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Der schweizerische Gesandte in Wien, P. A. Feldscher, an den Chef der Abteilung für Politische Angelegenheiten, A. Zehnder1

Nachdem mein Urlaub, wie Sie wissen, konsumiert ist und die Möglichkeit eines Berner Besuches auf Jahresende leider nicht besteht, so bin ich genötigt, den für mich so wertvollen Gedankenaustausch mit Ihnen in schriftlicher Form weiterzuführen, wobei ich mir bewusst bin, dass er den mündlichen keineswegs zu ersetzen vermag. Es wäre für mich besonders von Bedeutung zu vernehmen, wie Sie auf Grund Ihres Aufenthalts in Paris3 und der seither eingetretenen Entwicklung die allgemeine Lage der Schweiz und eine eventuelle Zusammenarbeit mit Österreich beurteilen. Die Möglichkeiten, die in letzterer Hinsicht im September noch bestanden haben, scheinen sich inzwischen verschlechtert, wenn nicht ganz verflüchtigt zu haben.

Ich bin letzthin auf einem Empfang in der brasilianischen Gesandtschaft mit Herrn Minister Gruber ins Gespräch gekommen, wobei er mir die Absicht bekanntgab, in etwa drei Monaten dem Bundesrat einen Besuch abzustatten, ob offiziell oder inoffiziell hat er nicht gesagt4. Hingegen hat er dem Bedürfnis nach einer Fühlungnahme mit der schweiz. Regierung Ausdruck gegeben, besonders im Hinblick auf das von den Weststaaten in Aussicht genommene Verteidigungssystem, das sich auf die Atlantikküste beschränken und Italien unberücksichtigt lassen solle5. Nach Ansicht von Hrn. Gruber könnte eine solche Politik auch die Schweiz nicht gleichgültig lassen, da deren Folgen für sie eine gefährliche Isolierung mit sich bringen würde. Unter Hinweis auf unsere Neutralitätspolitik beschränkte ich mich zu bemerken, dass wir auch im letzten Krieg jahrelang in völliger Isolierung gelebt und durchgehalten haben. Ich habe das Gespräch an dem Orte, wo es geführt wurde, nicht fortsetzen können, und würde gern von Ihnen hören, ob es von mir wiederaufgenommen werden soll u. ob Sie mir hiefür gegebenenfalls einige Winke geben könnten.

Die Stimmung ist hier schwankend, erregt verständlicherweise in den Momenten, wo Fälle von Entführungen von Beamten u. ähnl. vorkommen. Die entschlossene Haltung der Regierung findet auch bei den Alliierten – den westlichen natürlich – Anerkennung. Man glaubt, dass Russland auch in einem krieg. Konflikt sich in der Defensive halten werde, wozu die Untergrundbewegungen, namentlich in der Tschechei, es nötigen. Die öst. Polizei soll mit amerik. Hilfe neu organisiert und waffenmässig gut ausgerüstet werden. Die Aussichten auf einen Staatsvertrag sind nach wie vor skeptisch zu werten.