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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 22, doc. 16
volume linkZürich/Locarno/Genève 2009
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1978/84#7187* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1978/84 452 | |
Dossier title | Behandlung der Sturzenegger-Akten im Haager Verfahren und Prozess der Interhandel in USA (1961–1963) | |
File reference archive | B.52.31.(01e) • Additional component: Vereinigte Staaten von Amerika |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2200.36-09#1976/154#356* | |
Old classification | CH-BAR E 2200.36-09(-)1976/154 28 | |
Dossier title | Interhandel (1961–1965) | |
File reference archive | H.34.11.J |
dodis.ch/18887 Der Generaldirektor der Schweizerischen Bankgesellschaft, A. Schaefer, an den Vorsteher des Politischen Departements, F. T. Wahlen1 Betreffend Interhandel2
Am letzten Montag und Dienstag hatte ich Gelegenheit, mit dem Attorney General der USA, Herrn Robert Kennedy und seinen beiden Stellvertretern, den Herren White und Orrick in längeren Unterredungen die gegenwärtige Situation im Streit Interhandel/GAF3 durchzubesprechen.
Herr Kennedy erklärte, dass er grundsätzlich bereit sei in Vergleichsverhandlungen einzutreten, weil die Regierung auf die Dauer die GAF nicht unter eigener Verantwortung führen sollte. Er sei auch bereit, uns Einblick in die Situation der GAF zu gewähren und unseren Rat für die Reprivatisierung des Unternehmens entgegen zu nehmen.
Einen Vorschlag, den ich ihm vor einigen Wochen unterbreitete und der darauf hinauslief, dass uns die GAF zurückgegeben werde, wir aber das Realisat zur Kreditgewährung an unterentwickelte Länder verwenden würden, bezeichnet er als unannehmbar. Die Rechtslage sei immerhin so, dass die amerikanische Regierung ihrer Sache vor dem amerikanischen Gericht ziemlich sicher und es somit vor der öffentlichen Meinung ausgeschlossen sei, an eine vollständige Freigabe auch nur zu denken. Es sei für ihn und seine Mitarbeiter, angesichts ihrer delikaten Situation, schon sehr schwierig, einem Vergleich auf Basis 50: 50 zuzustimmen.
Ich habe Herrn Kennedy und seinen Mitarbeitern am folgenden Tag einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, der als Grundlage für ein weiteres Gespräch bezeichnet wurde, wobei mir die Herren eine beschleunigte Prüfung zusicherten.
Der Grund für die Verhandlungsbereitschaft dürfte wenigstens teilweise darin liegen, dass die Geschäftszukunft der GAF mit Vorsicht beurteilt werden muss und es sehr wohl dazu kommen könnte, dass die beiden Partner sich zuletzt um einen Leichnam streiten. Infolgedessen sind auch wir an einem raschen Abschluss der Vergleichsverhandlungen interessiert.
Von erheblicher Bedeutung für die Stellungnahme der amerikanischen Regierung sind die fatalen «Sturzenegger-Dokumente»4. Die Weigerung, den amerikanischen Behörden direkte Einsicht in die restanzlichen Akten zu geben, ist nach Meinung der amerikanischen Regierung deren grösster Trumpf in den Verhandlungen und vor dem amerikanischen Gericht. Es wäre infolgedessen von grösster Bedeutung, wenn die Stellungnahme des Bundesrates in dieser Frage möglichst umgehend und möglichst direkt dem Justice Department zugestellt und möglichst entgegenkommend gefasst würde.
Ich bin persönlich fest überzeugt, dass wirklich ernsthafte Verhandlungen begonnen haben und dass wir dieselben, ungeachtet der von uns verlangten und durch die Rechtslage keinesfalls gerechtfertigten Opfer, nicht scheitern lassen dürfen. Es ist anzunehmen, dass die Bereitschaft zu einem Entgegenkommen verstärkt wird, wenn das Justice Department einsehen muss, dass die Schweiz ihr möglichstes tut, um die Einsichtnahme in die fraglichen Dokumente zu erleichtern. Von diesem allfälligen schweizerischen Entgegenkommen muss ja nicht Gebrauch gemacht werden, falls die Verhandlungen zu einem Abschluss führen, an welchem m. E. nunmehr beide Teile eindeutig interessiert sind.
Ich wollte Sie, hochgeachteter Herr Bundespräsident, unverzüglich von dieser Sachlage in Kenntnis setzen und meine Bitte um eine möglichst rasche und entgegenkommende Stellungnahme des Bundesrates5 erneuern.
Ich konnte, angesichts der kurzen mir zur Verfügung stehenden Zeit, unserem Herrn Botschafter in Washington leider nicht mehr meine Aufwartung machen, habe aber Herrn Botschaftsrat Schnyder über die Sachlage mündlich ins Bild gesetzt und erlaube mir deshalb, Kopie dieses Schreibens der Schweizerischen Botschaft in Washington zuzustellen.
- 1
- Schreiben: E 2001(E)1978/84/452.↩
- 2
- Zur Interhandel-Affäre vgl. Nrn. 121, 126 und 138 in diesem Band, sowie die Notiz Bilaterale Beziehungen Schweiz – USA von R. Kohli vom 3. August 1961 (dodis.ch/18894), das Schreiben von A. Schaefer an F. T. Wahlen vom 17. Januar 1962 (dodis.ch/18889), die Notiz von P. Micheli vom 19. November 1962 (dodis.ch/18940), das Communiqué Interhandelsabkommen vom 4. März 1963 (dodis.ch/18893) und die Notiz Interhandel von H. Hess an R. Bonvin vom 23. April 1963 (dodis.ch/18836). Siehe auch DDS, Bd. 16, Dok. 65, dodis.ch/66 und 67 (dodis.ch/68), DDS, Bd. 17, Dok. 76, dodis.ch/5640, DDS, Bd. 18, Dok. 2, dodis.ch/4680 und 6 (dodis.ch/4722), DDS, Bd. 19, Dok. 82, dodis.ch/9209 und 149, Anm. 5, DDS, Bd. 20, Dok. 65, dodis.ch/11115, 102 (dodis.ch/12080), 112 (dodis.ch/11334) und 140 (dodis.ch/12178), DDS, Bd. 21, Dok. 33, dodis.ch/14964, 120 (dodis.ch/14969) und 155 (dodis.ch/14936) sowie den Revisions-Bericht von A. Rees vom 8. März 1946 (dodis.ch/9266).↩
- 4
- Es handelt sich um die Bank Sturzenegger & Cie, deren Guthaben in den USA und in Kanada blockiert wurden. Vgl. DDS, Bd. 22, Dok. 98, dodis.ch/18990 sowie die Notiz Blockierte Guthaben in USA und Kanada von R. Probst an Micheli vom 6. Mai 1963 (dodis.ch/18995) und die Notiz Sturzenegger-Grutchemie/ Canada von E. Brunner vom 24. September 1963 (dodis.ch/19001). Siehe auch das Schreiben von Probst an V. Nef vom 27. November 1959 (dodis.ch/15058) und das BR-Prot. Nr. 271 vom 10. Februar 1961 (dodis.ch/14973).↩
- 5
- Der Bundesrat hatte sich schon im Oktober 1961 für eine Bewilligung der direkten Einsicht in die Sturzenegger-Akten ausgesprochen. Vgl. dazu das BR-Prot. Nr. 1971 vom 24. Oktober 1961, E 1004.1(-)-/1/654.2.Eine weitere Stellungnahme gab es nicht. Zur Behandlung der Sturzenegger-Akten im Interhandel-Prozess in den Vereinigten Staaten vgl. E 2001(E)1978/84/453.↩
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