Classement thématique série 1848–1945:
IV. RÉFUGIÉS, IMMIGRATION, POLICE DES ÉTRANGERS
IV.1 LA SUISSE ET L'IMMIGRATION JUIVE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 12, doc. 395
volume linkBern 1994
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001D#1000/1552#3207* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(D)1000/1552 114 | |
Dossier title | Wiedereinführung des Visums für deutsche und österreichische Pässe nach dem Anschluss, Allgemeines (1938–1940) | |
File reference archive | B.44.31.1 • Additional component: Deutschland |
dodis.ch/46655
Auf Grund Ihres persönlichen Schreibens vom 19. dieses Monats2 sowie der Mitteilungen, die mir der Chef der Polizeiabteilung über seine Besprechungen mit Herrn Gesandten Köcher und Herrn Globke3 über die Frage der Wiedereinführung des Visumszwanges zukommen liess, habe ich mich veranlasst gesehen, meinen ersten Mitarbeiter zu beauftragen, noch einmal mit Herrn Geheimrat Rödiger im Auswärtigen Amt Fühlung zu nehmen. Mein Mitarbeiter erhielt dabei den Eindruck, dass die deutsche Regierung nicht auf der von ihr geforderten teilweisen Gegenseitigkeit bestehen wird, wenn auf diese Weise die Einführung des allgemeinen Visumszwanges vermieden werden kann.
Was die anderweitigen Einwendungen des Chefs der Polizeiabteilung gegen den deutschen Vorschlag betrifft, so ergab sich aus der Besprechung, dass, von seltenen Ausnahmefällen abgesehen, die Gültigkeitsdauer der an deutsche Juden ausgestellten Pässe regelmässig auf sechs Monate beschränkt ist. Erst in der allerletzten Zeit sei gestattet worden, auch Pässe mit einer Gültigkeitsdauer bis zu einem Jahr an Juden auszustellen, doch dürften solche Pässe bis jetzt nur in ganz geringer Anzahl ausgegeben worden sein. Da diese sechsmonatigen Judenpässe ja nicht in den letzten Tagen, sondern sukzessiv herausgegeben wurden, steht ein grosser Teil von ihnen bereits wieder vor dem Ablauf, sodass schon bald nach der Einführung des Judenstempels nur noch ganz wenige deutsche Juden im Besitz von nichtabgestempelten Pässen sein werden. Während dieser verhältnismässig kurzen Übergangszeit könnte ohne Zweifel durch eine genaue Kontrolle an der Grenze dem Eindringen von Juden ohne Visum gesteuert werden, zumal es ja für jeden Juden, der ohne Visum einreisen würde, klar wäre, dass er die sofortige Ausschaffung zu gewärtigen hat, wenn er in der Schweiz ohne Visum festgestellt wird, denn es dürfte selbstverständlich sein und wird auch vom Auswärtigen Amt so aufgefasst, dass die Schweiz den Visumszwang nicht etwa nur für die abgestempelten Judenpässe, sondern allgemein für diejenigen deutschen Staatsangehörigen einführen würde, die nichtarisch sind.
Was die Anregungen von Herrn Globke betrifft, so wird das Auswärtige Amt dazu in einer Mitteilung an die deutsche Gesandtschaft in Bern Stellung nehmen. Mein Mitarbeiter erhielt jedoch bei dem Gespräch den Eindruck, dass sie hier als praktisch undurchführbar angesehen werden. Dagegen sei man deutscherseits nach wie vor gerne bereit, jeden schweizerischen Vorschlag mit Wohlwollen zu prüfen, der darauf hinzielt, von Anfang an eine vollständige Erfassung der deutschen Juden durch die Visumspflicht in vermehrtem Masse sicherzustellen.
Von wesentlicher Bedeutung für die zu treffende Entschliessung dürfte es sein, dass man, wie mein Mitarbeiter im Verlauf der Besprechung vernahm, deutscherseits beabsichtigt, bei der Einführung des allgemeinen Visumszwanges, ebenso wie man es schweizerischerseits gegenüber den deutschen Staatsangehörigen halten dürfte, von den schweizerischen Gesuchstellern bei der Erteilung des Visums den Nachweis der arischen Abstammung zu verlangen.
Da auch Herr Geheimrat Rödiger gegenüber meinem Mitarbeiter äusserte, ein Entscheid sei wegen des Herannahens des 1. Oktober äusserst dringend geworden, wiederholte mein Mitarbeiter die von Herrn Dr. Rothmund laut Notiz vom 17. September Herrn Köcher abgegebene Erklärung4, dass man schweizerischerseits sich nicht auf diesen Stichtag versteifen werde, sondern gegebenenfalls dafür sorgen werde, dass das Reisepublikum die nötige Frist erhalte, um sich der neuen Lage anzupassen. Diese Frist dürfte etwa eine Woche betragen.
Ich möchte diesen Bericht nicht schliessen, ohne noch einmal mit aller Bestimmtheit meiner Auffassung Ausdruck zu verleihen, dass es ein schwerer Fehler wäre, die Nachteile eines allgemeinen Sichtvermerkzwanges im Reiseverkehr mit Deutschland allein deswegen auf uns zu nehmen, weil während einer verhältnismässig kurzen Übergangszeit die Möglichkeit besteht, dass einzelne Juden versuchen, unter Umgehung der Visumspflicht in die Schweiz zu gelangen. Es dürfte bei gutem Willen möglich sein, dieser Gefahr durch eine sorgfältige Grenzkontrolle und die rücksichtslose Abschiebung solcher widerrechtlich in unser Land eindringender Elemente zu begegnen.
Indem ich weiterhin gerne bereit bin, Ihnen nötigenfalls einen ausführlichen Bericht über die Auffassung der Gesandtschaft zuhanden des Bundesrates zur Verfügung zu stellen, versichere ich Sie, Herr Minister, meiner ausgezeichneten Hochachtung.
Tags
Attitudes in relation to persecutions
Attitudes in relation to persecutions German Realm (General) Austria (General) Policy of asylum Austria (Politics) Religious questions