Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
II. BILATERALE BEZIEHUNGEN
6. Deutsches Reich
6.6. Kaisermanöver
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 5, doc. 281
volume linkBern 1983
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001A#1000/45#95* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(A)1000/45 50 | |
Dossier title | Nr. 95. Staatsbesuch von Kaiser Wilhelm II., 1912: Organisation, Allgemeines (1908–1914) | |
File reference archive | B.121.21-05 |
dodis.ch/43136 Der schweizerische Gesandte in Berlin, A. de Claparède, an den Bundespräsidenten und Vorsteher des Politischen Departementes, M. Ruchet1
Ich beehre mich Ihnen mitzuteilen, dass anlässlich des bei dem gestrigen Hofball stattfindenden Cercles, S.M. der Kaiser mich mit der Mitteilung anredete, dass er schon lange den Wunsch habe, die Schweiz zu besuchen und unsern Manövern, von denen er schon so viel gutes gehört, beizuwohnen; er fügte hinzu, er habe schon mit dem Reichskanzler darüber gesprochen, wie die Frage in Bern angeregt werden könnte. Ich erwiderte hierauf, indem ich sagte, ich sei überzeugt, dass der hohe Bundesrat eine grosse Freude haben würde, ihn zu empfangen. Als er dann weiter von seinem grossen Interesse für die Schweiz und die dortigen vorzüglichen militärischen Einrichtungen gesprochen und angedeutet, er möchte in diesem Jahr noch die Schweiz besuchen, fügte er hinzu, man wisse niemals, ob nicht etwas dazwischen kommen könne; die Sache sei noch nicht reif, aber er wolle mit dem Reichskanzler wieder darüber sprechen.
Während diesem Teil der Unterredung liess mich der Kaiser, der sehr lebhaft sprach, kaum zu Worte kommen, so dass ich nicht andeuten konnte, dass der hohe Bundesrat ihn in offizieller Weise zu empfangen den Wunsch haben dürfte. (Dies im Gegensatz zu der früher schon angeregten Incognitoreise.)
Sodann sprach der Kaiser von allerlei Dingen, u. A. von dem Winter-Fremdenverkehr in der Schweiz, von dem dortigen Sport und schloss dann diesen Teil der Unterredung, indem er wiederum auf sein Interesse für unsere militärischen Einrichtungen zu sprechen kam und wiederholte, wie gerne er die Schweiz besuchen möchte. Habe ich ihn recht verstanden - er sprach zum Teil sehr rasch und ein Orchester spielte - so sagte er: «Nun wollen wir sehen, was der Schweizerische Bundesrat dazu sagen wird.»
Alsdann bemerkte der Kaiser die Herren meiner Begleitung, Legationsrat Deucher, Oberleutenant Real und Attaché Hofer, welche sämtlich in militärischer Uniform erschienen waren. Er liess sich in überaus freundlicher Weise mit denselben in ein Gespräch ein und erkundigte sich über ihre Dienstverhältnisse, namentlich bei Oberleutenant Real, der zu den Hessischen Dragonern abkommandirt ist. Wenn ich diese Ansprache hier besonders hervorhebe, so geschieht dies deshalb, weil bei Cercles, wie der gestrige, es überaus selten vorkommt, dass der Kaiser andere Personen als die Missionschefs anredet; es war somit eine besondere Liebenswürdigkeit diesen Schweizer Offizieren gegenüber. Als der Kaiser sich wieder zu mir wandte und auf das Kommando des Oberleutenant Real zu sprechen kam, erwähnte ich, dass mit seiner Einwilligung eine Reihe von unsern Cavallerie-Offizieren bei deutschen Regimentern kommandirt gewesen sind; er gab mit zur Antwort: «Gerne geschehen; ich freue mich immer, wenn Ihre Regierung strebsame und tüchtige Offiziere zu uns sendet, ich kenne selbst viele ausgezeichnete schweizerische Offiziere.» Dabei nannte er Herrn Oberst von Sprecher, dessen militärische und persönliche Eigenschaften er besonders rühmte; er sei ein ganzer Mann, mit dem man nicht nur über militärische Dinge, sondern über allerlei Wissenschaften sprechen könne.
Aus den erwähnten, in ihrer Allgemeinheit so deutlichen Mitteilungen des Kaisers - (ich hatte dieselben schon vor einem Jahre erwartet, denn damals schon wurde die Reise des Kaisers nach der Schweiz vielfach besprochen) - ist aber schwer zu ersehen, ob er auf seiner früheren Idee, einer Incognitoreise nach der Schweiz noch besteht, oder ob er bereit ist, in offizieller Weise nach der Schweiz zu kommen. Aus dem Umstand, dass er mit dem Reichskanzler über eine Reise zu uns bereits Rücksprache genommen hat und noch nehmen will, kann die eine wie die andere dieser Alternativen bejaht werden. Dagegen glaube ich, dass der Kaiser, wenn er nur eine Incognitoreise im Sinne gehabt hätte, mir nicht in einem Cercle, wo man eng beisammen steht und wo die Nachbarn leicht die geführten Gespräche mit anhören können, von seinem Plane gesprochen hätte. Ich habe den Eindruck, dass Herr von Bülow beauftragt werden wird, die Kaiserreise bei Ihnen, Herr Bundespräsident, anzuregen und die Modalitäten für die Ausführung derselben zu verabreden. Die gestrigen Mitteilungen hätten somit nur den Zweck, Sie zur Entgegennahme bezüglicher Eröffnungen vorzubereiten.
Ich darf Sie, Herr Bundespräsident, ersuchen, mich mit gefälligen Instruktionen gütigst versehen zu wollen, damit für den Fall, dass anlässlich eines Besuches beim Staatssekretär des Auswärtigen Amtes oder einer Begegnung mit dem Reichskanzler, diese Frage zur Sprache gebracht werden sollte seitens eines dieser beiden Herren, ich mich Ihren Instruktionen entsprechend äussern könnte2.
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