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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 23, doc. 88
volume linkZürich/Locarno/Genève 2011
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E1001#1970/24#13* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 1001(-)1970/24 13 | |
Titre du dossier | Mai - August 1965 (1965–1965) | |
Référence archives | 1.2 |
Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E1004.1#1000/9#699* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 1004.1(-)1000/9 698.2 | |
Titre du dossier | Beschlussprotokolle des Bundesrates Juni 1965 (2 Bände) (1965–1965) | |
Référence archives | 4.11 |
dodis.ch/31322
Entsendung einer wissenschaftlichen Delegation nach Japan zum Studium von Fragen der Elektronik
1. Die neueste Entwicklung zeigt immer deutlicher, in welch starkem Masse wir bei der Förderung von Wissenschaft und Forschung auf die Zusammen arbeit mit dem Ausland angewiesen sind. Einerseits versuchen wir, unsere wissenschaftliche Tätigkeit durch Beteiligung an internationalen Organisationen – wie zum Beispiel CERN2 und ESRO3 – zu befruchten. Anderseits müssen wir, wo die multilaterale Chance nicht geboten wird, unser Wissen auf bilateralem Wege zu erweitern trachten. Hier steht uns in gewissem Rahmen der diplo matische Dienst zur Verfügung. Seine Möglichkeiten sind jedoch beschränkt, da unser reguläres Personal fachlich auf solche Spezialaufgaben nicht vorbereitet ist. Der Gedanke eines Ausbaus der «Wissenschaftsdiplomatie» hat indessen das Departement in den letzten Jahren vermehrt beschäftigt4.
Was zunächst die Beziehungen zu den Nachbarländern anbelangt, bestehen nebst der leicht zugänglichen Literatur zahllose direkte Kontakte zwischen Forschern. In USA wurde unserer Botschaft mit Rücksicht auf den Abschluss eines Abkommens über die friedliche Verwendung der Atomenergie5 und die Anwesenheit einer grossen Zahl von schweizerischen Forschern ein Wissenschaftsattaché6 zugeteilt. Seine Tätigkeit hat sich bis anhin als sehr nützlich erwiesen.
Unser wissenschaftspolitisches Interesse muss aber auch der UdSSR und Japan gelten, wo staatliche Impulse zu Spitzenleistungen geführt haben, wo aber die Literatur weniger zugänglich ist und die direkten Kontakte schwieriger herzustellen sind. Mit Zustimmung der Atom-Delegation des Bundesrates bereiste im Jahre 1959 eine offizielle Studiengruppe unter Führung von Professor Paul Scherrer, Eidgenössische Technische Hochschule, die UdSSR, um sich dort über die Hochenergie-Forschung zu orientieren7. Gemäss ihrem Bericht vom 22. Dezember 1959 war der Besuch «gelungen und fruchtbar»8.
In neuester Zeit wurde der Gedanke erwogen, auch unseren Botschaften in Moskau und Tokio Wissenschaftsattachés zuzuteilen9. Aufgrund der eingezogenen Erkundigungen und mit Rücksicht auf budgetäre Überlegungen sind wir jedoch zum Schluss gekommen, dass dies vorderhand nicht zweckmässig wäre. Es wäre überdies kaum möglich, den «Allround-Wissenschafter» mit den unerlässlichen Sprachkenntnissen zu finden, der Gewähr böte, sich als Botschaftsbeamter Zugang zu den interessanten Informationen zu verschaffen. Wir sind deshalb zur Auffassung gelangt, dass das im Falle der Delegation Professor Scherrer gewählte Verfahren, d. h. die gelegentliche Entsendung von wissenschaftlichen Abordnungen zum Studium besonders ausgewählter Gebiete der Wissenschaft, vorzuziehen ist. Die Delegierung solcher Experten ist auch deshalb sinnvoller, weil sie mit ihrem Spezialwissen eher einen Austausch herbeiführen können, also ein Geben und Nehmen möglich ist.
2. Zu den Spitzengebieten der Forschung, die auch für unser Land immer mehr an Bedeutung gewinnen, gehören vor allem die Hochenergieforschung, die Weltraumforschung, gewisse Zweige der Biologie und die Elektronik. Im Forschungsgebiet der Elektronik befindet sich die Schweiz in einem bedauer lichen Rückstand, obwohl es gerade hier gelten würde, die wissenschaftliche Basis für Entwicklungen zu finden, die auch unsere Industrie befruchten könnten.
3. Aus dieser Erkenntnis heraus ist der Plan gereift, eine Forschergruppe mit dem Studium dieser Fragen in Japan zu beauftragen. Die auf dem Gebiet der Elektronik spezialisierten Professoren Baldinger (UniversitätBasel), Baumann (ETH), Dessoulavy (EPUL, Lausanne) und Epprecht (ETH) haben, im Bewusstsein der Bedeutung des Problems für unser Land, ihre Bereitschaft zur Durchführung einer solchen Mission bekundet10. In verschiedenen Besprechungen wurde unter der Leitung unseres Departements das Mandat der Delegation wie folgt entworfen:
a) Anknüpfung und Ausbau wissenschaftlicher Kontakte auf dem Gebiet der Elektronik mit Universitäten und unabhängigen Forschungsstellen.
b) Studium japanischer Forschungsrichtungen, -projekte und -methoden.
c) Orientierung der interessierten schweizerischen Forschungsmilieus und Industriekreise.
Japan nimmt in der Elektronik anerkanntermassen nach den USA die zweite Stelle ein. Das Eigenartige an der japanischen Leistung liegt darin, dass das Land mit der ihm eigenen Erfassungsgabe die neuesten Erkenntnisse der USA rezipieren konnte, ohne die ganze Entwicklungsgeschichte in allen Phasen durchmachen zu müssen. Will die Schweiz das Versäumte nachholen, so muss sie ebenfalls den Sprung über die verschiedenen Forschungsetappen hinweg zu den neuesten Ergebnissen unternehmen. Aus diesem Grunde bietet Japan – wie die Experten betonen – für uns das geeignete Studienrevier.
4. Die Durchführung dieses Planes sollte nicht aufgeschoben werden. Das Tempo der Entwicklung in anderen Ländern, unser Rückstand, die für das Studium und die Realisierung der Studienergebnisse erforderliche Zeit lassen keinen Aufschub zu. Die vier Experten haben sich bereit erklärt, trotz starker Beanspruchung durch ihre Hochschulaufgaben schon im September/ Oktober 1965 für fünf Wochen nach Japan zu reisen11. Falls dieser Termin nicht eingehalten werden kann, käme voraussichtlich erst der Herbst 1966 wieder in Betracht.
Das sorgfältig auszuarbeitende Programm wird in der Hauptsache von den Experten selbst vorbereitet. Ein erster direkter Kontakt zwischen einigen der genannten schweizerischen Professoren und einem japanischen Wissenschafter dieser Sparte hat anlässlich dessen Besuches in der Schweiz bereits stattgefunden. Das Politische Departement wird es seinerseits übernehmen, die weiteren erforderlichen Vorbereitungen durch unsere Botschaft in Japan zu treffen, sobald der Bundesrat über die Finanzierung entschieden haben wird.
5. Die provisorische Kostenberechnung ergibt bei Entschädigungsansätzen nach den Richtlinien des eidgenössischen Personalamtes einen Gesamtbetrag von ca. 48’000 Franken. Angesichts der auf dem Spiele stehenden Interessen kann jedoch das Vorhaben nicht ausschliesslich nach der Höhe der Ausgaben beurteilt werden. Vielmehr dürften folgende Überlegungen entscheidend ins Gewicht fallen:
Wissenschaftspolitische Initiativen dieser Art in Beziehungen zu einem bestimmten Land gehören unseres Erachtens in die Kompetenz des Bundesrates. Sie fallen nicht in den Aufgabenbereich des Nationalfonds12. Die Delegation wird dazu berufen sein, gewissermassen einen Wissenschaftsattaché zu ersetzen, d. h. Verwaltungsaufgaben zu erfüllen. Sie soll offiziell in Japan eingeführt werden. (Im übrigen würde uns die Einsetzung von weiteren Wissenschaftsattachés weit mehr kosten als die Entsendung gelegentlicher Delegationen. Ein Beamter in der entsprechenden Gehaltsklasse in Tokio kostet inklusive Versetzung pro Jahr über 100’000 Franken.) Bei diesem neuerlichen Entschluss kann es indessen nicht die Meinung haben, dass vom Bund nunmehr auf den verschiedensten Gebieten der Wissenschaft und Technik, wo andere Staaten im Vorsprung sind, Delegationen zur Kontaktnahme mit ausländischen Institutionen zu bestellen seien. Hiezu wird nur hand zu bieten sein, wenn namhafte nationale Interessen dies gebieten. Die Delegation hat somit eine Aufgabe an Stelle eines permanenten Dienstes der Verwaltung zu erfüllen. [… 13
- 1
- Antrag: E 1001(-) 1970/24 Bd. 13. Verfasst von J. Burckhardt und R. Hartmann, unterzeichnet von F. T. Wahlen.↩
- 2
- Vgl. DDS, Bd. 21, Dok. 94, dodis.ch/16053; DDS, Bd. 22, Dok. 69, dodis.ch/30410, und die Notiz La collaboration scientifique sur le plan intergouvernemental von S. F. Campiche vom 31. März 1964, dodis.ch/30236.↩
- 3
- Vgl. DDS, Bd. 22, Dok. 151, dodis.ch/30343; Dok. 154, dodis.ch/30423 und die Rede Raumforschungsfragen von J. Burckhardt vom 4. September 1964, dodis.ch/30821.↩
- 4
- Vgl. DDS, Bd. 20, Dok. 33, dodis.ch/11215; DDS, Bd. 21, Dok. 26, dodis.ch/14842; die Notiz Statut des attachés ou conseillers scientifiques von P. Frochaux vom 9. Januar 1964, dodis.ch/30424 und das Exposé Die Behandlung wissenschaftlich-technischer Aufgaben auf Aussenposten vom R. O. Steiner vom 24. April 1964, dodis.ch/30428.↩
- 5
- Vgl. das Abkommen über die Zusammenarbeit zwischen der Schweizerischen Regierung und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika auf dem Gebiete der friedlichen Verwendung der Atomenergie vom 30. Dezember 1965, AS, 1966, S. 1267–1280. Vgl. dazu auch das BR-Prot. Nr. 1923 vom 5. November 1965, dodis.ch/31235. Zur Frage der Atomenergie im Allgemeinen vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 78, dodis.ch/31701.↩
- 6
- Von 1958 bis 1961 war U. Hochstrasser Wissenschaftsattaché in Washington und von 1961 bis 1965 R. O. Steiner.↩
- 7
- Vgl. das Schreiben von M. Petitpierre an Th. Holenstein vom 13. Januar 1959, dodis.ch/16055.↩
- 8
- Vgl. den Bericht über die Studienreise der Professoren Scherrer (ETH), Rossel (Universität Neuchâtel) und Dr. Fritzsche (Reaktor AG, Würenlingen) nach Moskau und Lenin grad (22. 9.–3. 10. 1959) von P. Scherrer vom 22. Dezember 1959, E 2003(A) 1978/29 Bd. 216 (o.301).↩
- 9
- Für beide Fälle vgl. Doss. E 2004(B) 1978/136 Bd. 50 (a.211.15).↩
- 10
- Vgl. die Notiz Reise einer schweizerischen wissenschaftlichen Delegation nach Japan von G. Poretti vom 22. April 1965, E 2003(A) 1978/29 Bd. 216 (o.301).↩
- 11
- Vgl. Doss. wie Anm. 9.↩
- 12
- Vgl. dazu das BR-Verhandlungsprot. der 48. Sitzung vom 26. Juni 1964, dodis.ch/31985.↩
- 13
- Für das vollständige Dokument vgl. dodis.ch/31322. Der Antrag wurde vom Bundesrat ohne Änderungen angenommen. Vgl. das BR-Prot. Nr. 1067 vom 18. Juni 1965, E 1004.1(-) 1000/9 Bd. 698.2.↩
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