selber – ausser den militärischen Vertretern oder dem Hotelpersonal – hatte ich nur sehr wenige Kontakte, schon rein aufgrund der Sprachbarriere. Dennoch möchte ich die Höflichkeit, ständige Freundlichkeit und die Grosszügigkeit derselben hervorheben. Der zumindest englisch sprechende und in einer bestimmten zivilen Position befindliche Koreaner sucht den Kontakt zum Europäer gerne, zeigt ihm gerne sein Land, seinen Lebensstil und seine Errungenschaften. Er ist dankbar über jedes ehrlich gemeinte anerkennende Wort. Auch aus dieser Sicht – und vor allem auch von der kulturellen Seite her – ist Korea unbedingt eine Reise wert.
[...]14
9.2. Notwendigkeit der Reise
Ich vermag erst jetzt nach Rückkehr in die Schweiz von Woche zu Woche mehr zu ermessen, wie notwendig dieser erstmalige Besuch im Schweizer Lager nach nunmehr nahezu 29 Jahren war.
Nicht nur die Delegation als solche wusste diese Geste sehr zu schätzen und fühlte sich gemäss den Aussagen des Delegationschefs nun wieder näher an die Heimat gerückt, sondern auch die amerikanischen, südkoreanischen und weiteren Armeevertreter haben ihn entsprechend gewürdigt. Ohne dass man um meinen Besuch eine grosse Sache machte – er hat von der Kenntnisnahme durch die südkoreanische Öffentlichkeit bewusst und gut abgeschirmt werden können –, wurde einhellig grosse Genugtuung darüber laut und man erhielt so erstmals Klarheit darüber, dass die Schweiz ihre Delegation in Korea nicht vergessen hat und im luftleeren Raum unbeachtet wirken lässt. Man hat auch des Bestimmten der Meinung Ausdruck verliehen, dass mit diesem erstmaligen Besuch nach so langer Einsatzzeit eine Schallmauer endgültig durchbrochen sei und dass in zeitlichen Abständen diese Visite wiederholt werde, wie dies bei den anderen Delegationen von Anfang an der Fall gewesen ist.
9.3. Zeitliche Ausdehnung der Reise
Die zeitliche Ausdehnung der Reise aus zwei Wochen war ihrer Erstmaligkeit sehr angemessen, konnte doch auf diese Weise ein umfassender Überblick gewonnen werden. Ein nächster Besuch in einigen Jahren kann daher ohne weiteres im Zeitraum von einer Woche bewältigt werden.
Der Berichterstatter zieht aus der Reise nunmehr die folgenden Schlussfolgerungen:
10.1. Die Reise war eine unbedingte Notwendigkeit, intern für den seit 14 Jahren Verantwortlichen, nach aussen gegenüber den anderen verantwortlichen Stellen des koreanischen Waffenstillstandes. Sie war jedenfalls auf keinen Fall – wie etwa da oder dort der Eindruck entstehen könnte oder man sich gar in dieser Richtung ausgesprochen hat – eine Ferienreise!
10.2. Die Reise vermittelte dem Berichterstatter den schon längst benötigten Überblick an Ort und Stelle und bestätigte durch die erstmalige Entsendung eines offiziellen Vertreters in Uniform das schweizerische Interesse an diesem UNO-Mandat.
10.3. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen darf füglich behauptet werden, dass die Reise schon vor 10 oder 12 Jahren erstmals hätte durchgeführt werden sollen. Es hätte wohl einiges effektvoller gestaltet werden können.
10.4. Die Reise wird eine Reihe von Änderungen im Rahmen der Betreuung der Delegation seitens des verantwortlichen Chefs mit sich bringen. Für die Verwirklichung der mitgebrachten Ideen – die, und das darf füglich bereits jetzt gesagt werden, sicher finanzielle Einsparungen bringen werden – bedarf es selbstverständlich einiger Zeit.
10.5. Die Reise ist zur Aufrechterhaltung der geschaffenen Kontakte und der ständigen Verbesserung des Informations- und Ausbildungsstandes des verantwortlichen Chefs und Ausbilders mindestens alle 2–3 Jahre zu wiederholen. Ich habe daher bereits für das Budget 1984 den nötigen Kredit im Rahmen der Ausgaben für die Korea-Mission vorgesehen. Eine zweite Reise sollte m. E. im Herbst 1984 stattfinden.15
[...]16
- 1
- CH-BAR#E2010A#1995/313#5449* (B.73.0.3). Dieser Bericht wurde vom Chef der Sektion Konventionen/Sonderaufgaben/Rechtsdienst des Bundesamts für Adjutantur des EMD, Oberst Adolf Kaufmann, verfasst. Kopien gingen an das EMD, den Generalstabschef, Korpskommandant Jörg Zumstein, den Ausbildungschef, Korpskommandant Roger Mabillard, den Direktor des Bundesamts für Adjutantur, Divisionär Emanuel Stettler, an das EDA, den Chef der schweizerischen NNSC-Delegation, Botschaftsrat Peter Niederberger, sowie an den schweizerischen Botschafter in Seoul, Carlo Jagmetti. Das hier edierte Exemplar ging an die Politische Abteilung II des EDA. Das EDA äusserste sich zunächst ablehnend gegenüber einem offiziellen Besuch von EMD-Vertretern in Panmunjom aufgrund der befürchteten politischen Implikationen von offiziellen Kontaktnahmen in Nord- und Südkorea, vgl. dodis.ch/66798. Nachdem das Bundesamt für Adjutantur seine Pläne auf eine reine Inspektionsreise beschränkte, erklärte sich das EDA damit einverstanden, vgl. das Dossier CH-BAR#E2001E-01#1991/17#5963* (B.73.Corée.0.3).↩
- 2
- Für das vollständige Dokument vgl. das Faksimile dodis.ch/65659.↩
- 3
- Vgl. dazu QdD 21, Dok. 40, dodis.ch/33842, und Dok. 41, dodis.ch/65590.↩
- 4
- Für das Waffenstillstandsabkommen in Korea vom 27. Juli 1953 vgl. QdD 21, Anhang 2, dodis.ch/60000.↩
- 5
- Botschaftsrat Otto Bornhauser.↩
- 6
- Vgl. die Notiz von Botschaftsrat Bornhauser vom 5. Mai 1982, dodis.ch/66796.↩
- 7
- Vgl. die Notiz von Botschaftsrat Bornhauser vom 1. Juni 1982, CH-BAR#E2010A#1995/313#5447* (B.73.0.1(33)).↩
- 8
- Gemeint ist die Notiz des Chefs der Politischen Abteilung II des EDA, Botschafter Arnold Hugentobler, an Botschaftsrat Bornhauser vom 26. Mai 1982, dodis.ch/66821.↩
- 9
- Der Bundesrat beschloss am 17. September 1954 mit Minister Alfred Escher erstmals einen Diplomaten zum Chef der schweizerischen NNSC-Delegation zu ernennen, vgl. das BR-Prot. Nr. 1560, dodis.ch/66797.↩
- 10
- Paul Oberli, Robert Vogel, Kurt Rindlisbacher, Roger Meyer, Daniel Kunz, Martin Hobi.↩
- 11
- Daniel Stadelmann.↩
- 12
- Für das vollständige Dokument vgl. das Faksimile dodis.ch/65659.↩
- 13
- Für das vollständige Dokument vgl. das Faksimile dodis.ch/65659.↩
- 14
- Für das vollständige Dokument vgl. das Faksimile dodis.ch/65659.↩
- 15
- Die zweite Inspektionsreise von Oberst Kaufmann fand 1986 statt.↩
- 16
- Für das vollständige Dokument vgl. das Faksimile dodis.ch/65659.↩
Tags
Neutrale Überwachungskommission des Waffenstillstands in Korea (NNSC)