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Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 1991, doc. 43
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Archivio | Archivio federale svizzero, Berna |
Vecchia segnatura | CH-BAR Amtl. Bull. NR, 1991 -, S. 71–76 |
(1991–1991) |
dodis.ch/58000Sitzung der ersten eidgenössischen Jugendsession vom 25. September 19911
Die Schweiz in der Welt
[...]2
Anup Nastik, Berichterstatter: Ich will Euch heute eine kleine Geschichte erzählen.
Vor über zwanzig Jahren sind in einer grossen indischen Hafenstadt ein indischer Vater und eine indische Mutter und ihr kleiner Sohn auf einen grossen Ozeandampfer gestiegen.
«Namaste! Namaste!», zu deutsch: «Lebt wohl! Lebt wohl!», riefen ihnen die Einheimischen zum Abschied nach. Und damit begann eine Schiffsreise, die anno dazumal noch vier Wochen dauerte: über Madagaskar, über das Kap der Guten Hoffnung, durchs Mittelmeer nach Genua und dann mit dem Zug durch den Gotthard nach Zürich in die Schweiz.
«Wo sind wir hier gelandet?», fragte sich der kleine Bub. Und weil der kleine Bub so «gschpässig» sprach und eine so dunkle Haut und so schwarze Haare hatte, fragten ihn die Nachbarskinder: «Du, bisch du us Schoggi?»
Sicher habt Ihr jetzt gemerkt, wer dieses kleine «Büebli» heute ist. Er sieht zwar immer noch nicht aus wie Adolf Ogi oder Kurt Felix, (Heiterkeit) aber immerhin kann ich mich heute mit Euch unterhalten.
Unterdessen ist aus dem «Büebli» ein junger Mann geworden. Er durfte die Welt bereisen, hat viel nachgedacht und viel gesehen. Er hat gemerkt, dass die Art und Weise, wie wir heute leben und wirtschaften, keine Zukunft mehr haben kann. Mit viel Energie, Fleiss und Leistungsbereitschaft haben speziell die Menschen in der Schweiz einen ausserordentlich hohen Lebensstandard erreicht, und auf diesen will heute niemand mehr verzichten. Er hat auch gemerkt, dass die Schweiz eine grosse humanitäre Rolle spielt. Ich denke zum Beispiel an unsere grossen Organisationen wie das IKRK3 oder das Rote Kreuz. Die Lage der Ärmsten konnten aber auch sie nur geringfügig ändern.
Ich frage mich zum Beispiel, weshalb sich die Industriestaaten weigern, die Schuldenlast der Dritten Welt zu erlassen. Golfkrieg,4 Umweltprobleme,5 die Wirtschaftsrezession oder auch Osteuropa6 verdrängen das Problem zusätzlich.
Ist es nicht endlich an der Zeit, der Dritten Welt als schwächerem Partner der Weltwirtschaft fairere Chancen einzuräumen? Zweifelsohne sind dabei Reformen unumgänglich: Zunächst sollte einmal die Selbstversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs Vorrang bekommen, so dass Hunger und Krankheit auf unserer Welt endlich gebannt werden. Gleichzeitig muss das Ausbildungssystem in den Entwicklungsländern ausgebaut werden, wobei ich zugebe, dass auch Veränderungen im Erziehungswesen nötig wären. Doch hier stellt sich wiederum die Frage, ob wir überhaupt berechtigt sind, in fremde Systeme einzugreifen. Schliesslich sollen Schuldenerleichterungen und Schuldenerlasse erfolgen, damit die Länder auf offenen Exportmärkten endlich konkurrenzfähiger werden.7 Angemessene Weltmarktpreise gewährleisteten denn auch eine gerechtere Entlöhnung der Arbeiterinnen und Arbeiter in den Entwicklungsländern. Vielleicht könnte damit sogar erreicht werden, dass die Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen umweltschonender wird.
Das wären mögliche Punkte, wie der Menschheit geholfen werden könnte. Es liegt an uns, etwas zu tun. Ich will in einer solidarischen und humanitären Welt leben. Wir müssen die Verantwortung tragen, die mit dem Reichtum der Schweiz verbunden ist. Wir müssen uns einsetzen für eine gerechte und friedliche Welt. Als reichste Nation der Welt haben wir die Möglichkeiten dazu. (Beifall)
Präsidentin:8 Ich möchte nochmals darauf hinweisen, dass Ihr nicht nur Meinungen äussern, sondern bei einzelnen Punkten der Petition auch Abänderungen vorschlagen könnt.
[...]9
Beat Brechbühl: Abgesehen davon, dass ich mit den grundsätzlichen Forderungen, die da aufgestellt worden sind, nicht einig bin – ich glaube, es hat keinen Sinn, dass ich beginne, Abänderungsanträge zu stellen –, ist mir ein Thema sehr wichtig, das dann auch den Titel rechtfertigen würde. Wir haben hier den Titel «Die Schweiz in der Welt» und nicht «Die Schweiz und die Dritte Welt». Wir haben – wie die Kollegin10 vorhin schon angetönt hat – auch noch Europa. Europa ist momentan brandaktuell11 und für uns Jugendliche ein sehr interessantes Thema.12 Ich fordere, dass wir in diese Petition den Beitritt der Schweiz zur EG aufnehmen.13 Ich habe eine entsprechende Formulierung bereits gemacht und möchte diese kurz vorlesen:
«Wir fordern eine klare Politik in der Europafrage.14 Die Schweiz soll der EG beitreten. Innerhalb der Gemeinschaft soll sie sich für eine Demokratisierung und Föderalisierung der Institutionen einsetzen. Sie strebt ein besseres Verständnis zwischen den kulturellen Gemeinschaften, die Erhaltung ihres hohen Standards in der Umweltschutzpolitik und die rasche Integration Osteuropas in die EG an.»
Ich hoffe, dass wir Jugendliche einen Schritt weiter gehen, als das die Politiker bis jetzt getan haben. (Beifall)
Christoph Bracher: Ich möchte an das gerade Gesagte anknüpfen: Es scheint, dass die Jugend schneller ist als die Damen und Herren Nationalräte. Im Nationalrat wird ja das Thema EG nicht sehr intensiv behandelt, wie wir das sehr wahrscheinlich auch bemerkt haben.15
Zu dieser Petition: Dass die Schweiz derzeit 0,3 Prozent des Bruttosozialproduktes der Dritten Welt zur Verfügung stellt, ist für mich nicht verständlich. Die Schweiz, die nun wirklich an materiellen Werten genug hat – einen Lebensstandard, den sich andere Länder nur erträumen können –, gibt einfach zu wenig. Ich bin dafür, dass wir gesetzlich einführen, 1 Prozent des Bruttosozialproduktes den ärmsten Ländern der Welt zur Verfügung zu stellen. Das ist nicht zu viel verlangt. (Beifall)
Andreas Hartmann: Ich habe heute Morgen in einer der vier 20köpfigen Gruppen gearbeitet. Bei der Besprechung zwischen 11.15 Uhr und 12.00 Uhr ist es uns nicht gelungen, alle Anträge auf Veränderungen dieser Petition durchzunehmen. Ich stelle im Anschluss zwei Anträge, die die Abänderung der Petition verlangen. Wir sind hier, um ernst genommen zu werden und gehört zu werden. Wir möchten dem Parlament nebst den Forderungen, die wir stellen, auch zeigen, dass wir gewillt sind, unseren Einsatz zu leisten. Mit folgendem Anfang und Schluss dieser Petition möchte unsere Arbeitsgruppe der Forderung, der Petition entsprechende Taten folgen zu lassen, Nachdruck verleihen und vielleicht auch dazu aufrufen, ein etwas schärferes Tempo anzuschlagen, als es der Ständeratspräsident16 am Anfang angetönt hat. Die Einleitung – beim französischen Text sind es die ersten sechs Zeilen – soll folgendermassen lauten:
«Wir Jungen wollen in einer solidarischen Schweiz älter werden. Es ist uns nicht egal, was in den anderen Ländern dieser Welt passiert. Wir sind uns bewusst, dass eine echte Solidarität auch eine Einschränkung unseres persönlichen Lebensstandards verlangt. Wir sind bereit dazu und wollen uns für eine gerechte und friedliche Welt einsetzen. Deshalb fordern wir...»
Der Schluss soll folgendermassen lauten – beim französischen Text anstelle der letzten drei Zeilen –:
«Wir sind nicht einverstanden mit der bisherigen Aussenpolitik von Bundesrat und Parlament. Darum gehen unsere Forderungen weiter, und wir erwarten, dass die Schweiz eine Vorreiterrolle einnimmt, schnell reagiert und handelt. Wir fordern den Mut, offen Stellung zu nehmen und Gegenmassnahmen zu ergreifen, wenn offensichtliche Unsauberkeiten und Ungerechtigkeiten herrschen.»
Zum ersten Punkt im Forderungskatalog haben wir auch einen Antrag: Wir wollen ihn im Namen unserer 20köpfigen Gruppe abändern. Neu soll es heissen:
«1. eine klare Intervention in den Grenzen des internationalen Rechtes in die Angelegenheiten eines Staates, der die Menschenrechte seiner Bürgerinnen und Bürger verletzt. Ein baldiger Uno-Beitritt17 ist deshalb unerlässlich. Wir sehen in diesem Schritt auch ein Zeichen der Solidarität mit der Weltgemeinschaft.» (Teilweiser Beifall)
Präsidentin: Wir stimmen direkt über diesen Vorschlag ab. Du hast zwar drei Vorschläge auf einmal gebracht. Ich bitte darum, dass wir auf einmal über alle drei abstimmen.
Abstimmung - Vote
Für den Antrag Hartmann Mehrheit
Dagegen Minderheit
Sven Engel: On a évoqué tout à l’heure le problème de l’Europe. Il me semble tout à fait intéressant d’évoquer ce problème, mais je regrette qu’aujourd’hui le Parlement des jeunes ne prenne pas plus clairement position. On va faire un amendement pour l’intégrer dans une pétition, puis on demandera, comme tout le monde, au Conseil fédéral d’accélérer le pas et de prendre position.
Ce que je vous propose aujourd’hui – je ne sais pas si on le fera après l’acceptation de la pétition ou tout de suite – c’est que le Parlement des jeunes, ici présent, se prononce pour ou contre une adhésion à la Communauté européenne. À mon avis, la question n’est pas de savoir à quelle Europe nous voudrions adhérer mais bien si nous voulons y entrer aujourd’hui, debout, et construire l’Europe que nous voulons, ou demain, à genoux, dans une Europe que nous devrons subir. (Applaudissements partiels)
Je pense qu’aujourd’hui nous avons l’occasion rêvée de faire quelque chose de constructif et de réaliste, que nous puissions proposer ensuite au peuple et au gouvernement.
Präsidentin: Wir stimmen also darüber ab, ob die Schweiz der EG beitreten soll oder nicht. (Heiterkeit)
Wir nehmen als Grundlage dieser Abstimmung den Antrag, der am Anfang von Beat Brechbühl gestellt worden ist. Er schliesst diese Forderung mit ein. Ich habe es verpasst, über Beats Antrag abstimmen zu lassen; es tut mir leid.
Weil es sich um einen Zusatz handelt, stimmen wir wieder via Beifall ab. – Ich stelle fest, dass der Beifall nicht eindeutig zu quantifizieren ist. Wir führen deshalb eine Abstimmung mit den T-Shirts durch, und die Stimmen werden ausgezählt.18
Abstimmung - Vote
Für den Antrag Brechbühl/Engel 98 Stimmen
Dagegen 67 Stimmen
Präsidentin: Ich schliesse daraus, dass – wie so oft in der Schweiz – die Gegner von Neuerungen lauter klatschen können als die Befürworter. (Heiterkeit)
[...]19
Christine Diethelm: Ich möchte zuerst eine kleine Kritik anbringen. Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass nach dem so tollen Morgen, an dem wir wirklich gut gearbeitet haben und auch weit gekommen sind, eine doch recht unseriöse Nachmittagsbesprechung stattfindet. (Beifall)
Jetzt aber zur Petition: Wir hatten heute Morgen leider nicht genug Zeit, um alle Punkte durchzubesprechen. Die beiden Punkte auf der hinteren Seite des deutschen Blattes20 sind noch nicht besprochen, und wir haben auch noch nicht darüber abgestimmt. Wir sind übereingekommen, das hier im Plenum zu tun.
Ich möchte vor allem zum zweiten Punkt Stellung nehmen. Für jene, die ihn noch nicht gelesen haben: Es geht darum, dass sich Parlamentarier und Parlamentarierinnen vermehrt mit einem Entwicklungsland beschäftigen sollten. Um es besser zu erklären: Ein jeder und eine jede dieser Herren und Damen da oben sollte sich für ein Entwicklungsland entscheiden, dieses überprüfen, durchdenken, bereisen – ich weiss auch nicht, was noch alles – und sagen, was man für das Land tun könnte. Ich persönlich finde diese Massnahme nicht gerade gut, ja fast ein bisschen lächerlich, da wir doch wissen, dass unser Parlament sonst schon recht überarbeitet ist. Ich möchte folgende Umformulierung dieses Abschnittes beantragen:
«Der Bund soll vermehrt über seine Entwicklungspolitik und -projekte öffentlich informieren.» Ich bin überzeugt, dass unser Bund sehr viel tut und – dank dem, was wir hoffentlich mit dem einen Prozent mehr bewilligen – noch mehr tun kann. Ich finde aber, es läuft zuwenig bei der Informationspolitik.21 (Beifall)
Abstimmung – Vote
Für den Antrag Diethelm Mehrheit
Dagegen Minderheit
Thomas von Grünigen: Ich stelle den Antrag, dass wir einen weiteren Punkt in die Petition aufnehmen:
«Wir fordern von den Regierenden unseres Landes, dass sie sich auch ausserhalb der Schweiz verstärkt für den Schutz der Umwelt einsetzen. Insbesondere soll der Bund wirkungsvollere Massnahmen für den Erhalt der tropischen Regenwälder und anderer Ökosysteme von globaler Bedeutung unternehmen.»
Ich könnte jetzt alle Argumente, die vorhin in der Umweltpetition22 angeführt worden sind, noch einmal erwähnen, doch dies hätte keinen Sinn. Aber eines möchte ich sagen: Wir müssen uns weltweit für die Erhaltung der wichtigsten Ökosysteme einsetzen, sonst schlittern wir unabänderlich in eine Katastrophe hinein – und es bleibt nicht mehr viel Zeit, um zu handeln. Ich möchte Sie deshalb bitten, dieses Anliegen noch aufzunehmen.
Abstimmung – Vote
Für den Antrag von Grünigen Mehrheit
Dagegen Minderheit
[...]23
Blaise Kropf: Ich finde es etwas schade, dass vorhin so voreilig über den EG-Beitritt oder Nicht-EG-Beitritt abgestimmt worden ist – ohne vorangehende Debatte, ohne Voten. (Teilweiser Beifall) Der EG-Beitritt ist eine sehr komplexe Sache, das wissen wir alle. Ich glaube, es braucht eine eingehende Beschäftigung mit diesem Thema, bevor man darüber abstimmen kann.
Des weiteren bin ich der Meinung, dass es für die Schweiz viel wichtiger wäre – als einem weiteren wirtschaftlichen Block, einer weiteren wirtschaftlichen Gemeinschaft, der EG, beizutreten, deren Ziel es ist, einen wirtschaftlichen Gegenpol zu Japan, zu Amerika zu bilden –, mit dem Wohlstand, wie wir ihn haben, mit unseren demokratischen Verhältnissen in der Dritten Welt zu wirken und dort etwas zu bewirken.
Die Petition «Die Schweiz in der Welt» – es wurde vorhin kritisiert – könnten wir auch nennen: «Die Schweiz in der Dritten Welt». Das will nicht heissen, dass sie sich nur auf die Dritte Welt, nur auf Afrika, Südamerika beziehen soll; wir können ja versuchen, mit den Möglichkeiten, die wir hier in diesem Land haben – und diese sind wirklich sehr gross –, auch in Europa etwas zu bewirken: eine umweltgerechtere und sozialere Politik auf der ganzen Welt.
Deshalb möchte ich ein ganz kräftiges Ja zu dieser Petition empfehlen. (Beifall)
Matthias Wipf: Ich möchte noch ein bisschen präzisieren, was wir mit dieser Petition meinen, mit dem Beitritt zur EG, und warum wir das wollen.
Ich lese vor, wie wir das formuliert haben: «Wir fordern die Mitwirkung der Schweiz am Aufbau eines demokratischen, föderalistischen, sozialen und ökologischen Europas. Die Schweiz muss darum in nächster Zeit ein Beitrittsgesuch zur EG einreichen.» Ein Beitritt stünde damit nicht vor 1994 zur Diskussion. Wenn wir aktiv an der Gestaltung der Europäischen Gemeinschaft mitarbeiten wollen – ich nenne hier nur das Stichwort Landwirtschaft24 –, wenn wir mitbestimmen wollen, wie die EG später aussehen soll, dann müssen wir jetzt ein Beitrittsgesuch stellen. Denn sollten wir weiter im Abseits stehen, dann ist der Zug des Mitbestimmens für uns abgefahren, und wir werden vor vollendete Tatsachen gestellt. Ich möchte deshalb plädieren für einen Beitritt oder ein Beitrittsgesuch zur EG. (Beifall)
[...]25
Präsidentin: Wir kommen jetzt zur Schlussabstimmung über die ganze Petition. Ich möchte aus meiner Sicht festhalten: Ich merke, dass hier viele etwas zur EG sagen wollen, und mir scheint, dass auch für uns die EG-Debatte hier nicht abgeschlossen ist. Ich halte einfach fest, dass wir hier nicht entscheiden können, ob wir der EG beitreten oder nicht. Das werden jene tun, die dreissig Jahre älter sind als wir.
Ob mit oder ohne EG-Passus: In dieser Petition geht es auch noch um anderes. Wir stimmen über die ganze Petition jetzt und hier ab.
[...]26
Der bereinigte Petitionsentwurf, über den wir jetzt abstimmen, lautet – nach einigen redaktionellen Umstellungen – wie folgt:
«Wir Jungen wollen in einer solidarischen Schweiz älter werden. Es ist uns nicht egal, was in den anderen Ländern dieser Welt passiert. Wir sind uns bewusst, dass eine echte Solidarität auch eine Einschränkung unseres persönlichen Lebensstandards verlangt. Wir sind bereit dazu und wollen uns für eine gerechte und friedliche Welt einsetzen.
Deshalb fordern wir von den Regierenden unseres Landes:
1. Die Schweiz betreibt eine aktive Menschenrechtspolitik, die auf den Rechtsgrundlagen des Völkerrechts beruht und objektiv ist. Zu diesem Zweck soll die Schweiz alle zweckmässigen Menschenrechtskonventionen unterschreiben.27 Im weiteren ist ein baldiger Uno-Beitritt unerlässlich. Wir sehen in diesem Schritt auch ein Zeichen der Solidarität mit der Weltgemeinschaft;
2. eine klare Politik in der Europafrage. Die Schweiz soll der EG beitreten. Innerhalb der Gemeinschaft soll sie sich für eine Demokratisierung und Föderalisierung der Institutionen einsetzen. Sie strebt ein besseres Verständnis zwischen den kulturellen Gemeinschaften, die Erhaltung ihres hohen Standards in der Umweltschutzpolitik und die rasche Integration Osteuropas in die EG an;
3. dass sie sich auch ausserhalb der Schweiz verstärkt für den Schutz der Umwelt einsetzen. Insbesondere soll der Bund wirkungsvollere Massnahmen für den Erhalt der tropischen Regenwälder und anderer Ökosysteme von globaler Bedeutung unternehmen;
4. die Förderung eines gerechten Handels in der Privatwirtschaft. Die Bereicherung der Schweiz am Elend der anderen muss verhindert werden. Der Bund soll sich einsetzen für angemessene Weltmarktpreise, die eine faire Entlöhnung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und eine umweltgerechte Gewinnung von Rohstoffen ermöglichen. Staatliche und subventionierte Projekte müssen einer Entwicklungsverträglichkeitsprüfung unterzogen werden. Diese orientiert sich an den genannten Forderungen und will die Ermöglichung der Grundbedürfnisse (Nahrung, Gesundheit, Bildung);
5. die Erhöhung des Beitrages für die staatliche Entwicklungszusammenarbeit auf über 1 Prozent des schweizerischen Bruttosozialproduktes, so dass die Schweiz unter den westlichen Industriestaaten einen Spitzenplatz einnimmt;
6. eine Konferenz aller europäischen Länder in der Schweiz einzuberufen, an der die Kontingentierung von Flüchtlingen in Europa und das Rückschiebungsverbot diskutiert werden sollen, sowie die soziale und ökonomische Hilfe an die Länder zu verstärken, aus denen die Flüchtlinge kommen;28
7. die Schweiz soll eine Politik betreiben, die das Entstehen von grossen Flüchtlingsströmen verhindert:
a) In mehreren Staaten der Dritten Welt soll die Schweiz Ausbildungsprogramme in umweltverträglicher und kulturell angepasster Form eröffnen.
b) Die Schweizer Entwicklungshilfe soll Kleinhandwerk und Kleinprojekte fördern.
c) Die Schweiz soll im Rahmen des Gatt den Binnenmarkt in der Dritten Welt fördern.
d) Die zur Verfügung stehenden Geldströme sollen projektbezogen sein und nicht in die Rüstung fliessen.
e) Die gegenwärtigen Verfahren sollen administrativ beschleunigt werden und eine ernsthafte Unterscheidung von politischen Flüchtlingen und Wirtschaftsflüchtlingen gewährleisten;
8. einen wesentlichen Beitrag zum globalen Frieden. Damit meinen wir zum Beispiel ein generelles Waffenausfuhrverbot29 und einen massiven Abbau der Militärausgaben zugunsten völkerverbindender Aktivitäten und der internationalen Friedensforschung;
9. der Bund soll vermehrt über seine Entwicklungspolitik und -projekte informieren.
Wir sind nicht einverstanden mit der bisherigen Aussenpolitik von Bundesrat und Parlament. Darum gehen unsere Forderungen weiter, und wir erwarten, dass die Schweiz eine Vorreiterrolle einnimmt, schnell reagiert und handelt. Wir fordern den Mut, offen Stellung zu nehmen und Gegenmassnahmen zu ergreifen, wenn offensichtliche Unsauberkeiten und Ungerechtigkeiten herrschen.»
Abstimmung – Vote
Für Annahme des Petitionsentwurfes 158 Stimmen
Dagegen 28 Stimmen
(Beifall)
- 1
- Amtl. Bull. NR, Jugendsession, 1991, S. 71–76. Das Protokoll der Diskussion der aussenpolitischen Petition der Jugendsession wurde im Amtlichen Bulletin des Nationalrats veröffentlicht. Die Petition gehörte zu den Ergebnissen der ersten eidgenössischen Jugendsession, die anlässlich der 700-Jahrfeier der Eidgenossenschaft (vgl. dazu die thematische Zusammenstellung dodis.ch/T1830) von der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV) im Auftrag der Bundesversammlung zusammen mit der Stiftung DIALOG organisiert und am 25. September 1991 im Nationalratssaal durchgeführt wurde. Vgl. dazu auch die Ausschreibung zur Teilnahme, dodis.ch/60066. Nebst der schweizerischen Aussenpolitik diskutierten die 246 teilnehmenden Jugendlichen Umweltthemen, den Zivildienst als Alternative zum Militärdienst sowie die Zukunft der Jugendsession. Zu allen Themen wurden Petitionen verabschiedet. Die Petition «Die Schweiz in der Welt» wurde am 27. April 1993 vom Nationalrat mit einer «offensichtlichen Mehrheit» an den Bundesrat zur Kenntnisnahme überwiesen, «verbunden mit dem Wunsch, dass dieser die Forderungen der Petenten bei der Ausarbeitung des auf Frühjahr 1993 angekündigten Berichtes über die Konzeption der schweizerischen Aussenpolitik in den neunziger Jahren gebührend berücksichtige», vgl. Amtl. Bull. NR, II, 1993, S. 730. Für den Bericht über die Aussenpolitik der Schweiz in den 1990er Jahren vgl. dodis.ch/54677.↩
- 2
- Für das vollständige Dokument vgl. das Faksimile dodis.ch/58000.↩
- 3
- Vgl. dazu DDS 1991, Dok. 14, dodis.ch/57263.↩
- 4
- Vgl. dazu DDS 1990, Dok. 29, dodis.ch/55715; Dok. 30, dodis.ch/54497 und Dok. 60, dodis.ch/55703; DDS 1991, Dok. 2, dodis.ch/57332 und Dok. 4, dodis.ch/54707 sowie die thematische Zusammenstellung Golfkrise (1990–1991), dodis.ch/T1673.↩
- 5
- Vgl. dazu DDS 1991, Dok. 1, dodis.ch/56189 sowie DDS 1990, Dok. 46, dodis.ch/56282.↩
- 6
- Vgl. dazu DDS 1991, Dok. 35, dodis.ch/57522 und die Einschätzung des Delegierten des Bundesrats für Handelsverträge, Botschafter Silvio Arioli, vom 15. März 1991, dodis.ch/59043.↩
- 7
- Vgl. dazu DDS 1991, Dok. 59, dodis.ch/57999.↩
- 8
- Sonja Wälti.↩
- 9
- Für das vollständige Dokument vgl. das Faksimile dodis.ch/58000.↩
- 10
- Für das Votum von Annette Wittwer vgl. das Faksimile dodis.ch/58000, S. 72.↩
- 11
- Vgl. dazu die thematische Zusammenstellung Verhandlungen EFTA-EWG über das EWR Abkommen (1989–1991), dodis.ch/T1713.↩
- 12
- Im Rahmen der 700-Jahrfeier der Eidgenossenschaft trafen sich zwischen dem 31. August und 6. September 1991 rund 400 Jugendliche aus ganz Europa zu einer Begegnungswoche im Engadin. Unter dem Motto Spiert Aviert (Rätoromanisch: Offener Geist) tauschten sie sich zur europäischen Zukunft aus. Mit der Ungarin Szilvia Ritz sprach eine Vertreterin der Jugend zum Abschluss der Woche auch am Europatag in Sils Maria. Zum Europatag vgl. DDS 1991, Dok. 37, dodis.ch/57668.↩
- 13
- Zur Frage eines möglichen EG-Beitritts der Schweiz vgl. DDS 1991, Dok. 31, dodis.ch/58250 sowie die thematische Zusammenstellung Beitrittsgesuch der Schweiz zur EG (1991–1993), dodis.ch/T1955.↩
- 14
- Dass die bundesrätliche Europapolitik im September 1991 als uneinheitlich wahrgenommen wurde, zeigt das Nachspiel der Rede von Bundespräsident Flavio Cotti am Europatag vom 7. September 1991 in Sils Maria, vgl. DDS 1991, Dok. 37, dodis.ch/57668, Anm. 17.↩
- 15
- Für die Protokolle der Kommission für auswärtige Angelegenheiten des Nationalrats aus dem Jahr 1991 vgl. die Zusammenstellung dodis.ch/C1948.↩
- 17
- Vgl. dazu die thematischen Zusammenstellungen Abstimmung über den UNO-Beitritt (1986), dodis.ch/T1772 und Abstimmung über den UNO-Beitritt (2002), dodis.ch/T1773.↩
- 18
- Gelbe T-Shirts standen für «ja», rosa T-Shirts für «nein».↩
- 19
- Für das vollständige Dokument vgl. das Faksimile dodis.ch/58000.↩
- 20
- Gemeint sind die Punkte 5 und 6 des Petitionsentwurfs. «Deshalb fordern wir von den Regierenden unseres Landes: [...] 5. einen wesentlichen Beitrag zum globalen Frieden. Damit meinen wir zum Beispiel ein generelles Waffenausfuhrverbot und einen massiven Abbau der Militärausgaben zugunsten völkerverbindender Aktivitäten und der internationalen Friedensforschung; 6. Massnahmen zur Stärkung des entwicklungspolitischen Bewusstseins und der Weltoffenheit der Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Jedes Mitglied von National- und Ständerat soll verpflichtet werden, sich über die kulturelle, politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Lage eines Entwicklungslandes speziell zu informieren. Dem Parlament soll jährlich darüber Bericht erstattet werden.» Für den vollständigen Petitionsentwurf vgl. das Faksimilie dodis.ch/58000, S. 71.↩
- 21
- Zum neuen Leitbild der DEH für die neunziger Jahre vgl. DDS 1991, Dok. 28, dodis.ch/58718 sowie dodis.ch/60114.↩
- 22
- Für den Petitionstext und die Diskussion an der Jugendsession vgl. Amtl. Bull. NR, Jugendsession, 1991, S. 66–71. ↩
- 23
- Für das vollständige Dokument vgl. das Faksimile dodis.ch/58000.↩
- 24
- Vgl. dazu DDS 1990, Dok. 36, dodis.ch/54935.↩
- 25
- Für das vollständige Dokument vgl. das Faksimile dodis.ch/58000.↩
- 26
- Für das vollständige Dokument vgl. das Faksimile dodis.ch/58000.↩
- 27
- Zur Ratifizierung der beiden Menschenrechtspakte der UNO durch die Schweiz vgl. DDS 1991, Dok. 41, dodis.ch/58221.↩
- 28
- Zur Asylthematik vgl. DDS 1991, Dok. 3, dodis.ch/58521 sowie Dok. 54, dodis.ch/57837.↩
- 29
- Für einen Überblick über die Situation der Kriegsmaterialexporte 1991 vgl. dodis.ch/57793.↩
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