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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 23, doc. 54
volume linkZürich/Locarno/Genève 2011
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2804#1971/2#608* | |
Old classification | CH-BAR E 2804(-)1971/2 86 | |
Dossier title | Teil 4: Diverse Unterlagen in Zusammenhang mit der Genehmigung und der Umsetzung des Abkommens (1964–1965) | |
File reference archive | 182 |
dodis.ch/30797
Notiz für den Vorsteher des Politischen Departements, F. T. Wahlen1
Italien: Emigrationsabkommen2. Argumente für rasche Ratifikation3
1. Nachdem die schweizerische Delegation mit Ermächtigung des Bundesrates4 die provisorische Anwendung auf 1. November vereinbart hatte, bedeutete die Verweigerung zumindest den Bruch einer moralischen Verpflichtung (vgl. im einzelnen Notiz Diez5). Die baldige Genehmigung durch die Räte mit anschliessender Ratifikation wäre eine teilweise Korrektur.
2. In Erkenntnis dieser Situation haben die Fraktionspräsidenten6 selbst die gleichzeitige Behandlung in der Dezembersession in Aussicht genommen.
3. Gestützt darauf wurde der italienischen Regierung mit Note vom 5. November7 u. a. mitgeteilt: «… il est prévu qu’il (l’accord) sera discuté selon une procédure accélérée, simultanément par les deux Chambres au courant de la prochaine session parlementaire… de décembre 1964.»
4. Mit Antwortnote vom 11. November8 hat das italienische Aussenministerium – neben dem Ausdruck seines tiefen Bedauerns – von obiger Zusicherung Kenntnis genommen.
5. Die italienische Enttäuschung über die letzte Entwicklung, die mit dem Notenwechsel in Widerspruch steht, ist gemäss Kabel unserer Botschaft in Rom von Samstag9 umso heftiger («extrêmement alarmés») ausgefallen. Dabei spricht vor allem nach den letzten Wahlergebnissen in den Gemeindewahlen die Befürchtung eines weiteren Fortschreitens der Kommunisten mit (was auch uns nicht gleichgültig lassen kann!). Deshalb dringende Bitte des Aussenministeriums an uns, alles zu tun, damit doch noch die Genehmigung im Dezember zustande kommt. Beachtenswert die Schlussbemerkung der Italiener, dass anderseits die italienische Regierung gegen eine schweizerische behördliche Massnahme zur Reduktion der italienischen Arbeiter in der Schweiz keine Einwendungen erheben würde «du moment qu’il s’agirait de mesures d’économie interne».
6. Weder der Unterzeichnete noch Dr. Zoelly erinnern sich an Fälle, in denen ein von der Schweiz unterzeichnetes Abkommen nicht ratifiziert worden wäre. Man hat stets danach getrachtet, Verträge erst zu unterzeichnen, wenn man glaubte, der Genehmigung materiell sicher sein zu können. Falls in den letzten hundert Jahren doch Fälle von Verweigerung der Ratifikation vorgekommen sein sollten, müssen es nur ganz vereinzelte gewesen sein. An eine Verweigerung der vereinbarten vorläufigen Anwendung eines Staatsvertrages vermögen wir uns auch nicht zu erinnern. Gemäss Liste, die Ihnen der Rechtsdienst erstattet hat10, sind seit 1959 23 Abkommen mit einer Klausel über die provisorische Anwendung unterzeichnet worden; in keinem dieser Fälle wurde auf die provisorische Anwendung verzichtet. Dagegen ist es vorgekommen, dass gegen referendumspflichtige Verträge (das Italienabkommen gehört, da kündbar, nicht dazu) effektiv das Referendum ergriffen wurde. Das letzte Beispiel hiefür ist das Abkommen von 195711; nachdem das Referendum in Bezug auf12 dieses Abkommen zustande gekommen war, ist der Genehmigungsbeschluss der eidgenössischen Räte13 vom Volk im Dezember 195814 angenommen worden, worauf die Ratifikation erfolgen konnte. Ablehnungen von Staatsverträgen in Volksabstimmungen sind uns15 nicht in Erinnerung; Nachforschungen würden mehr Zeit, als heute verfügbar, beanspruchen.
- 2
- Vgl. das Abkommen vom 10. August 1964 zwischen der Schweiz und Italien über die Auswanderung italienischer Arbeitskräfte nach der Schweiz, BBl, II 1964, S. 1026–1037.↩
- 3
- Vgl. auch das BR-Verhandlungsprot. der 23. Sitzung vom 26. März 1965, dodis.ch/32010, S. 4 f.↩
- 4
- Vgl. das BR- Prot. Nr. 1370 vom 30. Juli 1964, dodis.ch/31246.↩
- 6
- Es handelt sich dabei um K. Furgler, A. Schaller, M. Eggenberger, R. Gnägi, W. Vontobel, G. Clottu und P. Hauser. Vgl. die Notiz Aussenpolitische Aspekte des italienisch-schweizerischen Einwanderungsabkommens vom 29. Oktober 1964, Doss. wie Anm. 1.↩
- 7
- Vgl. das Telegramm Nr. 93 des Politischen Departements an die schweizerische Botschaft in Rom vom 5. November 1964, Doss. wie Anm. 1.↩
- 8
- Für den Text der Note vgl. das Telegramm Nr. 160 von Ph. Zutter an das Politische Departement vom 14. November 1964, Doss. wie Anm. 1.↩
- 9
- Vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 53, dodis.ch/30796.↩
- 11
- Handschriftliche Marginalie: über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte des Spöl. Vgl. dazu das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaftund der Italienischen Republik über die Nutzbarmachung der Wasserkraft des Spöl vom 27. Mai 1957, BBl, 1957, II, S. 28–35.↩
- 12
- Handschriftliche Korrektur aus: für.↩
- 13
- Zur Debatte in den Eidgenössischen Räten vgl. Sten. Bull. NR, 1957, S. 765–781 und Sten. Bull. SR, 1957, S. 466–497.↩
- 14
- Abstimmung vom 7. Dezember 1958. Vgl. BBl, 1959, I, S. 87 f.↩
- 15
- Handschriftliche Marginalie: abgesehen von der Zonenfrage 1923. Zu dieser Angelegenheit vgl. DDS, Bd. 8, thematisches Verzeichnis: II.12.1 La question des zones franches de Haute-Savoie et du Pays de Gex.↩
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