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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 23, doc. 60
volume linkZürich/Locarno/Genève 2011
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1978/84#3566* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1978/84 782 | |
Dossier title | Ausfuhr schweiz. Kriegsmaterials nach Indonesien (1964–1967) | |
File reference archive | B.51.14.21.20 • Additional component: Indonesien |
dodis.ch/31323
Interne Notiz des Politischen Departements1
Ausfuhr von Kriegsmaterial nach Indonesien; Besprechung mit Herrn Fürsprecher Clerc von der Direktion der Eidgenössischen Militärverwaltung
Herr Botschafter Micheli empfängt heute um 16.00 Uhr in Gegenwart von Herrn Dr. Probst und des Unterzeichneten Herrn Fürsprecher Clerc (DEMV) zu einer Besprechung über die Frage der Kriegsmaterial-Exporte nach Indonesien2.
a) Gegenwärtige Situation
Die Lieferung von drei solchen Flugzeugen durch die Pilatus Flugzeugwerke A. G., Stans, an die indonesische Regierung und die Bestellung weiterer sechs Maschinen veranlasst uns, mit Rücksicht auf das für Indonesien seit anfangs 1964 bestehende Kriegsmaterial-Embargo4, eine Zusicherung darüber zu verlangen, dass die Flugzeuge nur für zivile Zwecke verwendet werden. Eine solche Erklärung figuriert auch im Vertrag, den Indonesien mit der UNO5 betr. den Kauf von Flugzeugen kanadischer und deutscher Herkunft abgeschlossen hat, und könnte daher bestimmt auch Aufnahme im Vertrage mit den Pilatus-Werken finden. Eine Abdeckung dieser Art erscheint sowohl aus innen- wie aus aussenpolitischen Gründen unbedingt notwendig. Wir dürfen unter keinen Umständen als Komplizen der indonesischen Aggression erscheinen. Da unser Begehren vom 17. Oktober 19646 nach besserer Kontrolle von der KTA bis heute nicht erfüllt worden ist7, und mit Rücksicht auf den neuen Vertrag über den Kauf von sechs weiteren Pilatus Porter-Flugzeugen, wird Herr Clerc ersucht zu prüfen, ob man nicht doch von den Pilatus-Werken verlangen könnte, dass die Zusicherung über den zivilen Verwendungszweck in den Vertrag aufgenommen würde8.
b) Stellungnahme von Herrn Clerc
Die Pilatus Porter-Flugzeuge können an sich – da in die fraglichen Maschinen keine Militärausrüstungen eingebaut und die Apparate dafür auch nicht vorbereitet worden sind – nicht als Kriegsmaterial betrachtet werden9. Das EMD ist darum auch nicht in der Lage, die Ausfuhr zu verbieten. Der Wunsch des EPD erscheint aber als angebracht und erfüllbar. Da die KTA nicht darauf eingegangen ist, wird sich die DEMV über sie hinweg direkt an die Pilatus-Werke wenden und verlangen, dass im Vertrage mit Indonesien eine Erklärung über den zivilen Verwendungszweck der Flugzeuge aufgenommen werde. Dabei wird gewissermassen gegenüber der bisherigen Praxis eine «Umkehrung der Beweislast» vorgenommen, indem es nun die Pilatus-Werke sein werden, die belegen müssen, dass die Flugzeuge in Indonesien nicht für militärische Zwecke verwendet werden, statt dass die Behörden die militärische Verwendbarkeit nachzuweisen hätten. Dieses Vorgehen lässt sich aber auf Grund der technischen Eigenschaften der Maschine und namentlich der politischen Situation in der indonesischen Frage durchaus rechtfertigen.
c) Weiteres Vorgehen
Sobald die DEMV an die Pilatus-Werke gelangt ist10 und Antwort erhält, wird sie das EPD über diesen Schritt orientieren11. Es wird in Aussicht genommen, allenfalls Herrn Dr. Dieter Bührle, dessen Konzern hinter den Pilatus-Werken steht, in dieser Angelegenheit direkt zu begrüssen, wenn die Pilatus-Werke nicht auf das Anliegen der DEMV eingehen sollten.
Herrn Clerc werden Kopien folgender Akten übergeben:
Brief Schweizerische Botschaft Djakarta vom 15. Dezember 196412
Brief Botschafter Isaacson an Botschafter Micheli vom 17. Dezember 196413
Aktennotiz von Dr. Probst über die französische Haltung in einem ähnlichen Falle, vom 18. Dezember 196414
Aktennotiz Dr. Jagmetti über kanadische Flugzeuglieferungen, vom 18. Dezember 196415
2. Die Verlängerung von Ausfuhrbewilligungen durch die KTA
Am Beispiel der im September erfolgten Ausfuhr von zehn Marine-Flabgeschützen durch die Firma Bührle nach Indonesien16 zeigt sich, dass das Vorgehen der KTA, die ohne Konsultierung des EPDvon sich aus früher erteilte Ausfuhrbewilligungen für Kriegsmaterial verlängert, höchst unbefriedigend ist. Es ergibt sich so, dass ohne unser Wissen, Monate nach dem Beschluss, die Ausfuhr von Kriegsmaterial nach Indonesien zu sperren, doch noch Waffen exportiert werden. Es ist unhaltbar, dass auf rein administrativer Ebene auf diese Weise wichtige Entscheide vorweggenommen und damit der politischen Kontrolle entzogen werden. Damit wird auch das ganze Bewilligungsverfahren, das eben gerade möglichen Änderungen der politischen Situation Rechnung tragen will, indem zuerst die Fabrikation und später noch die Ausfuhr von Kriegsmaterial je einer Bewilligung bedürfen, durch das Vorgehen einer untergeordneten Behörde illusorisch gemacht. Die DEMV ist mit dem EPD der Auffassung, dass diese Situation unhaltbar ist, und sie wird der KTA Weisungen17 erteilen, damit in Zukunft Bewilligungen für die Ausfuhr von Kriegsmaterial nach Ländern, für die ein Embargo besteht, von der KTA nicht mehr ohne Konsultierung des EPD verlängert werden18.
- 1
- Notiz: E 2001(E) 1978/84 Bd. 782 (B.51.14.21.2). Verfasst und unterzeichnet von C. Jagmetti.↩
- 2
- Zum Kriegsmaterialexport nach Indonesien vgl. DDS, Bd. 22, Dok. 97, dodis.ch/18977; die Notiz von R. Probst an P. Micheli vom 19. Mai 1964, dodis.ch/31329 und das Schreiben von P. Cuénoud an die Zürcher Handelskammer vom 28. Oktober 1964, dodis.ch/31343. Für eine Übersicht über die Problematik des Kriegsmaterialexports vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 176, dodis.ch/31195.↩
- 3
- Zum Export von Pilatus Portern nach Indonesien vgl. die Notiz von R. Probst an P. Micheli vom 19. Mai 1964, dodis.ch/31329; das Schreiben von P. Micheli an A. Kaech vom 9. Dezember 1964, dodis.ch/31331; das BR- Prot. Nr. 487 vom 15. März 1965, dodis.ch/31330 und die Notiz von R. Probst vom 12. Juni 1965, dodis.ch/31327. Für den Export von Pilatus Portern nach Tunesien vgl. DDS, Bd. 21, Dok. 96, dodis.ch/15556, und für Vietnam vgl. Doss. E 2001(E) 1980/83 Bd. 624 (B.51.14.21.20).↩
- 4
- Das Embargo gegen Indonesien kam durch einen Briefwechsel zwischen F. T. Wahlen und P. Chaudet zustande, vgl. das Schreiben von F. T. Wahlen an P. Chaudet vom 25. Januar 1964; das Schreiben vom P. Chaudet an F. T. Wahlen vom 30. Januar 1964 und das Schreiben von F. T. Wahlen an P. Chaudet vom 5. Februar 1964, Doss. wie Anm. 1.↩
- 5
- Zur UNO-Klausel über die ausschliesslich friedliche Verwendung der Flugzeuge vgl. das Schreiben von P. Micheli an A. Kaech vom 9. Dezember 1964, dodis.ch/31331. Vgl. ferner das Schreiben von F. Bieri an P. Micheli vom 2. Oktober 1964 und die Notiz von F. Blankart vom 13. Februar 1965, Doss. wie Anm. 1.↩
- 6
- Schreiben von P. Micheli an A. Kaech vom 17. Oktober 1964, Doss. wie Anm. 1.↩
- 7
- Zum Konflikt mit der KTA vgl. das Schreiben von P. Micheli an A. Kaech vom 9. Dezember 1964, dodis.ch/31331; die Notiz von R. Probst an F. T. Wahlen vom 21. Dezember 1964, dodis.ch/31325; das Schreiben von P. Micheli an A. Kaech vom 4. Januar 1965, dodis.ch/31321 und das BR- Prot. Nr. 660 vom 13. April 1965, dodis.ch/31390.↩
- 8
- Vgl. das Schreiben von A. Meyer an die Pilatus Flugzeugwerke AG vom 29. Dezember 1964 und das Schreiben von A. Meyer an P. Micheli vom 6. März 1965, Doss. wie Anm. 1.↩
- 9
- Zur Diskussion dazu im Bundesrat vgl. das BR-Verhandlungsprot. der 20. Sitzung vom 13. März 1965, E 1003(-) 1994/26 Bd. 3, S. 2: Die Diskussion über dieses Geschäft dreht sich zunächst um die Frage, ob man den Pilatus Porter in dem Falle als Flugzeug für zivile Zwecke oder als Kriegsmaterial betrachten müsse. Für die Auffassung, dass die Flugzeuge als «Flugmaterial für militärische Verwendung» aufgefasst werden sollten, wird ins Feld geführt, dass unlängst das EMD selber Pilatus Porter für militärische Verwendungen angeschafft habe. Sukarno werde zum mindesten das Gleiche tun. Man werde uns bestimmt in der Öffentlichkeit vorwerfen, dass wir Sukarno unterstützt hätten. Dazu komme der Protest der Engländer.[…]Gegen diese Auffassung spricht, dass man eine sichere Grundlage für den Begriff des Kriegsmaterials verlieren würde. Der Pilatus Porter kann nur für Transporte, nicht aber für den Kampf eingesetzt werden, weil er nicht dafür eingerichtet ist und weil er sehr verletzlich ist.[…]Die grosse Mehrheit des Rates ist der Auffassung, dass man keine Handhabe besitze, um die Lieferung der Bewilligungspflicht zu unterstellen oder gar zu verhindern.↩
- 11
- Schreiben von A. Meyer an P. Micheli vom 6. März 1965, Doss. wie Anm. 1.↩
- 12
- Schreiben von F. Bieri an P. Micheli vom 15. Dezember 1964, Doss. wie Anm. 1.↩
- 13
- Doss. wie Anm. 1.↩
- 14
- Doss. wie Anm. 1.↩
- 15
- Doss. wie Anm. 1.↩
- 16
- Vgl. die Notiz von R. Probst an F. T. Wahlen vom 21. Dezember 1964, dodis.ch/31325.↩
- 17
- Vgl. Anm. 10.↩