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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 23, doc. 69
volume linkZürich/Locarno/Genève 2011
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E2001E#1980/83#4377* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 2001(E)1980/83 616 | |
Titre du dossier | Verhandlungen betr. Sozialversicherungsabkommen mit der Schweiz (1952–1970) | |
Référence archives | B.31.31.01 • Composant complémentaire: Türkei |
dodis.ch/31526
Der Direktor des Bundesamt für Sozialversicherung, C. Motta, an den Chef der Abteilung für Politische Angelegenheiten des Politischen Departements, P. Micheli1
Türkei: Verhandlungen über ein Sozialversicherungsabkommen2
Mit Ihrem obenerwähnten Schreiben3 haben Sie uns mitgeteilt, dass Herr Ilkan, Botschaftsrat der türkischen Botschaft in Bern, kürzlich bei Ihnen vorgesprochen, sich auf die Unterredungen zwischen Herrn Bundesrat Schaffner und dem türkischen Arbeitsminister Bülent Ecevit bei dessen Besuch in der Schweiz bezogen und unter Überreichung eines Aide-mémoire4 und eines Exemplars des deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommens vom 30. April 19645 die Frage aufgeworfen hat, ob die Schweiz bereit sei, mit seinem Land einen analogen Vertrag abzuschliessen. Sie unterbreiten uns diese Doku mente und ersuchen uns um Prüfung der Angelegenheit. Wir beehren uns, hiezu folgendes auszuführen.
Die Frage des Abschlusses einer Sozialversicherungsvereinbarung mit der Türkei ist in den vergangenen Jahren schon verschiedentlich berührt worden. Bereits 19526 und 19547 wurde aus Kreisen unserer Landsleute in der Türkei der dortigen Schweizerischen Botschaft nahegelegt, die Möglichkeit einer Vereinbarung zu prüfen; im Vordergrund stand damals der Wunsch unserer Mitbürger, bei Zugehörigkeit zur freiwilligen AHV von der türkischen Sozialversicherung befreit zu werden. Im November 19628 liess uns die Schweizerische Botschaft in Ankara wissen, dass ein Vertreter des türkischen Aussenministeriums mündlich die Möglichkeit der Aufnahme von Verhandlungen sondiert und bei dieser Gelegenheit auf das britisch-türkische Abkommen von 1959 hingewiesen habe. Zu Beginn des Jahres 19639 hat die diplomatische Vertretung unseres Landes in der Türkei, im Anschluss an eine ungenaue Äusserung von Aussenminister Erkin vor dem dortigen Parlament über türkisch-schweizerische Besprechungen, die Erklärung abgegeben, dass in der Frage eines schweizerisch-türkischen Sozialversicherungsabkommens bislang jedenfalls keine negative Entscheidung der Schweiz vorliege. Gleichzeitig teilte unser Amt der genannten Botschaft mit, dass die Angelegenheit weiter geprüft werde, indessen selbst im Falle schweizerischer Zustimmung zu Verhandlungen, an solche in einem nahen Zeitpunkt nicht gedacht werden könne.
Die zuletzt erwähnte Stellungnahme unseres Amtes behält unverändert ihre Gültigkeit: eine Aufnahme von Verhandlungen über ein Sozialversicherungsabkommen kann in nächster Zeit – auch aus den in Ihrem Schreiben zutreffend angeführten psychologischen Gründen – nicht in Betracht gezogen werden. Auf die Dauer kann aber der Abschluss einer Vereinbarung anderseits nicht wohl verweigert werden. Die Türkei ist Mitglied des Europarates; nachdem die Schweiz dieser Organisation ebenfalls beigetreten ist (die sich u. a. auch mit der Ausarbeitung multilateraler Regelungen auf dem Gebiete der Sozialen Sicherheit befasst), liesse sich eine Weigerung der Schweiz, mit einem Mitgliedstaat bilaterale Abreden zu treffen, kaum begründen. Auch schweizerischerseits bestehen übrigens gewisse Interessen an einer Vereinbarung, wie die erwähnten Vorstellungen unserer in der Türkei lebenden Landsleute zeigen. Es sei beigefügt, dass die Türkei eines der wenigen Länder ist, die den Transfer der Beiträge an die freiwillige AHV der Auslandschweizer und der Beiträge unserer Mitbürger an den Solidaritätsfonds (vgl. hiezu Ihr Schreiben vom 4. Dezember 196210) bisher nicht gestattet haben. Durch ein Sozialabkommen wäre wahrscheinlich eine Änderung dieser Haltung zu erreichen.
Dies vorausgeschickt, möchten wir Ihnen vorschlagen, der türkischen Botschaft in Beantwortung ihres Aide-mémoire mitzuteilen, dass die Schweiz grundsätzlich bereit ist, den Abschluss eines Sozialversicherungsabkommens, dessen Inhalt in einlässlichen Verhandlungen festzulegen wäre, in Erwägung zu ziehen. Im Hinblick auf den ausserordentlich befrachteten Terminkalender des für die Besprechungen sachlich zuständigen Bundesamtes für Sozialversicherung – das im laufenden sowie im kommenden Jahre innerstaatlich die Einführung einer Gesetzgebung über Ergänzungsleistungen zu den Renten der AHV sowie eine Revision der Invalidenversicherung zu bewältigen und gleichzeitig Verhandlungen mit drei Nachbarstaaten11 über die Revision der geltenden, durch die Entwicklungen in den vergangenen zehn Jahren überholten Sozialversicherungsvereinbarungen zu führen hat – sehen sich die schweizerischen Stellen beim besten Willen ausserstande, gegenwärtig einen bestimmten Zeitpunkt für die Eröffnung von Verhandlungen mit der Türkei zu nennen. Bei dieser Sachlage nehmen die schweizerischen Behörden Vormerk vom Wunsch der türkischen Botschaft; sie werden mit einem Terminvorschlag an die Botschaft gelangen, sobald das Tätigkeitsprogramm des Bundesamtes für Sozialversicherung dies gestattet. In der Zwischenzeit könnte vorgesehen werden, dass die zuständigen Sozialversicherungsbehörden beider Länder sich durch Zustellung der einschlägigen Gesetze und allfälliger Novellen sowie erläuternder Publikationen gegenseitig über die Entwicklungen des innerstaatlichen Rechts auf dem Laufenden halten.
Wir nehmen gerne an, Sie könnten der dargelegten Betrachtungsweise und der vorgeschlagenen Erledigung des Geschäfts beipflichten. Der Generalsekretär des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements12 sowie der Zentralverband der Schweizerischen Arbeitgeber-Organisationen haben uns gebeten13, sie über unsere Auffassung zu unterrichten. Wir orientieren sie, wie auch das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, die Eidgenössische Fremdenpolizei und die Schweizerische Botschaft in Ankara, durch Doppel dieses Schreibens.
- 1
- Schreiben: E 2001(E)1980/83 Bd. 616 (B.31.31.01).↩
- 2
- Beigelegte Notiz von R. Probst an M. Jaccard vom 1. März 1965, Doss. wie Anm. 1: Ich bedauere, dass versehentlich unterlassen wurde, Sie orientiert zu halten. Hier das ganze Aktenbündel betr. event. Soz [ial]versicherungsverhandlungen mit der Türkei. Was meinen Sie dazu in materieller Hinsicht? Formell: wollen Sie die Sache behandeln (wogegen ich gar nichts hätte, im Gegenteil, falls wir nur orientiert gehalten würden!), oder sollen wir es tun? Merci.↩
- 3
- Vgl. das Schreiben von R. Probst an C. Motta vom 13. Januar 1965, dodis.ch/31855.↩
- 4
- Vgl. Doss. wie Anm. 1.↩
- 5
- Vgl. Doss. wie Anm. 1.↩
- 6
- Vgl. das Schreiben von A. Saxer an die schweizerische Gesandtschaft in Ankara vom 10. Juli 1952, Doss. wie Anm. 1.↩
- 7
- Vgl. das Schreiben von J. Rossat an A. Saxer vom 12. Juli 1954, Doss. wie Anm. 1.↩
- 8
- Vgl. das Schreiben von R. Keller an P. Micheli vom 20. November 1962, Doss. wie Anm. 1.↩
- 9
- Vgl. das Schreiben von F. Pictet an A. Saxer vom 19. Januar 1963, Doss. wie Anm. 1.↩
- 10
- Vgl. das Schreiben von M. J. Leippert an A. Saxer vom 4. Dezember 1962, Doss. wie Anm. 1.↩
- 11
- Vgl. dazu DDS, Bd. 23, Dok. 171, dodis.ch/31661.↩
- 13
- Vgl. dazu das Schreiben von M. Frauenfelder an R. Keller vom 9. Februar 1963, Doss. wie Anm. 1.↩
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Turquie (Général) Turquie (Economie) Politique sociale