Der Bundesrat diskutiert unter dem Vorsitz von Vizepräsident von Steiger und in Abwesenheit von Nobs, Petitpierre, Kobelt und Rubattel den Antrag des EPD bezüglich des Beitritts der Schweiz zur EZU. Angesichts der Tatsache, dass der Abkommenstext noch nicht bekannt ist, dreht sich die Diskussion um den Antrag des EPD. Da die Angelegenheit eilt, akzeptiert der Bundesrat trotz aller Risiken, prinzipiell die Teilnahme, jedoch unter der Voraussetzung die Frage wieder aufzugreifen.
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 18, doc. 55
volume linkZürich/Locarno/Genève 2001
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E1003#1000/8#5* | |
Old classification | CH-BAR E 1003(-)1000/8 1 | |
Dossier title | 1950, Protokolle (1950–1950) | |
File reference archive | 4.31 |
dodis.ch/8164 BUNDESRAT
Verhandlungsprotokoll der 56. Sitzung vom 28. Juli 19501
[…]
ORGANISATION FÜR DIE EUROPÄISCHE WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT. BEITRITT DER SCHWEIZ ZUM ABKOMMEN ÜBER EINE EUROPÄISCHE ZAHLUNGSUNION2
Verhandlungsprotokoll der 56. Sitzung vom 28. Juli 19501
Herr Vizepräsident: Die Herren Petitpierre, Rubattel und Nobs empfehlen persönlich den Beitritt. Heute liegt die genaue juristische Formulierung noch nicht vor. Wir haben nur die Grundlage. Es wird beantragt, in zustimmendem Sinne Kenntnis zu nehmen und die Ermächtigung zur Unterzeichnung zu erteilen. Wollen wir zustimmen und nachher den eidgenössischen Räten die Genehmigung des Abkommens empfehlen? Die Sache ist eilig, weil es den andern Staaten daran liegt, eine Lösung zu erhalten. Wenn wir nicht mitmachen, wird eine starke Diskriminierung unseres Exportes die Folge sein. Lieber nehmen wir gewisse Unsicherheiten in Kauf, als dass wir Gefahr laufen, dass unser Export leiden könnte. Trotz den Risiken sind die zuständigen Departemente alle einverstanden. Das Finanz- und Zolldepartement verlangt, dass der Kredit an England in dieses Abkommen einbezogen werde3. Herr Schaffner wird nach England reisen und verlangen, dass dieser Kredit zu verschwinden hat und im Abkommen Platz finden muss. Mit Frankreich ist bereits ein solches Abkommen abgeschlossen worden4. Die Engländer haben sich bis jetzt gewehrt, die sind [sich] aber im klaren, dass sie nachgeben müssen. Jedes Land kriegt eine Quote. Die Schuldner können bis zu 1/5 Kredit ohne Goldzahlungen in Anspruch nehmen. Die Gläubiger umgekehrt müssen 1/5 als Kredit stehen lassen. Für den Rest hat er Anspruch auf 40% in Gold. Für die Schweiz besteht eine grosse Bewegungsfreiheit.
Nach zwei Jahren besteht die Möglichkeit auszutreten. Trotzdem wir Gläubigerland sind, haben wir ein eminentes Risiko, das wir aber in Kauf nehmen dürfen.
Der Redner orientiert dann über den Liberalisierungsgrundsatz von Einzelheiten (s. beiliegende Notiz vom 27. Juli5).
Auch Herr Minister Hotz glaubt, dass wir beitreten sollten, um weitere Schwierigkeiten, die uns im Export entgegengestellt werden könnten, zu überwinden.
Herr Etter: Ich habe von der Angelegenheit zum ersten Mal Kenntnis genommen und versucht, mich durch das Gestrüpp der Details hindurchzuarbeiten. Zuerst hatte ich erhebliche Bedenken. Die gingen zwar auf die Zeit, als wir der DEC6 beitraten. Damals vertraten wir den Standpunkt, dass wir nicht am Marshallplan mitmachen. Jetzt machen wir doch irgendwie mit am Marshallplan. Diese Bedenken habe ich mit dem Sachbearbeiter des Politischen Departementes und Herrn Iklé besprochen. Sie haben mich darüber aufgeklärt, dass wir mit den Krediten nicht über das Mass hinausgehen, was wir bisher Frankreich und England bewilligt haben. Dazu kommt, dass Frankreich einen Kredit in zwei Jahren zurückzahlt. Darin, dass bei einer Liquidation Schulden und Forderungen gemeinsam verrechnet werden, erblicke ich einen Vorteil. Wir haben als Schuldner eine Reihe von Staaten. Auch die Liberalisierung des Handelsverkehrs ist ein Vorteil. Hotz und Homberger waren zuerst sehr zurückhaltend. Sie haben sich schrittweise durchgerungen zur Auffassung, dass wir nicht mehr wegbleiben können7. Es handelt sich um ein Übel, aber um ein kleineres Übel.
Wir sollten heute Beschluss fassen unter dem Vorbehalt, dass die abwesenden Mitglieder des Bundesrates auch noch zustimmen. Sicher werden zustimmen die Herren Petitpierre und Rubattel. Von Herrn Nobs dürfen wir keine Äusserung erwarten.
Herr Vizepräsident: Es wäre zu überlegen, ob wir Montag noch eine Extrasitzung abhalten wollen, um festzustellen, ob Antworten eingegangen sind. Die Mehrheit haben wir, wir sollten aber einstimmig sein.
Für den nicht liberalisierten Teil bleibt dann die Möglichkeit des bilateralen Kampfes auf dieser Kleinzone können wir noch verhandeln8.
Herr Celio: Die grosse Frage, die mich beschäftigt wäre die, ob das Abkommen im Einklang steht mit unserer Neutralitätspolitik. Wir machen einen Schritt vorwärts. Die Volkswirtschaftlichen haben das Wort. Ich glaube, dass in einer solchen Sache Einstimmigkeit herrschen muss. Unsere Zustimmung gilt in dem Sinne, dass alle zustimmen.
Beschluss: Zustimmung, wenn von irgend einer Seite ein Protest einlangen sollte, dann würden wir uns vorbehalten, nochmals zusammenzukommen. Herr Etter wird das Politische Departement orientieren9. […]
- 1
- E 1003(-)-/1/R 3104. Abwesend waren: E. Nobs, M. Petitpierre, K. Kobelt, R. Rubattel.↩
- 2
- Die Diskussion basierte auf dem gemeinsamen schriftlichen Antrag des Politischen Departements und des Volkswirtschaftsdepartements vom 26. Juli 1950 und einem Mitbericht des Finanz- und Zolldepartements vom 27. Juli 1950, E 1001(-)-/1/90.↩
- 3
- Vgl. den Mitbericht des Finanz- und Zolldepartements vom 27. Juli 1950, ebd.; vgl. auch das Memorandum der Eidg. Finanzverwaltung zum Beitritt der Schweiz zur Europäischen Zahlungsunion vom 26. Juli 1950, E 6100(B)1973/141/139 (dodis.ch/8302).↩
- 4
- Vgl. BR-Prot. Nr. 1408 vom 25. Juli 1950, E 1004.1(-)-/1/519 (dodis.ch/7683).↩
- 5
- Es handelt sich um das Begleitschreiben von Ph. Etter vom 27. Juli 1950, mit welchem dieser den gemeinsamen Antrag des Politischen Departements und des Volkswirtschaftsdepartements versandt hatte, E 1001(-)-/1/90.↩
- 6
- Es handelt sich wahrscheinlich um die OECE.↩
- 7
- Vgl. die Protokolle der Ständigen Wirtschaftsdelegation, E 7800(-)-/1/4, vgl. auch E 2001(E) 1967/113/583, E 7110(-)1976/134/18.↩
- 8
- Zur Liberalisierung der Einfuhr im Rahmen der EZU vgl. BR-Prot. Nr. 1835 vom 6. Oktober 1950, E 1004.1(-)-/1/522 (dodis.ch/8243).↩
- 9
- Zum definitiven Entscheid über den Beitritt zur EZU vgl. das Verhandlungsprotokoll der 57. Sitzung des Bundesrates vom 16. August 1950, E 1003(-)-/1/R 3104. Dieser Entscheid wurde ohne weitere Diskussion gefasst, vgl. das Votum von M. Petitpierre: Evolution de la situation est telle qu’il convient d’adhérer. Nous courons des risques. Maximum 645 mios, plus non valeur de 300 mios. Département finances aurait voulu subordonner adhésion à conclusion d’un accord avec la France, c’est en ordre. Pour la Grande Bretagne, ce n’est pas possible. Autorisons Bauer à signer. Vgl. BR-Prot. Nr. 1496 vom 16. August 1950, E 1004.1(-)-/1/520 (dodis.ch/7690).↩
Tags
European Payments Union (1950–1958)
Organisation for Economic Co-operation and Development (OEEC–OECD)