Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 24, doc. 28
volume linkZürich/Locarno/Genève 2012
more… |▼▶6 repositories
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1978/84#527* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1978/84 75 | |
Dossier title | Politische Veranstaltungen in der Schweiz (1964–1967) | |
File reference archive | A.42.13.10 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2210.5-01#1981/113#344* | |
Old classification | CH-BAR E 2210.5-01(-)1981/113 29 | |
Dossier title | Israël 0 - Généralités (1966–1968) | |
File reference archive | 7.i |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2001-05#1979/137#179* | |
Dossier title | Mittlerer Osten (1961–1969) | |
File reference archive | B.58.71 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2003A#1980/85#787* | |
Old classification | CH-BAR E 2003(A)1980/85 298 | |
Dossier title | Questions d'entraide de la Confédération au Proche-Orient (1967–1969) | |
File reference archive | o.222 • Additional component: Naher Osten |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2807#1974/12#471* | |
Old classification | CH-BAR E 2807(-)1974/12 49 | |
Dossier title | Naher Osten (Konflikt) (1967–1969) | |
File reference archive | 09 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1978/84#1084* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1978/84 175 | |
Dossier title | Palästina-Problem: Presse (1964–1967) | |
File reference archive | B.75.21 |
dodis.ch/33280 Aufzeichnung des Politischen Departements1 Vorsprache der in Bern akkreditierten Missionschefs von acht arabischen Staaten beim Departementsvorsteher vom 6. Juni 1967
Herr Bundesrat Spühler begrüsst die Vertreter der acht arabischen Staaten2 [die vormittags um eine Audienz ersucht hatten] und forderte deren Sprecher auf, das Wort zu ergreifen.
Botschafter Farah (Libanon): Seit bald 20 Jahren greift Israel die arabischen Staaten stets erneut wieder an, während in dieser Zeit kein arabischer Staat irgend eine Aggression gegen Israel ausgelöst hat. Vierzehnmal hat der Sicherheitsrat Israel wegen dieser seiner aggressiven Aktivität verurteilt. Am 5. Juni hat der Staat Israel als erster die Aggression ausgelöst, nachdem er während langer Zeit schon die arabischen Staaten bedroht hatte.
Die arabischen Staaten respektieren das Völker- und das Menschenrecht. Sie haben stets auf das Verständnis jener Länder gezählt, deren Politik ebenso in den Grundsätzen dieses Rechts begründet liegt, zum Beispiel auf das Verständnis der Schweiz, mit der sie Beziehungen unterhalten, die herzlich sind und die sie täglich noch zu verstärken suchen. Um so mehr sind die arabischen Staaten über das letzte Alinea der gestrigen Erklärung des Bundesrates3 überrascht. Zudem erstaunen sie die Presse und die übrigen Kommunikationsmittel, welche ununterbrochen und jeden Tag die öffentliche Stimmung zugunsten Israels in allen grossen Städten der Schweiz mobilisieren. Schweizerische Organisationen bemühen sich, freiwillige Arbeitskräfte für Israel zu rekrutieren, sammeln heute öffentlich Geldbeträge für dieses Land - und morgen vielleicht Waffen4. Dies widerspricht dem Geist der schweizerischen Neutralität. In diesem Zusammenhang möchte ich ein kleines Beispiel nennen: Das schweiz. Fernsehen hat gestern dem Botschafter der VAR telephoniert, um ihn um eine Erklärung zu den Ereignissen im Nahen Osten zu bitten. Der Botschafter hat gerne akzeptiert und versprochen, ihm die Deklaration der VAR vor den VN zusammen mit den entsprechenden Dokumenten und Erklärungen abgeben zu wollen. Am selben Abend hat das Fernsehen eine ganze Stunde den Ereignissen im Nahen Osten gewidmet. Hierbei hat der Speaker ausgeführt, der israelische Botschafter sei um eine Erklärung gebeten worden. Dieser habe zwar einen Fernsehvertreter empfangen; da er aber mit der Entgegennahme all der Sympathiekundgebungen und der Aufnahme der Personalien von 400 Freiwilligen für Israel sehr beschäftigt gewesen sei, habe er keine Deklaration abgeben können. Zudem sei auch, wie der Sprecher sagte, der Botschafter der VAR um eine Deklaration angegangen worden; dieser habe indessen keine solche abgeben wollen und habe lediglich auf die Erklärung des arabischen Botschafters in Paris verwiesen. Dies war unrichtig. Alsdann hat das Fernsehen den Chef des Büros der arabischen Liga in Genf5 um eine Deklaration gebeten. Dieser hat eine Erklärung abgegeben; doch wurde sie lediglich um ¾ gekürzt ausgestrahlt. Es besteht hier eine gewisse Parteilichkeit, die nicht den guten Beziehungen entspricht, die zwischen Ihrem Land und den arabischen Staaten unterhalten werden. Die Schweiz hat in den arabischen Ländern beträchtliche Interessen; sie geniesst dort zudem das Vertrauen der Öffentlichkeit, welche die Schweiz als das Musterbeispiel eines neutralen Landes in der Welt ansieht. Wir haben Vertrauen in diese Neutralität, doch bitten wir Sie, Herr Bundesrat, uns zu helfen, dieses Vertrauen in unsern Ländern aufrecht zu erhalten.
Bundesrat Spühler: Ich danke Ihnen, Herr Botschafter, für Ihre Ausführungen und möchte folgendes erwidern: Sie haben gesagt, dass die Haltung der schweizerischen Kommunikationsmittel mit dem Geist der Neutralität in Widerspruch stehe. Hierzu wäre mit allem Nachdruck festzuhalten, dass die schweizerische Neutralität eine Haltung des Staates darstellt, während der einzelne Bürger denken und sagen kann, was ihm – seiner persönlichen Ansicht nach – als richtig erscheint. Presse, Radio und Fernsehen sind in der Schweiz frei, d. h. sie unterstehen in ihrer Berichterstattung nicht der Kontrolle des Staates; sie können somit nicht zu einer Gesinnungsneutralität verpflichtet werden. Wir wissen, dass dieser Grundsatz der Informationsfreiheit im Ausland oft nicht verstanden wird. Schon während des letzten Weltkrieges mussten wir unseren Nachbarn wiederholt dieses Prinzip erklären, nachdem sie sich darüber aufgehalten hatten, dass die Haltung der Presse mit jener der Regierung nicht übereinstimme. Ich wiederhole: Die Neutralität als aussenpolitische Maxime verpflichtet die Regierung, und nur sie, zu einer bestimmten Haltung, der einzelne Bürger aber, sowie Presse, Radio und Fernsehen sind in ihrer Äusserungsfreiheit nicht eingeschränkt.
Botschafter Farah: In Alinea 2 seiner Deklaration6 hat der Bundesrat gesagt, er fühle sich einig mit dem Empfinden des Schweizervolkes, «dem in diesen Tagen erneut und stark bewusst geworden ist, dass der neutrale Kleinstaat in der Treue zum Recht und in der Bekräftigung seines entschlossenen Wehrwillens die erste Voraussetzung zur Sicherung seiner Existenz und seiner Lebensrechte findet». Herr Bundesrat, wir sprechen hier unter Freunden: In diesem Text ist doch mit dem genannten «Kleinstaat» Israel und nicht die Schweiz gemeint. Jedermann hat dies so interpretiert, und wir können nichts Besseres wünschen, als von Ihnen zu hören, dass dem nicht so ist.
Bundesrat Spühler: Es ist völlig klar, dass der Bundesrat wenn er vom neutralen Kleinstaat spricht, hiermit natürlich die Schweiz meint: Israel ist ja nicht ein neutraler Staat. In dieser Zeit erhöhter Kriegsgefahr ist unserem Volk erneut bewusst geworden, dass die Schweiz in der Treue zum Recht und in der Bekräftigung ihres Wehrwillens die beste Voraussetzung zur Sicherung ihrer kleinstaatlichen Existenz findet.
Botschafter Abdel Fattah (VAR): Ich habe von meiner Regierung den Auftrag erhalten, Sie offiziell von der Teilnahme («participation») Grossbritanniens und der Vereinigten Staaten an der Aggression Israels gegen die VAR in Kenntnis zu setzen: Es befinden sich Flugzeugträger vor der israelischen Küste, die gegen uns eingesetzt sind («working against us»). Dies ist der Beweis für den amerikanischen und britischen Angriff gegen die arabischen Länder und zugleich für die Widerhandlung gegen die von den beiden Staaten abgegebenen Neutralitätserklärungen.
Botschafter Nadhmi (Irak) gibt eine analoge Erklärung im Auftrag seiner Regierung ab. Die amerikanisch-britische Aggression gegen die arabischen Staaten sei der Grund für die Schliessung der Pipe-Lines in Richtung Mittelmeer.
Botschafter Chelli (Tunesien): Im Namen des Kollegen zur Rechten des Chargé d’Affaires von Syrien, möchte ich Ihnen mitteilen, dass auch er von seiner Regierung den Auftrag erhalten hat, Sie über die amerikanisch-britische Intervention zugunsten Israels in Kenntnis zu setzen. Es scheint («il semble»), dass vier gefangene israelische Piloten eine Erklärung abgegeben haben, nach welcher schon seit zwei Wochen englische Militärflugzeuge auf israelischen Basen stationiert gewesen sein sollen, bereit, um gegen arabische Ziele eingesetzt zu werden.
Bundesrat Spühler: Ich nehme diese Mitteilung zur Kenntnis. Natürlich unterscheiden sich unsere Informationen zum Teil von denjenigen, die Sie mir jetzt haben zukommen lassen; dies ist normal. Als neutraler Staat erhalten wir zur Zeit eine ganze Menge von Mitteilungen und Deklarationen, die, wie Sie sich denken können, in ihrem Inhalt oft nicht übereinstimmen.
Botschafter Abdel Fattah: Es geschehen Dinge in der Schweiz, die hier nicht übergangen werden können. Zum Beispiel wird die Bevölkerung aufgefordert, gegen die Araber zu demonstrieren7. Nationalrat Bringolf, ein Parlamentsmitglied also, wiegelt die Zürcher Bevölkerung gegen die arabischen Staaten auf. Die Schweizer Jugend wird aufgerufen, in Israel auf dem zivilen Sektor Arbeiter und Techniker zu ersetzen, um diesen zu ermöglichen, an die Front zu gehen. Ich nehme nicht an, dass Sie, Herr Bundesrat, und die Schweizerische Regierung befürworten, dass sich Schweizer auf der einen oder andern Seite am Konflikt beteiligen.
Bundesrat Spühler: Es besteht kein Zweifel, dass sich die öffentliche Meinung gegenwärtig eher zugunsten Israels ausspricht; umgekehrt ist es jedem Schweizer auch unbenommen, sich zugunsten der arabischen Staaten zu äussern. Der Bundesrat hat keine Kompetenz, die diesbezügliche öffentlich Meinung zu beeinflussen. Wenn Sie mich fragen, wieso die Sympathien der schweizerischen Öffentlichkeit, nicht der Schweizerischen Regierung, mehrheitlich auf Seiten Israel stehen, so möchte ich erwidern: weil es sich bei Israel um einen Staat handelt, dessen Bevölkerung im 2. Weltkrieg viel zu leiden hatte, um einen Staat aber auch, der in besonders wirksamer Weise seine demokratischen Einrichtungen auszubauen vermochte, was nicht heissen will, dass dies auf arabischer Seite nicht auch möglich gewesen ist.
Seien Sie versichert, dass der Bundesrat den Lauf der Entwicklung im Nahen Osten zutiefst bedauert. Die Schweiz hat stets die Ansicht vertreten, zwischenstaatliche Differenzen müssten um jeden Preis auf dem Verhandlungswege gelöst werden. Sicher ist es die UNO, welche am besten geeignet wäre, diese Angelegenheit im Rahmen von Gesprächen zu regeln.
Botschafter Farah: In der Deklaration des Bundesrates wird auch auf die Möglichkeit der Schweiz, gute Dienste zu leisten, hingewiesen. Wenn die Öffentlichkeit geschlossen gegen die arabischen Staaten Partei ergreift, so ist dies zwar nicht eine Stellungnahme der Schweiz als Staat; doch färbt dies dennoch auf ihre neutrale Haltung ab. Dies würde die Möglichkeit ihres Landes, gute Dienste8 zu leisten, beeinträchtigen. Damit diese segensreiche Rolle der Schweiz weiterhin gewährleistet bleibe, bitten wir Sie, Herr Bundesrat, mitzuhelfen, die gegenwärtige antiarabische Tendenz, die die öffentliche Meinung beherrscht, einzudämmen.
Bundesrat Spühler: Der Bundesrat kann die Verantwortung für die Äusserungen der Öffentlichkeit nicht übernehmen. Umgekehrt ändert die öffentliche Meinung nichts an der strikten Neutralität, welche die Schweizerische Regierung in diesem Konflikt einnimmt. Lassen wir uns nicht zu sehr von der gegenwärtigen Situation beeindrucken: Auch hier wird und muss eine Lösung gefunden werden. Hoffen wir auf Frieden und hoffen wir, dass die Beziehungen zwischen den arabischen Staaten und der Schweiz bleiben, was sie sind, nämlich Beziehungen der Freundschaft.9
- 2
- Arabische Vertreter: M. Farah (Libanon), M. Yousfi (Algerien), J. Nadhmi (Irak), Z. Chelli (Tunesien), M. Abdel Fattah (VAR), N. Douay (Syrien), M. Bensouda (Marokko), A. Alturky (Saudi-Arabien). Schweizerische Vertreter: W. Spühler, M. Gelzer, F. Blankart.↩
- 3
- Erklärung von W. Spühler vom 5. Juni 1967, dodis.ch/33961. Vgl. dazu das BR-Verhandlungsprot. der 38. Sitzung vom 5. Juni 1967, E1003#1994/26#8*, S. 8–9.↩
- 4
- Zum schweizerischen Kriegsmaterialexport nach Israel und den arabischen Staaten vgl. DDS, Bd. 24, Dok. 146, dodis.ch/33261, Anm. 3.↩
- 5
- K. Zhiri.↩
- 6
- Vgl. Anm. 3.↩
- 7
- Vgl. den Bericht des politischen Diensts West des Politischen Departements vom 25. August 1967, E2001E#1978/84#1091* (B.75.21.7).↩
- 8
- Vgl. dazu DDS, Bd. 24, Dok. 29, dodis.ch/33283.↩
- 9
- Vgl. dazu das BR-Prot. Nr. 1034 vom 13. Juni 1967, dodis.ch/33950; das BR-Prot. Nr. 1060 vom 19. Juni 1967, dodis.ch/33953 und das BR-Prot. Nr. 1732 vom 17. Oktober 1967, dodis.ch/33957.↩
Relations to other documents
http://dodis.ch/33280 | is mentionned in | http://dodis.ch/49521 |
Tags
Israel (General) Israel (Politics) Near and Middle East Lebanon (Politics) Algeria (Politics) Iraq (Politics) Tunesia (Politics) Egypt (Politics) Syrien (Politics) Morocco (Politics) Saudi Arabia (Politics)