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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 23, doc. 148
volume linkZürich/Locarno/Genève 2011
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E2001E#1978/84#5341* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 2001(E)1978/84 532 | |
Titre du dossier | Besuch der Schweiz durch österreichische Persönlichkeiten: Toncic von Lujoa, Aussenminister (1966–1966) | |
Référence archives | B.15.50.4 • Composant complémentaire: Oesterreich |
dodis.ch/31105
Interne Notiz des Politischen Departements1
Notiz über die Vorbesprechung am 7. Juni 1966 im Hinblick auf den Besuch von Aussenminister Lujo Tončić am 13./14. Juni 19662
[…]3
In den Voten der Teilnehmer kristallisieren sich anschliessend folgende Probleme4 heraus, die entweder von uns besprochen werden sollten oder mit deren Zitierung österreichischerseits wir rechnen müssen:
1. Bilaterale Probleme
a) Zusammenarbeit auf diplomatischem Gebiet5
(Österreichische Interessenvertretung durch einzelne unserer diplomatischen Missionen, vor allem in Afrika): Angesichts der Möglichkeit, dass Österreich sich der EWG zuwendet und damit einen uns grundlegend fremden Weg beschreitet, dürfte eine gewisse Zurückhaltung unsererseits in dieser Frage angezeigt sein. Falls andererseits der Anschluss Österreichs an die EWG nicht realisierbar sein sollte, wäre die Interessenvertretung6 für uns ein nicht unwillkommenes Instrument, in gewissem Masse die österreichische Neutralitätspolitik zu beeinflussen. – Wir werden deshalb diese Frage nicht von uns aus aufnehmen und einen allfälligen österreichischen Vorstoss dahin beantworten, das Problem befinde sich bei uns noch in Prüfung.
b) Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe7
Herr Lindt hat anlässlich seines Besuches in Wien8 den Eindruck erhalten, dass diese Zusammenarbeit nur in einer Richtung funktioniert, indem nämlich nicht die geringste österreichische Reaktion erfolgte. Wir sollten nun unserer seits einen Österreicher zu uns einladen, haben aber keine Ahnung, wen, weil sich in Wien offenbar verschiedene Ministerien nicht einig sind. – Es besteht kein brennendes schweizerisches Interesse daran, die Frage aufzunehmen.
c) Zusammenarbeit auf militärischem Gebiet9
Die Frage einer schweizerischen Benützung österreichischer Waffenplätze10 ist noch nicht zur Entscheidung reif und braucht von uns aus nicht besprochen zu werden. – An einer Zusammenarbeit auf waffentechnischem Gebiet sind wir nicht interessiert, weil die Österreicher uns nichts zu bieten haben.
d) Zusammenarbeit auf parlamentarischem, kulturellem11
und industriellem Gebiet
Eine Besprechung scheint im Augenblick, von uns aus, nicht nötig, da diese Fragen direkten Kontakten der interessierten Gruppen überlassen werden können.
e) Handelsverkehr
Es liegen drei Pendenzen vor (österreichische Umsatzsteuerrückvergütungen für Exporte; Umsatzsteuernachzahlungen für schweizerische Importe in Österreich; Rundholzexporte nach der Schweiz)12, die aber alle noch auf unterem Niveau behandelt werden und sich deshalb nicht zum Vortrag auf Aussenministerebene eignen.
2. Multilaterale Probleme
a) Problem der österreichischen EWG-Assoziation13
Hier liegt eindeutig ein schweizerisches Bedürfnis nach einer Aussprache vor. – Obschon das österreichische Aussenministerium für Integrationsfragen nicht zuständig ist, dürfte es doch angezeigt sein, den Österreichern unsere Einschätzung der neutralitätspolitischen Lage, wie sie sich aus dem öster reichischen Beitrittsgesuch zur EWG ergibt, in möglichst klarer und lapidarer Weise auseinanderzusetzen, ebenso die Gründe, die uns bewogen haben, dem österreichischen Beispiel nicht zu folgen. Im Zusammenhang mit den österreichischen Assoziationsverhandlungen sollten wir zudem Auskünfte suchen über die Fragen der institutionellen Harmonisierung (einschl. Retor sionsmassnahmen etc.) und über die Reaktion und die Resultate (auch innenpolitisch) der kürzlichen österreichischen diplomatischen Aktion bei den EWG-Ländern betreffend Fortsetzung der Assoziationsverhandlungen.
b) Friedliche Beilegung von Streitfällen durch Vermittlung des Europarates
Wir haben kein Interesse daran, die Frage von uns aus aufzugreifen, da unsere Einstellung zum Europarat14 – besonders wenn es darum geht, ihm den UN-Status einer regionalen europäischen Organisation zu geben – von einer gewissen Reserve geprägt ist.
c) Entwicklungs- und Finanzhilfe
Österreich ist dem DAC15 beigetreten, und obschon es dort – soweit uns bekannt ist – keine grossen Stricke zerrissen hat, könnten wir vielleicht doch einige Kommentare erhalten.
d) Sitz internationaler Organisationen
Die Österreicher sollten darauf aufmerksam gemacht werden, dass wir ein wenig Anstoss genommen haben an der Art, wie sie kürzlich versuchten, den Sitz des Weltpostvereins16 nach Wien verlegen zu lassen. Wir haben selbstverständlich kein Sitz-Monopol, aber der Wettbewerb lässt sich auch in anderer Weise führen (wie z. B. im Falle der Atomenergie-Behörde).
3. Internationale (politische) Probleme
a) Abrüstung, Nicht-Proliferation, Kernwaffenfreie Zonen17
Hier würde uns die österreichische Stellung ausdrücklich interessieren.
b) Europäische Sicherheitskonferenz18
Die Dänen haben durchblicken lassen, sie möchten an der von ihnen vorgeschlagenen Konferenz auch die Neutralen teilnehmen lassen. Sollte dem dänischen Vorschlag in Brüssel ein Erfolg beschieden sein, so wäre es für uns interessant, die österreichische Reaktion zu vernehmen.
c) Vietnam, Problem der geteilten Staaten19
Auch hier interessieren wir uns für die österreichische Einstellung.
Auf Grund obiger Besprechung dürfte sich ungefähr folgendes Programm für die Arbeitssitzung ergeben:
1. Allfällige bilaterale Fragen (sofern von Österreich gewünscht;20 von uns aus keine21)
2. Multilaterale Fragen:
a) Österreichs EWG-Assoziationsgesuch
b) Entwicklungs- und Finanzhilfe
3. Internationale Politik:
a) Abrüstung, Kernwaffenfreie Zonen, Nicht-Proliferation
b) Europäische Sicherheitskonferenz
c) Vietnam
- 1
- Notiz: E 2001(E) 1978/84 Bd. 532 (B.15.50). Verfasst von H. Kaufmann.↩
- 2
- Vgl. dazu das Protokoll von H. Kaufmann vom 13. Juni 1966, dodis.ch/31106 und die Notiz von C. H. Bruggmann an P. R. Jolles vom 8. Juli 1966, dodis.ch/31626. Vgl. ferner das österreichische Protokoll vom 13. Juni 1966, Doss. wie Anm. 1; das BR-Verhandlungsprot. der 34. Sitzung vom 31. Mai 1966, E 1003(-) 1994/26 Bd. 4, S. 3 und das BR-Verhandlungsprot. der 35. Sitzung vom 3. Juni 1966, E 1003(-) 1994/26 Bd. 4, S. 4.↩
- 3
- Aufzählung der Teilnehmer: P. Micheli, E. Stopper, F. Bieri, R. Bindschedler, P. R. Jolles, A. R. Lindt, E. Thalmann, H. Marti, W. Jaeggi, A. Janner, J. Iselin und H. Kaufmann. Für das vollständige Dokument vgl. dodis.ch/31105.↩
- 4
- Vgl. dazu auch DDS, Bd. 23, Dok. 63, dodis.ch/31092, bes. Anm. 3.↩
- 5
- Vgl. dazu DDS, Bd. 23, Dok. 63, dodis.ch/31092, Anm. 14.↩
- 6
- Zur Vertretung fremder Interessen vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 101, dodis.ch/31456, bes. Anm. 2, 6, 7 und 10.↩
- 7
- Vgl. dazu das BR-Prot. Nr. 2128 vom 5. Dezember 1966, dodis.ch/31127.↩
- 8
- Vgl. dazu Doss. E 2005(A) 1978/84 Bd. 43 (t.261).↩
- 9
- Vgl. dazu den Militärbericht Nr. 31 aus Wien vom 5. November 1965, dodis.ch/31110.↩
- 10
- Vgl. dazu DDS, Bd. 23, Dok. 63, dodis.ch/31092.↩
- 11
- Vgl. dazu die Notiz von L. Mossaz vom 14. Oktober 1966, E 2807(-) 1974/12 Bd. 50.↩
- 12
- Vgl. dazu Doss. E 7110(-) 1977/9 Bd. 126 (862.1).↩
- 13
- Vgl. dazu die Notiz von A. Escher vom 26. Mai 1964, dodis.ch/31117; die Notiz von J. Iselin vom 3. Juli 1964, dodis.ch/31119; die Notiz von R. Bindschedler vom 6. Juli 1964, dodis.ch/31121; das Protokoll der integrationspolitischen Aussprache mit J. Klaus von R. Pestalozzi vom 7. Juli 1964, dodis.ch/31124; die Notiz von P. R. Jolles an E. Stopper vom 12. Januar 1965, dodis.ch/31657; die Notiz von P. R. Jolles vom 25. März 1965, dodis.ch/31222; die Notiz von P. Micheli an W. Spühler vom 24. Oktober 1966, dodis.ch/31108; das BR-Verhandlungsprot. der 86. Sitzung vom 6. Dezember 1965, E 1003(-) 1994/26 Bd. 3, S. 4 und das BR-Verhandlungsprot. der 80. Sitzung vom 9. Dezember 1966, E 1003(-) 1964/26 Bd. 4, S. 4 f.↩
- 14
- Vgl. dazu DDS, Bd. 23, Dok. 141, dodis.ch/31820.↩
- 15
- Zum DAC vgl. die Notiz von P. Micheli an F. T. Wahlen vom 21. April 1965, dodis.ch/31529.↩
- 16
- Zum Standort des Weltpostvereins vgl. z. B. das Telegramm Nr. 16 von A. Escher an die Abteilung für Internationale Organisationen des Politischen Departements vom 4. Februar 1966, dodis.ch/31591 sowie das Telegramm Nr. 42 von A. Escher an P. Micheli vom 6. Mai 1966, dodis.ch/31593.↩
- 17
- Zum Nonproliferationsabkommen vgl. die Notiz von R. Bindschedler an F. T. Wahlen vom 22. Okto ber 1965, dodis.ch/31876. Zur Beschaffung von Atomwaffen vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 15, dodis.ch/31971.↩
- 18
- Zur Frage einer europäischen Sicherheitskonferenz vgl. auch die Notiz von P. Micheli an W. Spühler vom 29. Juli 1966, dodis.ch/31870.↩
- 19
- Zur Problematik der Anerkennung von geteilten Staaten vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 43, dodis.ch/31039, Anm. 2, 9 und 14.↩
- 20
- Handschriftlich durchgestrichen.↩
- 21
- Handschriftlich durchgestrichen.↩
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