Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 23, doc. 89
volume linkZürich/Locarno/Genève 2011
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2005A#1978/137#979* | |
Old classification | CH-BAR E 2005(A)1978/137 298 | |
Dossier title | Frey, Hans Karl (1963–1966) | |
File reference archive | t.441.1 |
dodis.ch/31353
Der Delegierte für technische Zusammenarbeit, A. R. Lindt, an den schweizerischen Berater des ruandischen Präsidenten, H. K. Frey1
Mein Lieber,
Vielen Dank für Deine Briefe. Ich freue mich sehr, dass der Präsident2 sich so anerkennend über Deine Tätigkeit3 geäussert hat. Auch ist es ermutigend, dass die Zusammenarbeit mit ihm wieder enger geworden ist.
1. Deine Nachfolge: Gelzer ist noch nicht abkömmlich, da er während des Botschafterwechsels in Washington die Kontinuität zu wahren hat. Ich habe nun den Posten Grandjean angeboten, der sich indessen Bedenkzeit bis zum 19. Juni ausbedungen hat. Long wäre bereit, ihn ziehen zu lassen.
2. In Deinem Brief vom 5. Mai4 teilst Du mir mit, dass der Präsident gewisse Pläne betreffs des Ausbaus von TRAFIPRO5 geäussert hat. Er versprach Dir, diese Gedanken schriftlich zu präzisieren. Ich wäre dankbar, wenn diese Notiz bei uns anlässlich der Besprechung mit Rebord6 vorliegen könnte.
3. Ich hielte es doch besser, dem Präsidenten betreffs der Behandlung der Vorgänge vom Dezember 19627 zu schreiben. Die Sache nur mündlich anlässlich meines bis jetzt noch nicht feststehenden Besuches8 aufzuwerfen, scheint mir ungenügend. Selbstverständlich wäre es am besten, wenn der Präsident mir mitteilen könnte, dass das Gerichtsverfahren gegen die Verantwortlichen nach den Wahlen beschlossen sei. Dies würde auch die Frage seines Besuches in der Schweiz lösen. Die Idee einer allgemeinen Amnestie ohne Gerichtsverhandlungen gegen die Verantwortlichen der Massaker scheint mir ungenügend. Auch rechtlich wäre dies schwer zu begründen, da die Massaker-Verantwortlichen ja noch gar nicht juristisch angeschuldigt sind. Immerhin bin ich mit Dir damit einverstanden, dass eine solche Amnestie besser wäre als nichts. Aber Du solltest trotzdem den Versuch unternehmen, auf die erste Lösung «Gerichtsverfahren und nachherige allgemeine Amnestie» nach Möglichkeit hinzuarbeiten.
4. Unter dem Vorbehalt, dass Du mir einschlägige Gegenargumente unterbreitest, halte ich dafür, dass Gawronskis9 Mission, nachdem dieser seine Studie über die Auswirkungen der Währungsreform in Burundi abgeschlossen hat, nicht verlängert werden sollte. Es ist mir immer etwas ungemütlich zu Mute, wenn Expertenmissionen nicht in einem direkten Zusammenhang mit einer konkreten Aktion stehen. Bis jetzt haben wir Gawronskis preisvergleichende Studien nicht erhalten. Sie waren zwar als Beilage vermerkt, befanden sich jedoch nicht im betreffenden Umschlag. Gewisse Ausführungen Gawronskis über die Währungsreform scheinen mir etwas gewagt. Den Erfolg der Währungsreform in Deutschland10 auf ein Entwicklungsland wie Rwanda anwenden zu wollen, ist doch wohl eher oberflächlich. Auch habe ich meine Zweifel, ob ein vollblütiger Liberalismus für ein Entwicklungsland wirklich anwendbar ist. Auf alle Fälle hat bis jetzt keiner der Staaten dieser Kategorie ein solches Abenteuer gewagt.
5. Ich habe Dir heute telegraphieren lassen, dass ich Deine Anwesenheit anlässlich der Besprechungen mit Rebord nicht für notwendig halte. Bevor wichtige Entscheide gefällt werden, würde ich selbstverständlich Deine Ansicht einholen. Das wichtigste Problem Rwandas besteht wohl darin, das Land aus seiner Stagnation zu befreien. Das beste Mittel dazu scheint mir die Gründung einer Kleinindustrie durch TRAFIPRO11. Bei seiner starken Bevölkerungszunahme und bei seiner schon heute bestehenden Überbevölkerung muss Rwanda möglichst rasch zur Industrialisierung schreiten. Das Deprimierende an der Situation ist bis jetzt, dass eigentlich überhaupt keine wesentlichen Fortschritte auf irgendeinem Gebiet gemacht worden sind. Die Stagnation bedeutet aber nicht ein Beharren auf dem gegenwärtigen tiefen Stand, sondern eine ständige langsame Verschlechterung der Lage. Ich frage mich hie und da, ob die Regierung dies einsieht. Ein gewisser Lichtblick liegt darin, dass Du nun, wenn auch inoffiziell, mit den Verhandlungen mit den Nachbarstaaten beauftragt worden bist. Sollten sich in der Durchführung dieser Missionen finanzielle Schwierigkeiten ergeben, können wir sie lösen.
- 1
- Schreiben (Kopie): E 2005(A) 1978/137 Bd. 298 (t.441.1).↩
- 3
- Zur Frage der Doppelrolle von H. K. Frey, der schweizerische und ruandische Interessen gleichzeitig vertrat, vgl. die Notiz von R. Pestalozzi an die Abteilung für Verwaltungsangelegenheiten vom 17. Juni 1966, dodis.ch/31349.↩
- 4
- Nicht ermittelt.↩
- 5
- Zum Genossenschaftsprojekt TRAFIPRO vgl. DDS, Bd. 22, Dok. 153, dodis.ch/30258; das Protokoll von O. Hafner vom 10. Februar 1964, dodis.ch/31356; das BR.-Prot. Nr. 8 vom 4. Januar 1966, dodis.ch/31362; das BR-Prot. Nr. 1322 vom 15. Juli 1966, dodis.ch/31363; die Notiz von R. Ulrich vom 19. Oktober 1966, dodis.ch/31365 sowie das BR-Prot. Nr. 1835 vom 21. Oktober 1966; dodis.ch/31364.↩
- 6
- Vgl. dazu die Notiz von O. Hafner vom 21. Juli 1965, E 2005(A) 1978/137 Bd. 144 (t.311).↩
- 7
- Dabei geht es offensichtlich um die Vorgänge vom Dezember 1963 und Januar 1964. Vgl. dazu die Notiz für F. T. Wahlen von 1964, dodis.ch/31357 und den Bericht von H. K. Frey vom Juni 1964, dodis.ch/31361.↩
- 8
- Zum Besuch von A. R. Lindt in Ruanda, bes. zum Treffen mit G. Kayibanda, vgl. Dok.162, dodis.ch/31360 sowie Doss. E 2005 (A) 1978/137 Bd. 149 (t.311.023).↩
- 9
- Zur Expertentätigkeit von V. Gawronski im Dienste der ruandischen Regierung vgl. Doss. E 2005(A) 1978/137 Bd. 299 (t.441.1).↩
- 10
- Zur Währungsreform in der Bundesrepublik Deutschland vgl. DDS, Bd. 17, Dok. 88, dodis.ch/4362; dodis.ch/4362.↩
- 11
- Vgl. Anm. 7.↩
Tags
Burundi (General) Rwanda (General)