Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
II. BILATERALE BEZIEHUNGEN
10. Italien
10.2. Handelsvertragsverhandlungen
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 5, doc. 1
volume linkBern 1983
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E13#1000/38#612* | |
Old classification | CH-BAR E 13(-)1000/38 123 | |
Dossier title | Protokolle (1903–1904) |
dodis.ch/42856 PROTOKOLL DER SITZUNG VOM 11. JANUAR 1904 BETREFFEND DIE HANDELSVERTRAGSUNTERHANDLUNGEN MIT DEM DEUTSCHEN REICH UND ITALIEN1
Der Vorsitzende beantragt, zuerst das Referat von Dr. Eichmann über die
Besprechungen in Frankfurt a/M.2 entgegenzunehmen, sodann das weitere Vorgehen mit Deutschland und in letzter Linie das Vorgehen mit Italien zu besprechen. Er hat Hrn. Unterhändler Dr. Laur zur heutigen Sitzung nicht eingeladen,
weil die italienische Angelegenheit nur nebenbei zur Behandlung kommen wird.
Er erteilt Hrn. Dr. Eichmann das Wort.
Erstes Traktandum: Unterhandlungen mit Deutschland.
Hr. Dr. Eichmann referiert über die Veranlassung und den Verlauf der
Frankfurter Beratungen und geht dann zur Besprechung der von Hm. von
Koerner für unsere Hauptausfuhrartikel gemachten Offerten im einzelnen über
(siehe den beiligenden schriftlichen Bericht)3. Was das weitere Vorgehen bei den
Unterhandlungen anbetrifft, so hat der Referent auf die Anfrage des Hrn. von
Koerner, wie er sich dasselbe denke, geantwortet, dass die auf dem deutschen
Tarif in Aussicht gestellten Konzessionen weit davon entfernt seien, unseren
Erwartungen zu entsprechen und dass unter diesen Umständen die Schweiz nicht in eine zweite Lesung eintreten könne. Auf die Anfrage des Referenten, wie man sich dieses Vorgehen deutscherseits vorstelle, habe Hr. von Koerner erklärt,
dass, nachdem die deutsche Regierung der Anregung des Bundesrates betreffend vertrauliche Besprechungen Folge gegeben habe, es Sache des Bundesrates sei,
sich über das Resultat derselben zu äussern und dazu Stellung zu nehmen. Die deutsche Regierung werde eine bezügliche Anfrage an den Bundesrat gelangen lassen.
Der Vorsitzende verdankt das Referat. Er erwähnt einen Besuch, den ihm der deutsche Gesandte kurz nach der Frankfurter Entrevue gemacht habe. Hr. von
Bülow habe dabei wiederholt erklärt, dass man in Berlin grossen Wert darauf lege, mit uns bald zu einem Vertragsabschluss zu gelangen; speziell habe er zwei
Punkte hervorgehoben. Bezüglich Zuchtvieh bestehe alle Geneigtheit, unserem
Begehren zu entsprechen, hinsichtlich des Nutzviehes sei einige Aussicht vorhanden, dass man uns entgegenkommen werde. Beim Käse könne man vielleicht auf den Status quo gehen. Der Sprechende habe Hm. von Bülow erklärt, dass das nicht genüge, dass wir mehr haben müssen. Hr. Deucher verliest einen Bericht von Hrn. Minister Roth, vom 9. Januar, und fügt dann bei, es müsse ein Irrtum sein, wenn Hr. von Koerner laut diesem Bericht gesagt habe, es pressiere mit der Fortsetzung der Unterhandlungen nicht, nachdem doch Hr. von Bülow wiederholt erklärt habe, dass die deutsche Regierung auf baldigen Abschluss dringe4
. Es werde heute über das weitere Vorgehen zu beschliessen sein, ob wir von uns aus vorgehen oder die von deutscher Seite in Aussicht gestellte Anfrage gewärtigen wollen.
Hr. Nationalrat Künzli: Die von Deutschland in Frankfurt gemachten Offerten haben sich bei der ersten Lesung erwarten lassen. Man kann sie aber erst beurteilen, wenn wir wissen, was Hr. Dr. Eichmann den Deutschen offeriert hat. Es sollte die Delegation beauftragt werden, sich hierüber mit Hrn. Dr. Eichmann zu besprechen und das weitere Vorgehen zu beraten.
Hr. Nationalrat Frey bemerkt, er habe, als er sah, dass die Deutschen zwei Vertreter nach Frankfurt schickten, gebeten, ebenfalls delegiert zu werden. Er hat die Überzeugung, dass Hr. von Koerner in einer grösseren Versammlung ebensoweit gegangen wäre als er in Praxi nun gegangen ist. Die Stellung des Hrn. Dr. Eichmann sei eine sehr schwierige gewesen, weil wir von den Deutschen den Status quo wünschen und verlangen, dass sie von uns eine Verschlechterung des Status quo5 annehmen sollen. In Einzelbesprechungen ohne verbindlichen Charakter lasse sich nicht weitermachen. Es sei nun an uns, Deutschland zu erklären, was wir haben müssen, damit die Verhandlungen auf dem ordentlichen Wege weitergehen können. Hr. von Koerner habe gesagt, es pressiere ja nicht; Hr. Frey glaubt, es sei dies so zu verstehen, dass man deutscherseits zunächst die Behandlung der Interpellation der konservativen Partei, betreffend Kündigung der jetzigen Handelsverträge, abwarten und uns bei diesem Anlass im Reichstag Furcht einflössen wolle. Er ersucht, auf einen allfälligen Wunsch Deutschlands, mit den vertraulichen Besprechungen fortzufahren, nicht einzutreten, sondern zu gewärtigen, was Deutschland schriftlich offeriere, und dann unsere Wünsche zu formulieren.
Hr. Bundespräsident Comtesse bemerkt, bei der Neujahrsgratulation habe Hr. von Bülow erklärt, die Schwierigkeiten seien nicht zu gross, um zu einer Verständigung zu gelangen. Der Sprechende glaubt, wir werden da noch verschiedene Etappen zurückzulegen haben. Wenn die Deutschen nicht pressiert sind, so haben wir nicht nötig, es mehr als sie zu sein. Er ist auch der Ansicht, dass wir warten sollten, bis sie die Konzessionen formulieren, die sie uns machen wollen.
Hr. Bundesrat Forrer schliesst sich der Auffassung des Hrn. Künzli an, dass man wissen sollte, was für Offerten von uns gemacht worden sind.
Der Vorsitzende richtet an Hrn. Dr. Eichmann die Frage, ob er bereit sei, hierüber zu referieren.
Hr. Dr. Eichmann: Wenn im Referat nicht auf die Einzelheiten über diese Seite der Besprechungen eingetreten worden ist, so hat das seinen Grund darin, dass die Positionen, auf die von Seiten Deutschlands Gewicht gelegt werden muss, ausserordentlich zahlreich sind. Wir haben an Deutschland nur etwa 200 Begehren gestellt, Deutschland an uns dagegen etwa 600 bis 700. Infolgedessen waren an Hrn. von Koerner über eine grosse Anzahl Positionen Eröffnungen zu machen. Es würde zuviel Zeit in Anspruch nehmen, darüber hier zu referieren. Es müssten dazu die nötigen Erklärungen über die gegenwärtigen und die neuen Zollansätze gegeben werden.
Hr. Nationalrat Künzli beantragt, die Frankfurter Abmachungen6 zu vervielfältigen und den Mitgliedern der Kommission auszuteilen.
Hr. Nationalrat Frey erachtet es als bedenklich, ein solches Protokoll zu vervielfältigen. Wenn man davon Einsicht nehmen kann, so wird dies genügen.
Der Vorsitzende: Man könnte im Sinne des ersten Antrages des Hrn. Künzli die beiden Delegierten beauftragen, die Sache gemeinsam mit dem Chef der Handelsabteilung durchzunehmen.
Hr. Dr. Eichmann: Wir könnten wenigstens den Ingress und den Schluss lesen. Was die Ansätze anbetrifft, so hat der Sprechende mit Hrn. Nationalrat Frey versucht, vor der Besprechung eine gewisse Grenze aufzustellen. Wir sind zum Teil, aber nur für wenige Artikel, auf den Status quo gegangen, zum Teil etwas unter denselben, wo es im Interesse der betreffenden Industrie liegt, diese Artikel billig einzuführen. Sonst sind wir überall über dem Status quo geblieben. Damit unsere Stellungnahme verstanden werden kann, wäre es absolut nötig, für jede einzelne Position die Motive anzugeben.
Der Vorsitzende würde es vorziehen, dass die Herren Unterhändler die Sache mit Hrn. Dr. Eichmann durcharbeiteten. Unabhängig davon würde man aber heute beschliessen, Deutschland nicht zu begrüssen, sondern zuzuwarten.
Hr. Bundesrat Forrer: Was die laut dem Bericht des Hrn. Minister Roth vom 9. Januar von Hrn. Staatssekretär von Richthofen beabsichtigte Abkommandierung eines der jetzt in Rom engagierten deutschen Kommissäre anbetrifft, so will der Sprechende ablehnen. Auf alle Fälle sollte man nicht nach Mailand gehen.
Der Vorsitzende: Es besteht Einverständnis, dass man abwarten soll, was uns Deutschland proponiert, und ferner, dass die HH. Delegierten mit Hrn. Dr. Eichmann die Frankfurter Abmachungen durchgehen.
Hr. Dr. Eichmann bemerkt, Deutschland müsse überhaupt die Initiative für eine zweite Lesung ergreifen. Wenn die Einladung an uns gelange, werde es an uns sein, zu erklären, in welchen Punkten wir mit den Frankfurter Eröffnungen nicht zufrieden seien. Anderseits werde auch Deutschland hinsichtlich derjenigen Positionen, für welche es die von uns in Frankfurt in Aussicht gestellten Konzessionen nicht als genügend erachte, seine Begehren formulieren. So komme es auf eine Art zweiten Austausches der Begehren hinaus. Wenn uns von Deutschland nicht mitgeteilt werde, dass Hr. von Koerner mit bestimmten Instruktionen versehen sei, so werde man auf Pourparlers nicht mehr eintreten können. Bezüglich der Frankfurter Besprechungen bemerkt Redner, er habe dabei nicht etwa die Meinung, dass das, was an schweizerischen und deutschen Konzessionen gegenübergestellt sei, als ausgetauscht zu betrachten sei. Es handle sich hier nur um schweizerische und deutsche Erklärungen unverbindlicher Natur, nicht um einen Austausch von Konzessionen wie bei den Delegationsunterhandlungen; Sache der beiden Regierungen sei es, zu denselben Stellung zu nehmen und dann sich über die Fortsetzung der Unterhandlungen in einer zweiten Lesung schlüssig zu machen. Verliest den Ingress und den Schluss des Frankfurter Protokolls.
Der Vorsitzende geht, da mit Bezug auf die Unterhandlungen mit Deutschland momentan nichts mehr zu besprechen ist, zur Frage betreffend das Vorgehen hinsichtlich Italiens über. Er erwähnt einen Bericht des Hrn. Minister Pioda vom 9. Januar7, wonach letzterem vom italienischen Minister des Auswärtigen, Hrn. Tittoni, bemerkt worden sei, wir möchten es nicht übelnehmen, dass die italienische Regierung nun zuerst mit Deutschland in Unterhandlungen eintrete. Der Sprechende weist dann darauf hin, dass Italien zuerst Schwierigkeiten gemacht habe, die Begehren, wie es zwischen uns und Deutschland geschehen, gegenseitig auszutauschen. Hinterher sei es dann darauf eingetreten, behalte sich aber vor, nachträglich noch neue, höhere Begehren zu stellen, je nach der Tragweite unserer Forderungen. Wir haben eine Note an Italien beantragt, worin wir sagen wollten, dass wir ein solches Vorgehen nicht acceptieren können. Hr. Deucher verliest den vom 7. Januar datierten Antrag des Departements an den Bundesrat8. Gegenüber Deutschland haben wir immer vom Austausch der gegenseitigen Begehren gesprochen, ohne irgendwelchen Vorbehalt.
Hr. Bundesrat Forrer hat Bedenken, dass wir Italien zumuten können, seine Begehren jetzt endgültig zu stellen. Die Natur einer Vertragsunterhandlung bedinge, dass man noch im letzten Augenblick Begehren aufstellen könne; schliesslich müsse man doch in einem Vertrag über alles einverstanden sein. Unsere Prätention scheine ihm völkerrechtlich unzulässig. Der Sprechende ist sicher, dass man auch nach deutscher Auffassung noch Begehren in jedem Stadium der Unterhandlungen stellen kann. Der Charakter eines Vertrages lasse es nicht zu, dass eine derartige Ausschliessung stattfinde.
Der Vorsitzende konstatiert, dass dies bereits geschehen sei in der Note vom 1. Dezember9.
Hr. Bundesrat Forrer: Dann müssen wir einfach sagen, wir verzichten auf den Schriftenwechsel. Wir wollen jetzt die Italiener anfangen lassen.
Hr. Nationalrat Künzli stellt fest, dass die Deutschen auch noch nachträgliche Begehren gestellt haben, und zwar für Vieh und für Weichkäse, etwa bei 5 oder 6 Positionen.
Hr. Nationalrat Frey ist auch der Ansicht, es sollte in jedem Stadium gestattet sein, neue Forderungen anzumelden. Die Note vom 1. Dezember habe nicht den Sinn, Italien förmlich zu verbieten, neue Begehren zu stellen. Die Italiener haben gesagt, wir verlangen den Status quo, aber wenn dann Euere Forderungen kommen, behalten wir uns vor, einen neuen Block von Begehren aufzustellen. Hr. Frey findet, nachdem einmal dieser Schriftenwechsel eingeführt worden sei und sich als sehr praktisch erwiesen habe, so liege darin keine Unhöflichkeit, wenn wir den Italienern sagen, sie möchten uns mit einem solchen Vorgehen verschonen. Italien wolle die Verhandlungen verschleppen und dann schliesslich die Schuld der Verschleppung auf uns wälzen. Es wolle eine Verlängerung des bisherigen Vertrages. Was Hr. Bundesrat Forrer sage, möge vom juristischen Standpunkt aus richtig sein, aber praktisch laufe es doch auf eine Verschleppung hinaus.
Hr. Bundespräsident Comtesse: Wir können die Note verschieben und die italienischen Begehren gewärtigen. Wir können den Italienern unsere Auffassung nicht aufdrängen. Das einfachste wäre, wenn wir sagten, wir behalten uns auch noch spätere Begehren vor; das würde aber die Verhandlungen nicht erleichtern. Man sollte der Note nicht den imperativen Charakter geben. Wir sollten Italien vorschlagen, dieses Procedere anzunehmen und dann seine Begehren abwarten. Wir können darauf verzichten, diese Recharge zu schicken. Was wir vermeiden müssen, ist, dass Italien uns sagt, wir wollen ihm ein Vorgehen auf drängen, das es nicht annehmen könne.
Hr. Dr. Eichmann: Bei der Eröffnung von Vertragsunterhandlungen kann man auf verschiedene Art verfahren. Bis jetzt war es der Brauch, dass die Unterhändler ihre Instruktionen beim Beginn der Unterhandlungen austauschten. Die Eröffnung der Begehren erfolgte gleichzeitig. Man verlor dann immer einige Wochen Zeit, bis man die Begehren des ändern Teils geprüft hatte. Nun haben wir Deutschland vorgeschlagen, dass man die Begehren vorher schriftlich und gleichzeitig austausche, nicht in der Meinung, dass man jedem Teil Gelegenheit geben wolle, von seinen Begehren wegzunehmen oder hinzuzutun, was ihm beliebe. So ist auch Deutschland gegenüber Russland vorgegangen. Es hat natürlich nicht den Sinn, dass nicht nachträglich noch Begehren gestellt werden. Aber so wie Italien jetzt vorgehen will, wird der Zweck des Austausches vollständig verfehlt. Unsere Unterhändler müssten dann in Rom warten, bis sie neue Instruktionen betreffend die nachträglichen italienischen Begehren erhalten hätten. Es ist allerdings richtig, dass in der Note etwas zu bestimmt gesagt wird, dass es die Totalität der Forderungen sein müsse. Man könnte die Sache etwas mildern. Wenn aber Italien nicht will, so sollte man auf den Austausch verzichten und auf die bisherige Art vorgehen.
Hr. Bundespräsident Comtesse verliest die Note des italienischen Ministers des Auswärtigen10, worin gesagt wird, die italienische Regierung werde demnächst in der Lage sein, uns ihre Begehren betreffend die italienische Einfuhr in die Schweiz in Form eines Tableau zu übermitteln.
Hr. Bundesrat Forrer: Ein Teil muss den Anfang machen. Wir haben gekündet, jetzt müssen wir auch sagen, was wir wollen. Ob ein Teil der Begehren des ändern etwas früher kenne oder nicht, ist gleichgültig. Die Hauptsache ist, dass wir zu einem Vertrag kommen.
Hr. Bundespräsident Comtesse: Wir müssen von unserm Standpunkt nicht abgehen, sondern nur eine etwas andere Form wählen.
Hr. Nationalrat Frey: In diesem Fall schiene es mir richtiger, dass wir auf alles zurückkommen. Wir sollten einfach gar nicht auswechseln.
Der Vorsitzende: Das wäre das frühere Verfahren.
Hr. Bundesrat Forrer: Was profitieren wir denn dabei?
Hr. Nationalrat Frey: Dass die Italiener nichts verschleppen können. Es geht dann Zug um Zug in Rom. Man sollte der Regierung deutlich nahelegen, dass sie alles beim ersten Anlass anmelde, was sie verlangen wolle. Die Fassung des vorgelegten Notenentwurfes scheint auch für uns etwas verfänglich; wir binden uns ja auch.
Der Vorsitzende: Man muss das in einer Form schreiben, dass es nicht verletzt.
Hr. Nationalrat Frey: Wenn der Bundesrat die italienischen Begehren kennt, so kann er seine Unterhändler schon hier instruieren, und zwar auch mit Bezug auf den schweizerischen Tarif.
Hr. Bundespräsident Comtesse: Man kann den Italienern auch sagen, dass dieses Vorgehen schon von uns gegenüber Deutschland und von Deutschland gegenüber Russland eingeschlagen worden sei.
Hr. Bundesrat Forrer verliest zwei Schreiben des Handelsdepartements an Hrn. Pioda vom 16. und 18. Dezember und einen Bericht des letztem vom 21. gleichen Monats. Hr. Forrer hat dem italienischen Minister, Hrn. Avarna, gesagt, es müsse entweder hier oder in Rom ausgewechselt werden. Wir haben erklärt, wie wir den Schriftenwechsel verstehen. Die Italiener wissen es. Hinsichtlich der Stellung des Hrn. Pioda bemerkt er, es sei besser, wenn derselbe sich an den Unterhandlungen nicht aktiv beteilige, besonders auch im Interesse seiner allgemeinen und nachherigen Position. Er könne unsere Delegierten einführen und etwa noch bei den Beratungen über den Text gegenwärtig sein, nicht aber bei den Tarifverhandlungen mitwirken.
Hr. Nationalrat Frey fände es etwas misslich, wenn Hr. Pioda unsere Forderungen in der Hand hätte. Man habe in Berlin oft über dem Ansatz der Instruktion bleiben müssen. Wenn dann Hr. Pioda in einem analogen Fall etwa dazu käme, die Rolle eines Vermittlers spielen zu wollen, so könnte er die Stellung der Unterhändler präjudizieren.
Hr. Nationalrat Künzli: Hr. Minister Roth hat sich in die Tariffragen gar nie eingemischt.
Der Vorsitzende: Man müsste sich Hrn. Pioda gegenüber auf das Verhalten von Hrn. Minister Roth berufen.
Hr. Bundespräsident Comtesse: Warum sollte Hr. Pioda den Sitzungen nicht beiwohnen? Man kann ihm ja zu verstehen geben, dass er den Tarifverhandlungen nicht beizuwohnen brauche. Es wäre sonst eine «Capitis deminutio» für ihn. Wenn er nachher unmöglich wird, so ist das ein Risiko, das alle Diplomaten treffen kann.
Hr. Nationalrat Frey: Wir hatten gewünscht, dass Hr. Pioda überhaupt nicht Delegierter werden solle. Dann wäre er gänzlich ausserhalb der Situation geblieben. Nachdem er nun Mitglied ist, und zwar erstes Mitglied, kann man ihm keinen Maulkorb anlegen.
Hr. Bundesrat Forrer: Hr. Pioda bleibt in vollem Masse Unterhändler, und zwar der erste. Er sagte dem Sprechenden, er wolle bei den Unterhandlungen zugegen sein; wenn man denn etwas scharf aufeinandergerate, so könnte er vermittelnd eingreifen. Davon kann natürlich nicht die Rede sein. Wir legen ihm nahe, bei den technischen Fragen die HH. Unterhändler machen zu lassen; er müsse mit denselben immer einig gehen11.
- 1
- E 13 (B)/165. Teilnehmer: Bundesrat Deucher (Handelsdépartement, Vorsitz), Bundespräsident Comtesse (Politisches Departement), Vizepräsident Ruchet (Finanz- und Zolldepartement), Bundesrat Forrer (Vorsteher des Handelsdepartementes pro 1903), Nationalrat Künzli, Nationalrat Frey, Eichmann (Chef der Handelsabteilung).↩
- 2
- Die Frankfurter Besprechungen zwischen A. Eichmann und Geheimrat von Koerner fanden vom 11. bis zum 20. Dezember 1903 statt.↩
- 3
- Nicht ermittelt.↩
- 4
- Die entsprechende Stelle im Bericht Roths an Deucher vom 9. Januar 1904 lautet: [...] Überrascht hat mich die Bemerkung des Herrn von Koerner, er finde, mit Herrn Eichmann, es liege im Interesse des Zustandekommens einer Verständigung zwischen uns und Deutschland, dass man nicht pressiere, womit ich ja vollkommen einverstanden bin; nur war ich erstaunt, dies aus dem Munde des H. von Koerner zu vernehmen, der bis vor kurzem immer die Dringlichkeit des Zustandekommens der neuen Abmachung vertreten hat. In dieser Beziehung urteilt Freiherr von Richthofen anders. Er sprach sich gestern erneuert dahin aus, wir müssen notwendig darauf bedacht sein, recht bald ans Ziel zu kommen. Er beabsichtige denn auch, noch in diesem Monate einen der jetzt in Rom engagierten deutschen Unterhändler abzudelegieren, um entweder in Bern, oder vielleicht auch etwa in Mailand wieder mit einem Vertrauensmanne von uns weiter zu verhandeln. [...] (E 13 (B)/161).↩
- 5
- Der Status quo beruhte auf dem Handels- und Zollvertrag zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reich vom 10. Dezember 1891 (AS 1890-1893, NF 12, S. 505 ff.).↩
- 6
- Schlussprotokoll der Frankfurter Besprechungen zwischen Eichmann und von Koerner, 22. Dezember 1903 (E 13 (BJ/161).↩
- 7
- E 13 (B)/222.↩
- 8
- E 13 (B)/222.↩
- 9
- Zur vorbereitenden Phase der Verhandlungen mit Italien vgl. Bd. IV.↩
- 10
- E 13 (B)/222.↩
- 11
- Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 23. Februar 1904: Der Bundesrat hat am 9. Dezember 1903 als schweizerische Spezialdelegierte für die Handelsvertragsunterhandlungen mit Italien definitiv die Herren Minister Pioda, Nationalrat A. Künzli, Nationalrat A. Frey und Dr. Laur bezeichnet. Ferner enthält das Protokoll den Passus: Was Herrn Minister Pioda betrifft, so ist nach den im Bundesrate erwogenen Gründen und nach der vom Chef des Handelsdepartements mit dem Genannten gepflogenen Rücksprache, dessen Mitwirkung an den eigentlichen Vertragsunterhandlungen als nicht wünschbar zu betrachten. Es wird beschlossen: l.Herr Pioda sei vom Handelsdepartement zu beauftragen, der italienischen Regierung die Zusammensetzung der schweizerischen Delegation zu notifizieren, die Delegierten einzuführen und vorzustellen, sowie als erstgewählter Delegierter an sämtlichen Beratungen der Unterhändler unter sich und mit den italienischen Behörden und Unterhändlern teilzunehmen. Dabei wird es jedoch Herrn Pioda freigestellt, nach seinem Ermessen sich von den Verhandlungen rein technischer Natur, über die Ansätze des Vertragstarifs, oder von einzelnen dieser Verhandlungen zu dispensieren, wie es in den Verhandlungen des vergangenen Herbstes mit der Zustimmung des Handelsdepartements seitens des Herrn Minister Roth gehalten worden ist. Es ist aber Gewicht darauf zu legen, dass die schweizerischen vier Unterhändler nach aussen stets einig auftreten. [...] (E 1004 1/216).↩
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