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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 26, doc. 188
volume linkZürich/Locarno/Genève 2018
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2024A#1993/354#2133* | |
Old classification | CH-BAR E 2024(A)1993/354 196 | |
Dossier title | Canberra (1970–1984) | |
File reference archive | a.721.81 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E-01#1987/78#1768* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)-01/1987/78 436 | |
Dossier title | Beziehungen der Schweiz zu anderen Staaten (1964–1975) | |
File reference archive | B.15.21 • Additional component: Australien |
dodis.ch/38396
Am Ende meiner Mission in Australien erstatte ich Ihnen weisungsgemäss2 folgenden Schlussbericht:
1. Stand der schweizerisch-australischen Beziehungen
Die gegenseitigen Beziehungen sind ausgezeichnet. Es gelang mir während meiner mehr als fünfjährigen Amtsperiode, mit dem jeweiligen Premierminister3 und den für unsere Interessen wichtigen Ministern persönliche Kontakte anzuknüpfen. Aber auch mit den Mitgliedern des Schattenkabinetts konnte ich stets angenehme persönliche Beziehungen unterhalten.
Die Schweiz geniesst in Australien hohe Achtung als wirtschaftlich erfolgreiches und neutrales Land. Zur Stärkung unserer Stellung trägt die Rolle als Kapitalgeber bei. Die Schweiz gewährte der australischen Regierung während meiner Amtszeit ein Konversionsanleihen von 60 Mio. Franken4, ferner verschiedenen staatlichen Organisationen und auch einem privaten Grossunternehmen5 Anleihen zwischen 20 und 50 Mio. Franken, ferner der Regierung von Papua-Neuguinea, als dieses Land noch unter australischer Treuhandschaftsverwaltung stand, ein Anleihen von 50 Mio. Schweizerfranken mit australischer staatlicher Garantie6.
Zu Beginn meiner Mission spürte ich die Verstimmung der australischen Regierung im Gefolge des schweizerischen Ausfuhrverbotes für eine Serie bereits bestellter Pilatus Porter Flugzeuge7. Dank der verständnisvollen Ein stellung des damaligen Verteidigungsministers Malcolm Fraser, heute Sachwalter-Ministerpräsident bis zu den Wahlen am 13. Dezember8, konnte die Lieferung der Flugzeuge aufgrund einer geeigneten australischen Erklärung betreffend Nichtverwendung in Vietnam wieder in Gang gebracht werden.
Das Schatzamt glaubt, die Schweiz als Steuerparadies für australische Fluchtgelder betrachten zu müssen. Unser Land wurde zusammen mit Luxem burg, Monaco, den Norfolkinseln usw. auf eine Liste gesetzt, wohin Finanztransaktionen nicht ohne besondere Prüfung durch die Steuerbehörden zugelassen sind.
Stand der Beziehungen in verschiedenen Sparten:
Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung:
Die australische Regierung hat sich nach längerer negativer Einstellung nun doch bereit erklärt, im Jahre 1976 mit der Schweiz in Verhandlungen über den Abschluss eines solchen Abkommens zu treten, nachdem es unter der früheren liberalen Regierung bereits zu informellen Gesprächen zwischen einer australischen und einer schweizerischen Delegation gekommen war9. Luftfahrtabkommen:
In dieser Beziehung konnte ich in den 5½ Jahren meiner Tätigkeit in Australien trotz eifrigen Bemühungen keinen entscheidenden Fortschritt erzielen10. Es bleibt vorderhand dabei, dass Qantas an Landerechten in der Schweiz nicht interessiert ist (sie hebt sogar gewisse bestehende Fluglinien zwecks Rationalisierung auf). Sie ist noch nicht überzeugt, dass ihr ein direktes Anfliegen der Schweiz Vorteile brächte. Immerhin konnten anlässlich eines Besuches des Chefs des Schweizerischen Luftamtes11 jährliche Aussprachen zwischen Swissair und Qantas vereinbart werden, sodass wenigstens die Kontakte nicht abreissen.Rechtshilfe:
Australien hat verschiedentlich den Wunsch geäussert, mit der Schweiz in Verhandlungen über einen Rechtshilfe- und Auslieferungsvertrag zu treten12. Das Justiz- und Polizeidepartement in Bern war aber wegen der starken Inanspruchnahme durch das Rechtshilfeabkommen mit den Vereinigten Staaten13 noch nicht in der Lage, einen Zeitpunkt für den Beginn dieser Verhandlungen zu nennen.Sozialfragen:
Auf dem Gebiet der sozialen Fürsorge bestehen zwischen unserem Land und Australien kaum Probleme. Australien hat unilateral die Transfermöglichkeit für Altersrenten rückgewanderter Ausländer verfügt. Die Schweizerkolonie in Australien steht im Genuss der automatischen australischen Altersrente ab dem 70. Lebensjahr, während für Personen zwischen 65 und 70 immer noch der Bedarfsnachweis erforderlich ist. Mit konkreten Fällen von Sozialfürsorge hatte ich mich während meiner Amtszeit in Australien nie zu befassen.Militärdienst:
Nachdem die Labour-Regierung an die Macht gekommen war (1972), wurde der Militärdienst in Australien auf Freiwilligkeit gestellt. Das frühere Problem der Doppelbürger, die zum australischen Militärdienst aufgrund des Auslosungsverfahrens eingezogen werden konnten14, existiert daher nicht mehr.Handel:
Bis 1974 hat der Handelsverkehr zwischen der Schweiz und Australien von Jahr zu Jahr regelmässig zugenommen15 (auf die Rekordhöhe von rund 400 Mio. Franken schweizerische Ausfuhr nach Australien und rund 100 Mio. Franken schweizerische Einfuhr aus Australien). Die weltweite Rezession hat dieser Entwicklung offensichtlich Einhalt geboten. (Während der ersten neun Monate 1975 belief sich die schweizerische Ausfuhr nur noch auf 216 Mio. Franken, die Einfuhr aus Australien auf 38 Mio. Franken.) Es bestehen allerdings noch australische Projekte, an denen sich die schweizerische Industrie mit Lieferungen wird beteiligen können, insbesondere ein bedeutendes thermisches Kraftwerk16 in Melbourne, für welches der Baubeginn allerdings wegen Einsprachen im Hinblick auf den Umweltschutz immer wieder verzögert wird.
Schweizerische Investitionen:
Das Grossunternehmen für Bauxitgewinnung und Aluminaherstellung in Gove an der Nordspitze Australiens, an dem die Alusuisse über die australische Tochtergesellschaft Nabalco mit 70% (über 1 Milliarde Schweizerfranken) beteiligt ist17, läuft nun auf voller Produktion. Die Bedingungen, unter denen die Gesellschaft arbeitet, scheinen bis auf die üblichen Schwierigkeiten mit den Gewerkschaften (gelegentliche Streiks) den Erwartungen zu entsprechen. Während einiger Jahre war es Mode, die Alusuisse wegen der angeblichen Missachtung der traditionellen Rechte der in Gove lebenden Ureinwohner zu beschuldigen18. Die australische Regierung hat diese Kampagne nie unterstützt und angeheizt, denn in Tat und Wahrheit hat die Alusuisse das Maximum an zumutbaren Massnahmen zugunsten dieser Ureinwohner getroffen. Es waren vor allem Linksextremisten, sensationshungrige Journalisten und der Weltkirchenrat, die das Problem aufbauschten und den Topf am Kochen hielten. In letzter Zeit ist es um Gove im Zusammenhang mit dem Ureinwohnerproblem ruhiger geworden.
Die schweizerische pharmazeutische Industrie hat sich durch Gründung von Tochtergesellschaften in Australien engagiert und etwa 130 Mio. Schweizerfranken in Endfabrikationsbetrieben und Forschungslaboratorien investiert19. Die Labour-Regierung, die viel für den öffentlichen Gesundheitsdienst ausgibt, hat diese Tochtergesellschaften, wie übrigens die gesamte Pharma-Industrie Australiens, durch die Blockierung der Preise ohne Rücksichtnahme auf Inflation und Lohnkostenexplosion in die roten Zahlen getrieben. Ich habe mich bemüht, ihre berechtigten Begehren bei den zuständigen Ministerien (Gesundheit und Finanz) zu unterstützen; ob mit Erfolg, wird sich in den nächsten Monaten zu zeigen haben.
Das Investitionsklima war in den vergangenen Jahren der Labour-Regierung ungünstig, weil sie für neue Projekte auf australische Mehrheitsbeteiligung drängte, im Energiesektor sogar auf 100%-iges australisches Eigentum. Angesichts der erlahmenden Forschung nach neuen Lagerstätten für Mineralien (Erdöl, Uran) und einem allgemeinen Abflauen der Investitionstätigkeit hat sich die Regierung wenn nicht zu einer Lockerung der Kontrolle so doch zu einer Milderung der bisherigen extremen Investitionsbedingungen herbeigelassen. Falls am 13. Dezember eine liberale Regierung an die Macht kommen sollte, dürften sich die Investitionsbedingungen vermutlich weiter bessern.
Australischer Protektionismus:
Rein theoretisch hat die Labour-Regierung die Schädlichkeit der traditionell allzu hohen australischen Zollmauern zugegeben und vor zwei Jahren eine lineare Zollsenkung um 25% angeordnet. In der Praxis können aber Industrien, die sich der ausländischen Konkurrenz nicht gewachsen fühlen, Zollschutzbegehren anhängig machen20, über die dann nach Veranstaltung öffentlicher Hearings entschieden wird. Die Kommission für den Schutz der Industrie veranstaltet auch spontan solche Hearings, um die Lage gewisser Industriezweige zu durchleuchten und den Zollschutz den realen Notwendigkeiten anzupassen. Der Uhrenhandel war diesen Herbst Gegenstand solcher Hearings, an denen sich die schweizerische Uhrenindustrie beteiligt hat21. Das Ergebnis steht noch aus.
2. Schweizerkolonie Canberra
Die in Canberra und Umgebung ansässigen Schweizer werden konsularisch von Sydney aus betreut. Es handelt sich um ungefähr 200 Personen, die unter sich einen Schweizerverein gegründet haben, aber natürlich nicht über die notwendige personelle und finanzielle Basis verfügen, um sich ein Vereinslokal zu sichern und dem Vereinsleben grössere Dimensionen zu verleihen. Der Weiterbestand des Vereins wird wahrscheinlich nur in der bisherigen lockeren Form möglich sein. Die Botschaft unterhält mit ihm enge und sehr freundschaftliche Beziehungen.
[…]22
- 2
- Weisung 722 Schlussbericht der Missions- und Postenchefs vom 1. Februar 1969. Vgl. das Kreisschreiben vom F. Bieri vom 5. März 1969, dodis.ch/40420.↩
- 3
- J. Gorton, W. McMahon und G. Whitlam.↩
- 4
- Vgl. dazu das Schreiben von L. Rochat an M. König vom 18. Februar 1975, CH-BAR#E2200.120B#1993/168#68* (521.60). Für weitere Kapitalexporte nach Australien vgl. DDS, Bd. 26, Dok. 125, dodis.ch/38400.↩
- 5
- Broken Hill Proprietary Company, Ltd., Melbourne. Vgl. dazu CH-BAR#E7001C#1982/118#489* (1611.22).↩
- 6
- Vgl. dazu die Notiz an E. Brugger vom 5. März 1974, CH-BAR#E7001C#1985/231#467* (1611.55). Zur Anerkennung von Papua-Neuguinea durch die Schweiz vgl. das BR-Prot. Nr. 1432 vom 20. August 1975, dodis.ch/38489. Vgl. ferner die Notiz von P. F. Stauffer an J. Rial vom 7. August 1975, dodis.ch/38491. Zur Situation in Papua-Neuguinea und Ost-Timor vgl. den Politischen Bericht Nr. 13 von M. König vom 11. September 1975, dodis.ch/38492↩
- 7
- Vgl. dazu DDS, Bd. 25, Dok. 127, dodis.ch/35695.↩
- 8
- Allgemein zur politischen Lage in Australien vgl. das Schreiben von M. König an P. Gottret vom 6. Juni 1975, dodis.ch/38408 sowie den Politischen Bericht Nr. 18 von M. König an F. de Ziegler vom 14. November 1975, dodis.ch/38407.↩
- 9
- Zu den Verhandlungen vom Juli 1970 in Canberra vgl. den Bericht von K. Locher vom 24. Au gust 1970, dodis.ch/35238.↩
- 10
- Vgl. dazu DDS, Bd. 24, Dok. 107, dodis.ch/32130; DDS, Bd. 26, Dok. 125, dodis.ch/38400, sowie das Schreiben von M. König an W. Guldimann vom 23. Juni 1971, dodis.ch/36992.↩
- 11
- W. Guldimann. Zu dessen Besuch im Mai 1974 und den schweizerisch-australischen Verhandlungen vgl. Doss. CH-BAR#E8150B#2005/304#377* (14) und CH-BAR#E8150B#2005/304#385* (14).↩
- 12
- Vgl. dazu Doss. CH-BAR#E2200.120B#1993/168#65* (461.0).↩
- 13
- Vgl. dazu DDS, Bd. 26, Dok. 109, dodis.ch/38960.↩
- 14
- Vgl. dazu die Notiz von H. Borner vom 25. September 1967, dodis.ch/32128.↩
- 15
- Vgl. dazu die Notiz von M. Lusser und L. Georges vom 8. Mai 1974, dodis.ch/38398.↩
- 16
- Newport D Gas Power Plant. Vgl. dazu das BR-Prot Nr. 102 vom 19. Januar 1972, dodis.ch/37000 sowie das Schreiben von M. König an P. A. Nussbaumer vom 22. März 1972, dodis.ch/37001.↩
- 17
- Tatsächlich war die Tochtergesellschaft Swiss Aluminium Australia, Ltd. der Alusuisse mit 70% am Unternehmen Nabalco beteiligt.↩
- 18
- Vgl. dazu das Schreiben von M. König an E. Thalmann vom 16. Juni 1971, dodis.ch/37003 sowie das BR-Prot. Nr. 496 vom 22. März 1972, CH-BAR#E1004.1#1000/9#780*. Allgemein zur Situation der australischen Ureinwohner vgl. den Politischen Bericht Nr. 3 von M. König vom 8. März 1974, dodis.ch/38399.↩
- 19
- Vgl. dazu Doss. CH-BAR#E2200.120B#1993/168#81* (551.60).↩
- 20
- Vgl. dazu die Notiz von A. Dunkel an H. Bühler vom 17. November 1972, dodis.ch/36998 sowie das Schreiben von A. Dunkel an M. König vom 23. Dezember 1974, dodis.ch/38405.↩
- 21
- Vgl. dazu das Schreiben von G. E. Ponnaz und T. Radja an P. R. Jolles vom 8. Juli 1974, dodis.ch/38406 sowie Doss. CH-BAR#E2200.120B#1993/168#92* (562.00).↩
- 22
- Für das vollständige Dokument vgl. dodis.ch/38396. Zu den kulturellen Beziehungen zu Australien vgl. die Notiz von P. F. Stauffer vom 12. Dezember 1974, dodis.ch/38409.↩
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