Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 23, Dok. 122
volume linkZürich/Locarno/Genève 2011
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001E#1978/84#2501* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(E)1978/84 386 | |
Dossiertitel | Rückgabe des Kanzleigebäudes Willandingweg 83 an die Deutsche Botschaft (BRD) (1964–1966) | |
Aktenzeichen Archiv | B.22.10.3 • Zusatzkomponente: Deutschland |
dodis.ch/31216 Interne Notiz des Politischen Departements1 Eintragung der deutschen Botschaft im Grundbuch
I. Im Mai dieses Jahres2 hat uns das Grundbuchamt Bern davon Kenntnis gegeben, dass ihm von der deutschen Botschaft die Frage vorgelegt worden sei, ob die von ihr benützten Grundstücke, die im Grundbuch als Eigentum des «Deutschen Reiches» eingetragen sind, nunmehr auf den Namen der «Bundesrepublik Deutschland» umgeschrieben werden könnten. Das Grundbuchamt bat das Politische Departement um Stellungnahme.
Dem Grundbuchamt wurde empfohlen3, die deutsche Botschaft an uns zu verweisen und sie wissen zu lassen, dass es die Frage der Übertragung des Grundbesitzes erst prüfen könne, wenn ihm ein entsprechender Notenwechsel zwischen dem Politischen Departement und der deutschen Botschaft vorgelegt werde.
In der Folge ist Herr Dr. Hoffmann von der deutschen Botschaft an mich gelangt4. Sein Anliegen ging dahin, in informeller Weise zu erfahren, welcher der Standpunkt unseres Departements zu einer deutschen Anfrage in dieser Sache sein würde. Sofern man nämlich dem deutschen Gesuch einen ablehnenden Bescheid geben würde, möchte man deutscherseits auf die vorgeschlagene offizielle Anhängigmachung des deutschen Begehrens überhaupt verzichten.
II. Um die grundsätzliche Seite des deutschen Anliegens zu überprüfen, haben wir am 26. August 19655 das Eidgenössische Grundbuchamt gebeten abzuklären, ob in einem früheren Zeitpunkt ähnliche Begehren hinsichtlich der von den deutschen Konsulaten in der Schweiz verwendeten Grundstücke, soweit sie in deutschem Eigentum stehen, gestellt wurden und welche Folge gegebenenfalls einem solchen Gesuch geleistet worden ist. Aus den teilweise von den kant. Grundbuchämtern6 sowie am 15. September vom Eidg. Grundbuchamt7 eingegangenen Antworten ergab sich, dass, mit Ausnahme der Stadt Basel, keine derartige Umschreibung erfolgt ist. Was Basel betrifft, so hat sich das dortige Grundbuchamt für die Eintragung des vom Generalkonsulat benützten Grundstücks auf den Namen der «BRD» auf ein Schreiben der Abteilung für Politische Angelegenheiten vom 23. August 19618 gestützt. Dieses Schreiben bezieht sich indessen auf eine Grundpfandverschreibung und steht im Zusammenhang mit der auf Grund des BRB vom 24. Februar 19539 erfolgten Übertragung der beschlagnahmten deutschen Vermögenswerte. Es ging hier also nicht direkt um die Frage der Namensänderungen «DeutschesReich» in «BRD», so dass dieses Schreiben des Politischen Departements eigentlich keine Handhabe für das städtische Grundbuchamt zur Namensänderung bilden konnte. Dies umso weniger als ja die Bundesrepublik die Auslandschulden des Deutschen Reiches übernommen hat10.
Hinsichtlich der im Brief des Eidg. Grundbuchamtes vom 15. September 1965 erwähnten Eintragung deutscher Eisenbahnstrecken auf Basler Gebiet auf «Bundesrepublik Deutschlands Bundeseisenbahnvermögen» (gestützt auf eine Ermächtigung des Eidg. Post- und Eisenbahndepartements) ist zu bemerken, dass es hier, obwohl diese Umschreibung grundsätzlich zu bedauern ist, doch eigentlich mehr um eine Anpassung einer «Firmenbezeichnung» geht.
Die Umfrage hat somit ergeben, dass mit Ausnahme von Basel alle zu den deutschen diplomatischen und konsularischen Vertretungen gehörenden Liegenschaften auf den Namen «DeutschesReich» eingetragen geblieben sind.
III. Was die materielle Beurteilung der Frage anbelangt, so ist davon auszugehen, dass die Bundesrepublik von der Schweiz nicht als Gesamtnachfolger des Deutschen Reiches anerkannt wird. Für die Schweiz wurde durch die Anerkennung der Bundesrepublik die seit dem BRB vom 8. Mai 194511 vertretene Auffassung, wonach Deutschland als einheitlicher Staat nicht untergegangen ist, nicht berührt. Im Beschluss des Bundesrates vom 16. März 195112 betreffend die diplomatischen Beziehungen13 wurde deshalb ausdrücklich festgehalten, dass es
«nicht um die Anerkennung eines neuen Staates geht, sondern um die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der westdeutschen Regierung, als eine der zwei Regierungen, die auf dem Gebiet des ehemaligen Reiches die tatsächliche Gewalt ausüben, wird die vom Bundesrat in seinem Beschluss vom 8. Mai 1945 vertretene Auffassung vom Fortbestand Deutschlands als einheitlichen Staat nicht berührt.»
So haben dann auch theoretisch die mit dem Deutschen Reich abgeschlossenen Staatsverträge Geltung für das gesamte deutsche Gebiet vom 31. Dezember 1937 (statt vieler VE[B 27 Nr. 2).
Bekanntlich wird deshalb das von der Bundesrepublik in Anspruch genommene Alleinvertretungsrecht für Gesamtdeutschland von den Bundesbehörden abgelehnt14. Dieser Standpunkt wurde zuletzt mit aller Deutlichkeit in den hängigen Verhandlungen im Hinblick auf den Abschluss eines Abkommens über den Schutz von Herkunftsangaben15 vertreten.
IV. Der Wunsch Deutschlands um Eintragung der von der Botschaft benützten Liegenschaften auf den Namen der «Bundesrepublik Deutschland» sollte deshalb abgelehnt werden. Damit in der Führung des Grundbuches ein einheitlicher Standpunkt vertreten wird, sollte das Eidg. Grundbuchamt angewiesen werden, die kant. Grundbuchämter entsprechend zu instruieren16.
- 2
- Schreiben des Grundbuchamts Bern an das Politische Departement vom 7. Mai 1965, Doss. wie Anm. 1.↩
- 3
- Schreiben von H. Zimmermann an das Grundbuchamt Bern vom 10. Juni 1965, Doss. wie Anm. 1.↩
- 4
- Vgl. die Notiz von R. Bär an E. Diez und A. Janner vom 27. August 1965 und die Notiz von R. Bär vom 5. Januar 196 [6], Doss. wie Anm. 1.↩
- 5
- Schreiben von E. Diez an das Eidgenössische Grundbuchamt vom 26. August 1965, Doss. wie Anm. 1.↩
- 6
- Schreiben des Grundbuchamts Genf an E. Diez vom 7. September 1965, Doss. wie Anm. 1.↩
- 7
- Schreiben von G. Eggen an E. Diez vom 15. September 1965, Doss. wie Anm. 1.↩
- 8
- Schreiben von A. Janner an das Grundbuchamt Bern vom 23. August 1961, Doss. wie Anm. 1.↩
- 9
- BR-Prot. Nr. 314 vom 24. Februar 1953, dodis.ch/9087.↩
- 10
- Zum Londoner Schuldenabkommen vgl. DDS, Bd. 18, Dok. 132, dodis.ch/8086; Dok. 137, dodis.ch/7200; Dok. 143, dodis.ch/8021 und DDS, Bd. 19, Dok. 28, dodis.ch/10297.↩
- 11
- BR-Prot. Nr. 1019 vom 8. Mai 1945 über die Nichtmehranerkennung einer offiziellen deutschen Reichsregierung, DDS, Bd. 15, Dok. 441, dodis.ch/48045.↩
- 12
- BR-Prot. Nr. 566 vom 16. März 1951, dodis.ch/8077.↩
- 13
- Zur Problematik der Anerkennung von geteilten Staaten vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 43, dodis.ch/31039, Anm. 2 und Anm. 16.↩
- 14
- Vgl. dazu DDS, Bd. 17, Dok. 89, dodis.ch/4420; DDS, Bd. 18, Dok. 49, dodis.ch/8095, und Dok. 138, dodis.ch/7700 und DDS, Bd. 19, Dok. 3, dodis.ch/9646. Vgl. ferner zur Problematik der Berlin-Klausel das Telegramm Nr. 18 des Politischen Departements an die schweizerische Botschaft in Köln, dodis.ch/31305.↩
- 15
- Vgl. dazu die Notiz von R. Bär an E. Diez und A. Janner, dodis.ch/31301 und das BR-Prot. Nr. 2331 vom 29. Dezember 1964, E 1004.1(-) 1000/9 Bd. 692.2.↩
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