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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 27, doc. 79
volume linkZürich/Locarno/Genève 2022
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E-01#1988/16#903* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)-01/1988/16 213 | |
Dossier title | Europäische Sicherheitskonferenz / Ostblock 16.6.-30.9.1977 (1976–1978) | |
File reference archive | B.72.09.15.1 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E-01#1988/16#910* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)-01/1988/16 220 | |
Dossier title | Durchführung der KSZE Beschlüsse. Allgemeine Korrespondenz (1973–1978) | |
File reference archive | B.72.09.15.1.(03).1 |
dodis.ch/49213Aufzeichnung des Diensts Information und Presse des Politischen Departements1
Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) Kapitel «Information» der Schlussakte von Helsinki. Sitzung am 29. August 1977 um 14.30 Uhr2
Herr Andres (EPD) begrüsst die Teilnehmer an der heutigen Sitzung3 und schlägt die folgende Traktandenliste vor: 1. Bericht über die Vorbereitungskonferenz in Belgrad4. 2. Stand der Durchführung der Schlussakte von Helsinki5. 3. Vorschau auf die Hauptkonferenz in Belgrad6.
Herr Renk (EPD) gibt einen kurzen Überblick über Belgrad I: Festlegung der Tagesordnung, des Beginns und der Dauer der Belgrader Hauptkonferenz im Herbst 1977.
Herr Bischof (EPD) gibt einen Überblick über den Stand der bilateralen Durchführung der Schlussakte von Helsinki auf dem Sektor der Information7. Bekanntlich hat das EPD im April 1977 durch die schweizerischen Botschaften an alle Aussenministerien der Warschauer Pakt-Staaten eine Note8 gerichtet, in der das Interesse schweizerischer Zeitungen für eine vermehrte Verbreitung bekanntgegeben worden ist. Die Reaktion auf diese Intervention war erwartungsgemäss eher zurückhaltend bis negativ, wobei die Oststaaten auf die bekannten Schwierigkeiten (Devisen, Reziprozität) hingewiesen haben9. Teilerfolge konnten jedoch in Polen und Ungarn erzielt werden. Was die Arbeitsbedingungen für Journalisten10 betrifft, so hat sich das EPD bei einzelnen ihm bekannten Fällen für schweizerische Medienvertreter eingesetzt. Zur Zeit stehen wir in Verhandlungen mit Ungarn betreffend die Erteilung von Dauervisa für schweizerische Auslandkorrespondenten in Wien.
Herr Andres (EPD) ergänzt diesen Überblick mit dem Hinweis darauf, dass der Generalsekretär des EPD, Botschafter Weitnauer, bei seinen kürzlichen 5 Reisen in die Oststaaten Europas11 auch die Probleme des Informationsaustausches zur Sprache gebracht hat.
Herr Schmid (EVED) erwähnt, dass die Sowjetunion via Intervision mit Sitz in der CSSR einen starken Einfluss auf den Programmaustausch innerhalb der Oststaaten zugunsten der sowjetischen Kultur ausübt12. Im Bereich der elektron[ischen] Medien ist im Gegensatz zur Presse ein stärkerer Austausch von Westen nach Osten festzustellen, der denjenigen in umgekehrter Richtung um ein Vielfaches übersteigt. Es ist bekannt, dass im Osten sehr häufig westliche Radiosender gehört werden, gemäss amerikanischer Umfrage in Polen sogar stärker als Radio Warschau. Die DDR hat in letzter Zeit Kontakte zur SRG aufgenommen, um die gegenseitige Übernahme von Sendungen zu fördern13. Die schweizerische Delegation in Belgrad wird vom EVED eine Dokumentation über diesen Mediensektor erhalten.
Herr Seelhofer (VSJ) entschuldigt den abwesenden Präsidenten14 seines Verbandes. Der VSJ sieht Korb 3 in einem grundsätzlicheren Zusammenhang als verschiedene Regierungen, nicht nur die schweizerische. Die Schlussakte von Helsinki sollte eine Geisteshaltung widerspiegeln. In diesem Sinne ist die Frage, 50 NZZ mehr in den Oststaaten, zwar auch wichtig, aber sie trifft nicht den Kern des Problems. Man kämpft um letzte kleine Residuen des Geistes von Helsinki. Der VSJ ist in Bezug auf die 1. Belgrader Konferenz bereit anzuerkennen, dass die Schweizerdelegation keinerlei Terrain preisgegeben hat. Wir betrachten das als Erfolg. Im EPD wird offensichtlich auch als Erfolg gebucht, dass wir mit den N + N-Staaten zusammengearbeitet haben15. Der VSJ sieht jedoch für die 2. Belgrader Konferenz im Zusammenhang mit den Blockfreien gewisse Gefahren. Denn vor allem die Jugoslawen haben sich zum Sprachrohr einer Haltung gemacht, die auf dem Gebiet der Medienfreiheit und Medienschaffenden total anders ist, als das, was der VSJ vertritt. Hier gibt es keine Angleichung der Standpunkte. Unsere Haltung zu den grundsätzlichen Problemen, wie sie in der UNESCO-Mediendeklaration16 zum Ausdruck kam, ist allseits bekannt. Diese Grundsatzdiskussionen werden wohl auch in Belgrad zur Sprache kommen, deshalb wird der VSJ den Antrag stellen, die schweizerische Delegation möge auch nichtgouvernementale Experten in Belgrad beiziehen.
Der Zentralpräsident17 des VSJ hat kürzlich um ein Visum nach Polen ersucht, wobei ihm die polnischen Behörden eine Prüfungsfrist von 16 Tagen als Bedingung gestellt haben. Eine Intervention des EPD konnte daran nichts ändern. Das Visum wurde schliesslich nicht erteilt.
Herr Andres (EPD) erinnert daran, dass für uns Belgrad nicht zu einem Tribunal werden soll. Bundesrat Graber hat dies mehrmals im Parlament erklärt; er hat aber auch darauf hingewiesen, dass die schweizerische Delegation eine klare Haltung bei der Nachfolgekonferenz einnehmen wird18.
Herr Renk (EPD): Die schweizerische Zusammenarbeit im Rahmen der N + N an der Vorkonferenz in Belgrad beschränkte sich auf rein prozedurale Fragen. Während der Genfer Phase der KSZE gab es im Bereich des 3. Korbes nur eine Zusammenarbeit unter den neutralen Ländern, nicht aber mit den ungebundenen Staaten19. Die UNESCO-Mediendeklaration wird unseres Wissens in Belgrad nicht zur Sprache kommen. Eine Teilnahme von nichtstaatlichen Experten ist in keiner Delegation vorgesehen.
Herr Jäger (SPK) ist, was die grundsätzlichen Fragen betrifft, 100 %ig mit Herrn Seelhofer einverstanden. Die Politik der kleinen Schritte, wie sie unsere Regierung praktiziert, ist aber trotzdem als überaus wertvoll einzuschätzen. Jede auch noch so kleine Lockerung ist für den Osten gefährlich, für uns demnach nützlich. Eine gewisse Unruhe haben diese bescheidenen Anstrengungen bereits geschaffen in einem Block, den wir früher als monolithisch betrachtet haben.
Herr Steiner (Frepol): Das EJPD hat im Einvernehmen mit dem EPD einige Erleichterungen für Journalisten der WaPa-Staaten als Vorleistungen eingeführt. Es ist deshalb erstaunlich, dass der Präsident des VSJ den geschilderten Schwierigkeiten begegnet ist. Wir haben auch früher schon Visakriege mit gewissen Oststaaten (DDR, Ungarn, CSSR) geführt20. Nach kurzer Zeit hatten wir die Erleichterungen, die wir zu beanspruchen berechtigt waren. Unser Entgegenkommen darf nicht mit Dummheit verwechselt werden.
Herr Dubois (EPD) erläutert die näheren Umstände des Visumgesuches von Fürsprecher Eric Walter.
Herr Waldner (BK) hat aufgrund von Kontakten mit rumänischen Diplomaten den Eindruck gewonnen, dass dieses Land einem vermehrten Zeitungsaustausch nicht abgeneigt wäre. Das Gewicht sollte in Zukunft vermehrt auf den Austausch von Zeitungsartikeln gelegt werden, da dies erfolgversprechender ist.
Herr Seelhofer (VSJ) teilt diese Auffassung und bittet das EPD um entsprechende Hilfe. Die NZZ hat bereits einige Zeitungen direkt angeschrieben und einen Artikelaustausch vorgeschlagen. Dieser Versuch blieb aber erfolglos.
Herr Renk (EPD) stellt den Verbänden einige Ideen vor, die die schweizerische Delegation im Herbst vorbringen könnte21. Als erstes nennt er die Schaffung eines gesamteuropäischen Pools für Zeitungsartikel (Details vergleiche separater Text22).
Herr Jäger (SPK) hat aus der Sicht des Praktikers beträchtliche Bedenken gegenüber eines gesamteuropäischen Pools. Östliche Zeitungsartikel sind bekanntlich trostlos langweilig. Wir können niemanden zwingen, solche Texte zu publizieren. Mit dem Erfolg, dass, wenn wir keine Artikel übernehmen, die Oststaaten von uns auch nichts veröffentlichen. Ein Pool zwischen Westeuropäern und Amerikanern wäre hingegen eine sehr gute Sache.
Herr Häring (UNAG) möchte nochmals zurückkommen auf den Austausch von Zeitungen. Dieser liesse sich sehr gut fördern, wenn nicht die leidige Devisenfrage wäre. Der Osten hat nur für dringend benötigte Publikationen wie technische Zeitschriften Geld zur Verfügung. Die Rumänen haben sich vor einigen Jahren bemüht, ihre deutschsprachige Tageszeitung «Der Neue Weg» hier zu verkaufen. Der Versuch hat aber wegen mangelndem Interesse des Publikums fehlgeschlagen.
Die Distripress wird 1978 in Warschau eine Kongress durchführen, wo unter anderem auch der Informationsaustausch zwischen West und Ost besprochen wird. Eine vorherige Besprechung mit dem EPD wäre sehr nützlich.
Herr Seelhofer (VSJ) schliesst sich der Meinung von Herrn Jäger betreffend den europäischen Pool an. Ein von Regierungen aufgezogener und verwalteter Pool wäre abzulehnen.
Herr Renk (EPD) erwidert, dass dieser Pool nicht notwendigerweise staatlicher Natur sein müsste und stellt als weitere Idee die Ausarbeitung einer Konvention zwecks Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Auslandkorrespondenten vor. Er erinnert an die einschlägigen Artikel der Schlussakte von Helsinki23 sowie an einen bestehenden Entwurf des Europarates24, der entsprechend abzuändern und zu vereinfachen wäre.
Herr Seelhofer (VSJ) erwähnt, dass die internationale Journalistenföderation ebenfalls eine solche Resolution gefasst hat. Mit der Schaffung einer Konvention wäre der VSJ einverstanden. Diese sollte aber über das bereits bestehende hinausgehen, sonst sollte man lieber davon absehen.
Herr Jäger (SPK) kann die Idee einer Konvention vorbehaltlos unterstützen und relativiert die Einwände seines Vorredners. Die Politik der kleinen Schritte ist auch hier notwendig, denn auf dem gesamteuropäischen Gebiet besteht in dieser Richtung heute gar nichts. Ein erster Schritt, so klein er ist, kann ein Durchbruch sein.
Herr Andres (EPD) erklärt abschliessend, dass die bilateralen Kontakte mit den interessierten Verbänden auch weiterhin aufrecht erhalten werden. Vorschläge für Belgrad sind jederzeit willkommen. In der Woche vor dem 4. Oktober 1977 wird das EPD eine Pressekonferenz abhalten, in der den Medien die Schweizer Delegation25 vorgestellt wird.
- 1
- Aufzeichnung: CH-BAR#E2001E-01#1988/16#903* (B.72.09.15.1). Verfasst und unterzeichnet von E. Bischof.↩
- 2
- Anwesend: E. Andres, F. Dubois, E. Bischof, H. Renk, Ch. Jean-Richard, H. Seelhofer, J. Jäger, E. Haering, B. Rostan, C. Tchimorin, P. Waldner, W. Steiner, A. Schmid, A. Clerc und B. Junod.↩
- 3
- Für die Sitzungen vom 26. Mai 1976, 15. September 1976 und 2. März 1977 vgl. Doss. CH-BAR#E2001E-01#1988/16#899–901* (B.72.09.15.1).↩
- 4
- Vgl. dazu die Notiz von A. Hegner an P. Graber vom 10. August 1977, dodis.ch/49215 sowie den Bericht von H. Renk vom 17. Oktober 1977, CH-BAR#E2001E-01#1988/16#904* (B.72.09.15.1).↩
- 5
- Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa vom 21. Juli 1975, doc. CSCE/CC/64, BBl, 1975, II, S. 924–1006. Vgl. dazu DDS, Bd. 26, Dok. 177, dodis.ch/38875.↩
- 6
- Zur Eröffnung des Belgrader Treffens der KSZE vgl. DDS, Bd. 27, Dok. 89, dodis.ch/49323 und zum Schlussdokument vgl. DDS, Bd. 27, Dok. 126, dodis.ch/49325.↩
- 7
- Vgl. dazu das Schreiben von H. Seelhofer an E. Andres vom 1. März 1977, dodis.ch/49214. Allgemein für eine Bilanz zum Stand der KSZE vgl. das Referat von P. Graber vom 12. August 1976 für die Sitzung vom 26./27. August 1976 der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats, dodis.ch/48323.↩
- 8
- Memorandum vom 25. März 1977, CH-BAR#E2001E-01#1988/16#910* (B.72.09.15.1.(03).1).↩
- 9
- Vgl. dazu das Rundschreiben von E. Andres an die schweizerischen Botschaften in Osteuropa vom 25. Mai 1977, dodis.ch/49216 sowie Doss. wie Anm. 8.↩
- 10
- Vgl. dazu das Rundschreiben von E. Andres an die schweizerischen Botschaften in Osteuropa vom 3. Juni 1977, dodis.ch/52875.↩
- 11
- Vgl. dazu die Notiz von H. Renk vom Februar 1978, dodis.ch/48996.↩
- 12
- Zur Anwendung der KSZE-Bestimmungen im Kultur- und Bildungsbereich vgl. die Aufzeichnung von M. Appenzeller der Aussprache vom 23. März 1977, dodis.ch/52973.↩
- 13
- Vgl. dazu DDS, Bd. 27, Dok. 86, dodis.ch/49336, Punkt 9.↩
- 14
- E. Walter.↩
- 15
- Zur Zusammenarbeit der Gruppe der N+N während der Verhandlungen der zweiten Phase der KSZE in Genf vgl. DDS, Bd. 26, Dok. 89, dodis.ch/38858. Zu den KSZE-Treffen der vier Neutralen in Helsinki (29./30. April 1976), der N+N in Belgrad (31. Januar/1. Februar 1977) und der Neutralen in Bern (9./10. Mai 1977) vgl. die Zusammenstellung dodis.ch/C1655.↩
- 16
- Die Beschlussfassung über den Entwurf für eine Erklärung über die grundlegenden Prinzipien des Beitrags der Massenmedien zur Stärkung des Friedens und der internationalen Verständigung, zur Förderung der Menschenrechte und zur Bekämpfung von Rassismus, Apartheid und Aufhetzung zum Krieg vom 1. Juli 1976, UNESCO doc. 19 C/91 (1976) wurde an der 19. Generalkonferenz der UNESCO in Nairobi im November 1976 auf später verschoben. Vgl. dazu das BR-Prot. Nr. 1815 vom 20. Oktober 1976, dodis.ch/51028; den Bericht von G. Ruf vom Dezember 1976, dodis.ch/51032, S. 23 f. sowie die Notiz von P. Stauffer vom 28. Dezember 1976, dodis.ch/51031, Punkt 5.↩
- 17
- E. Walter.↩
- 18
- Vgl. die Antworten von P. Graber vom 8. März 1977 auf die Motion Fischer-Bremgarten vom 17. Dezember 1976 und die Interpellation Gut vom 28. September 1976, Amtl. Bull. NR, 1977, S. 38–40 und 45 f. sowie vom 20. Juni 1977 auf die Interpellation Oehler vom 17. März 1977, Amtl. Bull. NR, 1977, S. 882 f.↩
- 19
- Vgl. dazu DDS, Bd. 27, Dok. 173, dodis.ch/49326.↩
- 20
- Zur DDR vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 83, dodis.ch/31170 und zur ČSSR die Notiz von A. Janner vom 12. November 1962, dodis.ch/30380.↩
- 21
- Vgl. dazu Doss. CH-BAR#E2001E-01#1988/16#912* (B.72.09.15.1.(03).3).↩
- 22
- Nicht ermittelt.↩
- 23
- Vgl. BBl, 1975, II, S. 924–1006, bes. S. 945 f.↩
- 24
- Entwurf für eine Europäische Konvention über ausländische Korrespondenten vom 29. Oktober 1976, CM(76)257. Vgl. dazu Doss. CH-BAR#E2003A#1990/3#167* (o.121.314.0).↩
- 25
- Für die Ernennung der Delegation vgl. das BR-Prot. Nr. 1606 vom 29. September 1977, dodis.ch/54158. Zur Eröffnung des Belgrader Treffens der KSZE vgl. DDS, Bd. 27, Dok. 89, dodis.ch/49323.↩
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Organization for Security and Co-operation in Europe (OSCE)
Press and media CSCE follow-up meeting in Belgrade (1977–1978)