Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 1992, doc. 59
volume linkBern 2023
more… |▼▶2 repositories
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2023A#2003/421#3732* | |
Dossier title | Opérations de maintien de la paix - Peacekeeping: Généralités, Band 4 (1992–1993) | |
File reference archive | o.718.12 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2023A#2003/421#3724* | |
Dossier title | Force armée des Nations Unies - Casques bleus, Band 3 (1992–1993) | |
File reference archive | o.715.8 |
dodis.ch/62528Notiz an die Chefin der Politischen Abteilung III des EDA, Botschafterin von Grünigen1
Bericht [zur Sicherheitspolitik] über die Legislaturperiode 1991–1995
Nachstehend finden Sie die gewünschten Informationselemente für Ihren Bericht über die Sicherheitspolitik:2
Der Bundesrat hat am 22. Mai 1992 vom Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens zum Bundesgesetz über schweizerische Blauhelmtruppen Kenntnis genommen.4 Aufgrund der überwiegend befürwortenden Stellungnahmen der begrüssten Kantone, Parteien und interessierten Organisationen hat er das EDA und das EMD beauftragt, einen Botschafts- und Gesetzesentwurf auszuarbeiten. Am 24. August hat der Bundesrat Botschaft und Entwurf zum Bundesgesetz über schweizerische Truppen für friedenserhaltende Operationen gutgeheissen.5 Die nicht federführende aussenpolitische Kommission des Nationalrates hat am 6. November 1992 als erste Kommission die Blauhelmvorlage behandelt und zu Handen der federführenden Sicherheitskommission des Nationalrates einen befürwortenden «Mitbericht» abgegeben.6 Die Sicherheitskommission des Ständerats hat die Vorlage am 16. November 1992 behandelt und Eintreten beschlossen.7 Sie wird ihre Beratungen im Januar mit der Detaildebatte fortsetzen. Falls das Parlament die Botschaft 1993 gutheisst und kein fakultatives Referendum ergriffen wird, könnte ein erstes schweizerisches Blauhelmbataillon von 600 Mann ab Ende 1994 der UNO und KSZE zur Verfügung gestellt werden.8
Die im April 1990 begonnene personelle Mitwirkung im Rahmen der UNTSO im Nahen Osten wurde auch 1992 fortgesetzt.10 Die Schweiz stellte dieser ältesten Militärbeobachtermission wiederum fünf Offiziere zur Verfügung.
Am 25. März 1992 hat der Bundesrat beschlossen, der UNPROFOR im früheren Jugoslawien ebenfalls Militärbeobachter zur Verfügung zu stellen.11 Vier Offiziere haben Ende März ihre Arbeit in Kroatien aufgenommen, zwei weitere im Juli in Bosnien-Herzegowina.12
Erstmals fand vom 27.04.–15.05.1992 in Winterthur und im Raum Frauenfeld ein schweizerischer Ausbildungskurs für zukünftige Militärbeobachter statt.13 14 Schweizer und 14 ausländische Offiziere wurden dabei auf ihre Aufgabe vorbereitet. Der Kurs hat auch in der Öffentlichkeit ein grosses, positives Echo gefunden. Die derzeit ausgebildeten 45 Schweizer Militärbeobachter vermögen der zunehmenden Nachfrage nicht zu genügen. Es ist deshalb vorgesehen, 1993 erneut einen Militärbeobachterkurs mit internationaler Beteiligung durchzuführen.
Der Bundesrat hat am 15.01.1992 beschlossen, den seit September 1991 bestehenden Einsatz der SMU in der Westsahara bis Ende 1992 zu verlängern.15 Aufgrund der eingetretenen Schwierigkeiten bei der Verwirklichung des Schlichtungsplans der UNO wurde seitens der Schweiz im März 1992 eine Reduktion der SMU von anfangs 84 auf 64 Personen vorgenommen.16 Am 01.10.1992 hat der Bundesrat die Anpassung des medizinischen Konzepts an den reduzierten Einsatz der MINURSO gutgeheissen und die schweizerische Mitwirkung bis Ende 1993 verlängert.17 Die beiden Nebenkliniken in Smara und Dakhla werden bis Ende Jahr geschlossen. Die medizinische Betreuung der MINURSO-Angehörigen erfolgt inskünftig durch die Klinik Laâyoune, vorgeschobene Sanitätsposten und laufende Betreuung mittels Flugzeugpatrouillen. Diese Anpassung des medizinischen Konzepts erlaubt ab Januar 1993 eine weitere Personalreduktion um ca. 15 auf maximal 50 Personen.18
Folgende Überlegungen haben den Bundesrat zu einer Verlängerung des Einsatzes der SMU bewogen: Ein einseitiger Rückzug der SMU mit ihrer Rückgratfunktion für die ganze MINURSO würde bei der weltweiten Überbeanspruchung des UNO-Peacekeeping-Apparats eine nur sehr schwer schliessbare Lücke hinterlassen.19 Ein Ausstieg der Schweiz könnte die laufenden Verhandlungen mit den Parteien erschweren und könnte von der internationalen Staatengemeinschaft als Desolidarisierung empfunden werden. Das Engagement der nicht der UNO angehörenden Schweiz zur Mittragung auch schwieriger Operationen würde wohl für längere Zeit an Überzeugungskraft verlieren und die Glaubwürdigkeit unserer Disponibilität und Solidarität in Frage stellen.
Die Finanzierung der friedenserhaltenden Aktionen erfolgt zum einen durch die jährlichen Massnahmenpakete, die eine regelmässige solidarische Leistung an eine Vielzahl von friedenserhaltenden Operationen darstellen, für die die UNO-Mitglieder Pflichtbeiträge entrichten. Die diesbezüglichen Aufwendungen der Schweiz erhöhten sich von 15 Mio. Franken 1991 auf 17 Mio. Franken 1992.20 Sie werden, bis auf die – für 1992 3 Mio. Franken betragenden – Kosten für die Militärbeobachter, dem EDA-Budget belastet. Zum andern leistet die Schweiz periodisch substantielle Beiträge an zeitlich begrenzte Einzeloperationen wie derzeit die MINURSO, welche dem Budget des EMD belastet werden. Die Kosten des Einsatzes der SMU beliefen sich 1991 auf 19,27 Mio. Franken. Für 1992 wurden sie auf 22,3 Mio. Franken veranschlagt.21
Das Budget der Vereinten Nationen für die friedenserhaltenden Operationen und damit auch die Pflichtbeiträge ihrer Mitglieder haben sich seit 1991 verdreifacht.
1991 wurden vier neue friedenserhaltende Operationen der UNO geschaffen (UNIKOM, MINURSO, ONUSAL, UNAVEM II) und 1992 drei (UNPROFOR, UNTAC, ONUSOM).
Die Schweiz beteiligt sich daran wie folgt:
– UNIKOM (Irak/Kuwait): seit April 1991 zwei Pilatus Porter22
– MINURSO (Westsahara): seit September 1991 medizinische Versorgung23
– ONUSAL (El Salvador): 50 000 US Dollar an die «Commission de la vérité»24
– UNAVEM II (Angola): 10 Wahlbeobachter September/Oktober 199225
– UNPROFOR (Ex-Jugoslawien): 6 Militärbeobachter, 40 gebrauchte UNIMOGS aus der Kriegsreserve sowie zwei gepanzerte Geländefahrzeuge.26
– UNTAC (Kambodscha): Nebst humanitären Leistungen der DEH,27 Finanzierung eines Zollexperten der SGS im Rahmen einer Abklärungsmission vom Dezember 1991:28 Erhöhung – insbesondere wegen der UNTAC – des Jahreshöchstbetrags für den weltweiten REGA-Ambulanzdienst zugunsten verletzter und verwundeter «Peace-keeper» von Fr. 500 000.– auf Fr. 1 000 000.–.29
– Zusätzlich pro memoria: Zurverfügungstellung von drei Schweizer Zollbeamten im Rahmen der KSZE – zwei in Brüssel, einer in Bulgarien – zur Überwachung der UNO-Sanktionen gegen Serbien/Montenegro.30
- 1
- CH-BAR#E2023A#2003/421#3724* (o.715.8). Diese Notiz wurde von Gabriela Nützi Sulpizio von der Sektion Vereinte Nationen und internationale Organisationen verfasst und vom stv. Direktor der Direktion für internationale Organisationen (DIO) des EDA, Botschafter Hansrudolf Hoffmann, unterzeichnet. Es handelt sich bei dieser Notiz um den Beitrag der DIO zum Geschäftsbericht 1992 des Bundesrats. Der Direktor der Politischen Direktion des EDA, Staatssekretär Jakob Kellenberger, bat mit Schreiben vom 27. November 1992 die Dienste seiner Direktion, ihre Beiträge für den Geschäftsbericht des Bundesrats bis am 15. Dezember 1992 dem stv. Chef des Politischen Sekretariats des EDA, Johannes Kunz, zukommen zu lassen, vgl. CH-BAR#E2010A#2001-161#23* (A.11.12.2).↩
- 2
- Die vorliegende Notiz bildet die Grundlage für das Kapitel 3. Sicherheitspolitik des Abschnitts Legislaturplanung 1991–1995: Bericht zum Jahr 1992, vgl. den Bericht des Bundesrates über die Geschäftsführung der Eidgenössischen Verwaltung im Jahre 1992, S. 12–15.↩
- 3
- Vgl. dazu die thematische Zusammenstellung Beteiligung an den Friedenstruppen der Vereinten Nationen (Blauhelme), dodis.ch/T2038.↩
- 4
- Tatsächlich nahm der Bundesrat an seiner Sitzung vom 20. Mai 1992 Kenntnis vom Vernehmlassungsverfahren, vgl. das BR-Prot. Nr. 961 vom 20. Mai 1992, dodis.ch/60655.↩
- 5
- Vgl. das BR-Prot. Nr. 1460 vom 24. August 1992, dodis.ch/60971. Für die Botschaft betreffend das Bundesgesetz über schweizerische Truppen für friedenserhaltende Operationen vom 24. August 1992 vgl. dodis.ch/54910.↩
- 6
- Zur Sitzung der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats vom 6. November 1992 vgl. dodis.ch/60884.↩
- 7
- Zur Sitzung der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats vom 16. November 1992 vgl. dodis.ch/62237.↩
- 8
- National- und Ständerat stimmten der Blauhelmvorlage am 18. Juni 1993 zu, vgl. Amtl. Bull. NR, 1993, III, S. 1452, und Amtl. Bull. SR, 1993, III, S. 580. Gegen diesen Entscheid wurde von der Lega dei Ticinesi mit weiterer Unterstützung ein Referendum ergriffen. Das Volk lehnte die Vorlage am 12. Juni 1994 mit 57% Nein-Stimmen ab, BBl 1994, III, S. 1251. Zur Abstimmung über die Blauhelmvorlage vgl. die Zusammenstellung dodis.ch/C2269.↩
- 9
- Vgl. dazu die thematische Zusammenstellung Militärische Beobachtungsmissionen, dodis.ch/T2280.↩
- 10
- Für den Beschluss fünf schweizerische Militärbeobachter in der UNTSO einzusetzen vgl. das BR-Prot. Nr. 591 vom 19. März 1990, dodis.ch/54793. Zur Verlängerung dieses Einsatzes vgl. das BR-Prot. Nr. 2254 vom 20. November 1991, dodis.ch/57834.↩
- 11
- Vgl. das BR-Prot. Nr. 554 vom 25. März 1992, dodis.ch/60669.↩
- 12
- Vgl. dazu die Zusammenstellung dodis.ch/C2221.↩
- 13
- Zum Swiss UN Military Observer Course (SUNMOC) vgl. die Dossiers CH-BAR#E5572-01#2005/183#169* und CH-BAR#E5572-01#2005/183#172* (912).↩
- 14
- Vgl. dazu DDS 1991, Dok. 60, dodis.ch/58732, sowie die thematische Zusammenstellung Mission der Vereinten Nationen für das Referendum in der Westsahara (MINURSO), dodis.ch/T1842.↩
- 15
- Vgl. das BR-Prot. Nr. 28 vom 15. Januar 1992, dodis.ch/58007.↩
- 16
- Der schweizerische Führungsausschuss zum MINURSO-Einsatz beschloss an seiner Sitzung vom 20. Januar 1992, die Personalreduktion auf 65 Personen bekannt zu geben. Im März 1992 wurde eine Reduktion des SMU-Personalbestands auf 61 Personen vollzogen. Vgl. dazu das Dossier CH-BAR#E2023A#2003/421#3326* (o.713.30(1)).↩
- 17
- Vgl. das BR-Prot. Nr. 1884 vom 1. Oktober 1992, dodis.ch/62861.↩
- 18
- Für den Entscheid des schweizerischen Führungsausschusses zum MINURSO-Einsatz, die Nebenkliniken für eine Personalreduktion zu schliessen, vgl. das Protokoll der Sitzung vom 14. August 1992, dodis.ch/62894.↩
- 19
- Vgl. dazu DDS 1992, Dok. 16, dodis.ch/58969, Punkt 3.↩
- 20
- Vgl. das BR-Prot. Nr. 1338 vom 27. Juni 1990, dodis.ch/56106, sowie das BR-Prot. Nr. 2254 vom 20. November 1991, dodis.ch/57834.↩
- 21
- Für eine Übersicht der finanziellen Aufwände der Schweiz für die MINURSO vgl. das BR-Prot. Nr. 1259 vom 26. Juni 1991, dodis.ch/56955.↩
- 22
- Vgl. das BR-Prot. Nr. 706 vom 17. April 1991, dodis.ch/59413, sowie die Zusammenstellung dodis.ch/C2090.↩
- 23
- Vgl. das BR-Prot. Nr. 1259 vom 26. Juni 1991, dodis.ch/56955, sowie die thematische Zusammenstellung Mission der Vereinten Nationen für das Referendum in der Westsahara (MINURSO), dodis.ch/T1842.↩
- 24
- Die DIO übermittelte den Entscheid ihres Direktors, Botschafter François Nordmann, die Wahrheitskommission zu unterstützen, am 31. Juli 1992 an die schweizerische Botschaft in Guatemala, vgl. dodis.ch/62738.↩
- 25
- Vgl. dazu dodis.ch/62898 sowie die Zusammenstellung dodis.ch/C2085.↩
- 26
- Vgl. dazu die Zusammenstellung dodis.ch/C2221.↩
- 27
- Vgl. dazu die Notiz der Sektion humanitäre Zusammenarbeit der Direktion für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe (DEH) des EDA vom 28. Oktober 1992, dodis.ch/62962.↩
- 28
- Die Schweiz finanzierte das Honorar des Zollexperten John Arnold der Société Générale de Surveillance (SGS) für dessen Teilnahme an der UNO-Abklärungsmission in Kambodscha, vgl. das Dossier CH-BAR#E2023A#2003/421#3530* (o.713.77(1)).↩
- 29
- Vgl. das BR-Prot. Nr. 955 vom 20. Mai 1992, dodis.ch/62899.↩
- 30
- Vgl. das BR-Prot. Nr. 1924 vom 8. Oktober 1992, dodis.ch/60661.↩
Tags
UN (Specialized Agencies) Military observer missions (1990...)