Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 27, doc. 165
volume linkZürich/Locarno/Genève 2022
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2003A#1990/3#1461* | |
Old classification | CH-BAR E 2003(A)1990/3 645 | |
Dossier title | Conf. mondiale de la lutte contre la racisme et la discrimination raciale, Genf 1978, Vol. 1-2 (1976–1978) | |
File reference archive | o.713.252 |
dodis.ch/49309Notiz für den Vorsteher des Politischen Departements, P. Aubert1
UNO-Konferenz über Rassismus und Rassendiskriminierung
Die UNO-Konferenz über Rassismus und Rassendiskriminierung soll morgen zu Ende gehen. Es ist vorgesehen, sie mit einer Erklärung und einem Aktionsprogramm abzuschliessen. Diese Texte sind zurzeit hart umstritten. Aller Voraussicht nach wird von heute auf morgen eine Nachtsitzung stattfinden2.
Im Zentrum der Diskussion stehen folgende Punkte:
- 1. Eine Empfehlung an den Sicherheitsrat, umfassende wirtschaftliche Sanktionen gegen Südafrika anzuordnen3.
- 2. Eine Empfehlung an die Regierungen, militärische, wirtschaftliche, politische, diplomatische, und jegliche andere Unterstützung «rassistischer Regime» sofort einzustellen.
- 3. Den Wanderarbeitern sollen Rechte zugestanden werden, die zum Teil über das hinausgehen, was die Schweiz den Gastarbeitern gewährt4.
- 4. Bei verschiedenen Passagen wird versucht, das Problem des Mittleren Ostens in der einen oder andern Weise einzubeziehen: Verurteilung Israels, Anprangerung des Zionismus, Anerkennung des Rechts des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung5.
Für die Punkte 1 – 3 könnte die Schweiz nach Rücksprache mit den zuständigen Diensten (Handelsabteilung, Fremdenpolizei, BIGA) einem Konsensus zustimmen, mit entsprechenden Vorbehalten, die in einer Schlusserklärung anzufügen wären.
Die Frage der Einbeziehung des Mittleren Ostens wiegt schwerer. Es ist zurzeit ungewiss, wie die endgültigen Texte aussehen werden. Die Verhandlungen über die entsprechenden Passagen sind vorläufig ausgeklammert worden. Unsere definitive Haltung können wir jedoch erst bestimmen, wenn wir das Schlussergebnis kennen.
Nach unseren Informationen stellen sich für die meisten westlichen Staaten, vorab für die Mitglieder der Europäischen Gemeinschaften sowie Kanada, Australien und Neuseeland, je nach Beurteilung der Texte drei Möglichkeiten: 1. Nein zur Erklärung und zum Aktionsprogramm mit Erklärung zur Stimmabgabe; 2. Nichtteilnahme an der Abstimmung; 3. Verlassen der Konferenz6.
Grundsätzlich halten wir das Verlassen einer Konferenz für eine schlechte Lösung. Wir haben sie bisher nie praktiziert, nicht einmal in Paris, als bei der Ausarbeitung einer Mediendeklaration im Rahmen der UNESCO7 auch die Angleichung des Zionismus an den Rassismus zur Diskussion stand und die meisten westlichen Staaten daraufhin den Saal verliessen. Wir gingen vielmehr davon aus, dass wir unsere eigenen Ansichten bis zum Schluss verteidigen sollten, auch wenn sie von der Mehrheit nicht akzeptiert würden8.
Bei der Rassismuskonferenz in Genf könnte sich das Problem eventuell anders stellen und ein Überdenken unserer Haltung erfordern. Dies wird sich möglicherweise erst im Verlauf dieses Abends oder gar der Nacht ergeben. Wir haben daher in den verschiedenen Diensten einen Pikettdienst aufgestellt, wie Sie der Beilage 9entnehmen können, und würden uns möglicherweise veranlasst sehen, auch an Sie zu gelangen, um Ihren definitiven Entscheid zu erfahren.
Zu Ihrer Information überlassen wir Ihnen in der Beilage auch die vom Sekretariat ausgearbeiteten Entwürfe zur Erklärung und zum Aktionsprogramm10, die allerdings teilweise überholt sind.
- 1
- Notiz: CH-BAR#E2003A#1990/3#1461* (o.713.252). Verfasst von M. von Grünigen und unterzeichnet von A. Weitnauer. Kopie an A. Weitnauer, F. Pometta, M. von Grünigen, die Völkerrechtsdirektion, die Direktion für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe sowie die Politische Abteilung II des Politischen Departements.↩
- 2
- Vgl. dazu die Rede von P. Aubert vom 14. August 1978, dodis.ch/51587; die Notiz von B. de Riedmatten an das Departementssekretariat des Politischen Departements vom 21. September 1978, dodis.ch/51588; den Bericht von M. Jeanrenaud vom Oktober 1978, dodis.ch/50359 sowie das BR-Prot. Nr. 1932 vom 22. November 1978, dodis.ch/51589.↩
- 3
- Zur Frage der Ergreifung von UNO-Sanktionen gegen Südafrika und der Konsequenzen für die Schweiz vgl. DDS, Bd. 22, Dok. 33, dodis.ch/30386; DDS, Bd. 23, Dok. 7, dodis.ch/31045 und Dok. 156, dodis.ch/31047; DDS, Bd. 24, Dok. 60, dodis.ch/33642; DDS, Bd. 25, Dok. 86, dodis.ch/35680; DDS, Bd 26, Dok. 100, dodis.ch/38893; DDS, Bd. 27, Dok. 106, dodis.ch/49365 und Dok. 195, dodis.ch/49312; die Notiz von J. Monnier an P. Graber vom 28. November 1977, dodis.ch/53897 sowie das BR-Prot. Nr. 557 vom 5. April 1978, dodis.ch/52128.↩
- 4
- Zur Frage der Gastarbeiter in der Schweiz vgl. DDS, Bd. 27, Dok. 113, dodis.ch/49423 und Dok. 118, dodis.ch/49424.↩
- 5
- Zur Haltung der Schweiz zur Nahostproblematik vgl. DDS, Bd. 27, Dok. 10, dodis.ch/49404.↩
- 6
- Für allgemeine Weisungen zur Haltung von schweizerischen Delegationen an internationalen Konferenzen vgl. DDS, Bd. 27, Dok. 21, dodis.ch/51500.↩
- 7
- Vgl. dazu DDS, Bd. 27, Dok. 79, dodis.ch/49213, Anm. 16.↩
- 8
- Vgl. dazu die Notiz von P. Stauffer vom 1. Dezember 1976, dodis.ch/51029 sowie den Bericht von G. Ruf über die 19. Generalkonferenz der UNESCO vom 26. Oktober 1976 bis zum 30. November 1976, dodis.ch/51032, S. 21–24.↩
- 9
- Für die Beilage vgl. dodis.ch/49309.↩
- 10
- Vgl. Doss. wie Anm. 1.↩
Tags
Xenophobia, Racism, anti-Semitism
Near and Middle East UNO – General Africa (General)