Entscheid des Bundesrates, Israel und Transjordanien de jure anzuerkennen.
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 17, doc. 111
volume linkZürich/Locarno/Genève 1999
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#502* |
Old classification | CH-BAR E 1004.1(-)1000/9 501 |
Dossier title | Beschlussprotokolle des Bundesrates Januar 1949 (1949–1949) |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1967/113#2135* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1967/113 155 | |
Dossier title | Anerkennung des Staates Israel (1948–1951) | |
File reference archive | B.15.11 • Additional component: Israel |
dodis.ch/3028
BUNDESRAT
Protokoll der Sitzung vom 25. Januar 19491
152. ANERKENNUNG DES STAATES ISRAEL
Protokoll der Sitzung vom 25. Januar 19491
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 23. Juli 1948 beschlossen, den Entscheid über die Anerkennung des Staates Israel zurückzustellen2. Völkerrechtlich bestanden schon damals keine zwingenden Bedenken gegen die Anerkennung. Aus politischen Erwägungen war jedoch Zurückhaltung geboten, weil frühzeitige Anerkennung eines um seine Existenz kämpfenden Staates von seinen Gegnern mit Recht als Begünstigung, als Einmischung in den Kampf, betrachtet wird und bewährter schweizerischer Praxis widerspricht.
Seither hat sich der Staat Israel stark gefestigt. Sämtliche arabische Staaten, die ernsthaft versuchten, ihn mit Waffengewalt niederzuwerfen, wurden geschlagen, und das israelitische Heer war sogar stark genug, umfangreiche Gebiete zu besetzen, die im Teilungsbeschluss der Vereinigten Nationen3 den Arabern zugesprochen worden waren.
Völkerrechtlich ist eine wesentliche Änderung eingetreten, indem Libanon dieser Tage mit Israel einen Waffenstillstandsvertrag abgeschlossen hat, und Ägypten in Rhodos darüber verhandelt. Es verlautet, dass diese Besprechungen günstig verlaufen. Transjordanien seinerseits soll bereits vor einiger Zeit einen Geheimvertrag mit Israel abgeschlossen haben, der zur praktisch vollständigen Einstellung der Feindseligkeiten führte4. Das bedeutet implicite die Anerkennung Israels, und die arabischen Staaten haben keinen Grund mehr, dies als völkerrechtswidrig und als unfreundlichen Akt zu bezeichnen.
Auch politisch hat sich die Stellung Israels verstärkt. Beinahe 20 Staaten haben es anerkannt, die allerdings fast ausschliesslich der amerikanischen oder der russischen Mächtegruppe angehören. Wichtig für uns ist jedoch, dass sich vor wenigen Tagen Frankreich unter gewissen Vorbehalten zu diesem Schritt entschlossen hat, und dass gemäss einem vertraulichen Telegramm unserer Gesandtschaft in London auch Grossbritannien bereit scheint, dies in den nächsten zwei Wochen zu tun5.
Trotzdem müssen die Rückwirkungen einer allfälligen Anerkennung Israels auf unsere ca. 1500 Personen umfassende Kolonie in Ägypten und auf den schweizerischen Handel mit den arabischen Staaten sorgfältig geprüft werden. Die Schweizerische Gesandtschaft in Kairo wurde deshalb beauftragt, die ägyptische Reaktion auf das französische Vorgehen genau zu verfolgen, darüber zu berichten und auch zu sondieren, wie ein ähnlicher schweizerischer Schritt aufgenommen würde6.
Sofern diese Nachrichten nicht allzu ungünstig ausfallen, dürfte der Moment für die Anerkennung Israels durch die Schweiz schon bald gekommen sein. Es scheint angezeigt, den günstigen Abschluss der ägyptisch-israelitischen Waffenstillstandsverhandlungen oder aber die Anerkennung durch andere westeuropäische Staaten abzuwarten, damit der schweizerische Entscheid wohlbegründet und nicht allzu auffällig sei. Ist aber eine dieser Voraussetzungen erfüllt, so wäre es richtig, nicht länger zuzuwarten, sondern rasch zu handeln. Deshalb ist es angezeigt, dass das Politische Departement im Sinne dieser Erwägungen ermächtigt wird, Israel zum gegebenen Zeitpunkt im Namen des Bundesrates anzuerkennen.
Die direkten schweizerischen Interessen in Palästina sind nicht sehr beträchtlich. Nach den letzten Meldungen befinden sich dort ungefähr 250 Schweizerbürger, von denen aber etwa 220 Juden sind und jetzt als Doppelbürger betrachtet werden müssen. Immerhin ist es angebracht, schon jetzt Vorkehren für den Schutz dieser Interessen zu treffen. Es wurde deshalb dem Vertreter der provisorischen Regierung Israels beim europäischen Sitz der UNO, mit dem wir inoffiziell in Kontakt stehen vorgeschlagen, das Israelitische Aussenministerium möge ein neues Gesuch um Anerkennung an den Bundesrat richten7. In diesem Schreiben würde es folgende Verpflichtungen übernehmen:
Le Gouvernement provisoire d’Israël accordera, sous réserve de réciprocité, le traitement de la nation la plus favorisée aux représentants diplomatiques et consulaires suisses en Israël.
Les ressortissants suisses seront traités en tous points sur un pied d’égalité avec les ressortissants de la nation la plus favorisée et notamment en ce qui concerne l’entrée et la sortie du territoire israëlien, le séjour et l’établissement, l’exercice de leur métier ou profession, l’exploitation et le développement de leurs entreprises commerciales, industrielles ou agricoles, le commerce licite, la protection de leur personne et de leurs biens, l’indemnisation pour les réquisitions, contributions militaires, dommages de guerre et mesures d’expropriation, etc.
Der Vertreter Israels hat sich bereit erklärt, dies seiner Regierung zu empfehlen. Wir werden also eine Anfrage des Aussenministeriums von Tel-Aviv abwarten und, sofern die übrigen Voraussetzungen gegeben sind, von seinen Erklärungen Kenntnis nehmen und die Anerkennung aussprechen können8.
Diese Anerkennung würde übrigens auch die Einladung Israels an die Diplomatische Konferenz für die Ausarbeitung internationaler Abkommen zum Schutze der Kriegsopfer in Genf wie auch den Kontakt mit der israelitischen Delegation erleichtern9.
Es empfiehlt sich, gleichzeitig mit Israel auch Transjordanien anzuerkennen10. Dieser Staat wurde 1922 von Grossbritannien als halbabhängiges Gebilde geschaffen und hat 1946 seine Unabhängigkeit erlangt. Es ist Mitglied der Arabischen Union, weshalb seine Anerkennung trotz der bekannten Zwistigkeiten mit Ägypten keine unangenehmen Reaktionen seitens der anderen arabischen Staaten hervorrufen dürfte.
Gestützt hierauf wird das Politische Departement ermächtigt, im Sinne dieser Erwägungen zu gegebener Zeit den Staat Israel sowie Transjordanien im Namen des Bundesrates anzuerkennen11.
- 1
- E 1004.1(-)-/1/501.↩
- 2
- Vgl. das BR-Prot. Nr. 1759 vom 23. Juli 1948, E 1004.1(-)-/1/496.↩
- 5
- Vgl. das Telegramm der schweizerischen Gesandtschaft in London an die Abteilung für Politische Angelegenheiten des EPD vom 20. Januar 1949, E 2200.40(-)-/65/2.↩
- 6
- Vgl. das Telegramm der Abteilung für Politische Angelegenheiten des EPD an die schweizerische Gesandtschaft in Kairo vom 4. Februar 1949, E 2001(E)1967/113/155.Zur Reaktion Ägyptens auf die Anerkennung Israels durch die Schweiz vgl. die Démarche der ägyptischen Gesandtschaft in Bern beim EPD vom 4. Februar 1949, ebd. Zu den weiteren Reaktionen Ägyptens vgl. E 2200.39(-)1971/34/5.↩
- 8
- Am 28. Januar 1949 empfing M. Petitpierre M. Kahany in Bern und teilte ihm die De-facto-Anerkennung Israels durch die Schweiz mit. Vgl. das bestätigende Telegramm von M. Petitpierre an M. Shertok (auch Sharett geschrieben) vom 29. Januar 1949, E 2001(E)1967/113/ 155 (dodis.ch/6422). Zur Rolle von M. Kahany bei der Anerkennung Israels durch die Schweiz vgl. das Schreiben von H. de Torrenté an A. Zehnder vom 2. Februar 1949, E 2200.40 (-)-/65/2.Zur Unterscheidung zwischen Anerkennung de facto und de jure vgl. die Notiz von D. Robert vom 26. Januar 1949, E 2001(E)1967/113/155.Ursprünglich hatte der BR beabsichtigt, Israel von Anfang an de iure anzuerkennen, vgl. dazu die Notiz von A. Zehnder vom 28. Januar 1949 über sein Gespräch mit M. Kahany, ebd. Vgl. auch die Notiz von J.- A. Cuttat vom 29. Januar 1949, ebd. Die israelische Regierung antwortete auf die von der Schweiz verlangten Garantien positiv im Schreiben von M. Kahany an M. Petitpierre vom 30. Januar 1949, ebd. (dodis.ch/6421).↩
- 9
- Es handelt sich um die Genfer Konferenz zum Schutz der Kriegsopfer vom 21. April bis zum 12. August 1949, vgl. E 2001(E)1967/113/874.↩
- 10
- Zum Versuch, die Anerkennung Transjordaniens als bereits erfolgt darzustellen, vgl. das Schreiben von A. Zehnder an H. de Torrenté vom 5. Januar 1949, E 2200.40(-)-/65/2 (dodis.ch/3940).↩
- 11
- Die De-jure-Anerkennung Israels durch die Schweiz erfolgte durch Glückwunschtelegramm von M. Petitpierre an M. Shertok (auch Sharett geschrieben) vom 18. März 1949, E 2001(E)1967/113/155 (dodis.ch/6420).M. Petitpierre übermittelte in diesem Telegramm Glückwünsche zur Wahl Ch. Weizmanns als Staatspräsident und zur Konstituierung der israelischen Regierung, vgl. dazu das Telegramm von M. Shertok an M. Petitpierre vom 14. März 1949, ebd. Vgl. auch die Beantwortung der Interpellation von W. Schmid vom 10. Juni 1948 durch M. Petitpierre am 24. März 1949, NR-Prot., E 1301(-)-/ I/390, S. 112–118. Die Anerkennung Transjordaniens erfolgte durch ein Telegramm von M. Petitpierre an Fawzi Pascha el-Mulqi vom 26. März 1949, E 2001(E)1972/33/78 (dodis.ch/6423). Zum Zusammenhang zwischen der Anerkennung Israels mit derjenigen Transjordaniens vgl. die Notiz von A. Fischli vom 3. Februar 1949, ebd. Zur unterschiedlichen Information der Öffentlichkeit über die Anerkennung der beiden Staaten vgl. die Notiz von A. Fischli vom 28. März 1949, ebd. (dodis.ch/4348).↩
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Questions concerning the Recognition of States
Jordan (General) Israel (Politics)