dodis.ch/32313

Interne Notiz der schweizerischen Botschaft in Wien1

Revision des Sozialversicherungsabkommens2

Herr Sektionsrat Dr. Hausner (x) vom Bundesministerium für soziale Verwaltung gibt mir heute streng vertraulich die Gründe, welche Österreich hindern, am 3. Mai 19673 mit der Schweiz Sozialversicherungsverhandlungen zu beginnen, bekannt.

Im letzten Herbst hätte es anlässlich der Expertenbesprechungen4 den Anschein gehabt, als ob sämtliche, an der Materie beteiligten Bundesministerien mit dem Abschluss eines neuen Sozialversicherungsabkommens5 mit der Schweiz einverstanden wären. Seit wenigen Tagen ist nun wiederum eine massive Opposition gegen diese beabsichtigte Massnahme, und zwar seitens des Handelsministeriums, laut geworden. Der verantwortliche Ressortchef dieses Ministeriums, Herr Vizekanzler Bock, vertrete ebenfalls die Ansicht des Österreichischen Gewerkschaftsbundes und der Arbeiterkammer, wonach jedes Sozialversicherungsabkommen zwischen Österreich und einem anderen Staat die Auswanderung qualifizierter österreichischer Arbeitskräfte begünstige6.

Im Hinblick auf den bevorstehenden Besuch von Herrn Bundesrat Spühler in Wien7 wurde das Aussenministerium (Herr Botschafter Reichmann) von der vorbereiteten Antwortnote des Bundesministeriums für soziale Verwaltung an das Bundesamt für Soziale Verwaltung in Bern in Kenntnis gesetzt. Auch wurde Herr Botschafter Reichmann, der mit dieser Materie bestens vertraut sei, gebeten, Herrn Aussenminister Tončić über den heutigen Stand der Angelegenheit zu orientieren.

Herr Bundesminister Tončić sei, wie allgemein bekannt ist, mit dem So zial- und dem Finanzministerium für die Aufnahme von Sozialversicherungsverhandlungen. Einzig und allein das Handelsministerium verhindere die tatsächliche Aufnahme von Revisionsverhandlungen.

Ergänzend teilt mir Dr. Hausner noch mit, dass durch die unerwartete Opposition von Herrn Vizekanzler Bock die vorgesehenen Sozialversicherungsverhandlungen mit Liechtenstein ebenfalls abgeblasen werden müssen. Ein ähnliches Schicksal dürfte auch Frankreich und den Beneluxländern beschieden sein, die ebenfalls mit Österreich die Aufnahme von Sozialversicherungsverhandlungen anstrebten.

Mein österreichischer Gesprächspartner bat ausdrücklich, seinen Namen in keiner Weise zu erwähnen.