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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 1993, doc. 22
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2010A#2001/161#1663* | |
Dossier title | Allgemeines (1992–1993) | |
File reference archive | B.15.21 • Additional component: Macédonie |
dodis.ch/65017
Der Chef der Politischen Abteilung I, Botschafter von Däniken, an den Vorsteher des EDA, Bundesrat Cotti1
Anerkennung Mazedoniens2
1. Um dem Anliegen des Eidg. Justiz- und Polizeidepartementes wegen der Rückschaffung abgewiesener Asylbewerber durch Mazedonien nach Kosovo Rechnung zu tragen, weilt derzeit eine schweizerische Delegation zu informellen Gesprächen in der mazedonischen Hauptstadt.3 Die Delegation steht unter der Leitung von Botschafter Weiersmüller (Koordinator der Flüchtlingspolitik im EDA) und umfasst auch einen Vertreter des EJPD.4
2. Die Gespräche mit den Behörden Mazedoniens begannen am Vormittag des 12. Mai 1993. Gesprächspartner waren der für Europa zuständige Abteilungschef im Aussenministerium5 sowie der Unterstaatssekretär im mazedonischen Innenministerium, Herr Trayanov. Über den Gesprächsverlauf informierte Botschafter Weiersmüller den Unterzeichnenden wie folgt (Stand 12.00 Uhr):
– Wie gegenüber anderen Staaten (z. B. Schweden) lehnt Mazedonien auch gegenüber der Schweiz eine schriftliche Verpflichtung zum Transit von Drittstaatsangehörigen (d. h. abgewiesene Kosovo-Albaner) ab.
– Hingegen ist Mazedonien bereit, auch mit der Schweiz ein informelles Arrangement zur Durchführung von Drittstaatsangehörigen zu treffen, und zwar nach folgenden Modalitäten:
· Organisation der Reise aus der Schweiz nach Skopje zu Lasten der Schweiz (Flugkosten)
· Der Transport der ausgeschafften Asylbewerber von Skopje an die Grenze zwischen Mazedonien und Rest-Jugoslawien muss sichergestellt werden (Auftrag an ein mazedonisches Transportunternehmen)
· Der Transport von Skopje an die Grenze muss von mazedonischen Polizeibeamten begleitet werden
· Es ist davon auszugehen, dass sich Mazedonien für die Sicherstellung dieses Transits entschädigen lassen wird (was schon bisher der Fall war).
Zusätzlich hat Herr Weiersmüller in Erfahrung gebracht, dass es an Flugmöglichkeiten zwischen Zürich und Skopje nicht fehlt. Derzeit bieten acht Fluggesellschaften Charterflüge zwischen den beiden Orten an. Der Hin- und Rückreiseverkehr zwischen Zürich und Skopje verzeichnet gegenwärtig 100–150 Personen pro Tag.6
3. Fazit: Aufgrund der heute vorliegenden Erkenntnisse gehen wir davon aus, dass Mazedonien auch in Zukunft zur Durchführung abgewiesener Asylbewerber nach Rest-Jugoslawien Hand bieten wird. Dies wird aber mindestens in naher Zukunft nur auf der Grundlage einer informellen Vereinbarung zwischen der Schweiz und Mazedonien geschehen.7 Damit behandeln die mazedonischen Behörden unser Land nicht anders als die übrigen westeuropäischen Staaten.
Es sei noch einmal betont, dass zwischen der völkerrechtlichen Anerkennung Mazedoniens durch die Schweiz und dem Problem der Rückschaffung abgewiesener Asylbewerber durch Mazedonien kein Zusammenhang besteht.8 An der Staatlichkeit dieses Landes ist infolge seiner Aufnahme in die UNO sowie in den Internationalen Währungsfonds (dessen Mitglied die Schweiz ist!) nicht mehr zu zweifeln. Die völkerrechtlichen Voraussetzungen für die Anerkennung sind erfüllt.
- 1
- CH-BAR#E2010A#2001/161#1663* (B.15.21). Diese Notiz wurde vom Chef der Politischen Abteilung I, Botschafter Franz von Däniken, verfasst und unterzeichnet, vom Direktor der Politischen Direktion, Staatssekretär Jakob Kellenberger, visiert und richtete sich an den Vorsteher des EDA, Bundesrat Flavio Cotti. Kopien gingen an den Koordinator für internationale Flüchtlingspolitik des EDA, Botschafter Rudolf Weiersmüller, an den stv. Chef der Politischen Abteilung I, Daniel Woker, sowie an den für Mazedonien zuständigen Mitarbeiter Beat Nobs. Das hier edierte Exemplar wurde von der Politischen Abteilung I mit der Bemerkung abgelegt: «Weiterleitung des unterzeichneten Originals ist vor Kopienerstellung erfolgt.»↩
- 2
- Anlässlich der bevorstehenden Aufnahme der «Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien» als Vollmitglied in die UNO ermächtigte der Bundesrat das EDA, die Anerkennung «mit einer repräsentativen Gruppe von Partnerstaaten auszusprechen», vgl. das BR-Prot. Nr. 657 vom 7. April 1993, dodis.ch/64260. Vgl. dazu die thematische Zusammenstellung Anerkennung Mazedoniens, dodis.ch/T2103.↩
- 3
- Der Bundesrat beschloss am 26. April 1993 auf Antrag des EDA die formelle Anerkennung Mazedoniens, vgl. dodis.ch/64272. Auf Grund des Mitberichts des EJPD wurde ergänzt: «Als Voraussetzung für diese Anerkennng muss eine Bereitschaftserklärung Mazedoniens zu einem Rückschaffungsabkommen für asylrechtlich abgewiesene Kosovo-Albaner vorliegen.» Das EDA wandte in seiner Stellungnahme vergeblich ein, dass der Abschluss eines solchen Abkommens «just die Völkerrechtssubjektivität Mazedoniens» voraussetze. Zur Haltung des EJPD vgl. die Notiz des stv. Chefs des Rechtsdiensts des Bundesamts für Flüchtlinge (BFF), Roger Schneeberger, an den Vorsteher des EJPD, Bundesrat Arnold Koller, vom 25. April 1993, dodis.ch/65205.↩
- 4
- Rudolf Gossenreiter, Chef der Sektion Vollzugsunterstützung und schweiz. Reisepapiere des BFF. Für das Ergebnis der Gespräche vgl. die Notiz von Botschafter Weiersmüller an Bundesrat Cotti vom 17. Mai 1993, dodis.ch/64464.↩
- 6
- Anfang Juli 1993 reisten Sektionschef Gossenreiter sowie der stv. Koordinator für internationale Flüchtlingspolitik des EDA, Markus-Alexander Antonietti, abermals nach Skopje, um eine Reihe technischer Fragen zur praktischen Umsetzung der Transitvereinbarung zu klären, vgl. dodis.ch/64407.↩
- 7
- Zur Vereinbarung vgl. die Notiz von Botschafter Weiersmüller vom 17. Mai 1993, dodis.ch/64464. Am 20. Oktober 1993 sisitierte die mazedonische Regierung die Transitvereinbarung mit der Schweiz, vgl. die Protokolle der interdepartementalen Sitzungen vom 21. Oktober und vom 1. November 1993 betreffend Durchbeförderungsvereinbarung mit Mazedonien, dodis.ch/67066 resp. dodis.ch/64803. Vgl. auch die Zusammenstellung dodis.ch/C2462.↩
- 8
- Der Bundesrat diskutierte die Angelegenheit am selben Tag in seiner Sitzung: «M. Cotti commente le résultat provisoire de la mission envoyée à Skopje pour sonder la disponibilité des autorités de Macédoine à maintenir la possibilité de renvoi, par leur territoire, des requérants d’asile du Kossovo dont la requête a été refusée. Même sans promesse formelle, les autorités locales ont donné les mêmes garanties qu’à la Suède. Dans ces conditions, rien ne s’oppose plus à la reconnaissance de la Macédoine. M. Koller partage également cet avis, et le Conseil approuve donc la proposition du DFAE.» Vgl. das Verhandlungsprotokoll der 4. ausserordentlichen Sitzung des Bundesrats vom 12. Mai 1993, dodis.ch/64021, sowie das BR-Prot. Nr. 940 vom 12. Mai 1993, dodis.ch/64807. Die Anerkennung wurde im Anschluss an die Sitzung von Bundespräsident Adolf Ogi dem mazedonischen Präsidenten Kiro Gligorov per Fernschreiben notifiziert, vgl. dodis.ch/65016. Vgl. auch die Pressemitteilung vom 13. Mai 1993, dodis.ch/65245.↩
Relations to other documents
http://dodis.ch/65017 | see also | http://dodis.ch/64807 |
http://dodis.ch/66533 | see also | http://dodis.ch/65017 |
Tags
Recognition of Macedonia (1993)
Questions concerning the Recognition of States North Macedonia (Politics)