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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 22, doc. 187
volume linkZürich/Locarno/Genève 2009
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1976/17#1080* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1976/17 257 | |
Dossier title | Ausfuhr von Kriegsmaterial aus der Schweiz nach Südafrika (1961–1963) | |
File reference archive | B.51.14.21.20 • Additional component: Südafrika |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2210.5-02#1976/193#331* | |
Old classification | CH-BAR E 2210.5-02(-)1976/193 8 | |
Dossier title | Afrique du Sud (1956–1963) | |
File reference archive | Inf.IV.35 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2200.178#1991/276#71* | |
Old classification | CH-BAR E 2200.178(-)1991/276 5 | |
Dossier title | Kriegsmaterial (1961–1976) | |
File reference archive | 335.0 • Additional component: Südafrika |
dodis.ch/30436 Interne Notiz des Politischen Departements1 Sistierung der Kriegsmaterialexporte nach Südafrika: Vorsprache des südafrikanischen Botschafters beim Chef des Politischen Departements
Botschafter Taljaard wird auf seinen Wunsch hin am 11. Dezember vom Chef des Politischen Departements2 empfangen. Zweck der Vorsprache sind die Erklärungen von Bundesrat Wahlen vor dem Nationalrat über die Kriegsmaterialexporte nach Südafrika3. Die Ausführungen des bundesrätlichen Sprechers seien für den Botschafter eine Überraschung gewesen. Herr Wahlen habe ihm noch unlängst dargelegt, dass neue Kriegsmaterial-Exportgesuche nach Südafrika von Fall zu Fall im Lichte der bestehenden Lage geprüft würden. In der Erklärung vor dem Nationalrat sei nun aber offenbar aus Gründen der Staatsräson die weniger elastische Formulierung verwendet worden, dass solche Ausfuhren in der heutigen Situation überhaupt nicht mehr bewilligt werden könnten. Nun sei jedoch kaum zu hoffen, dass sich die Lage angesichts der verschärften internationalen Agitation in absehbarer Zeit wandeln könnte.
Bundesrat Wahlen versichert dem Botschafter zunächst, dass es bei uns an Verständnis für die schwierige Lage Südafrikas keineswegs fehle. Südafrika müsse aber seinerseits die Gründe verstehen, aus denen sich die Schweiz genötigt sehe, unter den obwaltenden Umständen auch die Wahrung ihrer eigenen Interessen im Auge zu behalten. Die Apartheid-Frage ist heute in der Welt zweifellos von einer Emotionalität umgeben, die über das vernünftige Mass hinausgeht. Unser Land kann, so unerfreulich die Entwicklung ist, nicht umhin, der Haltung, die die Staatengemeinschaft allgemein einnimmt, seinerseits Rechnung zu tragen. Verschiedene UNO-Mitgliedstaaten haben uns wegen der Kriegsmateriallieferungen nach Südafrika Protestnoten zugestellt4. Wir werden allgemein kritisiert. Auch in der schweizerischen öffentlichen Meinung haben die Exporte grosses Unbehagen hervorgerufen. Wir können nicht einfach darüber hinwegsehen. Die Schweiz ist als Land des Friedens und des Ausgleichs bekannt. Sie hat in Bezug auf die Restriktion des Kriegsmaterialexportes nur das getan, was auch die nächsten Freunde Südafrikas schon vorher taten. Botschafter Taljaards Einwand, wir seien in unseren Einschränkungen weiter gegangen als beispielsweise die USA, Grossbritannien und Frankreich, die den Vollzug alter Bestellungen noch zuliessen, beantwortet der Departementschef mit dem Hinweis auf unser System der doppelten Bewilligung, zunächst für die Fabrikation und sodann nochmals für die Ausfuhr, wobei die zweite von der ersten in keiner Weise präjudiziert werde. Dieses System soll es – wie auch Botschafter Micheli präzisiert – ermöglichen, sich einer veränderten Lage anzupassen. Im Falle der nun sistierten Lieferungen waren erst Fabrikations-, aber noch keine Exportbewilligungen erteilt worden. Die von Herrn Taljaard genannten Staaten haben im übrigen der neuen, bedeutend schärferen Resolution, die der Sicherheitsrat inzwischen gefasst hat, ebenfalls zugestimmt. Die Haltung eines ständig neutralen Staates wie der Schweiz lässt sich zudem grundsätzlich mit jener von Grossmächten wie Amerika, England oder Frankreich nicht ohne weiteres vergleichen.
Botschafter Taljaard insistiert nicht weiter. Südafrika werde sich nun wohl genötigt sehen, eine eigene Rüstungsindustrie aufzubauen. Er gibt der Hoffnung Ausdruck, dass die Schweiz, im Gegensatz zur UNO, keinen doppelten Standard anwenden und gegenüber den afrikanischen Staaten, die Südafrika offen mit Gewalt bedrohen, entsprechende Einschränkungen anordnen werde. Es würde in Südafrika nicht verstanden, wenn die fraglichen Länder Waffen aus der Schweiz beziehen könnten.
Bundesrat Wahlen bestätigt, dass wir nicht daran denken, solche Länder mit Kriegsmaterial schweizerischer Herkunft zu versehen. Er erinnert an das schon vor längerer Zeit unter ähnlichen Umständen erlassene und weiterhin gültige Waffenembargo des Bundesrates in Bezug auf Israel und die arabischen Staaten5. – Der Unterzeichnete fügt bei, dass uns zurzeit keinerlei Waffenbestellungen afrikanischer Staaten in der Schweiz bekannt sind.
Herr Taljaard ist im weiteren über das Schreiben, das die Sozialdemokratische Partei wegen der Waffenexporte nach Südafrika an den Bundesrat richtete und worin Südafrika heftig attackiert wird6, betroffen. Er will sich nicht in schweizerische Interna einmischen, ist darüber aber doch, namentlich angesichts des Umstandes, dass der Brief von einer an der Regierungskoalition beteiligten Partei stammt, peinlich berührt.
Bundesrat Wahlen teilt die Gefühle des Botschafters. Auch den Bundesrat hat das Vorgehen der Partei, besonders die Veröffentlichung des Schreibens, unangenehm überrascht. Der Brief wurde übrigens vom Bundesrat nicht substanziell beantwortet. Der Artikel Nationalrat Bretschers über diese Episode in der NZZ7 entspricht durchaus unseren Gefühlen. – Im übrigen geht der Departementschef mit der Ansicht des Botschafters einig, dass die Angelegenheit von der Firma Bührle publizistisch wenig diskret und wohl auch recht unklug gehandhabt worden sei8.
Im Verlaufe des weiteren Gesprächs bemüht sich Botschafter Taljaard, den wahren Sinn der südafrikanischen Apartheid-Politik zu erläutern. Sie werde im Ausland oft missverstanden. Südafrika schwebe in Wirklichkeit eine Art mehrrassigen südafrikanischen Commonwealth vor, worin jede Rasse in eigenen Bundesstaaten zusammengefasst wäre. Transkei, wo soeben Wahlen stattfanden, sei ein erstes Beispiel dafür. Aber auch gegen diese Lösung liefen die schwarzen Afrikaner Sturm. Was sie wollten, sei, die weisse Nation Südafrika, die sie als Dorn in ihrem Fleische empfänden, zu eliminieren. Die Südafrikaner ihrerseits könnten und wollten nicht in einem von Schwarzen dominierten Staate leben. Die Völker des schwarzen Afrika verbänden den weissen Mann automatisch mit der Vorstellung des Kolonialismus, wobei sie vergässen, dass die weissen Südafrikaner zu den grössten Opfern des britischen Kolonialismus gehören und ihn besonders heftig bekämpft hätten. Es gebe keinen Staat, der für die Schwarzen so viel getan habe wie Südafrika. – Die südafrikanische Nation hat in den dreieinhalb Jahrhunderten ihrer Existenz nie ein leichtes Schicksal gehabt und sei oft am Rande des Abgrunds gestanden. Doch hat sie sich immer wieder behauptet. Südafrika, das einen starken wirtschaftlichen Aufschwung verzeichnet, vertraut darauf, auch diesmal zu bestehen.
- 1
- Lettre: E 2001(E)1976/17/257. Paraphe: PO. Diese Notiz wurde von R. Probst verfasst und unterzeichnet.↩
- 3
- Sitzung vom 6. Dezember 1963. Vgl. E 1301(-)1960/51/463.Diese Erklärungen wurden nicht im Sten. Bull. veröffentlicht. Zu diesen Erklärungen vgl. auch das Schreiben von Probst an F. Kappeler vom 11. Dezember 1963 (dodis.ch/30444).↩
- 4
- Unter anderem Algerien, Mali, Marokko, Obervolta, Senegal, Syrien, Tunesien oder die Vereinigte Arabischen Republik. Vgl. E 2001(E)1976/17/257.↩
- 5
- Vgl. DDS, Bd. 22, Dok. 87, dodis.ch/30561.↩
- 6
- Vgl. das Schreiben von F. Grütter und J. Riesen an den Bundesrat vom 26. November 1963, nicht abgedruckt.↩
- 7
- Vgl. den Artikel Zur Kritik an einer Waffenausfuhr von W. Bretscher, Neue Zürcher Zeitung vom 6. Dezember 1963, nicht abgedruckt.↩
- 8
- Am 19. Dezember wurden D. Bührle und P. L. Burckhardt von Wahlen empfangen. Vgl. die Notiz von Probst vom 23. Dezember 1963 (dodis.ch/30437).↩
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