Classement thématique série 1848–1945:
IV. POLITIQUE HUMANITAIRE
IV.3. ATTITUDE DE LA SUISSE À l'ÉGARD DES JUIFS
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 15, doc. 219
volume linkBern 1992
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2001D#1000/1553#6211* | |
Old classification | CH-BAR 1000/01553 Bundesverwaltung | |
Dossier title | Klaus Hügel - Handakten von Minister Dr. Walter Stucki (1940–1946) | |
File reference archive | B.51.12.1.Uch • Additional component: Deutschland |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E4800.1#1967/111#206* | |
Old classification | CH-BAR E 4800.1(-)1967/111 48 | |
Dossier title | Zum Flüchtlingsbericht Prof. Ludwig: Unterlagen zur Stellungnahme von Herrn BR von Steiger, verschiedene Dokumentationen (1938–1944) | |
File reference archive | 1.015 |
dodis.ch/47823
Le Chef de la Division de Police du Département de Justice et Police, H. Rothmund, au Chef de la Division des A ffaires étrangères du Département politique, P. Bonna1
Am 15. August 1944 haben Sie unsere Gesandtschaft in Berlin auf unsern Wunsch um Auskunft ersucht über einen geplanten Transport von 600 Juden aus Ungarn von Hannover an die Schweizergrenze. Es interessierte uns hauptsächlich, ob deutscherseits tatsächlich die Absicht bestand, diese Leute an die Schweizergrenze zu bringen, aus was für Leuten der Transport bestehen sollte und ob es sich tatsächlich, wie uns gesagt worden war, um einen Transit nach Spanien handeln würde.
Am 21. August sind nun in Basel 317 Personen in acht Viehwagen angekommen. Sie wurden als Flüchtlinge aufgenommen. Alle waren bisher im Lager Bergen-Belsen bei Hannover. Es sind meist ungarische Juden, einige sind auch polnischer oder jugoslavischer Nationalität2.
Unsere seitherigen Erhebungen haben ergeben, dass von jüdischen Organisationen mit deutschen Stellen über die Freilassung dieser Leute verhandelt worden war. Auf deutscher Seite waren daran hauptsächlich beteiligt: die Herren SS Brigade-General Arst, Polizeichef in Italien, sein Adjudant Dr. Klaus Huegel, geb. 30.1.1912 und vor allem SS-Oberstandartenführer Steidle, einer der engsten Mitarbeiter Himmlers. Der in Basel eingetroffene Transport war die erste Frucht dieser Bemühungen. Weitere Transporte sind möglich; es wird, wie wir erfahren haben, noch über die Entschädigung verhandelt, die den Herren vom SS Hauptamt für die Freigabe der Juden bezahlt werden soll. Zu Ihrer Orientierung fügen wir bei, dass von deutscher Seite ein Lösegeld gefordert wird, das pro Person je nach der Bedeutung zwischen 1- und 180000 Franken schwankt.
Art. 10 des Schweizerisch-deutschen Niederlassungsvertrages vom 13. November 1909 bestimmt: «Eine zwangsweise Überführung auszuweisender Personen in das Gebiet des ändern Teiles darf nur auf Grund eines Übernahmeverfahrens (Art. 11 bis 16) erfolgen»3. Diese Bestimmung wurde durch das Vorgehen der deutschen Behörden verletzt. Es widerspricht auch in krasser Weise den internationalen Gepflogenheiten, einige Hundert Frauen, Kinder und alte Männer ohne vorherige Ankündigung einfach in Viehwagen an die Grenze zu stellen, von rein menschlichen Überlegungen ganz zu schweigen. Wenn wir die Leute aufgenommen haben, so soll das keineswegs eine auch nur stillschweigende Billigung des deutschen Vorgehens bedeuten.
Wir bitten Sie, zu veranlassen, dass Beschwerde bei der Reichsregierung erhoben wird.
Wir fügen bei, dass wir eine Orientierung des Bundesrates vorbereiten und auch aus diesem Grunde bald wissen sollten, ob die Zureise den ändern ca. 1360 noch im Lager Bergen-Belsen befindlichen Juden noch zu erwarten ist4.
- 1
- Lettre: E 2001 (D) 3/306. Annotation de K. Th. Stucki en haut dans la marge: M. Wagnière. Je pense que M. Schnyder pourra préparer des instructions pour Berlin. 4.9.↩
- 2
- Annotation marginale de K. Th. Stucki: s.V [or]X [kten](Schritte von Herrn Saly Mayer!).↩
- 3
- Annotation marginale de J.- F. Wagnière: Cela ne colle pas! Cela a trait aux refoulements dans les cas où nous sommes tenus de reprendre les refoulés.↩
- 4
- Au cours de l’été 1944, divers milieux tentent de sauver des Juifs menacés de déportation et d’extermination. Un rapport (rédigépar A. Fischli et daté du 30 août 1944) du Département de Justice et Police distingue trois groupes: Premièrement, 1. Ingenieur N. Sternbuch von St. Gallen, nun in Montreux, ist Vertreter der orthodoxesten Richtung der schweizerischen Judenschaft. Er hat sich im Aufträge seiner Glaubensgenossen ausschliesslich um Angehörige der gleichen Richtung in Ungarn bemüht und unter Ausnützung von geschäftlichen Beziehungen mit deutschen Stellen verhandelt. Sehr weit ist dies allerdings nicht gediehen. Deuxièmement, l’ancien Président de la Fédération des Communautés Israélites de Suisse, S. Mayer, collabore depuis des années avec les autorités fédérales et le CICR: Saly Mayer als Ver- treter des Joint verhandelt grundsätzlich nicht für einzelne Gruppen oder Richtungen unter den ungarischen Juden, sondern für alle. Er hat mir erklärt, aus diesem Grund sei ihm die Einreise einiger Hundert Juden in die Schweiz, so erfreulich dies an sich sei, durchaus Nebensache. Es gehe ihm um die Rettung einiger 100000 Leute, die sich noch in Ungarn befinden. Diese könnten überhaupt nicht innert nützlicher Frist abtransportiert werden. Ihm liege daher daran, zu erreichen, dass sie alle ungefährdet an Ort und Stelle bleiben können. Allerdings sei es ihm recht, dass ca. 17000 ungarische Juden nach Deutschland verbracht worden seien, weil sie dort mehr in Sicherheit seien als in Ungarn. Die Mördergruppe der SS habe ihre Tätigkeit nach Ungarn verlegt und die massgebenden Leute in Deutschland seien etwas menschlicher. Troisièmement, un comité fondé récemment à Zurich est animé notamment par: - l’ancien Conseiller national J. Duft de Saint-Gall, - l’industriel G. Bührle (inscrit sur les «listes noires» des Alliés, il semble vouloir favoriser la libération de Juifs dont les autorités anglo-saxonnes se préoccupent particulièrement), - [Trümpy]ist seit längerer Zeit für Messerschmittwerke in der Schweiz tätig und verhandelt deshalb oft auch mit deutschen Stellen. Zuständig zur Erteilung von Ausfuhrbewilligungen für Flugzeuge usw. sei in Deutschland das Hauptamt der SS in Berlin. Die gleichen Leute entscheiden auch über das Schicksal der Juden. Wegen dieser Beziehungen sei er von den Herren Mandl, Banyai* und Boden angegangen worden, mit den deutschen Stellen zu verhandeln. Mandl dirigiere die ganze Sache in Zürich. Er habe ein grosses Büro im Hotel Elite, befasse sich lebhaft mit der Beschaffung von Palästina-Certifikaten und sei äusserst aktiv für die Juden in Europa tätig. Herr Saly Mayer sei ebenfalls über seine Aktion orientiert, ebenso die Jüdische Kulturgemeinde in Zürich. Unter den verschiedenen jüdischen Herren bestehe ein sehr intensiver Kampf, weil jeder das Verdienst haben wolle, die ungarischen Juden gerettet zu haben. Die Leute stritten sich sogar darum, wer ihm die Spesen bezahlen dürfe. Mandl versuche mit allen Mitteln, Saly Mayer von seiner Stellung als Vertreter des Joint in der Schweiz zu verdrängen. Bührle spiele nur eine ganz geringfügige Rolle. Trümpy, der übrigens Antisemit ist und im wesentlichen die Kommission sieht, die ihm in Aussicht gestellt wurde, hat den deutschen Stellen folgende Argumente unterbreitet: a) Ihr werdet die Juden los und müsst sie nicht mehr füttern; b) Ihr werdet dafür sogar noch bezahlt; c) Jeder Jude, der in die Schweiz kommt, wirbt dort mehr als hundert Propagandanummern des «Signal»**. Besonders dieses letzte Argument, dass der Antisemitismus in der Schweiz gefördert werden könnte, habe gewirkt. Die deutschen Stellen seien übrigens der Ansicht, die schweizerische «Hetze» gegen Deutschland würde weitgehend von Mandl inspiriert und geleitet und sie hofften, ihn dadurch zum Schweigen zu bringen. Als Lösegeld wurden Trümpy von deutscher Seite folgende Summen genannt: 1 bis 3000 Franken für einen gewöhnlichen Juden, für bedeutende Persönlichkeiten mehr. Für hervorragende Leute, wie z.B. Oberrabbiner Teitelbaum, müssten 120 bis 180[sic]Franken bezahlt werden. Die Bezahlung müsste in freien Devisen, weder in der Schweiz, noch in Deutschland erfolgen. Von deutscher Seite sei vorläufig von einer wohltätigen Stiftung gesprochen worden, die errichtet werden müsste, was natürlich eine Tarnung ist.[...] (E 4800 (A) 1967/111/206).↩
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Attitudes in relation to persecutions