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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 1993, doc. 62
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2010A#2001/161#1588* | |
Dossier title | Allgemeines (1988–1993) | |
File reference archive | B.15.21 • Additional component: Portugal |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2200.54-03#2004/69#307* | |
Dossier title | Metalimex - Refonda (1993–1993) | |
File reference archive | 376 |
dodis.ch/65772
Der stv. Direktor der Politischen Direktion des EDA, Botschafter von Däniken, an den schweizerischen Botschafter in Lissabon, Lang1
Beziehungen Schweiz–Portugal
Für Ihr Schreiben vom 16. Dezember 19932 möchte ich Ihnen aufrichtig danken. Ich teile Ihre Meinung, dass wir vermeiden müssen, durch Nachlässigkeit oder Routine gute bilaterale Beziehungen auf’s Spiel zu setzen.3 In diesem Sinn bedaure ich, wenn die Vorbereitungen für einen Besuch des portugiesischen Staatssekretärs Vitor Martins im vergangenen Jahr nicht mit der nötigen Umsicht und Zielstrebigkeit an die Hand genommen wurden. Mit Genugtuung stelle ich fest, dass dieser Besuch inzwischen auf Anfang Februar 1994 geplant ist.4
Im weiteren kann ich Ihnen versichern, dass die intensive Besuchsdiplomatie zwischen der Schweiz und Spanien nicht auf einer bewussten Bevorzugung Madrids gegenüber Lissabons beruht. Die Zusammenkünfte des Bundespräsidenten mit dem spanischen Staatsoberhaupt, so willkommen und erwünscht sie waren, bildeten nicht Teil einer aussenpolitischen Besuchsplanung.5 Anders verhielt es sich mit der Reise des EDA-Vorstehers nach Madrid.6 Just diese Reise hätte jedoch ursprünglich auch nach Lissabon führen sollen, doch wurde dann – wie Sie selber bemerken – auf dieses Vorhaben sinnvollerweise verzichtet.7
Dies gesagt, kann ich Ihnen nicht verhehlen, dass in Bern über die Art und Weise, wie die portugiesische Regierung die Angelegenheit Refonda/Metalimex behandelt, Enttäuschung und Unverständnis herrschen.8 Der Hinweis auf die Kommunalwahlen, welche Mitte Dezember stattfanden, erklärt meines Erachtens dieses Verhalten der Portugiesen nicht, oder jedenfalls nicht allein.9 Dass die Ausfuhr von Industrieabfällen ein problematisches Geschäft darstellt, sei keineswegs bestritten.10 Ein solches Problem jedoch ins Zentrum bilateraler Beziehungen mit einem anderen, angeblich befreundeten westeuropäischen Staat zu rücken und es – unter Hinweis auf die integrationspolitischen Anliegen der Schweiz – mit einem der Erpressung nahen Ansatz lösen zu wollen, verrät einen schlechten Stil und einen Verlust an Augenmass.11 Es erinnert mich an das Verhalten der portugiesischen Regierung, als es 1985/86 für die Schweiz darum ging, infolge des EG-Beitritts Portugals ein Zusatzprotokoll zum Freihandelsabkommen Schweiz–EWG auszuhandeln.12 Lissabon hat damals die Schweiz und die übrigen EFTA-Partner unter Anwendung der Holzhammertaktik mit unmöglichen Forderungen konfrontiert (z. B. unilateraler Zollabbau), als ob es das Wort EFTA-Partnerschaft niemals gegeben hätte.13 Der Erfolg war gleich Null, sieht man vom Prestigeverlust der Portugiesen ab.
Solche Feststellungen und Überlegungen geben natürlich Anlass zur Frage, was die Beziehungen zur Schweiz den Portugiesen wert sind. So wenig, dass einige tausend Tonnen Salzschlacke – nicht von der Schweiz, sondern von einem schweizerischen Unternehmen aufgrund eines mit einer portugiesischen Firma abgeschlossenen, privaten Vertrags exportiert – den Ministerpräsidenten und den Aussenminister Portugals dazu veranlassen, den schweizerischen Bundespräsidenten und den Vorsteher des EDA in brüsken Worten auf die Angelegenheit anzusprechen, weil ihnen sonst zu den schweizerisch-portugiesischen Beziehungen nichts einfällt?14
Portugal hat in der Angelegenheit Refonda/Metalimex ein schlechtes Dossier. Der Unterzeichnende hat sich in den letzten Monaten dafür eingesetzt, mit Hilfe eines pragmatischen, «politischen» Ansatzes die Dinge zu deblockieren. Der Entwurf für einen entsprechenden Antrag an den Bundesrat kam ursprünglich aus der Küche der Politischen Abteilung I.15 Dies hat mir übrigens von seiten einiger Legalisten Kritik eingebracht («Wo kommen wir hin, wenn die Schweiz für jedes missratene Exportgeschäft politische Verhandlungen offeriert?»).16 Es ist jetzt Sache der Portugiesen, auf unser Verhandlungsangebot einzusteigen. Die erste Antwort aus Lissabon tönt nicht ermutigend.17
Dies in wenigen Worten der Hintergrund, vor dem die Belebung der schweizerisch-portugiesischen Besuchsdiplomatie zu sehen ist. Gerne bin ich bereit, mich für intensivere schweizerisch-portugiesische Kontakte auf hohem Niveau zu verwenden. Voraussetzung ist aber, dass die Angelegenheit Refonda/Metalimex nicht das alles beherrschende Thema für solche Gespräche darstellt.18
- 1
- CH-BAR#E2200.54-03#2004/69#307* (376). Dieses Schreiben wurde vom stv. Direktor der Politischen Direktion des EDA, Botschafter Franz von Däniken, unterzeichnet, richtete sich an den schweizerischen Botschafter in Lissabon, Erik-Roger Lang, und wurde von diesem sowie von Botschaftsrat Stephan Nellen visiert.↩
- 2
- Vgl. dodis.ch/65773.↩
- 3
- Zu den bilateralen Beziehungen vgl. die Notiz der Politischen Abteilung I des EDA vom 7. Oktober 1993, dodis.ch/67012.↩
- 4
- Der für Februar 1994 geplante Besuch von Staatssekretär Antonio Vitor Martins Monteiro wurde erneut verschoben, vgl. das Dossier CH-BAR#E2010A#2005/342#1989* (B.15.21).↩
- 5
- Zum Besuch des Vorstehers des EVED, Bundespräsident Adolf Ogi, beim spanischen König Juan Carlos I in Madrid vgl. DDS 1993, Dok. 61, dodis.ch/64162.↩
- 6
- Zum Besuch des Vorstehers des EDA, Bundesrat Flavio Cotti, vgl. die Informationsnotiz des EDA an den Bundesrat vom 14. September 1993, dodis.ch/64767.↩
- 7
- Im Schreiben vom 16. Dezember 1993 hatte Botschafter Lang geschrieben: «Il fut en revanche opportun en septembre dernier que le Conseiller fédéral F. Cotti ne se rende pas au Portugal vu ces deux affaires.» Vgl. dodis.ch/65773.↩
- 8
- Zum Streit über die von der schweizerischen Firma Refonda nach Portugal exportierte Salzschlacke vgl. die thematische Zusammenstellung Affäre Refonda/Metalimex, dodis.ch/T2496. Für eine Übersicht der Ereignisse aus schweizerischer Sicht vgl. die Pressemitteilung in Form einer Sachverhaltsfeststellung des Bundesamts für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) des EDI vom 9. November 1993 in der Beilage von dodis.ch/65996.↩
- 9
- Vgl. dazu das Fernschreiben von Botschafter Lang vom 11. Mai 1993, dodis.ch/65997.↩
- 10
- Vgl. dazu die thematische Zusammenstellung Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung (1989), dodis.ch/T2068.↩
- 11
- Zum portugiesischen Versuch die Affäre in die europäischen Gremien zu tragen vgl. das Schreiben des Integrationsbüros EDA/EVD an die schweizerischen Botschaften in den EU-Ländern vom 25. November 1993, dodis.ch/65996, bes. Beilage 2.↩
- 12
- Aufgrund des EG-Beitritts von Portugal und Spanien wurden drei Zusatzprotokolle zum Freihandelsabkommen Schweiz–EWG ausgehandelt, vgl. die BR-Prot. Nr. 271 vom 19. Februar 1986, dodis.ch/63501; Nr. 1762 vom 4. November 1986, dodis.ch/63681, sowie Nr. 2462 vom 27. Dezember 1989, dodis.ch/55285.↩
- 13
- Vgl. dazu die Notiz des Integrationsbüros EDA/EVD vom 5. November 1985, dodis.ch/63470, sowie die thematische Zusammenstellung Dritte Erweiterung der EG: Spanien, Portugal (1986), dodis.ch/T1851.↩
- 14
- Bundespräsident Ogi und Bundesrat Cotti wurden am Gipfeltreffen des Europarats in Wien am 8. Oktober 1993 sowohl vom portugiesischen Ministerpräsidenten, Aníbal António Cavaco Silva, als auch vom portugiesischen Aussenminister, José Manuel Barosso, auf die Affäre angesprochen, vgl. dodis.ch/66662.↩
- 15
- Vgl. dazu das BR-Prot. Nr. 2178 vom 24. November 1993, dodis.ch/63899.↩
- 16
- Diese Kritik wurde vor allem vom Bundesamt für Aussenwirtschaft (BAWI) des EVD geäussert, vgl. bspw. die Notiz des Direktors des BAWI, Staatssekretär Franz Blankart, vom 22. November 1993, dodis.ch/66114, oder den Mitbericht des EVD vom 23. November 1993 in der Beilage des BR-Prot. Nr. 2178 vom 24. November 1993, dodis.ch/63899.↩
- 17
- Vgl. dazu die Notiz des BUWAL an die Vorsteherin des EDI, Bundesrätin Ruth Dreifuss, vom 23. Dezember 1993, dodis.ch/65680.↩
- 18
- Handschriftliche Marginalie von Botschafter von Däniken: P.S. Mit meinen besten Wünschen für 1994!↩
Relations to other documents
http://dodis.ch/65772 | is the answer to | http://dodis.ch/65773 |
Tags
Industrial accidents and pollution Refonda/Metalimex Affair (1991–1995) Diplomacy of official visits