dodis.ch/1698 Der schweizerische Delegierte für die Rückführung von Schweizerbürgern, F. de
Diesbach, an die Abteilung für Politische Angelegenheiten des Politischen Departements
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Vertraulich Berlin, 31. Juli 1946
Mit Schreiben vom 23. 7.2 berichtete ich Ihnen über die letzte Entwicklung in der Frage einer schweizerischen Vertretung beim Kontrollrat3 und fügte bei, dass ich versuchen werde, die Gründe der abermaligen Ablehnung seitens der Sowjet-Union abzuklären. Die Gelegenheit hierzu bot sich heute anlässlich eines Besuches beim französischen Botschafter de Saint Hardouin, politischem Berater von General Koenig, dem ich bisher noch nicht vorgestellt worden war und bei dem mich einzuführen einer seiner Mitarbeiter vor einiger Zeit sich anerboten hatte.
Herr de Saint-Hardouin sagte mir, dass in der Tat vor einigen Tagen, zwar nicht, wie mir mitgeteilt worden war, im Kontrollrat, wohl aber im Koordinierungskomitee die Frage beraten wurde, ob zusätzlich zu den 16 bisher akkreditierten Militärmissionen noch weitere «diplomatische» Vertretungen beim Kontrollrat zugelassen werden sollen. Zwei Gruppen von Staaten hätten ihre dahingehenden Wünsche angemeldet: einerseits eine Anzahl Mitgliederstaaten der Vereinten Nationen, worunter die Türkei, und andererseits neutrale Länder, d. h. die Schweiz, Schweden und der Vatikan. Zum vornherein seien sich die westalliierten Vertreter im Koordinierungskomitee, die alle drei den schweizerischen Antrag befürworteten, bewusst gewesen, dass die Neutralen nur dann berücksichtigt werden könnten, wenn über die Zulassung der in Frage stehenden Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen eine Einigung erzielt werden könne. Nun hätten sich aber die Russen geweigert, der Türkei das Vertretungsrecht einzuräumen und damit sei eigentlich auch schon der Antrag bezüglich der Neutralen präjudiziert gewesen. Dennoch sei er zur Beratung gelangt und interessanterweise habe die Opposition des sowjetischen Vertreters nicht mehr, wie noch vor einigen Monaten zwar nicht ausdrücklich, aber doch merklich, der Schweiz, sondern diesmal einzig dem Vatikan gegolten. Im übrigen habe der russische Delegierte die formell nicht unzutreffende Auffassung vertreten, dass im grundlegenden Beschluss über die Zulassung von Militärmissionen nur von den Alliierten und nicht von den Neutralen die Rede sei; es bestehe zunächst kein Anlass, vom Wortlaut dieser Entschliessung abzuweichen. Ich glaube, Herrn Botschafter de Saint-Hardouin richtig verstanden zu haben, wenn ich annehme, dass in der seit beinahe Jahresfrist zur Diskussion stehenden Vertretungsfrage zwar einmal mehr wegen der russischen Ablehnung keine Einigung erzielt werden konnte, dass aber der Entscheid noch nicht endgültig ist. Auf alle Fälle hat mir der Botschafter spontan gesagt, wenn die Angelegenheit schweizerischerseits gefördert werden wolle, es nun Sache der schweizerischen Vertretung in Moskau sei4, zu versuchen, die Sowjetregierung umzustimmen5.