Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 23, doc. 7
volume linkZürich/Locarno/Genève 2011
more… |Die Schweiz und die Konstruktion des Multilateralismus, Bd. 3. Diplomatische Dokumente der Schweiz zur Geschichte der UNO 1942–2002, vol. 15, doc. 20
volume linkBern 2022
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2210.5-02#1976/193#332* | |
Old classification | CH-BAR E 2210.5-02(-)1976/193 8 | |
Dossier title | Afrique du Sud (1963–1965) | |
File reference archive | Inf.IV.35 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2200.178#1991/276#71* | |
Old classification | CH-BAR E 2200.178(-)1991/276 5 | |
Dossier title | Kriegsmaterial (1961–1976) | |
File reference archive | 335.0 • Additional component: Südafrika |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1978/84#6479* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1978/84 357 | |
Dossier title | Ausfuhr von Kriegsmaterial aus der Schweiz nach Südafrika (1964–1967) | |
File reference archive | B.51.14.21.20 • Additional component: Südafrika |
dodis.ch/31045Der Chef der Abteilung für Politische Angelegenheiten des EPD, Botschafter Micheli, an den schweizerischen Beobachter bei der UNO in New York, Botschafter Thalmann1
Südafrika
Mit Schreiben vom 7. Januar2 liessen Sie uns je eine an den Chef des Politischen Departements und an die Fürstliche Liechtensteinische Regierung adressierte Note des UNO-Generalsekretärs3 zukommen, mit welcher dieser unter Bezugnahme auf die Resolutionen des Sicherheitsrates vom 7. August4 und namentlich vom 4. Dezember 19635 die Regierungen einlädt, ihm alle einschlägigen Informationen zu vermitteln, die in Ausführung der Resolutionen ergriffen wurden und über die er dem Sicherheitsrat bis zum 1. Juni 1964 Bericht zu erstatten hat.
Wir haben nicht verfehlt, die für Liechtenstein bestimmte Note an ihre Bestimmung weiterzuleiten.
Wie Sie zutreffend bemerken, wirft das Begehren des Generalsekretärs in rechtlicher und politischer Hinsicht die grundsätzliche Frage auf, ob und wieweit wir als Nichtmitglied der Organisation, auch wenn sich die Resolutionen ausdrücklich «à tous les États» richten, Auskunft geben können und wollen.6 Wir haben darüber vorläufig folgende Erwägungen angestellt.
Einerseits besteht für die Schweiz, juristisch gesprochen, zweifellos keinerlei Rechtspflicht zur Auskunfterteilung oder zu einem Rechenschaftsbericht. Würden wir uns einer solchen Forderung in aller Form unterziehen, so würden wir dadurch einen Präzedenzfall schaffen, der sich bei späterer Gelegenheit je nach Situation und Materie verhängnisvoll auswirken könnte. Die einfachste und klarste Lösung bestünde also darin, der Aufforderung, als für uns nicht massgebend, keine Folge zu geben.
Eine andere Frage ist es, wieweit diese konsequente Haltung im vorliegenden Falle politisch opportun erscheint, und ob es nicht vielleicht angebracht wäre, die Erkundigung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen unserseits doch nicht gänzlich zu ignorieren. Eine formelle Reaktion in der Gestalt einer substanziellen Antwort des Chefs des Eidg. Politischen Departements an den Generalsekretär der UNO möchten wir allerdings unter allen Umständen vermeiden. In der uns beschäftigenden Angelegenheit liegt nun aber, was sonst eher selten ist, in der Antwort, die Herr Bundesrat Wahlen am 6. Dezember auf parlamentarische Vorstösse hin im Nationalrat erteilte,7 eine eigentliche schweizerische Regierungserklärung vor. Sie könnte uns, wenn wir U Thant nicht brüskieren wollen, eventuell als Ausweg dienen, indem der Text mit einem kurzen Begleitbrief seitens Ihrer Delegation dem Generalsekretariat als Stellungnahme des Bundesrates zum Südafrika-Problem zur Kenntnis gebracht würde. Ohne dass die schweizerische Regierung dem Generalsekretär damit über ihre Politik formell Rechenschaft abgelegt hätte, wäre diesem doch eine offizielle – und übrigens schon publike – Darstellung des schweizerischen Standpunktes zugänglich gemacht.
Ein solches Vorgehen wiese allerdings die materielle Schwäche auf, dass die bundesrätliche Erklärung vom 6. Dezember inhaltlich nur auf die UNO-Resolution vom August in Bezug auf die Nichtausfuhr von Waffen, Munition und Kriegsfahrzeugen,8 nicht aber auf jene vom Dezember betreffend «équipements et matériels destinés à la fabrication ou à l’entretien d’armes et de munitions»9 zugeschnitten war.10
Für die zweite Kategorie von Ausrüstungen würde uns in der Tat die verfassungsrechtliche Grundlage für Exportbeschränkungen fehlen, wenn wir nicht zum prekären Mittel einer Anrufung von BV 108,11 Ziff. 8 und 9 Zuflucht nehmen wollten (vgl. hiezu unsere Ihnen übermittelte Notiz vom 23. Dezember 1963,12 Ziff. 2).13 Doch sollte uns die Unvollständigkeit der schweizerischen Stellungnahme, wie uns scheint, nicht allzu sehr bekümmern. Wir könnten uns vorstellen, dass sich das Generalsekretariat mit dieser Antwort zufriedengäbe. Jedenfalls könnte dann vorerst dessen Reaktion abgewartet werden.
Indessen glauben wir nicht, dass ein Entscheid jetzt schon erforderlich ist. Der Generalsekretär braucht die erbetenen Angaben, wie er selbst ausführt, erst für Anfang Juni 1964. Wir ziehen es unter diesen Umständen vor, angesichts unserer grundsätzlichen Bedenken zunächst zu sehen, wie sich die Dinge weiter entwickeln und ob das Südafrika-Problem bis zum Sommer, angesichts anderer beunruhigender Entwicklungen im schwarzen Afrika, nicht vielleicht an Virulenz verliert. Es würde uns auch interessieren, von Ihnen gelegentlich zu vernehmen, wie sich andere Staaten zur neuen Aufforderung des Generalsekretärs stellen14 und welche davon eventuell auch ihrerseits einer klaren Antwort, die ihnen unter Umständen Verlegenheit bereiten könnte, aus dem Wege gehen. Sobald dies alles besser überblickbar ist, werden wir uns auch leichter zu einem Entschluss durchringen können. Ihre persönliche Auffassung zur Angelegenheit würde uns, ergänzend zu den sachlichen Informationen, die Sie uns noch beschaffen könnten, ebenfalls lebhaft interessieren.
- 1
- CH-BAR#E2210.5-02#1976/193#332* (Inf.IV.35), DDS, Bd. 23, Dok. 7. Dieses Schreiben wurde vom stv. Chef der Abteilung für politische Angelegenheiten, Raymond Probst, verfasst und vom Generalsekretär des EPD, Botschafter Pierre Micheli, unterzeichnet. Im Büro des schweizerischen Beobachters bei der UNO in New York wurde das Schreiben am 29. Januar 1964 von Botschafter Ernesto Thalmann und François de Ziegler visiert.↩
- 2
- Schreiben von Botschafter Thalmann an Botschafter Micheli vom 7. Januar 1964, CH-BAR#E2210.5-02#1976/193#332* (Inf.IV.35).↩
- 3
- Für die Note von UNO-Generalsekretär Sithu U Thant an den Vorsteher des EPD, Bundesrat Friedrich Traugott Wahlen, vom 30. Dezember 1963 und die Note von Generalsekretär U Thant an den liechtensteinischen Regierungschef Gerard Batliner vom 30. Dezember 1963 vgl. das Dossier CH-BAR#E2210.5-02#1976/193#332* (Inf.IV.35).↩
- 4
- Vgl. die Resolution Nr. 181 des Sicherheitsrats der UNO vom 7. August 1963, UN doc. S/RES/181.↩
- 5
- Vgl. die Resolution Nr. 182 des Sicherheitsrats der UNO vom 4. Dezember 1963, UN doc. S/RES/182.↩
- 6
- Zur Diskussion um die Befolgung der UNO-Sanktionen gegen Rhodesien vgl. QdD 15, Dok. 22, dodis.ch/31085. Zur Frage der Neutralität und inwiefern vom UNO-Sicherheitsrat beschlossene Sanktionen auch für Nicht-Mitgliedstaaten gelten, vgl. dodis.ch/31066, dodis.ch/31113 und dodis.ch/31111. Zu den UNO-Sanktionen gegen Südafrika vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 156, dodis.ch/31047.↩
- 7
- Zur Antwort von Bundesrat Wahlen auf die dringlichen kleinen Anfragen der Nationalräte Werner Schmid, Georges Borel und André Muret vgl. das Protokoll der 6. Sitzung des Nationalrats vom 6. Dezember 1963, S. 188–194 im Dossier CH-BAR#E1301#1960/51#463* (1.1). Vgl. dazu auch DDS, Bd. 22, Dok. 187, dodis.ch/30436 sowie dodis.ch/30444.↩
- 8
- Unter Punkt 3 der Resolution Nr. 181 des Sicherheitsrats der UNO vom 7. August 1963 heisst es: «[The Security Council] [s]olemnly calls upon all States to cease forthwith the sale and shipment of arms, ammunition of ail types and military vehicles to South Africa», vgl. UN doc. S/RES/181.↩
- 9
- Unter Punkt 5 der Resolution Nr. 182 des Sicherheitsrats der UNO vom 4. Dezember 1963 heisst es: «[The Security Council] [s]olemnly calls upon all States to cease forthwith the sale and shipment of equipment and materials for the manufacture and maintenance of arms and ammunition in South Africa», vgl. UN doc. S/RES/182.↩
- 10
- Für eine Übersicht über die Problematik des Kriegsmaterialexports vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 176, dodis.ch/31195.↩
- 11
- Handschriftliche Korrektur höchstwahrscheinlich von Botschaftsrat de Ziegler: 102.↩
- 12
- Notiz des stv. Abteilungschefs Probst vom 23. Dezember 1963 im Dossier CH-BAR#E2210.5-02#1976/193#332* (Inf.IV.35).↩
- 13
- Zur Frage der Ausweitung des Kriegsmaterialbegriffs vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 28, dodis.ch/31386 und Dok. 84, dodis.ch/31040, Anm. 6; die Antwort des Bundesrats vom 7. Oktober 1964 auf die Interpellation von Nationalrat Werner Schmid vom 9. Juni 1964, dodis.ch/31292 sowie das BR-Verhandlungsprot. der 64. Sitzung vom 18. September 1964 im Dossier CH-BAR#E1003#1994/26#5* (4.3).↩
- 14
- Zur sowjetischen Forderung an den UN-Sicherheitsrat, wirtschaftliche Sanktionen gegen Südafrika zu ergreifen, vgl. dodis.ch/31077.↩