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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 1993, doc. 15
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E6100C#2003/394#56* | |
Dossier title | Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS)-Reise Bundesrat Stich (1993–1993) | |
File reference archive | 972.19 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E7001C#2001/86#751* | |
Dossier title | Reise BR Stich in die GUS-Republiken (1993–1993) | |
File reference archive | 2310-01 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E8812#1998/341#154* | |
Dossier title | BR-Sitzung vom 5. Mai Wahl Mitglieder SKK, Aussprache Strassenbenützungsabgaben (1993–1993) | |
File reference archive | 1 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E4801.2#2004/5#255* | |
Dossier title | Bundesratssitzung vom 4.10.1993, Teil 1 (1993–1993) | |
File reference archive | 5 |
dodis.ch/56844
Reise einer schweizerischen Delegation nach Turkmenistan, Kirgistan, Usbekistan und Aserbaidschan (13.–18.4.93)
Unter der Leitung des Vorstehers des Finanzdepartementes besuchte eine schweizerische Delegation Turkmenistan, Kirgistan, Usbekistan und Aserbaidschan. Der Delegation gehörten nebst Vertretern des EDA, EFD und EVD auch Vertreter von Industrie und Banken an, und sie wurde von einer stattlichen Schar von Medienleuten begleitet.2
Indem sich die Schweiz darum bemüht hatte, diese zentralasiatischen und kaukasischen (Aserbaidschan) Republiken nebst Polen in die schweizerische Stimmrechtsgruppe im IWF und in der Weltbankgruppe aufzunehmen, hat sie eine besondere Verantwortung für sie übernommen.3 Der Hauptzweck der Reise bestand darin, diese Länder besser kennenzulernen, Vertrauen zu schaffen und die Möglichkeiten der wirtschaftlichen Beziehungen auszuloten. Allen Ländern wurde technische Hilfe im Bereich der Ausbildung ihrer Kader angeboten.
Kirgistan erhielt die Zusicherung einer Hilfeleistung von 10 Millionen Dollar im Rahmen der Unterstützungsgruppe der Weltbank.4 Dieser mittelasiatische Staat verfügt im Vergleich zu den anderen drei Staaten über die geringsten Rohstoffvorkommen und ist deshalb auf konzessionelle Hilfe angewiesen, und er ist auf dem Weg der Reformen am weitesten fortgeschritten.5
In Usbekistan wurden ein Handels- und Wirtschaftsabkommen sowie ein Investitionsschutzabkommen unterzeichnet.6 Der usbekischen Seite wurde zudem offiziell eröffnet, dass die Schweiz beabsichtige, in Taschkent eine Botschaft zu eröffnen.7 Der Wunsch der Schweiz auf eine Seitenakkreditierung wurde in Turkmenistan rundweg abgelehnt, während er in Kirgistan akzeptiert wurde.8
Der Unterzeichnete wurde von den Präsidenten Nijasov (Turkmenistan), Akajew (Kirgistan) und Karimov (Usbekistan) und vom aserbaidschanischen Premierminister (Masimov) zu längeren Gesprächen empfangen. Daneben wurden Fachgespräche mit den Ministern für Finanzen und Wirtschaft geführt.9 Allgemein konnte festgestellt werden, dass die Schweiz in diesen Staaten über einen ausgezeichneten Ruf verfügt und Erwartungen bestehen, dass unser Land ihnen bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Probleme hilft, deren Ursachen weitgehend in den gestörten Wirtschaftsbeziehungen zu Russland liegen.10
Turkmenistan hat dank seinem grossen Potential gute Chancen, sich wirtschaftlich zu entwickeln. Mit der zwölffachen Fläche der Schweiz, einer Bevölkerung von nur 3,6 Millionen Einwohnern und umfangreichen Erdgasvorkommen könnte aus dem Land ein «asiatisches Kuwait» werden.11
Die turkmenische Regierung zählt bei der wirtschaftlichen Entwicklung auf die reichen Rohstoffvorkommen und ausländische Investitionen, will die Marktwirtschaft aber behutsam und nicht mittels einer Schocktherapie einführen. Um die politische Wende nach der Unabhängigkeit zu demonstrieren, werden der Bevölkerung Erdgas, Benzin und Wasser gratis abgegeben.
Der seit sieben Jahren an der Macht stehende Präsident Nijasov, der in seinem Stil an einen morgenländischen Potentaten erinnert, betonte mehrmals, dass in seinem Land die Regeln der Demokratie und die Menschenrechte volle Beachtung fänden. Dies hinderte dann den stellvertretenden Präsidenten Otschertsov allerdings nicht daran, eine Pressekonferenz kurzerhand abzubrechen, nachdem Schweizer Journalisten diesbezüglich drei kritische Fragen gestellt hatten.12
Kirgistan wurde vom Zusammenbruch der ehemaligen Sowjetunion wirtschaftlich am stärksten betroffen. Allein 1992 schrumpfte das Bruttosozialprodukt des 4-Millionen-Volkes um 25 Prozent. Trotz diesen ungünstigen Voraussetzungen sind die wirtschaftlichen und politischen Reformen in diesem Land jedoch stärker vorangetrieben worden als in den Nachbarstaaten.13
Mit der argumentativen Sicherheit eines Wissenschafters stellte Präsident Akajew sein Reformprogramm vor. Er gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass es entsprechend den Vereinbarungen mit dem IWF durchgeführt werden könne. Unmittelbar vor dem Gespräch mit der Schweizer Delegation lehnte das Parlament in zweiter Lesung eine Verfassungsbestimmung ab, die den Landwirten den Besitz von Grund und Boden ermöglicht hätte. Die neue Verfassung sieht nur eine lebenslängliche Pacht vor.
Wie die turkmenische, so will auch die usbekische Regierung nichts von einer Schocktherapie wissen. Das Ziel der Marktwirtschaft soll «in Stufen und ohne Hast» angestrebt werden. Das Land sei nicht auf konzessionelle Hilfe vom Ausland angewiesen, sondern es genügten Kreditfinanzierungen durch die Banken.14
Auffallend war, wie verschiedene Gesprächspartner die Weisheit der Regierung (der sie selber angehören) überschwänglich lobten.15 Auch die Schweiz wurde mit grossem Lob bedacht. Präsident Karimov hob die Vorzüge unserer Demokratie und Wirtschaft hervor. Usbekistan habe grosses Vertrauen in die Schweizer Banken und dies sei der Grund, weswegen der weltweit viertgrösste Goldproduzent seine Goldvorräte bei schweizerischen Banken deponiert habe.16 Im weiteren wiederholte Karimov die Einladung an Bundespräsident Ogi, die er anlässlich des Weltwirtschaftsforums in Davos ausgesprochen hatte.17
Der Aufenthalt in Usbekistan wurde dazu benutzt, ein Handels- und Kooperationsabkommen sowie ein Investitionsschutz- und -förderungsabkommen zu unterzeichnen.18 Die beiden Abkommen werden gute Rahmenbedingungen für die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und Usbekistan (20 Mio. Einwohner) bilden. Ausserdem lud der Unterzeichnete den usbekischen Finanzminister für einen Besuch auf Ende August in die Schweiz ein.19 Im weiteren wurde eine Färbeanlage der Uzwiler Firma Benninger AG in Buchara eingeweiht.
Die Entwicklung des fruchtbaren, an Erdöl, Erdgas und Mineralien reichen und von rund 7 Millionen Einwohnern bevölkerten Aserbaidschan, ist stark geprägt durch den Krieg mit Armenien, der nach Angaben von Regierungschef Masimov 20 Prozent der Haushaltausgaben verschlingt.20 Einerseits wurde im Mai 1992 das Parlament aufgelöst und durch einen bisher nicht gewählten Nationalen Rat ersetzt, anderseits wurde unter Präsident Eltschibej aber doch die Privatisierung der Wirtschaft eingeleitet. Die fehlende Versorgung mit Rubeln hat die Regierung zudem bewogen, den «Manat» als Parallelwährung einzuführen. Zurzeit beträgt sein Anteil an der gesamten Geldmenge 55 Prozent. Es besteht die Absicht, den Manat zu einer eigenen Währung zu machen, über den Zeitpunkt bestehen aber noch keine klaren Vorstellungen.
In seinen Gesprächen wies der Unterzeichnete darauf hin, dass es für Aserbaidschan schwierig sein werde, Kredite zu erhalten, solange der Krieg um Nagorny Karabach andaure. Er liess durchblicken, dass sich die Schweiz an der am 2. Mai in Baku stattfindenden Konsultativgruppe der Weltbank finanziell nicht engagieren werde.21 Die Schweiz sei hingegen bereit, als Vermittler im Konflikt aufzutreten, sofern dies von aserbaidschaner Seite gewünscht werde.
Präsident Karimov und der usbekische Regierungschef Mutalov begrüssten die vom Unterzeichneten angekündigte Eröffnung einer schweizerischen Botschaft in Taschkent.22 Sie versprachen jegliche Unterstützung, damit die Schweiz eine ihrem Prestige angemessene Kanzlei und Residenz finde.
Präsident Nijasov lehnte eine Seitenakkreditierung unseres Botschafters in Turkmenistan kategorisch ab. Wenn die Schweiz in Aschabad keine Vertretung eröffnen wolle, stehe es ihr frei, die diplomatischen Beziehungen über die Botschaft in Moskau oder Ankara wahrzunehmen.23 In dieser dezidierten Haltung dürfte das trotz gegenteiligen Beteuerungen latente Misstrauen zum Ausdruck kommen, Usbekistan könnte eine Politik der regionalen Integration in Richtung eines gemeinsamen Turkestan verfolgen.24
- 1
- CH-BAR#E6100C#2003/394#56* (972.19). Diese Informationsnotiz an den Bundesrat wurde von Hans Ith von der Sektion Währung des EFD verfasst und vom Vorsteher des EFD, Bundesrat Otto Stich, unterzeichnet. Ein vom Leiter des Büros für die Zusammenarbeit mit Ost- und Mitteleuropa (BZO) der Politischen Abteilung I des EDA, Eric Martin, verfasster Reisebericht wurde im Wochentelex 16/93 vom 19. April versandt, vgl. dodis.ch/61173. An der 3. ausserordentlichen Sitzung des Bundesrats vom 21. April kommentierte Bundesrat Stich umfassend seine Reise, Gespräche und Eindrücke: «Die Mission sei nicht nur sehr interessant, sondern auch äussert nützlich gewesen. Für Bundesrat Stich ist die Tatsache, dass ihn zahlreiche Medienvertreter begleitet haben, positiv zu werten. Dadurch könnten diesen Journalisten in die Probleme dieser eher unbekannten Länder Einblick erhalten und und für die schweizerische Öffentlichkeit darüber berichten.» Vgl. das Verhandlungsprotokoll vom 27. April 1993, CH-BAR#E1003-01#2006/306#1* (322.3). Für die Orientierung der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats über die Reise durch Bundesrat Stich vgl. dodis.ch/64357, Punkt 6.↩
- 2
- Für die vollständige Delegationsliste vgl. das Dossier CH-BAR#E6100C#2003/394#56* (972.19).↩
- 3
- Zur Zusammensetzung der schweizerischen Stimmrechtsgruppe in den Bretton-Woods-Institutionen vgl. DDS 1992, Dok. 23, dodis.ch/60948; Dok. 28, dodis.ch/61195; Dok. 31, dodis.ch/60621, und Dok. 41, dodis.ch/62733, sowie die Zusammenstellung dodis.ch/C1919.↩
- 4
- Vgl. dazu das Schreiben des schweizerischen Exekutivdirektors beim IWF, Daniel Kaeser, an den Direktor der Finanzverwaltung des EFD, Ulrich Gigy, vom 18. Januar 1993, dodis.ch/65422, sowie die Notiz des Vizedirektors des Bundesamts für Aussenwirtschaft (BAWI) des EVD, Minister Rudolf Ramsauer, vom 19. April 1993, dodis.ch/64649.↩
- 5
- Vgl. dazu die Notiz von Carlos Orga, stv. Leiter des BZO, vom 6. April 1993, dodis.ch/66037. Zu den politischen und wirtschaftlichen Bedingungen der schweizerischen Osthilfe vgl. DDS 1993, Dok. 59, dodis.ch/64511.↩
- 6
- Abkommen über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Usbekistan vom 16. April 1993, AS, 1995, S. 1193–1208, und Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Usbekistan über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen vom 16. April 1993, AS, 1999, S. 2111–2116. Vgl. dazu das BR-Prot. Nr. 638 vom 31. März 1993, dodis.ch/64232, sowie das BR-Prot. Nr. 407 vom 24. Februar 1993, dodis.ch/64112.↩
- 7
- Vgl. dazu DDS 1992, Dok. 51, dodis.ch/60694.↩
- 8
- Im November 1993 überreichte der schweizerische Botschafter in Taschkent, Paul Wipfli, sein Beglaubigungsschreiben für die Seitenakkreditierung in Bischkek, vgl. dodis.ch/64353.↩
- 9
- Für die einzelnen Gesprächsnotizen vgl. dodis.ch/62666.↩
- 10
- Vgl. dazu DDS 1992, Dok. 13, dodis.ch/58206.↩
- 11
- Zur Wirtschaftslage Turkmenistans vgl. die vorbereitende Dokumentation für Bundesrat Stich, dodis.ch/66035, sowie die Notizen von Thomas Kolly vom Finanz- und Wirtschaftsdienst des EDA vom 10. August 1992, dodis.ch/63398, und von Minister Ramsauer vom 11. September 1992, dodis.ch/61254.↩
- 12
- Für die Pressekonferenz vgl. dodis.ch/62666.↩
- 13
- Vgl. dazu die vorbereitende Dokumentation für Bundesrat Stich, dodis.ch/66036, sowie die Notiz von Leo Ribeli vom Regionaldienst Mittel-/Osteuropa – ECE/UNO des BAWI vom 24. August 1992, dodis.ch/62015.↩
- 14
- Vgl. dazu die vorbereitende Dokumentation für Bundesrat Stich, dodis.ch/66034, sowie die Notiz von Botschafter Wipfli vom 30. September 1993, dodis.ch/64553.↩
- 15
- Vgl. dazu die Gesprächsnotizen dodis.ch/62666.↩
- 16
- Vgl. dazu die Notiz des Finanz- und Wirtschaftsdiensts des EDA vom 4. Dezember 1991, dodis.ch/60393.↩
- 17
- Vgl. DDS 1993, Dok. 1, dodis.ch/62483, sowie das Schreiben von Präsident Islam Karimow an den Vorsteher des EVED, Bundespräsident Adolf Ogi, vom 6. März 1993, dodis.ch/66002.↩
- 18
- Vgl. Anm. 6.↩
- 19
- Vgl. das Dossier CH-BAR#E6100C#2003/394#64* (972.19). Finanzminister Erkin Bokibojew traf am 23. September 1993 in Bern mit Bundesrat Stich, dem Vorsteher des EVD, Bundesrat Jean-Pascal Delamuraz, sowie dem Präsidenten der Schweizerischen Nationalbank, Markus Lusser, zusammen, vgl. dodis.ch/65176.↩
- 20
- Zur schweizerischen Haltung angesichts der armenischen Offensive gegen Aserbaidschan vgl. die Notiz des stv. Chefs der Politischen Abteilung I, Daniel Woker, an den Direktor der Politischen Direktion des EDA, Staatssekretär Jakob Kellenberger, vom 7. April 1993, dodis.ch/65813. Vgl. auch die thematische Zusammenstellung Bergkarabachkonflikt (1988–1994), dodis.ch/T2190.↩
- 21
- Vgl. dazu das Dossier CH-BAR#E2025A#2002/145#6308* (t.816-12(01)).↩
- 22
- Vgl. dazu DDS 1992, Dok. 51, dodis.ch/60694, sowie die thematische Zusammenstellung Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit den GUS-Staaten, dodis.ch/T2010.↩
- 23
- Der schweizerische Botschafter in Moskau, Jean-Pierre Ritter, hatte bereits im Juli 1992 in Aschgabad sein Beglaubigungsschreiben überreicht, vgl. dodis.ch/61106. Botschafter Ritter blieb weiterhin für Turkmenistan akkreditiert.↩
- 24
- Im von Eric Martin verfassten Wochentelex-Beitrag folgt an dieser Stelle noch ein Kommentar: «Mit der Aufnahme dieser drei zentralasiatischen Republiken sowie von Aserbaidschan in ihre Stimmrechtsgruppe hat die Schweiz keine leichte Aufgabe übernommen. Von einer demokratischen und marktwirtschaftlichen Ordnung sind zumindest Usbekistan undTurkmenistan meilenweit entfernt. Auch mit der Respektierung der Menschenrechte dürfte esin diesen beiden Republiken hapern. Inwiefern die Schweiz der Aufgabe, die sie in diesen Län dern übernommen hat, gerecht werden und die Erwartungen erfüllen kann, wird sich nochweisen müssen. Auf jeden Fall hat Bundesrat Stich mit seiner Delegation in dieser Weltgegendaussenpolitische Präsenz markiert.» Vgl. dodis.ch/61173.↩
Relations to other documents
http://dodis.ch/65813 | see also | http://dodis.ch/56844 |
http://dodis.ch/62666 | is the completion to | http://dodis.ch/56844 |
http://dodis.ch/64649 | see also | http://dodis.ch/56844 |
http://dodis.ch/56844 | see also | http://dodis.ch/61173 |
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Establishment of diplomatic relations with CIS countries (1992)
Bretton Wood's Institutions Azerbaijan (Economy) Turkmenistan (Economy) Uzbekistan (Economy) Kyrgyzstan (Economy) International coordination of cooperation with Central and Eastern Europe (1989–)