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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 1992, doc. 13
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E7115A#2000/385#1078* | |
Dossier title | Besuche (1992–1992) | |
File reference archive | 877.3 • Additional component: Russland |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E7115A#2000/385#1042* | |
Dossier title | Sondermission (1992–1992) | |
File reference archive | 821 • Additional component: GUS |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2010A#2001/161#1730* | |
Dossier title | Offizieller Arbeitsbesuch von Botschafter Gluchov, Chef der Direktion für Europa und Nordamerika im russischen Aussenministerium, in Bern, 22.Juni 1992 (1992–1992) | |
File reference archive | B.15.21(14) • Additional component: Russie |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2010A#2001/161#1562* | |
Dossier title | Allgemeines, Band 1 (1991–1992) | |
File reference archive | B.15.21 • Additional component: Russie |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2010A#2001/161#6300* | |
Dossier title | Visites officielles (1992–1993) | |
File reference archive | B.75.77.20.07.RUS |
dodis.ch/58206Gespräch des Direktors des Bundesamts für Aussenwirtschaft des EVD, Staatssekretär Blankart, mit dem russischen Vizeaussenminister Lawrow in Bern1
Besuch des russischen Vizeaussenministers Sergej Lavrov bei Staatssekretär Franz Blankart vom 6. April 1992
Am 06.04.1992 ist der russische Vizeaussenminister Lavrov (L), in Begleitung von Frau Botschafterin Zoya Nowoschilowa und Viktor Borissenko, von Staatssekretär Franz Blankart (blf) zu einem Meinungsaustausch empfangen worden. Schweizerischerseits nahmen am Gespräch Patrick Pardo (EDA, Pol. Abt. I) sowie der Unterzeichnete teil. Gesprächsthemen bildeten sowjetische Zahlungsausstände, das bilaterale Vertragsnetz, die Gemischte Wirtschaftskommission sowie der Beitritt zu den Bretton Woods-Instituten.2
B[lankart] wies einleitend darauf hin, dass zur Zeit immer noch zahlreiche Schweizer Exporteure russischerseits von Zahlungsausständen betroffen seien. Er betonte, die Schweiz sei – nach der Vereinbarung im Pariser Club vom 04.01.19923 – sehr daran interessiert, möglichst bald ein bilaterales Stundungsabkommen mit Russland abzuschliessen.4 L[awrow] stimmte dem zu und entgegnete seinerseits, Russland werde seine Schulden bezahlen. Vorgängig sei aber eine Einigung unter den GUS-Schuldnerländern notwendig. Man wolle die Ausstände so schnell wie möglich bedienen. Die Ukraine habe sich in der Zwischenzeit ebenfalls bereit erklärt, ihren Anteil an der Aussenschuld der ehemaligen Sowjetunion zu übernehmen. Er sei deshalb überzeugt, dass das Problem rasch gelöst werden könne. B[lankart] machte darauf aufmerksam, dass neben den offiziellen Gläubigern viele Privatfirmen von den Ausständen betroffen seien.5 Die Schweiz wäre dankbar, wenn die russischen Behörden mithelfen könnten, dieses Problem bald aus der Welt zu schaffen. L[awrow] versprach, dieses schweizerische Anliegen in Moskau aufzunehmen.
Bezüglich der bilateralen Abkommen, die zwischen der ehemaligen Sowjetunion und der Schweiz unterzeichnet worden sind, dankt L[awrow] für die Liste, die das EDA zusammengestellt hat.6 Russland sei ebenso wie die Schweiz daran interessiert, die bestehenden bilateralen Verträge zu überprüfen.7
Russland strebe die GATT-Mitgliedschaft an, möchte aber vorgängig mit der Schweiz ein bilaterales Handels- und Wirtschaftsabkommen sowie ein Abkommen bezüglich der Handelsvertretung abschliessen.8 L[awrow] schlug vor, russische Experten könnten diesbezügliche Vorschläge unterbreiten. Dagegen erhob B[lankart] keinen Einwand.
B[lankart] wies auf das vor zwei Jahren abgeschlossene Investitionsschutzabkommen9 hin und stellte die Frage, ob es nicht zweckmässig wäre, dieses Abkommen den neuen Verhältnissen anzupassen. L[awrow] bejahte dies und fügte bei, auch das Doppelbesteuerungsabkommen10 sollte neu ausgehandelt werden. Gleichzeitig betonte er, sein Land sei gegenwärtig nicht in der Lage, Experten in alle Länder zu schicken. Er schlage deshalb vor, dass man diese Verhandlungen auf dem Korrespondenzwege führe. Erst wenn die Vorschläge ausgetauscht seien, könnten Experten zusammentreffen, um die letzten Details auszuhandeln. Minister könnten schliesslich die Unterzeichnung vornehmen. B[lankart] billigte diesen Vorschlag. L[awrow] fügte weiter an, die von Eduard Schewardnadse und Bundesrat Felber im Jahre 1990 unterzeichnete Zusammenarbeitsdeklaration11 sollte ebenfalls erneuert werden, wobei Hinweise auf die EBRD und den IWF enthalten sein könnten. B[lankart] meinte, dieser Deklaration sei wohl eher politische und weniger aussenwirtschaftspolitische Bedeutung beizumessen.
Mit Blick auf die Gemischte Kommission meinte L[awrow] weiter, sein Land wolle keinen grossen bürokratischen Apparat errichten, sondern der Aufbau habe einfach und flexibel zu sein. Man wolle aber doch, dass Regierungsvertreter eingeschlossen würden. Ein spezifisches Konzept, wie diese Kommission auszusehen habe, bestünde russischerseits bisher nicht. Man sei gerne bereit, in dieser Sache schweizerische Vorschläge zu prüfen. Schweizerischerseits wurde darauf hingewiesen, dass neben offiziellen, auch Vertreter der Privatwirtschaft der Kommission angehören sollten.12 Es sei wichtig, dass letztere die Möglichkeit hätten, hängige Probleme mit Regierungsvertretern und Geschäftspartnern erörtern zu können. Mit der Bemerkung, Repräsentanten beider Seiten sollten diesbezügliche Vorschläge ausarbeiten, wurde dieser Gesprächspunkt abgeschlossen.13
Was den Beitritt der Schweiz zu den Bretton-Woods Instituten betrifft, erklärte B[lankart], dieser hänge von der im Mai stattfindenden Volksabstimmung ab.14 Erst nach einem positiven Ausgang werde man sich festlegen, wie die Schweiz künftig im Exekutivrat vertreten sein wolle. Einen Alleingang lehne die Schweiz allerdings ab und diesbezügliche Meldungen seien falsch. Was die Zusammensetzung der Ländergruppe angehe, so sei man offen und auch bereit, mit Russland in dieser Beziehung zusammenzuarbeiten.15 L[awrow] erklärte, Kagalovskij sei russischerseits beauftragt, die Verhandlungen mit dem IWF zu führen. Er sei zur Zeit in Washington und werde auf dem Rückweg die Gelegenheit benutzen, um in Bern über seine Gespräche in Washington zu informieren.16
Mit Blick auf die Vorgänge in der ehemaligen Sowjetunion drückte B[lankart] seine Besorgnis aus, die er angesichts der Tatsache empfinde, dass zwischen den GUS-Staaten Handelsbarrieren entstünden. Diese könnten nur kontraproduktive Auswirkungen haben. Er sei der Meinung, es müsste alles unternommen werden, dass diese Handelshemmnisse beseitigt würden. L[awrow] gab zu verstehen, dass die Politik leider nicht immer von der Wirtschaft zu trennen sei. Nach seiner Auffassung gäbe es in der Gemeinschaft unabhängiger Staaten zwei bis drei Gruppen, die unterschiedliche Vorstellungen von diesem Zusammenschluss hätten. Russland, Belarus, Kasachstan und Armenien – mehr und mehr auch Usbekistan und Tadschikistan – seien heute an einer engeren Zusammenarbeit interessiert. Die Ukraine mache weiterhin Probleme. Ihr Verhalten werde weitgehend von der Innenpolitik beeinflusst. Turkmenistan wiederum versuche, völlig unabhängig zu werden (das aber in der Praxis bedeute, dass es sich nach Süden ausrichte) bevor es mit der GUS weitere Kontakte knüpfen wolle. Azerbajdschan vertrete ähnliche Ansichten. Russland sei an einer möglichst weiten Integration interessiert. Sollte es nicht anders gehen, könnte die GUS auch auf fünf oder sieben Länder beschränkt werden. Russland und Kasachstan, später auch Belarus, hätten zusammen Freihandelsabkommen abgeschlossen. In andern Sektoren habe man bilaterale Abkommen vereinbart.
Zum Abschluss weist B[lankart] darauf hin, dass die ECE in Genf ein nützliches Forum sein könnte, das den Ländern beim Übergang zur Marktwirtschaft behilflich sein könnte. Sollte Russland diesbezügliche Wünsche vorbringen, so würden diese von der Schweiz unterstützt.
Mit der Feststellung, der heutige Besuch möge zur Intensivierung der bilateralen Beziehungen beitragen, wird das Gespräch beendet.17
- 1
- CH-BAR#E7115A#2000/385#1078* (877.3). Diese Notiz wurde von Léo Ribeli vom Regionaldienst Mittel-/Osteuropa – ECE/UNO des Bundesamts für Aussenwirtschaft (BAWI) des EVD verfasst und unterzeichnet und war an die schweizerische Botschaft in Moskau, den Direktor der Politischen Direktion des EDA, Staatssekretär Jakob Kellenberger, das Politische Sekretariat, die Politische Abteilung I sowie an die Direktion für Völkerrecht des EDA gerichtet. Kopien gingen unter anderem an den Direktor des BAWI, Staatssekretär Franz Blankart und den Delegierten des Bundesrats für Handelsverträge, Botschafter Silvio Arioli. Für die vollständige Liste der Empfänger vgl. das Faksimile dodis.ch/58206.↩
- 2
- Für die Unterredung von Vizeaussenminister Sergei Lawrow mit Staatssekretär Blankart und sein vorangehendes Gespräch mit Staatssekretär Kellenberger vgl. den Wochentelex 16/92 vom 13. April 1992, dodis.ch/61132, Punkt 6.↩
- 3
- Vgl. dazu dodis.ch/63065. Das am 15. Oktober 1991 von der Wneschekonombank und der Schweiz paraphierte Schuldenrückzahlungsabkommen (vgl. BR-Prot. Nr. 2403 vom 9. Dezember 1991, dodis.ch/57745) wurde damit hinfällig.↩
- 4
- Agreement between the Government of the Swiss Confederation and the «Vnesheconombank of the USSR» as the Debt Manager acting on behalf of the Debtors on the Deferral of the Debt of the Union of Soviet Socialist Republics (U.S.S.R.) and its Successors to Foreign Official Creditors vom 6. Mai 1992, CH-BAR#K1#1000/1480#191* (K1.4188). Vgl. dazu das BR-Prot. Nr. 518 vom 16. März 1992, dodis.ch/61015, und die Notiz des BAWI vom 7. Mai 1992, dodis.ch/62811.↩
- 5
- Vgl. dazu das Protokoll der Vorstandssitzung der Interessengemeinschaft Schweiz–UdSSR vom 8. April 1992, dodis.ch/63421, sowie das Dossier CH-BAR#E7115A#2000/385#1060* (890.1).↩
- 6
- Für die der russischen Botschaft in Bern am 6. März 1992 übermittelte Note mit der Liste der zwischen der Schweiz und der UdSSR bestehenden Verträge, Stand 31. Dezember 1991, vgl. das Dossier CH-BAR#E2010A#2001/161#1450* (B.14.20.6).↩
- 7
- Diese Frage besprach Staatssekretär Blankart bereits am 1. Februar 1992 mit dem russischen Vize-Premierminister Alexander Schochin in Davos, vgl. dodis.ch/62137. Allgemein zur Fortgeltung der zwischen der Schweiz und der Sowjetunion abgeschlossenen Verträge vgl. die Zusammenstellung dodis.ch/C2304. ↩
- 8
- Abkommen über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Russischen Föderation vom 12. Mai 1994, AS, 1995, S. 3974–3986.↩
- 9
- Abkommen zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen vom 1. Dezember 1990, AS, 1991, S. 2196–2202. Vgl. dazu DDS 1990, Dok. 58, dodis.ch/55430.↩
- 10
- Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über Steuerfragen vom 5. September 1986, AS, 1988, S. 322–330. Vgl. dazu das BR-Prot. Nr. 1387 vom 3. September 1986, dodis.ch/56622.↩
- 11
- Für die Déclaration d’intention sur la coopération entre le gouvernement de la Confédération Suisse et le gouvernement de l’Union des Républiques Socialistes Soviétiques vom 1. Dezember 1990 vgl. das BR-Prot. Nr. 2498 vom 26. November 1990, dodis.ch/55335.↩
- 12
- Vgl. dazu das Fernschreiben des BAWI an die schweizerische Botschaft in Moskau vom 27. März 1992, dodis.ch/63063.↩
- 13
- Zu den Diskussionen über die Zusammensetzung der schweizerisch-russischen Gemischten Kommission bis Ende 1992 vgl. das Dossier CH-BAR#E7115A#2000/385#1062* (821).↩
- 14
- Der Bundesbeschluss über den Beitritt der Schweiz zu den Institutionen von Bretton Woods wurde am 17. Mai 1992 mit 55,8% Ja-Stimmen angenommen, vgl. BBl, 1992, V, S. 453.↩
- 15
- Vgl. DDS 1992, Dok. 23, dodis.ch/60948. Zu den Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit Russland vgl. den Bericht des Delegierten des Bundesrats für Handelsverträge, Botschafter Nicolas Imboden, vom 22. März 1992, dodis.ch/61243.↩
- 16
- In den einschlägigen Akten des BAWI, der Finanzverwaltung des EFD sowie des EDA finden sich keine Hinweise auf einen Besuch des russischen Vertreters für internationale Finanzfragen, Konstantin Kagalowski, in Bern. Für das Gespräch Kagalowskis mit Staatssekretär Blankart am World Economic Forum in Davos vgl. dodis.ch/62137. ↩
- 17
- Im Mai 1992 reiste Bundesanwalt Willy Padrutt nach Moskau und St. Petersburg, vgl. dodis.ch/62885 (bereits im Januar 1992 hatte der russische Generalstaatsanwalt Walentin Stepankow die Schweiz besucht, vgl. dodis.ch/63487 und dodis.ch/62526). Ebenfalls im Mai 1992 fanden in Bern Luftverkehrsverhandlungen zwischen der Schweiz und der Russischen Föderation statt, vgl. dodis.ch/63485. Zum Besuch von Botschafter Alexei Gluchow, Chef der Europadirektion im russischen Aussenministerium, in Bern vom 22. Juni 1992 vgl. dodis.ch/61310. ↩
Relations to other documents
http://dodis.ch/61132 | see also | http://dodis.ch/58206 |
Tags
Accession to the Bretton Woods-Institutions (1989–1992)