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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 24, doc. 48
volume linkZürich/Locarno/Genève 2012
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E2001E#1978/84#5959* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 2001(E)1978/84 963 | |
Titre du dossier | Wirtschaftsbeziehungen mit der Schweiz (1952–1967) | |
Référence archives | C.41.111.0 • Composant complémentaire: Russland |
dodis.ch/32688 Notiz des Chefs des Finanz- und Wirtschaftsdiensts des Politischen Departements, P. A. Nussbaumer1 Erweiterung des Handels zwischen der UdSSR und der Schweiz
Diese Angelegenheit wurde heute besprochen zwischen den Herren Direktor Jolles, Botschafter Micheli, Weitnauer und Lindt, Minister Probst, Dr. Jan ner, Roches und dem Unterzeichneten.
Die Frage der Erweiterung des Handels zwischen der UdSSR und der Schweiz stellt sich unter einem wirtschaftlichen und einem politischen Gesichtspunkt.
Wirtschaftlich kann folgendes gesagt werden: Die UdSSR wird für die Schweiz wohl nie ein sehr wichtiger Handelspartner werden. Es ergeben sich im gegenseitigen Verhältnis zu viele Schwierigkeiten. Die Hochkonjunktur brachte es mit sich, dass die schweizerische Industrie leichtere Märkte pflegt als es der russische ist. Ferner stellt die Abhängigkeit von den staatlichen Importprogrammen den schweizerischen Exporteur jeweilen vor schwer zu lösende Probleme. Zudem fehlen die traditionellen Geschäftsbeziehungen, wie z. B. mit den meisten übrigen europäischen Ostländern, welche vor dem 2. Weltkrieg ihre bourgeoise Periode hatten. Immerhin sollte es möglich sein, eine Steigerung des gegenseitigen Handels zu erreichen. Schweden z. B. tauscht jährlich für ca. 300 Millionen Rubel Waren mit Russland aus, wogegen die entsprechende schweizerische Zahl 25 Millionen Rubel beträgt. Auch geniesst die Schweiz in der UdSSR grosses Ansehen. Bereits recht aktiv ist die chemische Industrie. Gewisse Erfolge hatte auch die Verpackungs- und Lebensmittelindustrie. Es sind also nicht in erster Linie unsere grossen Industrien, welche in der UdSSR zum Zuge gekommen sind.
Fast mehr als der wirtschaftliche, fällt der politische Gesichtspunkt ins Gewicht. Es ist für die Schweiz wichtig, in der UdSSR präsent zu sein. Für uns lohnt es sich – z. B. im Hinblick auf die durch die Integration aufgeworfenen Probleme – dort gut angeschrieben zu sein.
Folgende Massnahmen werden zur Förderung des gegenseitigen Handels in Aussicht genommen.
1) Bildung eines schweizerischen Komitees2, dem interessierte Verbände, Industrielle und Vertreter der Verwaltung angehören würden. Es wäre die Aufgabe dieses Komitees, Mittel und Wege zur Förderung des gegenseitigen Handels zu suchen und entsprechende Aktionen zu unternehmen (Reisen in die UdSSR, Organisation von Messen usw.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine einseitige Förderung der schweizerischen Exporte nicht möglich sein wird, dass vielmehr auch eine entsprechende Erhöhung der Importe erforderlich ist. Zu prüfen wäre die Frage der Einfuhr von Erdgas, Petroleum, gewissen Werkzeugmaschinen usw. Immerhin ist nicht zu vergessen, dass die Schweiz vor allem mit denjenigen Ländern Handel treibt, die marktwirtschaftlich orientiert sind, sodass man sich bezüglich der Möglichkeiten, die Importe aus der UdSSR zu beleben, nicht allzu grosse Hoffnungen machen darf. Mit ähnlichen Schwierigkeiten haben aber auch andere Länder des Westens zu kämpfen. Es ist eine Tatsache, dass nur zähe Anstrengungen in Russland zum Erfolg führen (Fiat arbeitete 8 Jahre, um schlussendlich den Zuschlag zum Bau eines Automobilwerkes zu erhalten). Nach Herrn Botschafter Lindt ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Russen nunmehr grundsätzlich bereit sind, langfristig mit dem Westen zusammenzuarbeiten, wobei kaum zu befürchten ist, dass diese Orientierung durch allfällige politische Änderungen an der Spitze der sowjetischen Regierung in Frage gestellt werden könnte.
Botschafter Lindt fügte bei, das Problem der Kreditgewährung3 könne solange als sekundär betrachtet werden, als eine einigermassen ausgeglichene Zahlungsbilanz besteht. Das Verlangen nach Krediten steige mit zunehmendem russischem Zahlungsbilanzdefizit. Herr Botschafter Weitnauer denkt, dass es möglich sein wird, das Komitee bis Ende 1967 aufzustellen. Dies wird allerdings nicht ganz einfach sein, da mit dem traditionellen schweizerischen Skeptizismus in solchen Dingen zu rechnen ist. Was die grossen Firmen anbetrifft, so haben diese oft ihre eigenen entrées in Moskau und dürften daher dem Komitee gegenüber eher zurückhaltend eingestellt sein.
2) Messen und Ausstellungen. In Frage käme gegebenenfalls die Vorbereitung einer neuen Ausstellung4 im Jahre 1969, wobei sich das oben genannte Komitee damit befassen könnte. Wichtig wäre allerdings, dass nach Abschluss der Ausstellung ein richtiges follow-through folgen würde.
3) Ernennung eines Wirtschaftsattachés5, der in Moskau als «Spürhund» der schweizerischen Industrie die Geschäftsmöglichkeiten zu untersuchen hätte. Herr Botschafter Lindt unterstreicht, dass keine Publikationen bestehen, die über die Einfuhrmöglichkeiten Auskunft geben; diese Möglichkeiten können einzig und allein durch Kontakte an Ort und Stelle in Erfahrung gebracht werden. Es müsste sich vorzugsweise um einen Ingenieur handeln der russisch spricht und bereit ist, längere Zeit in der sowjetischen Hauptstadt Wohnsitz zu nehmen. Er hätte diplomatischen Status und wäre unserer Botschaft zugeteilt. Die durch ihn entstehenden Kosten könnten durch unsere Wirtschaft beigebracht werden.
4) Einladung sowjetischer Persönlichkeiten6 in die Schweiz.
- 1
- Notiz: E2001E#1978/84#5959* (C.41.111). Visiert von P. Micheli, A. Janner und F. Châtelain.↩
- 2
- Zur ersten Aussprache zwischen Verwaltung, Vorort, Bauernverband, Chemie- und Maschinen-Verbände zu den Entwicklungsmöglichkeiten der schweizerisch-sowjetischen Handelsbeziehungen vom 26. Januar 1968 vgl. das Schreiben von A. Weitnauer vom 10. Januar 1968, E2001E#1980/83#3949* (C.41.111.0).↩
- 3
- Zur Frage der Kreditgewährung gegenüber den Staaten Osteuropas vgl. z. B. das Schreiben von L. Roches an L. Guillaume vom 5. Mai 1969, dodis.ch/33488.↩
- 4
- Zur ersten schweizerischen Industrieausstellung in Moskau im Mai und Juni 1966 vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 151, dodis.ch/31032.↩
- 5
- Zur möglichen Ernennung eines Wissenschaftsattachés in Moskau vgl. das BR- Prot. Nr. 1813 vom 31. Oktober 1967, dodis.ch/30774. Zur Bestellung von J. Fardel als Industrierat in Moskau vgl. das BR- Prot. Nr. 1792 vom 13. November 1968, dodis.ch/32693. Vgl. auch den Bericht über Besprechungen mit der Industrie und Werkbesichtigungen von J. Fardel vom März 1969, dodis.ch/32694.↩
- 6
- Vgl dazu DDS, Bd. 24, Dok. 163, dodis.ch/32701.↩
Tags
Commerce Est-Ouest (1945–1990) Russie (Politique)