Information über die Zahlungsregelung zwischen Italien und der Schweiz. Auskunftsanfrage der amerikanischen Gesandtschaft. Modalitäten der Tilgung der italienischen Schulden.
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 18, Dok. 68
volume linkZürich/Locarno/Genève 2001
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
Signatur | CH-BAR#E2001E#1967/113#13958* | |
Dossiertitel | Wirtschaftsverhandlungen und Abkommen mit der Schweiz (1949–1951) | |
Aktenzeichen Archiv | C.41.111.0 • Zusatzkomponente: Italien |
dodis.ch/8822 Die Handelsabteilung des Volkswirtschaftsdepartements an die Abteilung für Politische Angelegenheiten des Politischen Departements1 AUSKÜNFTE AN AUSLÄNDISCHE GESANDTSCHAFTEN
Entsprechend Ihrer kürzlichen Notiz2 an die Ständige Verhandlungsdelegation soll Herr Jonnes von der USA-Gesandtschaft in Bern morgen bei Ihnen vorsprechen. Derselbe Herr Jonnes sprach heute unvermittelt bei unserer Abteilung vor, wobei Herr Dr. Weitnauer ihn an mich verwies. Da Herr Jonnes Auskünfte über den schweizerisch-italienischen Zahlungsverkehr einholen wollte, konnte sein Besuch nicht gut abgelehnt werden, da er sonst hätte misstrauisch werden können.
Um die Herrn Jonnes zu erteilenden Auskünfte zu koordinieren, gestatte ich mir, Ihnen nachfolgend das Ergebnis meiner Unterredung bekanntzugeben:
Herr Jonnes teilte mit, er möchte lediglich Auskunft über einen einzigen Punkt unserer Vereinbarungen mit Italien erhalten. Aus einer Publikation in der «Neuen Zürcher Zeitung» habe er entnommen, dass eine Amortisation der alten schweizerischen Guthaben bis Ende 1951 vereinbart worden sei. Nun sei im Ausweis der schweizerischen Nationalbank heute noch ein Guthaben des Bundes aus den Kriegsjahren 1942/43 von 176 Mio. Fr. vermerkt. Früher seien es sogar ca. 300 Mio. Fr. gewesen; inzwischen sei aber, wie er aus dem Geschäftsbericht des Bundesrates für das Jahr 1949 entnehmen konnte, im Frühling 1949 eine Regelung getroffen worden, die offenbar eine Reduktion dieses Betrages bis zum heutigen Datum auf 176 Mio. Fr. zur Folge gehabt habe3. Wenn dieses noch ausstehende Guthaben von fast 200 Mio. Fr. über die EPU bezahlt werde, so stelle dies eine erhebliche Belastung der italienischen EPU-Quote dar, was an sich eine italienische Angelegenheit sei. Die USA interessiere sich aber für diese Frage lediglich deshalb, weil die Amortisation der Kriegsschulden Italiens über die EPU einen schwerwiegenden Präzedenzfall für die Amortisation der deutschen Schulden gegenüber der Schweiz darstellen könnte4.
Ich antwortete, dass Herr Jonnes die Ausführungen der NZZ nicht richtig interpretiert habe, indem sich die anlässlich der letzten Verhandlungen mit Italien5 getroffene und offenbar in der NZZ vermerkte Vereinbarung über die Rückzahlung alter Clearingguthaben bis Ende 1951 lediglich auf die noch offenen privaten Clearingguthaben beziehe. Es handle sich dabei nur noch um 3 Mio. Fr., wobei es sich bei diesen Guthaben wie folgt verhalte:
Italien habe schon im Frühling d. J. den schweizerischen Clearingaltgläubigern, deren Guthaben sich damals noch auf ca. 50 Mio. Fr. beliefen, eine Abgeltungsofferte (mit einem gewissen Einschlag) gemacht, die von den meisten Gläubigern angenommen worden sei; dadurch seien alle privaten Clearingguthaben bis auf 3 Mio. Fr. inzwischen bereits amortisiert worden. Die neugetroffene Regelung beziehe sich lediglich auf diese noch offenen 3 Mio. Fr., wobei die Amortisation dieses Betrages gar nicht über die EPU erfolge, sondern ausserhalb derselben mit Zahlungsmitteln, die heute schon verfügbar seien.
Herr Jonnes erkundigte sich daraufhin, was denn mit den im Ausweis der Nationalbank publizierten, offenbar heute noch vorhandenen Guthaben des Bundes von 176 Mio. Fr. geschehe.
Ich antwortete, dass der Betrag von 176 Mio. Fr. lediglich buchhalterisch im Ausweis vermerkt sei und übrigens im nächsten Ausweis der Nationalbank voraussichtlich gar nicht mehr erscheinen werde, weil sich das Guthaben des Bundes inzwischen erheblich reduziert habe. Wir hätten nämlich – wie aus dem von Herrn Jonnes erwähnten Geschäftsbericht des Bundesrates über seine Geschäftsführung im Jahre 1949 zu ersehen sei6 – bereits im Frühling 1949 eine Amortisationsvereinbarung mit Italien getroffen, wobei der Bund den italienischen Behörden einen sehr erheblichen Einschlag auf sein ursprüngliches Guthaben gewährt habe. Gestützt auf diese Vereinbarung habe Italien den grössten Teil seiner Verbindlichkeiten bereits bezahlt, sodass heute nur noch rund 40 Mio. Fr. offen seien. Wenn bisher im Ausweis der Nationalbank der Betrag von 176 Mio. Fr. aufgeführt wurde, so sei es lediglich im Sinne einer vorsorglichen Massnahme geschehen, weil die Schweiz sich vorbehalten habe, ihre ursprünglichen Guthaben in vollem Umfange wieder geltend zu machen, wenn Italien seine vertraglichen Amortisationszahlungen einstellen sollte. Nachdem nun aber Italien seine Zahlungen bisher fristgemäss geleistet und damit seine Schuld gemäss Vereinbarung vom Frühling 1949 zum grössten Teil bereits abbezahlt habe, seien wir in der Lage, auf die Vermerkung dieses buchhalterischen Betrages im Ausweis der Nationalbank in Zukunft zu verzichten.
Im übrigen sei über die Amortisation der Bundesguthaben bei den soeben zu Ende gegangenen Verhandlungen gar nicht verhandelt worden. Die Angelegenheit sei nämlich bereits im Frühling 1949 mit der Festsetzung von vertraglichen Amortisationszahlungen endgültig liquidiert worden. Die noch verbleibenden Ratenzahlungen von gesamthaft rund 40 Mio. Fr. würden selbstverständlich entsprechend den Vorschriften der EPU als «amortissement contractuel» über die EPU beglichen werden.
Über die von den italienischen Behörden freigegebenen bestehenden Saldi auf dem Konto «Transferts divers» liess Herr Jonnes nichts verlauten, sodass anzunehmen ist, dass er hierüber nicht unterrichtet ist.
Ich leitete daraufhin das Gespräch auf den allgemeinen Handels- und Zahlungsverkehr über, wobei Herr Jonnes lediglich einige Fragen über die Kontingentierung der Salami-Einfuhr und über die sich in letzter Zeit vermehrenden Golddrahtexporte nach Italien7 stellte.
Herr Jonnes schien über die erteilten Auskünfte befriedigt zu sein.
Ich verfehlte nicht, zu bemerken, dass mir die morgige Vorsprache des Herrn Jonnes bei Ihnen bekannt sei, wobei ich andeutete, dass er bei Ihnen Auskünfte über andere Fragen, z. B. des allgemeinen Finanztransfers, offenbar einzuholen gedenke.
- 1
- E 2001(E)1967/113/749. Diese Notiz wurde von E. Moser erstellt und an E. von Graffenried des Politischen Departements adressiert; eine Kopie ging an J. Hotz und H. Homberger.↩
- 2
- Nicht abgedruckt.↩
- 3
- Vgl. DDS, Bd. 17, Dok. 129, dodis.ch/4262, Dok. 131, dodis.ch/4261.↩
- 4
- Vgl. Thematisches Verzeichnis in diesem Band: Fortsetzung des Abkommens von Washington.↩
- 5
- Vgl. BR-Prot. Nr. 1952 vom 27. Oktober 1950, E 1004.1(-)-/1/522 (dodis.ch/7804).↩
- 6
- Vgl. den Bericht des schweizerischen Bundesrates an die Bundesversammlung im Jahre 1949 vom 4. April 1950, S. 272–274.↩
- 7
- Vgl. dazu das Schreiben des schweizerischen Geschäftsträgers a. i. in Rom vom 30. September 1950, E 7110(-)1967/32/1236; für statistische Angaben des Goldexportes vgl. die Notiz von J. Vollenweider vom 17. Oktober 1950, E 7110(-)1967/32/1235 (dodis.ch/8824); vgl. auch einen Kommentar von E. Celio vom 5. Dezember 1950, ibid. (dodis.ch/8825), über den weiteren Goldverkehr mit Italien vgl. die Notiz an J. Hotz vom 19. Mai 1951, unterschrieben von J. Vollenweider und E. Moser, E 7110(-)1967/32/1238 (dodis.ch/8823).↩
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Abkommen von Washington (1946)