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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 23, doc. 171
volume linkZürich/Locarno/Genève 2011
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E1001#1967/125#17* | |
Old classification | CH-BAR E 1001(-)1970/24 17 | |
Dossier title | September - Dezember 1963 (1963–1963) | |
File reference archive | 1.2 |
dodis.ch/31661
Luxemburg. Revision des Sozialversicherungsabkommens
I. Das zur Zeit geltende Abkommen mit Luxemburg2 wurde am 14. November 1955 unterzeichnet und trat am 1. April 1957 in Kraft. Es gehört zur Gruppe der vor Einführung der Invalidenversicherung und der pro rata-Rentenberechnung in der Schweiz, d. h. vor dem 1. Januar 1960 abgeschlossenen bilateralen Staatsverträge über soziale Sicherheit, die – heu te noch zehn3 an der Zahl – alle der Anpassung an die zwischenzeitliche Entwicklung bedürfen.
Die Reihenfolge, in der diese Revisionen durchgeführt werden, kann nicht einseitig von der Schweiz bestimmt werden, sondern hängt jeweils ab von der übereinstimmenden Bereitschaft beider Vertragsstaaten. Nachdem die revidierten Abkommen mit Italien4, der Bundesrepublik Deutschland5 und mit Liechtenstein6 unter Dach sind, stand die Neuordnung der vertraglichen Beziehungen mit den beiden verbleibenden Nachbarländern Frankreich7 und Österreich8 zunächst im Vordergrund. Österreich ist jedoch auf entspre chende Vorstösse während Jahren nicht eingetreten und hat seine Haltung eben erst in diesen Tagen geändert9. Mit Frankreich konnten auf Expertenebene vorbereitende Gespräche10 geführt werden, doch ist infolge organisatorischer Änderungen und personeller Umbesetzungen11 im zuständigen französischen Ministerium eine Stockung in den Vorabklärungen eingetreten, die bis dahin nicht überwunden werden konnte.
Unter diesen Umständen wurden zwecks Zeitgewinns vorbereitende Kontakte auf deren dringliches Verlangen auch mit anderen Partnerstaaten12 aufgenommen, so mit Luxemburg13, Grossbritannien14, Spanien15 und den Niederlanden16. Am weitesten vorangetrieben sind diese Arbeiten gegenwärtig im Verhältnis zu Luxemburg und zu Grossbritannien. Nachdem das luxemburgische Ministerium für Arbeit und Soziale Sicherheit mit Schreiben vom 26. September 196617 die Aufnahme von Verhandlungen durch entsprechend bevollmächtigte Delegationen am 7. November 1966 in Luxemburg vorschlägt18, sollte diesem Begehren entsprochen werden.
II. In beiden Vertragsstaaten hat die Sozialversicherungsgesetzgebung seit dem Abschluss des geltenden Abkommens bedeutsame Änderungen erfahren. In unserem Land wurde, wie einleitend erwähnt, in der Zwischenzeit vor allem die Invalidenversicherung neu eingeführt, ein Versicherungszweig, der in Luxemburg schon im Jahre 1955 bestand und deshalb in das geltende Abkommen einbezogen ist, so dass unser Partnerstaat auf diesem Gebiet seit über 10 Jahren Vorleistung erbringt. Hierin liegt für die Schweiz ein gewichtiger Grund, durch Revision des Abkommens nunmehr gleichzuziehen. Nachdem die Berechnung der schweizerischen Renten der Alters- und Hinterlassenensowie der Invalidenversicherung heute nach der pro rata-Methode erfolgt, soll auch die Diskriminierung der luxemburgischen Staatsangehörigen in Bezug auf die Mindestbeitragsdauer für den Leistungsanspruch verschwinden und, wie in den Abkommen mit Italien19 und Deutschland, diesbezüglich die Gleichbehandlung verwirklicht werden. Die in den genannten beiden Abkommen festgelegte neue Linie hinsichtlich der schweizerischen Konzessionen wird im übrigen allgemein auch für die Verhandlungen mit Luxemburg und mit weiteren Staaten Geltung haben.
[…]20
Im Bereich Krankenversicherung wird der erleichterte Übertritt aus der Versicherung des einen in diejenige des anderen Staates angestrebt. Dieser zwischenstaatliche Freizug, seinerzeit in unseren Abkommen mit Grossbritannien21 und Dänemark22 in beschränktem Umfang eingeführt und im neuen Abkommen mit der Bundesrepublik Deutschland23 in erweiterter Form vereinbart, hat sich sehr bewährt. Er kommt vor allem auch den Auslandschweizern24 zugute, die in der Zeit ihrer Aktivität im Vertragsstaat wohnten und zur Verbringung des Ruhestandes in die Heimat zurückkehren; ohne die erwähnte Freizügigkeit werden sie ihres vorgerückten Alters wegen in der Schweiz in die Krankenkassen nicht mehr aufgenommen.
Eine Reihe weiterer Fragen aus dem Gebiete der Unfallversicherung, der Familienzulagen (Auslandzahlung von Kinderzulagen) wie auch der Rentenversicherung (einseitige Totalisation schweizerischer Versicherungszeiten durch die luxemburgischen Versicherungseinrichtungen, Zulässigkeit der freiwilligen AHV neben der Pflichtversicherung in Luxemburg usw.) wird die Delegationen beschäftigen, wobei die schweizerischen Vertreter sich, wie schon bei den Verhandlungen mit Deutschland, mit den im Bereiche der EWG getroffenen Lösungen auseinanderzusetzen haben werden.
Ein besonderer Grund, auf das luxemburgische Verhandlungsbegehren einzutreten, liegt in dem Umstand, dass Luxemburg dem revidierten Rheinschifferabkommen25 beigetreten ist. Die Schweiz hat bekanntlich mit der Unterzeichnung dieser multilateralen Vereinbarung die Verpflichtung übernommen, mit allen Partnerstaaten möglichst bald die zwischenstaatlichen Beziehungen auf dem Gebiete der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung durch zweiseitige Verträge neu zu ordnen. Bis jetzt ist dies erst mit der Bundes republik Deutschland geschehen. Es wäre erwünscht, auf dem Wege zu solchen Regelungen voranzukommen.
[…]26
- 1
- Antrag: E 1001(-) 1970/24 Bd. 28. Unterzeichnet von H.- P. Tschudi.↩
- 2
- Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Grossherzogtum Luxemburg über Sozialversicherung vom 14. November 1955, AS, 1957, S. 283–294.↩
- 3
- Belgien, Dänemark, Frankreich, Grossbritannien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Schweden, Spanien, Tschechoslowakei.↩
- 4
- Abkommen zwischen der Schweiz und Italien über Sozialversicherung vom 17. Oktober 1951, AS, 1954, S. 250–256.↩
- 5
- Vgl. die Notiz von M. Leippert vom 27. Februar 1964, dodis.ch/31294; das Schreiben von M. Troendle an P. Micheli vom 13. Mai 1965, dodis.ch/31295 und das BR-Verhandlungsprot. der 39. Sitzung vom 28. Mai 1965, E 1003(-) 1994/26 Bd. 3, S. 5 f.↩
- 6
- Abkommen zwischen der Schweiz und Liechtenstein über die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung vom 3. September 1965, AS, 1966, S. 1227–1237. Vgl. ferner die Notiz von R. Bär vom 20. Dezember 1964, dodis.ch/31865; das BR-Prot. Nr. 1590 vom 20. September 1965, E 1004.1(-) 1000/9 Bd. 702.1. und das BR-Verhandlungsprot. der 64. Sitzung vom 20. September 1965, E 1003(-) 1994/26 Bd. 3.↩
- 7
- Abkommen zwischen der Schweiz und Frankreich zur Regelung der Stellung der unselbständig erwerbenden Grenzgänger an der französisch-genferischen Grenze unter den Gesetzgebungen über Familienzulagen vom 16. April 1959, AS, 1961, S. 24–28. Vgl. ferner Doss. E 2001(E) 1978/84 Bd. 697 (B.31.31.0).↩
- 8
- Vgl. dazu DDS, Bd. 23, Dok. 149, dodis.ch/31201; das BR-Prot. Nr. 2283 vom 22. Dezember 1964, do dis.ch/ 31133; das Schreiben von L. von Moos an F. T. Wahlen vom 14. Oktober 1965, dodis.ch/31135 und das Telegramm Nr. 42 von A. Escher an P. Micheli vom 6. Mai 1966, dodis.ch/31593.↩
- 9
- Vgl. z. B. das Schreiben von A. Escher an P. Micheli vom 4. März 1966, E 2001(E) 1978/84 Bd. 533 (B.31.31.1).↩
- 11
- Vgl. dazu das Schreiben von G. Chavaz an M. Frauenfelder vom 11. Juli 1966, Doss. wie Anm. 7.↩
- 12
- Zur Türkei vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 69, dodis.ch/31526. Zu Finnland vgl. das Schreiben von C. Motta an R. Hunziker vom 9. Juni 1964, dodis.ch/31806. Zu Irland vgl. das Schreiben von C. Motta an J. Rossat vom 8. Oktober 1964, dodis.ch/31594.↩
- 13
- Zu den Verhandlungen mit Luxemburg vgl. Doss. E 2001(E) 1978/84 Bd. 855 (B.31.31.1) und E 3340(B) 1989/175 Bd. 297 (797 170/L 2).↩
- 14
- Vgl. das BR-Prot. Nr. 2069 vom 25. November 1966, dodis.ch/31431.↩
- 15
- Vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 153, dodis.ch/31007, Anm. 7.↩
- 16
- Vgl. dazu das Schreiben von C. Motta an P. Dupont vom 9. Februar 1966, dodis.ch/31782.↩
- 17
- Schreiben von M. Nosbusch an C. Motta vom 26. September 1966, E 3340(B) 1989/175 Bd. 297 (797 170/L 2).↩
- 18
- Vgl. dazu Doss. wie Anm. 17.↩
- 19
- Zu den Verhandlungen mit Italien vgl. DDS, Bd. 19, Dok. 65, dodis.ch/8942. Siehe auch DDS, Bd. 21, Dok. 8, dodis.ch/14887, und Dok. 151, dodis.ch/14400.↩
- 20
- Für das vollständige Dokument vgl. dodis.ch/31661.↩
- 21
- Zusatzabkommen über Sozialversicherung zwischen der Schweiz und dem Vereinig ten Königreich von Grossbritannien und Nordirland vom 12. November 1959, AS, 1960, S. 867–869.↩
- 22
- Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich Dänemark über Sozialversicherung vom 24. Mai 1954, AS, 1955, S. 284–294.↩
- 23
- Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit (mit Schlussprotokoll) vom 25. Februar 1964, AS, 1966, S. 602–621.↩
- 24
- Zu den Auslandschweizern vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 106, dodis.ch/31336 und Dok. 117, dodis.ch/31341.↩
- 25
- Revidiertes Abkommen über die soziale Sicherheit der Rheinschiffer, AS, 1970, S. 174–228. Ratifizierung durch die Schweiz am 22. November 1966.↩
- 26
- Für das vollständige Dokument vgl. dodis.ch/31661. Der Bundesrat stimmt allen Anträ gen zu. Vgl. das BR-Prot. Nr. 1957 vom 7. November 1966, E 1004.1(-) 1000/9 Bd. 715.1.↩
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